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Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Ein Ehrenmann, wie ich, braucht sich eigentlich gar nicht zu vertheidigen. Ich bin seit fünfzehn Jahren Waisenpfleger und habe für die Waisen gesorgt wie ein Vater und nie auf meinen Vortheil gesehen. --

Diethelm hielt plötzlich mit einem Schrei inne, denn von der Höhe senkte sich eine Flamme und brannte ihm ins Gesicht.

Was macht Ihr? schrie er plötzlich laut und fuhr weit zurück, sank auf den Boden und starrte' drein als sähe er ein Gespenst.

Was macht Ihr? schrie er nochmals.

Der Richter sprang schnell von seinem Stuhle auf, faßte Diethelm an der Schulter und fragte mit gebieterischem Tone:

Habt Ihr mit solch einer Kerze das Haus angezündet?

Ich weiß nicht, was Ihr wollt! Ist das erlaubt? Ich will das zu Protocoll genommen. Darf man mich brennen? schrie Diethelm sich aufrichtend.

Der Richter befahl dem Kanzleidiener, die Kerze, die Diethelm beim raschen Aufstehen von dem Wandleuchter gestoßen, wieder aufzustecken, und gebot Diethelm, ruhig auf seinem Stuhl zu bleiben und sein Handfuchteln zu lassen.

Sich am Stuhle aufrichtend, setzte sich Diethelm auf denselben und athmete laut.

Warum seid Ihr wegen der Kerze so erschrocken, fragte der Richter nochmals, rasch und nahe auf Diethelm zutretend und die Hand gegen ihn ausstreckend.

Nur gemach, nur gemach, wehrte Diethelm ab; sind Sie vielleicht feuerfest, Herr Amtsverweser? Thut's Ihnen nicht weh, wenn Ihnen ein Licht ins Gesicht brennt und noch dazu den Tag, nachdem so ein Unglück über Sie kommen ist, und man jedem Licht bös ist, weil es so was anrichten kann? Sie können, nein, beim Teufel, Sie müssen mich frei sprechen, Herr Amtsverweser, aber die Schande, daß ich eingesperrt gewesen bin, ich, der Diethelm von Buchenberg, und die Qualen, die man mir anthut, die könnet Ihr mir nicht wieder gut machen. Mich tröstet nur eins: ich bin zu stolz gewesen, ich

Ein Ehrenmann, wie ich, braucht sich eigentlich gar nicht zu vertheidigen. Ich bin seit fünfzehn Jahren Waisenpfleger und habe für die Waisen gesorgt wie ein Vater und nie auf meinen Vortheil gesehen. —

Diethelm hielt plötzlich mit einem Schrei inne, denn von der Höhe senkte sich eine Flamme und brannte ihm ins Gesicht.

Was macht Ihr? schrie er plötzlich laut und fuhr weit zurück, sank auf den Boden und starrte' drein als sähe er ein Gespenst.

Was macht Ihr? schrie er nochmals.

Der Richter sprang schnell von seinem Stuhle auf, faßte Diethelm an der Schulter und fragte mit gebieterischem Tone:

Habt Ihr mit solch einer Kerze das Haus angezündet?

Ich weiß nicht, was Ihr wollt! Ist das erlaubt? Ich will das zu Protocoll genommen. Darf man mich brennen? schrie Diethelm sich aufrichtend.

Der Richter befahl dem Kanzleidiener, die Kerze, die Diethelm beim raschen Aufstehen von dem Wandleuchter gestoßen, wieder aufzustecken, und gebot Diethelm, ruhig auf seinem Stuhl zu bleiben und sein Handfuchteln zu lassen.

Sich am Stuhle aufrichtend, setzte sich Diethelm auf denselben und athmete laut.

Warum seid Ihr wegen der Kerze so erschrocken, fragte der Richter nochmals, rasch und nahe auf Diethelm zutretend und die Hand gegen ihn ausstreckend.

Nur gemach, nur gemach, wehrte Diethelm ab; sind Sie vielleicht feuerfest, Herr Amtsverweser? Thut's Ihnen nicht weh, wenn Ihnen ein Licht ins Gesicht brennt und noch dazu den Tag, nachdem so ein Unglück über Sie kommen ist, und man jedem Licht bös ist, weil es so was anrichten kann? Sie können, nein, beim Teufel, Sie müssen mich frei sprechen, Herr Amtsverweser, aber die Schande, daß ich eingesperrt gewesen bin, ich, der Diethelm von Buchenberg, und die Qualen, die man mir anthut, die könnet Ihr mir nicht wieder gut machen. Mich tröstet nur eins: ich bin zu stolz gewesen, ich

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[0128] Ein Ehrenmann, wie ich, braucht sich eigentlich gar nicht zu vertheidigen. Ich bin seit fünfzehn Jahren Waisenpfleger und habe für die Waisen gesorgt wie ein Vater und nie auf meinen Vortheil gesehen. — Diethelm hielt plötzlich mit einem Schrei inne, denn von der Höhe senkte sich eine Flamme und brannte ihm ins Gesicht. Was macht Ihr? schrie er plötzlich laut und fuhr weit zurück, sank auf den Boden und starrte' drein als sähe er ein Gespenst. Was macht Ihr? schrie er nochmals. Der Richter sprang schnell von seinem Stuhle auf, faßte Diethelm an der Schulter und fragte mit gebieterischem Tone: Habt Ihr mit solch einer Kerze das Haus angezündet? Ich weiß nicht, was Ihr wollt! Ist das erlaubt? Ich will das zu Protocoll genommen. Darf man mich brennen? schrie Diethelm sich aufrichtend. Der Richter befahl dem Kanzleidiener, die Kerze, die Diethelm beim raschen Aufstehen von dem Wandleuchter gestoßen, wieder aufzustecken, und gebot Diethelm, ruhig auf seinem Stuhl zu bleiben und sein Handfuchteln zu lassen. Sich am Stuhle aufrichtend, setzte sich Diethelm auf denselben und athmete laut. Warum seid Ihr wegen der Kerze so erschrocken, fragte der Richter nochmals, rasch und nahe auf Diethelm zutretend und die Hand gegen ihn ausstreckend. Nur gemach, nur gemach, wehrte Diethelm ab; sind Sie vielleicht feuerfest, Herr Amtsverweser? Thut's Ihnen nicht weh, wenn Ihnen ein Licht ins Gesicht brennt und noch dazu den Tag, nachdem so ein Unglück über Sie kommen ist, und man jedem Licht bös ist, weil es so was anrichten kann? Sie können, nein, beim Teufel, Sie müssen mich frei sprechen, Herr Amtsverweser, aber die Schande, daß ich eingesperrt gewesen bin, ich, der Diethelm von Buchenberg, und die Qualen, die man mir anthut, die könnet Ihr mir nicht wieder gut machen. Mich tröstet nur eins: ich bin zu stolz gewesen, ich

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Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/128>, abgerufen am 21.11.2024.