Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.einem Bissen Brod, aber dies war den Schwurrichtern versagt, bevor sie ihr Amt vollendet. Diethelm fühlte seine Wangen brennen, ein Hungerfieber machte ihn zittern. Sich aufrichtend und mit gewaltiger Stimme las er die aufliegenden Anweisungen für die Geschworenen vor und leitete die Verhandlung. Auf dem Tische lagen die Acten des Verweisungserkenntnisses. Der Steinbauer sagte, man möge doch wenigstens die Actenschnur aufmachen, damit es nicht den Anschein habe, als ob man sich gar nichts um die Acten gekümmert habe. Es war Diethelm gelegen, diese kindisch-heuchlerische Anforderung zu züchtigen, er erklärte, daß man nur nach dem zu urtheilen habe, was man selbst gehört. Die Verhandlung war bald geendet, und Diethelm sammelte die Stimmen, er selber sprach: Schuldig. Nach einer gräßlichen halben Stunde trat er an der Spitze der Geschworenen in den Gerichtssaal. Er war erleuchtet und Alles sah doppelt feierlich aus; ein Zischeln ging durch die Zuhörer, der Gerichtshof trat von der anderen Seite ein, und der Angeklagte wurde wieder vorgeführt; hinter ihm blitzte das blanke Schwert. Todtenstille herrschte, Diethelm stand, die rechte Hand auf das Herz gelegt, und wollte eben sprechen. Da drängte sich ein Schäfer im weißen, roth ausgeschlagenen Zwillichrock an das Gitter der Zuhörer; er erhob den Arm weit hinüber über das Gitter, und auf Diethelm deutend hörte man ihn laut sagen: Ich will sehen, wie der Diethelm einen Brandstifter verurtheilt. Mit einem Schrei des Entsetzens rief Diethelm: Du da? Du da? Medard? Ja, ja, Ich; -- er schlug sich auf die Brust, daß es dröhnte. Ich, ich, ich bin schuldig, hab' dich verbrannt, Alles verbrannt. Ich, ich, ich bin schuldig! Er brach in die Kniee, die Schwurgenossen wichen von ihm zurück; von oben hörte man einen Hülfeschrei, eine Frauengestalt in Trauerkleidern wurde ohnmächtig weggetragen. Die Schwurbank wurde zur Bank der Angeklagten. einem Bissen Brod, aber dies war den Schwurrichtern versagt, bevor sie ihr Amt vollendet. Diethelm fühlte seine Wangen brennen, ein Hungerfieber machte ihn zittern. Sich aufrichtend und mit gewaltiger Stimme las er die aufliegenden Anweisungen für die Geschworenen vor und leitete die Verhandlung. Auf dem Tische lagen die Acten des Verweisungserkenntnisses. Der Steinbauer sagte, man möge doch wenigstens die Actenschnur aufmachen, damit es nicht den Anschein habe, als ob man sich gar nichts um die Acten gekümmert habe. Es war Diethelm gelegen, diese kindisch-heuchlerische Anforderung zu züchtigen, er erklärte, daß man nur nach dem zu urtheilen habe, was man selbst gehört. Die Verhandlung war bald geendet, und Diethelm sammelte die Stimmen, er selber sprach: Schuldig. Nach einer gräßlichen halben Stunde trat er an der Spitze der Geschworenen in den Gerichtssaal. Er war erleuchtet und Alles sah doppelt feierlich aus; ein Zischeln ging durch die Zuhörer, der Gerichtshof trat von der anderen Seite ein, und der Angeklagte wurde wieder vorgeführt; hinter ihm blitzte das blanke Schwert. Todtenstille herrschte, Diethelm stand, die rechte Hand auf das Herz gelegt, und wollte eben sprechen. Da drängte sich ein Schäfer im weißen, roth ausgeschlagenen Zwillichrock an das Gitter der Zuhörer; er erhob den Arm weit hinüber über das Gitter, und auf Diethelm deutend hörte man ihn laut sagen: Ich will sehen, wie der Diethelm einen Brandstifter verurtheilt. Mit einem Schrei des Entsetzens rief Diethelm: Du da? Du da? Medard? Ja, ja, Ich; — er schlug sich auf die Brust, daß es dröhnte. Ich, ich, ich bin schuldig, hab' dich verbrannt, Alles verbrannt. Ich, ich, ich bin schuldig! Er brach in die Kniee, die Schwurgenossen wichen von ihm zurück; von oben hörte man einen Hülfeschrei, eine Frauengestalt in Trauerkleidern wurde ohnmächtig weggetragen. Die Schwurbank wurde zur Bank der Angeklagten. