Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Auf eine Stunde kann's schon sein, erwiderte der Wirth, es hat mir ein Händler tausend Gulden aufzubewahren gegeben. Nicht wahr, du bringst mir's gleich wieder? Von wegen, wenn's mein wär', könntest's behalten so lang du willst, wär' mir sicherer als im Kasten. Es ist halb Silber und halb Papier. Was willst? Die Thaler; der Steinbauer hört das Geld gern klappern, er traut ihm eher. Diethelm empfing ein graues Säckchen mit den Geldrollen, er übergab die kleine Last dem Reppenberger zum Tragen, befahl der Fränz, ihn hier zu erwarten, und ging mit seinem Geleite stolz durch das Marktgewühl. In der Post brach er alle Rollen auf und zählte und klimperte lange mit dem Gelde, das er dem Steinbauer einhändigte; das graue Säckchen betrachtete er dann eine Weile still und steckte es endlich zu sich, wobei er es an Spottreden auf den Steinbauer nicht fehlen ließ; dieser zählte aber- und abermals die Häufchen ab und hörte auf Nichts. Vor dem Hause athmete Diethelm tief aus und sagte dem Reppenberger, daß er tausend Gulden haben müsse, und wenn er sie aus dem Heiligenkasten stehlen sollte. In dem Nest muß Geld sein, hilf's holen, ermahnte er den Reppenberger. Dieser wußte auch Rath: der Kastenverwalter hatte einen großen Posten bereit, aber nur auf Hypothek oder Wechsel. Von ersterer konnte bei Diethelm keine Rede mehr sein, er hatte nichts Unbewegliches als sein Haus und die Wiesen, und das war die letzte Sicherheit der Frau; und hätte er auch diese, wie er wohl wußte, zu einer Unterschrift bewegen können, er durfte es für sich selbst nicht thun, denn mit Ausnahme einer Hypothek wäre all sein Ansehen vernichtet; vor dem Wechsel aber hatte Diethelm eine Höllenscheu, der Reppenberger mochte das einen albernen Bauernaberglauben schelten und darüber spötteln, wie er wollte. Vor der Thüre des Kastenverwalters stand Diethelm mit Reppenberger wie angewurzelt; er lachte zwar, wenn Reppen- Auf eine Stunde kann's schon sein, erwiderte der Wirth, es hat mir ein Händler tausend Gulden aufzubewahren gegeben. Nicht wahr, du bringst mir's gleich wieder? Von wegen, wenn's mein wär', könntest's behalten so lang du willst, wär' mir sicherer als im Kasten. Es ist halb Silber und halb Papier. Was willst? Die Thaler; der Steinbauer hört das Geld gern klappern, er traut ihm eher. Diethelm empfing ein graues Säckchen mit den Geldrollen, er übergab die kleine Last dem Reppenberger zum Tragen, befahl der Fränz, ihn hier zu erwarten, und ging mit seinem Geleite stolz durch das Marktgewühl. In der Post brach er alle Rollen auf und zählte und klimperte lange mit dem Gelde, das er dem Steinbauer einhändigte; das graue Säckchen betrachtete er dann eine Weile still und steckte es endlich zu sich, wobei er es an Spottreden auf den Steinbauer nicht fehlen ließ; dieser zählte aber- und abermals die Häufchen ab und hörte auf Nichts. Vor dem Hause athmete Diethelm tief aus und sagte dem Reppenberger, daß er tausend Gulden haben müsse, und wenn er sie aus dem Heiligenkasten stehlen sollte. In dem Nest muß Geld sein, hilf's holen, ermahnte er den Reppenberger. Dieser wußte auch Rath: der Kastenverwalter hatte einen großen Posten bereit, aber nur auf Hypothek oder Wechsel. Von ersterer konnte bei Diethelm keine Rede mehr sein, er hatte nichts Unbewegliches als sein Haus und die Wiesen, und das war die letzte Sicherheit der Frau; und hätte er auch diese, wie er wohl wußte, zu einer Unterschrift bewegen können, er durfte es für sich selbst nicht thun, denn