Aston, Louise: Aus dem Leben einer Frau. Hamburg, 1847."Sie wollen Carlsbad wirklich so bald verlassen?" fragte Stein gepreßt. "In einigen Tagen wird mich mein Gatte von hier abholen," erwiederte sie leise. "Und gehen Sie gern von hier? O verzeihen Sie diese unbescheidene Frage, gnädige Frau! Nicht wahr, Sie sehnen sich nach der Heimath, nach dem Familienleben! Wohl kann ich mir denken, wie Sie dort vermißt werden, welchen Segen Sie über Ihre Umgebungen verbreiten!" "Ich habe keine Heimath; ich kenne kein Familienleben," entgegnete sie tonlos; "überall stehe ich allein! deßhalb ist es mir gleichgültig, wo ich lebe! Vielleicht würde ich mich, wenn mir die Wahl freistünde, gerade für Carlsbad entscheiden; denn hier hatte meine Seele auf kurze Zeit eine Heimath gefunden!" Stein fühlte zu zart, um hierauf etwas zu erwiedern; er bemühte sich nur, den Trübsinn der Frau durch eine leichte Unterhaltung zu verscheuchen. Als er bemerkte, daß sie sich entfernen wolle, bat er sie innig um die Erlaubniß, sie in diesen Tagen noch öfter sehen zu „Sie wollen Carlsbad wirklich so bald verlassen?“ fragte Stein gepreßt. „In einigen Tagen wird mich mein Gatte von hier abholen,“ erwiederte sie leise. „Und gehen Sie gern von hier? O verzeihen Sie diese unbescheidene Frage, gnädige Frau! Nicht wahr, Sie sehnen sich nach der Heimath, nach dem Familienleben! Wohl kann ich mir denken, wie Sie dort vermißt werden, welchen Segen Sie über Ihre Umgebungen verbreiten!“ „Ich habe keine Heimath; ich kenne kein Familienleben,“ entgegnete sie tonlos; „überall stehe ich allein! deßhalb ist es mir gleichgültig, wo ich lebe! Vielleicht würde ich mich, wenn mir die Wahl freistünde, gerade für Carlsbad entscheiden; denn hier hatte meine Seele auf kurze Zeit eine Heimath gefunden!“ Stein fühlte zu zart, um hierauf etwas zu erwiedern; er bemühte sich nur, den Trübsinn der Frau durch eine leichte Unterhaltung zu verscheuchen. Als er bemerkte, daß sie sich entfernen wolle, bat er sie innig um die Erlaubniß, sie in diesen Tagen noch öfter sehen zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0088" n="76"/> <p>„Sie wollen Carlsbad wirklich so bald verlassen?“ fragte Stein gepreßt.</p> <p> „In einigen Tagen wird mich mein Gatte von hier abholen,“ erwiederte sie leise.</p> <p> „Und gehen Sie gern von hier? O verzeihen Sie diese unbescheidene Frage, gnädige Frau! Nicht wahr, Sie sehnen sich nach der Heimath, nach dem Familienleben! Wohl kann ich mir denken, <hi rendition="#g">wie</hi> Sie dort vermißt werden, welchen Segen Sie über Ihre Umgebungen verbreiten!“</p> <p> „Ich habe keine Heimath; ich kenne kein Familienleben,“ entgegnete sie tonlos; „überall stehe ich allein! deßhalb ist es mir gleichgültig, <hi rendition="#g">wo</hi> ich lebe! Vielleicht würde ich mich, wenn mir die Wahl freistünde, gerade für Carlsbad entscheiden; denn hier hatte meine Seele auf kurze Zeit eine Heimath gefunden!“</p> <p> Stein fühlte zu zart, um hierauf etwas zu erwiedern; er bemühte sich nur, den Trübsinn der Frau durch eine leichte Unterhaltung zu verscheuchen. Als er bemerkte, daß sie sich entfernen wolle, bat er sie innig um die Erlaubniß, sie in diesen Tagen noch öfter sehen zu </p> </div> </body> </text> </TEI> [76/0088]
„Sie wollen Carlsbad wirklich so bald verlassen?“ fragte Stein gepreßt.
„In einigen Tagen wird mich mein Gatte von hier abholen,“ erwiederte sie leise.
„Und gehen Sie gern von hier? O verzeihen Sie diese unbescheidene Frage, gnädige Frau! Nicht wahr, Sie sehnen sich nach der Heimath, nach dem Familienleben! Wohl kann ich mir denken, wie Sie dort vermißt werden, welchen Segen Sie über Ihre Umgebungen verbreiten!“
„Ich habe keine Heimath; ich kenne kein Familienleben,“ entgegnete sie tonlos; „überall stehe ich allein! deßhalb ist es mir gleichgültig, wo ich lebe! Vielleicht würde ich mich, wenn mir die Wahl freistünde, gerade für Carlsbad entscheiden; denn hier hatte meine Seele auf kurze Zeit eine Heimath gefunden!“
Stein fühlte zu zart, um hierauf etwas zu erwiedern; er bemühte sich nur, den Trübsinn der Frau durch eine leichte Unterhaltung zu verscheuchen. Als er bemerkte, daß sie sich entfernen wolle, bat er sie innig um die Erlaubniß, sie in diesen Tagen noch öfter sehen zu
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