Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.seinem Bruder zukommt, er hat ihn ja immer so gern gehabt. Ueberdem war es Diethelm unerträglich, daß noch irgend ein Mensch außer dem altersschwachen Manne an seine Schuld glaubte. So lange noch ein solcher Mensch auf der Welt lebte, meinte er keine Ruhe zu finden. Munde hatte seinem Vater erzählt, wie zutraulich Diethelm gegen ihn auf dem Rathhaus gewesen. Ich weiß, was er vorhat, sagte der alte Schäferle, er will dir seine Fränz geben. Vater, was machet Ihr? rief Munde hochentflammt. Kannst dich drauf verlassen, fuhr der alte Schäferle gelassen fort, er will sich loskaufen. Munde mußte aber und abermals hören, wie unerschüttert der Vater an die Schuld Diethelm's glaubte, er wehrte sich mit aller Macht dagegen, aber der Vater blieb standhaft und sagte: Ob er Blutschuld auf sich hat, weiß ich nicht gewiß, aber so gewiß als der Himmel über uns ist und nichts auf der Welt verborgen bleibt, hat er mit angezündet. In alten Zeiten hat ein Bruder nicht geruht, bis er für das Blut seines Bruders Rache genommen hat. Kannst du hingehen und die Tochter von Dem heirathen? Nein. Weißt was, komm her, sagte der alte Schäferle aufstehend, und holte einen Rock aus dem Schranke, von jenen Kleidern, die ihm Medard zur Herbstzeit in der ersten Furcht übergeben hatte, da, komm her, zieh den Rock an und setz den Hut auf, und geh hin zum Diethelm und betracht dir ihn genau, was er macht. Du siehst dem Medard gleich, wie er vor Jahren ausgesehen hat, geh, mach's. Munde ließ sich nicht dazu bewegen, er faßte den weißen rothausgeschlagenen Rock des Bruders und weinte bittere Thränen darauf, indem er dem Vater erzählte, daß auch gegen ihn Medard den Verdacht ausgesprochen, und daß er mit einem Schlag ins Gesicht von ihm geschieden sei. Dieses Letzte besonders that ihm so weh, daß er so grimm zornig seinem Bruder zukommt, er hat ihn ja immer so gern gehabt. Ueberdem war es Diethelm unerträglich, daß noch irgend ein Mensch außer dem altersschwachen Manne an seine Schuld glaubte. So lange noch ein solcher Mensch auf der Welt lebte, meinte er keine Ruhe zu finden. Munde hatte seinem Vater erzählt, wie zutraulich Diethelm gegen ihn auf dem Rathhaus gewesen. Ich weiß, was er vorhat, sagte der alte Schäferle, er will dir seine Fränz geben. Vater, was machet Ihr? rief Munde hochentflammt. Kannst dich drauf verlassen, fuhr der alte Schäferle gelassen fort, er will sich loskaufen. Munde mußte aber und abermals hören, wie unerschüttert der Vater an die Schuld Diethelm's glaubte, er wehrte sich mit aller Macht dagegen, aber der Vater blieb standhaft und sagte: Ob er Blutschuld auf sich hat, weiß ich nicht gewiß, aber so gewiß als der Himmel über uns ist und nichts auf der Welt verborgen bleibt, hat er mit angezündet. In alten Zeiten hat ein Bruder nicht geruht, bis er für das Blut seines Bruders Rache genommen hat. Kannst du hingehen und die Tochter von Dem heirathen? Nein. Weißt was, komm her, sagte der alte Schäferle aufstehend, und holte einen Rock aus dem Schranke, von jenen Kleidern, die ihm Medard zur Herbstzeit in der ersten Furcht übergeben hatte, da, komm her, zieh den Rock an und setz den Hut auf, und geh hin zum Diethelm und betracht dir ihn genau, was er macht. Du siehst dem Medard gleich, wie er vor Jahren ausgesehen hat, geh, mach's. Munde ließ sich nicht dazu bewegen, er faßte den weißen rothausgeschlagenen Rock des Bruders und weinte bittere Thränen darauf, indem er dem Vater erzählte, daß auch gegen ihn Medard den Verdacht ausgesprochen, und daß er mit einem Schlag ins Gesicht von ihm geschieden sei. Dieses Letzte besonders that ihm so weh, daß er so grimm zornig <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="22"> <p><pb facs="#f0158"/> seinem Bruder zukommt, er hat ihn ja immer so gern gehabt. Ueberdem war es Diethelm unerträglich, daß noch irgend ein Mensch außer dem altersschwachen Manne an seine Schuld glaubte. 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Weißt was, komm her, sagte der alte Schäferle aufstehend, und holte einen Rock aus dem Schranke, von jenen Kleidern, die ihm Medard zur Herbstzeit in der ersten Furcht übergeben hatte, da, komm her, zieh den Rock an und setz den Hut auf, und geh hin zum Diethelm und betracht dir ihn genau, was er macht. Du siehst dem Medard gleich, wie er vor Jahren ausgesehen hat, geh, mach's.</p><lb/> <p>Munde ließ sich nicht dazu bewegen, er faßte den weißen rothausgeschlagenen Rock des Bruders und weinte bittere Thränen darauf, indem er dem Vater erzählte, daß auch gegen ihn Medard den Verdacht ausgesprochen, und daß er mit einem Schlag ins Gesicht von ihm geschieden sei. Dieses Letzte besonders that ihm so weh, daß er so grimm zornig<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0158]
seinem Bruder zukommt, er hat ihn ja immer so gern gehabt. Ueberdem war es Diethelm unerträglich, daß noch irgend ein Mensch außer dem altersschwachen Manne an seine Schuld glaubte. So lange noch ein solcher Mensch auf der Welt lebte, meinte er keine Ruhe zu finden.
Munde hatte seinem Vater erzählt, wie zutraulich Diethelm gegen ihn auf dem Rathhaus gewesen.
Ich weiß, was er vorhat, sagte der alte Schäferle, er will dir seine Fränz geben.
Vater, was machet Ihr? rief Munde hochentflammt.
Kannst dich drauf verlassen, fuhr der alte Schäferle gelassen fort, er will sich loskaufen.
Munde mußte aber und abermals hören, wie unerschüttert der Vater an die Schuld Diethelm's glaubte, er wehrte sich mit aller Macht dagegen, aber der Vater blieb standhaft und sagte:
Ob er Blutschuld auf sich hat, weiß ich nicht gewiß, aber so gewiß als der Himmel über uns ist und nichts auf der Welt verborgen bleibt, hat er mit angezündet. In alten Zeiten hat ein Bruder nicht geruht, bis er für das Blut seines Bruders Rache genommen hat. Kannst du hingehen und die Tochter von Dem heirathen? Nein. Weißt was, komm her, sagte der alte Schäferle aufstehend, und holte einen Rock aus dem Schranke, von jenen Kleidern, die ihm Medard zur Herbstzeit in der ersten Furcht übergeben hatte, da, komm her, zieh den Rock an und setz den Hut auf, und geh hin zum Diethelm und betracht dir ihn genau, was er macht. Du siehst dem Medard gleich, wie er vor Jahren ausgesehen hat, geh, mach's.
Munde ließ sich nicht dazu bewegen, er faßte den weißen rothausgeschlagenen Rock des Bruders und weinte bittere Thränen darauf, indem er dem Vater erzählte, daß auch gegen ihn Medard den Verdacht ausgesprochen, und daß er mit einem Schlag ins Gesicht von ihm geschieden sei. Dieses Letzte besonders that ihm so weh, daß er so grimm zornig
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