mit Ausnahme einer Hypothek wäre all sein Ansehen vernichtet; vor dem Wechsel aber hatte Diethelm eine Höllenscheu, der Reppenberger mochte das einen albernen Bauernaberglauben schelten und darüber spötteln, wie er wollte. Vor der Thüre des Kastenverwalters stand Diethelm mit Reppenberger wie angewurzelt; er lachte zwar, wenn Reppen- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="5"> <pb facs="#f0037"/> <p>Auf eine Stunde kann's schon sein, erwiderte der Wirth, es hat mir ein Händler tausend Gulden aufzubewahren gegeben. Nicht wahr, du bringst mir's gleich wieder? Von wegen, wenn's mein wär', könntest's behalten so lang du willst, wär' mir sicherer als im Kasten. Es ist halb Silber und halb Papier. 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Dieser wußte auch Rath: der Kastenverwalter hatte einen großen Posten bereit, aber nur auf Hypothek oder Wechsel. Von ersterer konnte bei Diethelm keine Rede mehr sein, er hatte nichts Unbewegliches als sein Haus und die Wiesen, und das war die letzte Sicherheit der Frau; und hätte er auch diese, wie er wohl wußte, zu einer Unterschrift bewegen können, er durfte es für sich selbst nicht thun, denn mit Ausnahme einer Hypothek wäre all sein Ansehen vernichtet; vor dem Wechsel aber hatte Diethelm eine Höllenscheu, der Reppenberger mochte das einen albernen Bauernaberglauben schelten und darüber spötteln, wie er wollte. Vor der Thüre des Kastenverwalters stand Diethelm mit Reppenberger wie angewurzelt; er lachte zwar, wenn Reppen-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0037]
Auf eine Stunde kann's schon sein, erwiderte der Wirth, es hat mir ein Händler tausend Gulden aufzubewahren gegeben. Nicht wahr, du bringst mir's gleich wieder? Von wegen, wenn's mein wär', könntest's behalten so lang du willst, wär' mir sicherer als im Kasten. Es ist halb Silber und halb Papier. Was willst?
Die Thaler; der Steinbauer hört das Geld gern klappern, er traut ihm eher.
Diethelm empfing ein graues Säckchen mit den Geldrollen, er übergab die kleine Last dem Reppenberger zum Tragen, befahl der Fränz, ihn hier zu erwarten, und ging mit seinem Geleite stolz durch das Marktgewühl. In der Post brach er alle Rollen auf und zählte und klimperte lange mit dem Gelde, das er dem Steinbauer einhändigte; das graue Säckchen betrachtete er dann eine Weile still und steckte es endlich zu sich, wobei er es an Spottreden auf den Steinbauer nicht fehlen ließ; dieser zählte aber- und abermals die Häufchen ab und hörte auf Nichts.
Vor dem Hause athmete Diethelm tief aus und sagte dem Reppenberger, daß er tausend Gulden haben müsse, und wenn er sie aus dem Heiligenkasten stehlen sollte.
In dem Nest muß Geld sein, hilf's holen, ermahnte er den Reppenberger. Dieser wußte auch Rath: der Kastenverwalter hatte einen großen Posten bereit, aber nur auf Hypothek oder Wechsel. Von ersterer konnte bei Diethelm keine Rede mehr sein, er hatte nichts Unbewegliches als sein Haus und die Wiesen, und das war die letzte Sicherheit der Frau; und hätte er auch diese, wie er wohl wußte, zu einer Unterschrift bewegen können, er durfte es für sich selbst nicht thun, denn mit Ausnahme einer Hypothek wäre all sein Ansehen vernichtet; vor dem Wechsel aber hatte Diethelm eine Höllenscheu, der Reppenberger mochte das einen albernen Bauernaberglauben schelten und darüber spötteln, wie er wollte. Vor der Thüre des Kastenverwalters stand Diethelm mit Reppenberger wie angewurzelt; er lachte zwar, wenn Reppen-
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