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="29"> <p><pb facs="#f0223"/> einem Bissen Brod, aber dies war den Schwurrichtern versagt, bevor sie ihr Amt vollendet. Diethelm fühlte seine Wangen brennen, ein Hungerfieber machte ihn zittern. Sich aufrichtend und mit gewaltiger Stimme las er die aufliegenden Anweisungen für die Geschworenen vor und leitete die Verhandlung. Auf dem Tische lagen die Acten des Verweisungserkenntnisses. Der Steinbauer sagte, man möge doch wenigstens die Actenschnur aufmachen, damit es nicht den Anschein habe, als ob man sich gar nichts um die Acten gekümmert habe. Es war Diethelm gelegen, diese kindisch-heuchlerische Anforderung zu züchtigen, er erklärte, daß man nur nach dem zu urtheilen habe, was man selbst gehört. Die Verhandlung war bald geendet, und Diethelm sammelte die Stimmen, er selber sprach: Schuldig.</p><lb/> <p>Nach einer gräßlichen halben Stunde trat er an der Spitze der Geschworenen in den Gerichtssaal. Er war erleuchtet und Alles sah doppelt feierlich aus; ein Zischeln ging durch die Zuhörer, der Gerichtshof trat von der anderen Seite ein, und der Angeklagte wurde wieder vorgeführt; hinter ihm blitzte das blanke Schwert. Todtenstille herrschte, Diethelm stand, die rechte Hand auf das Herz gelegt, und wollte eben sprechen. Da drängte sich ein Schäfer im weißen, roth ausgeschlagenen Zwillichrock an das Gitter der Zuhörer; er erhob den Arm weit hinüber über das Gitter, und auf Diethelm deutend hörte man ihn laut sagen:</p><lb/> <p>Ich will sehen, wie der Diethelm einen Brandstifter verurtheilt.</p><lb/> <p>Mit einem Schrei des Entsetzens rief Diethelm: Du da? Du da? Medard? Ja, ja, Ich; — er schlug sich auf die Brust, daß es dröhnte. Ich, ich, ich bin schuldig, hab' dich verbrannt, Alles verbrannt. Ich, ich, ich bin schuldig!</p><lb/> <p>Er brach in die Kniee, die Schwurgenossen wichen von ihm zurück; von oben hörte man einen Hülfeschrei, eine Frauengestalt in Trauerkleidern wurde ohnmächtig weggetragen.</p><lb/> <p>Die Schwurbank wurde zur Bank der Angeklagten.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0223]
einem Bissen Brod, aber dies war den Schwurrichtern versagt, bevor sie ihr Amt vollendet. Diethelm fühlte seine Wangen brennen, ein Hungerfieber machte ihn zittern. Sich aufrichtend und mit gewaltiger Stimme las er die aufliegenden Anweisungen für die Geschworenen vor und leitete die Verhandlung. Auf dem Tische lagen die Acten des Verweisungserkenntnisses. Der Steinbauer sagte, man möge doch wenigstens die Actenschnur aufmachen, damit es nicht den Anschein habe, als ob man sich gar nichts um die Acten gekümmert habe. Es war Diethelm gelegen, diese kindisch-heuchlerische Anforderung zu züchtigen, er erklärte, daß man nur nach dem zu urtheilen habe, was man selbst gehört. Die Verhandlung war bald geendet, und Diethelm sammelte die Stimmen, er selber sprach: Schuldig.
Nach einer gräßlichen halben Stunde trat er an der Spitze der Geschworenen in den Gerichtssaal. Er war erleuchtet und Alles sah doppelt feierlich aus; ein Zischeln ging durch die Zuhörer, der Gerichtshof trat von der anderen Seite ein, und der Angeklagte wurde wieder vorgeführt; hinter ihm blitzte das blanke Schwert. Todtenstille herrschte, Diethelm stand, die rechte Hand auf das Herz gelegt, und wollte eben sprechen. Da drängte sich ein Schäfer im weißen, roth ausgeschlagenen Zwillichrock an das Gitter der Zuhörer; er erhob den Arm weit hinüber über das Gitter, und auf Diethelm deutend hörte man ihn laut sagen:
Ich will sehen, wie der Diethelm einen Brandstifter verurtheilt.
Mit einem Schrei des Entsetzens rief Diethelm: Du da? Du da? Medard? Ja, ja, Ich; — er schlug sich auf die Brust, daß es dröhnte. Ich, ich, ich bin schuldig, hab' dich verbrannt, Alles verbrannt. Ich, ich, ich bin schuldig!
Er brach in die Kniee, die Schwurgenossen wichen von ihm zurück; von oben hörte man einen Hülfeschrei, eine Frauengestalt in Trauerkleidern wurde ohnmächtig weggetragen.
Die Schwurbank wurde zur Bank der Angeklagten.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-14T13:04:01Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-14T13:04:01Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: nicht gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |