Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

weniger eine Ausfahrt mitmachen, er mußte froh sein, wenn er eine Stunde von fünf bis sechs Nachmittags erübrigte, um an den Hauspfosten gelehnt eine Cigarre zu rauchen, die er schnell verbarg, wenn ein Gast kam. Dennoch hatte Fränz nicht recht den Muth, sich von ihm abzuwenden, ja sie dachte sich aus, wie Alles schon anders würde, wenn sie einmal ein eigenes Wirthshaus hätten. Der Amtsverweser war äußerst zurückhaltend, obgleich er mit an derselben Tafel speis'te; er schien mehreren Damen den Hof zu machen, die er oft auf Spaziergängen begleitete. Glücklicherweise aber -- man konnte nun nicht sagen, daß die Ansprache der Fürstin von ** daran schuld sei -- hatte der Amtsverweser sie und den Vater just den Tag vorher begleitet und viel mit Fränz gelacht; er setzte nun diese Annäherung mit großer Beständigkeit fort, überbrachte selbst die Einladung zum Kurhausball und schickte am Abend desselben den erlesensten Blumenstrauß, eine Aufmerksamkeit, mit der ihm jedoch der Rautenkranzsohn zuvorgekommen war. Es waren Beide wohl zu beachtende Bewerber. Der Rautenkranzsohn war jünger und farbiger, in seinem vollen wohlgekämmten braunen Haare sah man stets die frischen Furchen der Bürste und den weißen Scheitel, der Amtsverweser war blasser und mit einer avancirenden Glatze versehen. Fränz hielt die beiden Sträuße der Bewerber in der Hand und betrachtete sie lang, sie überlegte, welchem Strauß und welchem Geber sie den Vorzug gönnen solle, ihre Wangen glühten, sie war nicht dem Zufall ergeben genug, um eine Blume mit "Liebt mich" und "Liebt mich nicht" zu zerzupfen, sie überlegte, daß der Rautenkranzsohn allerdings seine Vorzüge hatte, er stand ihr näher, sie kannte seinen Lebenskreis genau und konnte sich frei darin bewegen, auch war er gut geartet und leicht zu beherrschen, nicht so sehr wie Munde, aber doch lenksam genug, und sie hatte sich's ja einst als schönstes Ziel gedacht, Frau Rautenwirthin zu werden; aber Frau Amtmännin und in Zukunft Frau Regierungsräthin -- das ist doch schöner, und ein Narr ist, wer das Höhere erreichen

weniger eine Ausfahrt mitmachen, er mußte froh sein, wenn er eine Stunde von fünf bis sechs Nachmittags erübrigte, um an den Hauspfosten gelehnt eine Cigarre zu rauchen, die er schnell verbarg, wenn ein Gast kam. Dennoch hatte Fränz nicht recht den Muth, sich von ihm abzuwenden, ja sie dachte sich aus, wie Alles schon anders würde, wenn sie einmal ein eigenes Wirthshaus hätten. Der Amtsverweser war äußerst zurückhaltend, obgleich er mit an derselben Tafel speis'te; er schien mehreren Damen den Hof zu machen, die er oft auf Spaziergängen begleitete. Glücklicherweise aber — man konnte nun nicht sagen, daß die Ansprache der Fürstin von ** daran schuld sei — hatte der Amtsverweser sie und den Vater just den Tag vorher begleitet und viel mit Fränz gelacht; er setzte nun diese Annäherung mit großer Beständigkeit fort, überbrachte selbst die Einladung zum Kurhausball und schickte am Abend desselben den erlesensten Blumenstrauß, eine Aufmerksamkeit, mit der ihm jedoch der Rautenkranzsohn zuvorgekommen war. Es waren Beide wohl zu beachtende Bewerber. Der Rautenkranzsohn war jünger und farbiger, in seinem vollen wohlgekämmten braunen Haare sah man stets die frischen Furchen der Bürste und den weißen Scheitel, der Amtsverweser war blasser und mit einer avancirenden Glatze versehen. Fränz hielt die beiden Sträuße der Bewerber in der Hand und betrachtete sie lang, sie überlegte, welchem Strauß und welchem Geber sie den Vorzug gönnen solle, ihre Wangen glühten, sie war nicht dem Zufall ergeben genug, um eine Blume mit „Liebt mich“ und „Liebt mich nicht“ zu zerzupfen, sie überlegte, daß der Rautenkranzsohn allerdings seine Vorzüge hatte, er stand ihr näher, sie kannte seinen Lebenskreis genau und konnte sich frei darin bewegen, auch war er gut geartet und leicht zu beherrschen, nicht so sehr wie Munde, aber doch lenksam genug, und sie hatte sich's ja einst als schönstes Ziel gedacht, Frau Rautenwirthin zu werden; aber Frau Amtmännin und in Zukunft Frau Regierungsräthin — das ist doch schöner, und ein Narr ist, wer das Höhere erreichen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="26">
        <p><pb facs="#f0195"/>
