Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Aston, Louise: Aus dem Leben einer Frau. Hamburg, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

dürfen, er wolle eine theure Erinnerung mit fortnehmen: dies zu gewähren, sei ihr so wenig, ihm so unendlich viel!

"Gern gewähre ich das," entgegnete sie lächelnd; "und damit Sie sehen, wie ernst es mir damit ist, bitte ich Sie, mit mir heute Nachmittag nach meinem Lieblingsplatz Schlackenwerth zu reiten!" Bei diesen Worten erhob sie sich, und ging auf ihren Salon zu. Hier wandte sie sich noch einmal um, und rief freundlich: "Bitte, Sie Unbekannter, Ihr Name?" -- "Eduard von Stein!" -- "Das klingt ja ritterlich genug; und erinnert an die ganze, reichsunmittelbare Romantik! Also auf Wiedersehen, mein lieber Ritter!" Der junge Mann sah ihr in stillem Entzücken nach. Diese Erscheinung übte eine Macht über ihn aus, der er sich nicht entziehen konnte. Gerade die liebenswürdige Kindlichkeit, vereinigt mit einem tiefsinnigen Zug, der Zauber einer seltenen Harmonie, der, alle Gegensätze versöhnend, über ihr ganzes Wesen ausgebreitet war, mußten einen Mann fesseln, den Denken und Leben in allen Widersprüchen herumgeworfen; der gerade nach einer

dürfen, er wolle eine theure Erinnerung mit fortnehmen: dies zu gewähren, sei ihr so wenig, ihm so unendlich viel!

„Gern gewähre ich das,“ entgegnete sie lächelnd; „und damit Sie sehen, wie ernst es mir damit ist, bitte ich Sie, mit mir heute Nachmittag nach meinem Lieblingsplatz Schlackenwerth zu reiten!“ Bei diesen Worten erhob sie sich, und ging auf ihren Salon zu. Hier wandte sie sich noch einmal um, und rief freundlich: „Bitte, Sie Unbekannter, Ihr Name?“ — „Eduard von Stein!“ — „Das klingt ja ritterlich genug; und erinnert an die ganze, reichsunmittelbare Romantik! Also auf Wiedersehen, mein lieber Ritter!“ Der junge Mann sah ihr in stillem Entzücken nach. Diese Erscheinung übte eine Macht über ihn aus, der er sich nicht entziehen konnte. Gerade die liebenswürdige Kindlichkeit, vereinigt mit einem tiefsinnigen Zug, der Zauber einer seltenen Harmonie, der, alle Gegensätze versöhnend, über ihr ganzes Wesen ausgebreitet war, mußten einen Mann fesseln, den Denken und Leben in allen Widersprüchen herumgeworfen; der gerade nach einer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0089" n="77"/>
dürfen, er wolle                     eine theure Erinnerung mit fortnehmen: dies zu gewähren, sei ihr so wenig, ihm                     so unendlich viel!</p>
        <p> &#x201E;Gern gewähre ich das,&#x201C; entgegnete sie lächelnd; &#x201E;und damit Sie sehen, wie ernst                     es mir damit ist, bitte ich Sie, mit mir heute Nachmittag nach meinem                     Lieblingsplatz <hi rendition="#g">Schlackenwerth</hi> zu reiten!&#x201C; Bei diesen Worten erhob sie sich, und                     ging auf ihren Salon zu. Hier wandte sie sich noch einmal um, und rief                     freundlich: &#x201E;Bitte, Sie Unbekannter, Ihr Name?&#x201C; &#x2014; &#x201E;Eduard von Stein!&#x201C; &#x2014; &#x201E;Das                     klingt ja ritterlich genug; und erinnert an die ganze, reichsunmittelbare                     Romantik! Also auf Wiedersehen, mein lieber Ritter!&#x201C; Der junge Mann sah ihr in                     stillem Entzücken nach. Diese Erscheinung übte eine Macht über ihn aus, der er                     sich nicht entziehen konnte. Gerade die liebenswürdige Kindlichkeit, vereinigt                     mit einem tiefsinnigen Zug, der Zauber einer seltenen Harmonie, der, alle                     Gegensätze versöhnend, über ihr ganzes Wesen ausgebreitet war, mußten einen Mann                     fesseln, den Denken und Leben in allen Widersprüchen herumgeworfen; der gerade                     nach einer
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0089] dürfen, er wolle eine theure Erinnerung mit fortnehmen: dies zu gewähren, sei ihr so wenig, ihm so unendlich viel! „Gern gewähre ich das,“ entgegnete sie lächelnd; „und damit Sie sehen, wie ernst es mir damit ist, bitte ich Sie, mit mir heute Nachmittag nach meinem Lieblingsplatz Schlackenwerth zu reiten!“ Bei diesen Worten erhob sie sich, und ging auf ihren Salon zu. Hier wandte sie sich noch einmal um, und rief freundlich: „Bitte, Sie Unbekannter, Ihr Name?“ — „Eduard von Stein!“ — „Das klingt ja ritterlich genug; und erinnert an die ganze, reichsunmittelbare Romantik! Also auf Wiedersehen, mein lieber Ritter!“ Der junge Mann sah ihr in stillem Entzücken nach. Diese Erscheinung übte eine Macht über ihn aus, der er sich nicht entziehen konnte. Gerade die liebenswürdige Kindlichkeit, vereinigt mit einem tiefsinnigen Zug, der Zauber einer seltenen Harmonie, der, alle Gegensätze versöhnend, über ihr ganzes Wesen ausgebreitet war, mußten einen Mann fesseln, den Denken und Leben in allen Widersprüchen herumgeworfen; der gerade nach einer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sophie - A Digital Library of Works by German-Speaking Women: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax von "Sophie". (2013-03-13T15:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Heinrich Heine Universität Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-03-13T15:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-03-13T15:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Wird ein Wort durch einen Seitenumbruch getrennt, so wird es vollständig auf der vorhergehenden Seite übernommen.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Der Zeilenfall wurde aufgehoben, die Absätze beibehalten.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/aston_leben_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/aston_leben_1847/89
Zitationshilfe: Aston, Louise: Aus dem Leben einer Frau. Hamburg, 1847, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/aston_leben_1847/89>, abgerufen am 24.11.2024.