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Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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hab' mir auf meinen Ehrennamen vielleicht zu viel eingebildet, ich hab' gedemüthigt werden müssen; aber so viel weiß ich, so gut gegen die Menschen bin ich nicht mehr, wie ich gewesen bin. Fraget in Letzweiler nach mir, fraget überall nach mir, und man wird Euch sagen, wer der Diethelm ist. Ich soll geholfen haben anzünden? Ja, das Beste vergess' ich ja. Der Kastenverwalter da, und der Sonnenwirth und der Kaufmann Gäbler, die können mir alle bezeugen, daß sie mich überredet haben zu versichern, ich hab' nicht gewollt. Thut das ein Brandstifter? Thut das ein Mordbrenner?

Sprecht nur leiser, ermahnte der Richter und Diethelm fuhr fort:

Sie haben Recht, ja, aber ich möcht' laut schreien, daß es die ganze Welt hört, was man an mir thut. Jetzt will ich aber nicht mehr reden. Fragen Sie noch, was Sie zu fragen haben.

Der Richter stellte fast nur noch der Form wegen einige Nachforschungen an, dann fragte er Diethelm zuletzt, ob er in Bezug auf seine Haft noch etwas zu wünschen oder zu klagen habe. Diethelm erwiderte, daß er den Advocat Rothmann sich zum Rechtsbeistande nehmen wolle. Als der Richter hierauf entgegnete, daß dieser im Auftrage der Fahrnißversicherung sein Ankläger sei, schloß Diethelm:

Dann will ich gar keinen Advocaten. Ich hab' aber noch eine Bitt', ich schäm' mich fast sie zu sagen; man hat mir die Hosenträger genommen, damit ich mich nicht dran aufhänge, und ohne die Hosenträger ist mir's immer, als ob mir der Leib aus einander fallen thät'.

Der Richter klingelte dem Amtsdiener und befahl ihm, das Gewünschte Diethelm wieder zurück zu geben. Der Amtsdiener meldete leise etwas, und der Richter sagte:

Diethelm, Ihr könnt Eure Frau und Eure Tochter sehen, wenn Ihr versprecht, nichts von Eurer Anklage mit ihnen zu reden.

Diethelm versprach und blieb auf dem Stuhl sitzen. Mit scheuen Bücklingen trat Martha ein, Fränz aber drang

hab' mir auf meinen Ehrennamen vielleicht zu viel eingebildet, ich hab' gedemüthigt werden müssen; aber so viel weiß ich, so gut gegen die Menschen bin ich nicht mehr, wie ich gewesen bin. Fraget in Letzweiler nach mir, fraget überall nach mir, und man wird Euch sagen, wer der Diethelm ist. Ich soll geholfen haben anzünden? Ja, das Beste vergess' ich ja. Der Kastenverwalter da, und der Sonnenwirth und der Kaufmann Gäbler, die können mir alle bezeugen, daß sie mich überredet haben zu versichern, ich hab' nicht gewollt. Thut das ein Brandstifter? Thut das ein Mordbrenner?

Sprecht nur leiser, ermahnte der Richter und Diethelm fuhr fort:

Sie haben Recht, ja, aber ich möcht' laut schreien, daß es die ganze Welt hört, was man an mir thut. Jetzt will ich aber nicht mehr reden. Fragen Sie noch, was Sie zu fragen haben.

Der Richter stellte fast nur noch der Form wegen einige Nachforschungen an, dann fragte er Diethelm zuletzt, ob er in Bezug auf seine Haft noch etwas zu wünschen oder zu klagen habe. Diethelm erwiderte, daß er den Advocat Rothmann sich zum Rechtsbeistande nehmen wolle. Als der Richter hierauf entgegnete, daß dieser im Auftrage der Fahrnißversicherung sein Ankläger sei, schloß Diethelm:

Dann will ich gar keinen Advocaten. Ich hab' aber noch eine Bitt', ich schäm' mich fast sie zu sagen; man hat mir die Hosenträger genommen, damit ich mich nicht dran aufhänge, und ohne die Hosenträger ist mir's immer, als ob mir der Leib aus einander fallen thät'.

Der Richter klingelte dem Amtsdiener und befahl ihm, das Gewünschte Diethelm wieder zurück zu geben. Der Amtsdiener meldete leise etwas, und der Richter sagte:

Diethelm, Ihr könnt Eure Frau und Eure Tochter sehen, wenn Ihr versprecht, nichts von Eurer Anklage mit ihnen zu reden.

Diethelm versprach und blieb auf dem Stuhl sitzen. Mit scheuen Bücklingen trat Martha ein, Fränz aber drang

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[0129] hab' mir auf meinen Ehrennamen vielleicht zu viel eingebildet, ich hab' gedemüthigt werden müssen; aber so viel weiß ich, so gut gegen die Menschen bin ich nicht mehr, wie ich gewesen bin. Fraget in Letzweiler nach mir, fraget überall nach mir, und man wird Euch sagen, wer der Diethelm ist. Ich soll geholfen haben anzünden? Ja, das Beste vergess' ich ja. Der Kastenverwalter da, und der Sonnenwirth und der Kaufmann Gäbler, die können mir alle bezeugen, daß sie mich überredet haben zu versichern, ich hab' nicht gewollt. Thut das ein Brandstifter? Thut das ein Mordbrenner? Sprecht nur leiser, ermahnte der Richter und Diethelm fuhr fort: Sie haben Recht, ja, aber ich möcht' laut schreien, daß es die ganze Welt hört, was man an mir thut. Jetzt will ich aber nicht mehr reden. Fragen Sie noch, was Sie zu fragen haben. Der Richter stellte fast nur noch der Form wegen einige Nachforschungen an, dann fragte er Diethelm zuletzt, ob er in Bezug auf seine Haft noch etwas zu wünschen oder zu klagen habe. Diethelm erwiderte, daß er den Advocat Rothmann sich zum Rechtsbeistande nehmen wolle. Als der Richter hierauf entgegnete, daß dieser im Auftrage der Fahrnißversicherung sein Ankläger sei, schloß Diethelm: Dann will ich gar keinen Advocaten. Ich hab' aber noch eine Bitt', ich schäm' mich fast sie zu sagen; man hat mir die Hosenträger genommen, damit ich mich nicht dran aufhänge, und ohne die Hosenträger ist mir's immer, als ob mir der Leib aus einander fallen thät'. Der Richter klingelte dem Amtsdiener und befahl ihm, das Gewünschte Diethelm wieder zurück zu geben. Der Amtsdiener meldete leise etwas, und der Richter sagte: Diethelm, Ihr könnt Eure Frau und Eure Tochter sehen, wenn Ihr versprecht, nichts von Eurer Anklage mit ihnen zu reden. Diethelm versprach und blieb auf dem Stuhl sitzen. Mit scheuen Bücklingen trat Martha ein, Fränz aber drang

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Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/129>, abgerufen am 15.05.2024.