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Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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nur zum Schein geschehe, forschte sie auch hier den Täuschungen nach und glaubte solche immer mehr zu finden. Dennoch war sie bereits so sehr im Bannkreise des jungen Priesters, daß sie ihm reuig und zerknirscht diese ihre Sünde offen beichtete, aber die Mahnung, ihre Eitelkeit zu besiegen, machte sie stumm und im Innersten widerspenstig, zumal diese Aufforderung gerade mit der Ehre zusammentraf, die ihrem Vater durch die Fürstin von ** geworden war.

Die Leichtigkeit, mit der sich ein Verhältniß im Badeleben knüpft, zeigt sich auch im Lösen desselben. Fränz hatte immer mehr Abhaltungen, im Schatten der wilden Kastanien unter dem andächtigen Zuhörerkreise des Missionärs zu erscheinen. Wenn sie dorthin ging, hatte sie den stillen bescheidenen Gang und den niedergeschlagenen Blick, wenn sie aber bei den Musiken im Freien erschien, hatte sie, man kann fast sagen, etwas schäkernd Hüpfendes, wobei sie den Kopf in den Nacken warf.

Und diese letzte Haltung gewann die Oberhand, als der Priester bald geheilt im blumenbekränzten Wagen abreis'te.

Fränz wollte, rund heraus gesagt, sich hier einen Mann erobern.

Den Munde bei seinen Schafen hatte sie längst vergessen, ja, sie sah jetzt, daß er nie zu ihr gepaßt habe; aber hier that ihr die Wahl weh zwischen dem Rautenkranzsohn, der hier Kellner war, und dem Amtsverweser. Der Kellner war eine gutartige und heitere Erscheinung, aber es hatte doch etwas Abstoßendes, daß er hier Jedermann bediente und gegen alle Welt freundlich und unterwürfig sein mußte. Das behagte dem hoffährtigen Wesen der Fränz durchaus nicht. Wenn er ihr bei Tafel eine Schüssel reichte und dabei einige freundliche Worte sprach, schämte sie sich fast, ihm zu antworten; zwar erinnerte sie sich wieder, was er daheim zu bedeuten habe, und wie er mehr sei, als Viele, die er hier bediente; aber eben dieses Bedienen gefiel ihr nicht, und dann konnte der Kellner nie einen Spaziergang, wie viel

nur zum Schein geschehe, forschte sie auch hier den Täuschungen nach und glaubte solche immer mehr zu finden. Dennoch war sie bereits so sehr im Bannkreise des jungen Priesters, daß sie ihm reuig und zerknirscht diese ihre Sünde offen beichtete, aber die Mahnung, ihre Eitelkeit zu besiegen, machte sie stumm und im Innersten widerspenstig, zumal diese Aufforderung gerade mit der Ehre zusammentraf, die ihrem Vater durch die Fürstin von ** geworden war.

Die Leichtigkeit, mit der sich ein Verhältniß im Badeleben knüpft, zeigt sich auch im Lösen desselben. Fränz hatte immer mehr Abhaltungen, im Schatten der wilden Kastanien unter dem andächtigen Zuhörerkreise des Missionärs zu erscheinen. Wenn sie dorthin ging, hatte sie den stillen bescheidenen Gang und den niedergeschlagenen Blick, wenn sie aber bei den Musiken im Freien erschien, hatte sie, man kann fast sagen, etwas schäkernd Hüpfendes, wobei sie den Kopf in den Nacken warf.

Und diese letzte Haltung gewann die Oberhand, als der Priester bald geheilt im blumenbekränzten Wagen abreis'te.

Fränz wollte, rund heraus gesagt, sich hier einen Mann erobern.

Den Munde bei seinen Schafen hatte sie längst vergessen, ja, sie sah jetzt, daß er nie zu ihr gepaßt habe; aber hier that ihr die Wahl weh zwischen dem Rautenkranzsohn, der hier Kellner war, und dem Amtsverweser. Der Kellner war eine gutartige und heitere Erscheinung, aber es hatte doch etwas Abstoßendes, daß er hier Jedermann bediente und gegen alle Welt freundlich und unterwürfig sein mußte. Das behagte dem hoffährtigen Wesen der Fränz durchaus nicht. Wenn er ihr bei Tafel eine Schüssel reichte und dabei einige freundliche Worte sprach, schämte sie sich fast, ihm zu antworten; zwar erinnerte sie sich wieder, was er daheim zu bedeuten habe, und wie er mehr sei, als Viele, die er hier bediente; aber eben dieses Bedienen gefiel ihr nicht, und dann konnte der Kellner nie einen Spaziergang, wie viel

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[0194] nur zum Schein geschehe, forschte sie auch hier den Täuschungen nach und glaubte solche immer mehr zu finden. Dennoch war sie bereits so sehr im Bannkreise des jungen Priesters, daß sie ihm reuig und zerknirscht diese ihre Sünde offen beichtete, aber die Mahnung, ihre Eitelkeit zu besiegen, machte sie stumm und im Innersten widerspenstig, zumal diese Aufforderung gerade mit der Ehre zusammentraf, die ihrem Vater durch die Fürstin von ** geworden war. Die Leichtigkeit, mit der sich ein Verhältniß im Badeleben knüpft, zeigt sich auch im Lösen desselben. Fränz hatte immer mehr Abhaltungen, im Schatten der wilden Kastanien unter dem andächtigen Zuhörerkreise des Missionärs zu erscheinen. Wenn sie dorthin ging, hatte sie den stillen bescheidenen Gang und den niedergeschlagenen Blick, wenn sie aber bei den Musiken im Freien erschien, hatte sie, man kann fast sagen, etwas schäkernd Hüpfendes, wobei sie den Kopf in den Nacken warf. Und diese letzte Haltung gewann die Oberhand, als der Priester bald geheilt im blumenbekränzten Wagen abreis'te. Fränz wollte, rund heraus gesagt, sich hier einen Mann erobern. Den Munde bei seinen Schafen hatte sie längst vergessen, ja, sie sah jetzt, daß er nie zu ihr gepaßt habe; aber hier that ihr die Wahl weh zwischen dem Rautenkranzsohn, der hier Kellner war, und dem Amtsverweser. Der Kellner war eine gutartige und heitere Erscheinung, aber es hatte doch etwas Abstoßendes, daß er hier Jedermann bediente und gegen alle Welt freundlich und unterwürfig sein mußte. Das behagte dem hoffährtigen Wesen der Fränz durchaus nicht. Wenn er ihr bei Tafel eine Schüssel reichte und dabei einige freundliche Worte sprach, schämte sie sich fast, ihm zu antworten; zwar erinnerte sie sich wieder, was er daheim zu bedeuten habe, und wie er mehr sei, als Viele, die er hier bediente; aber eben dieses Bedienen gefiel ihr nicht, und dann konnte der Kellner nie einen Spaziergang, wie viel

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/194>, abgerufen am 15.05.2024.