weniger eine                Ausfahrt mitmachen, er mußte froh sein, wenn er eine Stunde von fünf bis sechs                Nachmittags erübrigte, um an den Hauspfosten gelehnt eine Cigarre zu rauchen, die er                schnell verbarg, wenn ein Gast kam. Dennoch hatte Fränz nicht recht den Muth, sich                von ihm abzuwenden, ja sie dachte sich aus, wie Alles schon anders würde, wenn sie                einmal ein eigenes Wirthshaus hätten. Der Amtsverweser war äußerst zurückhaltend,                obgleich er mit an derselben Tafel speis'te; er schien mehreren Damen den Hof zu                machen, die er oft auf Spaziergängen begleitete. Glücklicherweise aber &#x2014; man konnte                nun nicht sagen, daß die Ansprache der Fürstin von ** daran schuld sei &#x2014; hatte der                Amtsverweser sie und den Vater just den Tag vorher begleitet und viel mit Fränz                gelacht; er setzte nun diese Annäherung mit großer Beständigkeit fort, überbrachte                selbst die Einladung zum Kurhausball und schickte am Abend desselben den erlesensten                Blumenstrauß, eine Aufmerksamkeit, mit der ihm jedoch der Rautenkranzsohn                zuvorgekommen war. Es waren Beide wohl zu beachtende Bewerber. Der Rautenkranzsohn                war jünger und farbiger, in seinem vollen wohlgekämmten braunen Haare sah man stets                die frischen Furchen der Bürste und den weißen Scheitel, der Amtsverweser war blasser                und mit einer avancirenden Glatze versehen. Fränz hielt die beiden Sträuße der                Bewerber in der Hand und betrachtete sie lang, sie überlegte, welchem Strauß und                welchem Geber sie den Vorzug gönnen solle, ihre Wangen glühten, sie war nicht dem                Zufall ergeben genug, um eine Blume mit &#x201E;Liebt mich&#x201C; und &#x201E;Liebt mich nicht&#x201C; zu                zerzupfen, sie überlegte, daß der Rautenkranzsohn allerdings seine Vorzüge hatte, er                stand ihr näher, sie kannte seinen Lebenskreis genau und konnte sich frei darin                bewegen, auch war er gut geartet und leicht zu beherrschen, nicht so sehr wie Munde,                aber doch lenksam genug, und sie hatte sich's ja einst als schönstes Ziel gedacht,                Frau Rautenwirthin zu werden; aber Frau Amtmännin und in Zukunft Frau                Regierungsräthin &#x2014; das ist doch schöner, und ein Narr ist, wer das Höhere erreichen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0195] weniger eine Ausfahrt mitmachen, er mußte froh sein, wenn er eine Stunde von fünf bis sechs Nachmittags erübrigte, um an den Hauspfosten gelehnt eine Cigarre zu rauchen, die er schnell verbarg, wenn ein Gast kam. Dennoch hatte Fränz nicht recht den Muth, sich von ihm abzuwenden, ja sie dachte sich aus, wie Alles schon anders würde, wenn sie einmal ein eigenes Wirthshaus hätten. Der Amtsverweser war äußerst zurückhaltend, obgleich er mit an derselben Tafel speis'te; er schien mehreren Damen den Hof zu machen, die er oft auf Spaziergängen begleitete. Glücklicherweise aber — man konnte nun nicht sagen, daß die Ansprache der Fürstin von ** daran schuld sei — hatte der Amtsverweser sie und den Vater just den Tag vorher begleitet und viel mit Fränz gelacht; er setzte nun diese Annäherung mit großer Beständigkeit fort, überbrachte selbst die Einladung zum Kurhausball und schickte am Abend desselben den erlesensten Blumenstrauß, eine Aufmerksamkeit, mit der ihm jedoch der Rautenkranzsohn zuvorgekommen war. Es waren Beide wohl zu beachtende Bewerber. Der Rautenkranzsohn war jünger und farbiger, in seinem vollen wohlgekämmten braunen Haare sah man stets die frischen Furchen der Bürste und den weißen Scheitel, der Amtsverweser war blasser und mit einer avancirenden Glatze versehen. Fränz hielt die beiden Sträuße der Bewerber in der Hand und betrachtete sie lang, sie überlegte, welchem Strauß und welchem Geber sie den Vorzug gönnen solle, ihre Wangen glühten, sie war nicht dem Zufall ergeben genug, um eine Blume mit „Liebt mich“ und „Liebt mich nicht“ zu zerzupfen, sie überlegte, daß der Rautenkranzsohn allerdings seine Vorzüge hatte, er stand ihr näher, sie kannte seinen Lebenskreis genau und konnte sich frei darin bewegen, auch war er gut geartet und leicht zu beherrschen, nicht so sehr wie Munde, aber doch lenksam genug, und sie hatte sich's ja einst als schönstes Ziel gedacht, Frau Rautenwirthin zu werden; aber Frau Amtmännin und in Zukunft Frau Regierungsräthin — das ist doch schöner, und ein Narr ist, wer das Höhere erreichen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:04:01Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: nicht gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/195
Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/195>, abgerufen am 04.12.2024.