Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.berger das "Haus Diethelm" aufforderte, zu verfahren wie ihm zukam, aber innerlich bebte ihm das Herz; endlich mußte doch ein Entschluß gefaßt werden, und weil denn einmal das Unvermeidliche zu vollziehen war, entlehnte Diethelm gleich noch ein zweites Tausend. Dennoch erhielt er nur mit großer Mühe sechshundert Gulden baar, das Uebrige mußte er in fremden Staatspapieren zu hohen Tagespreisen übernehmen. Noch nie zitterte die Hand Diethelm's so sehr, als da er den Wechsel unterschrieb. Auf der Straße war's ihm, als sähe es ihm Jedermann an, daß er sich dazu verpflichtet hatte, nach drei Monaten in schmähliche Gefangenschaft zu gehen; aber die Leute waren so ehrerbietig wie je, im Stern fand man es nicht im Entferntesten verwunderlich, daß Diethelm auf die Minute sein Wort hielt, und als dieser dem Wirthe die Staatspapiere aufzubewahren gab, kam ein neuer Stolz über ihn: Tausende handeln ja nur mit Credit, warum soll ich es nicht auch? Ich kann auch mit einem Federstrich Summen hin- und herschieben. Die Furcht vor einer Wechselschuld erschien ihm jetzt in der That nur als ein Aberglaube, und der Wein erfrischte ihm das Herz wie noch nie. Auf die Bitten der Wirthsleute und der Fränz versprach er, über Nacht zu bleiben und den Honoratioren-Ball zu besuchen. Das Haus Diethelm bleibt, sagte er halb selbstspöttisch; es wußte Niemand, was er damit meinte. Er ging nun hinaus vor das Thor, um seinen Schäfern Bescheid zu sagen und der Mutter Nachricht zu geben. So traf Diethelm die beiden Brüder mitten im Gespräche über ihn; er war voll guter Laune, als ihm Medard das Geld für die verkauften siebzig Paar Hämmel übergab, händigte ihm ein namhaftes Trinkgeld ein und befahl ihm ein Fuhrwerk zu nehmen und rasch nach Buchenberg zu fahren, dort der Meisterin Bescheid zu geben und Alles herzurichten zur Aufnahme der neuen Waaren und Schafe. Bald fuhr Medard mit seinem Bruder in die linde Nacht hinein, Buchenberg zu. berger das „Haus Diethelm“ aufforderte, zu verfahren wie ihm zukam, aber innerlich bebte ihm das Herz; endlich mußte doch ein Entschluß gefaßt werden, und weil denn einmal das Unvermeidliche zu vollziehen war, entlehnte Diethelm gleich noch ein zweites Tausend. Dennoch erhielt er nur mit großer Mühe sechshundert Gulden baar, das Uebrige mußte er in fremden Staatspapieren zu hohen Tagespreisen übernehmen. Noch nie zitterte die Hand Diethelm's so sehr, als da er den Wechsel unterschrieb. Auf der Straße war's ihm, als sähe es ihm Jedermann an, daß er sich dazu verpflichtet hatte, nach drei Monaten in schmähliche Gefangenschaft zu gehen; aber die Leute waren so ehrerbietig wie je, im Stern fand man es nicht im Entferntesten verwunderlich, daß Diethelm auf die Minute sein Wort hielt, und als dieser dem Wirthe die Staatspapiere aufzubewahren gab, kam ein neuer Stolz über ihn: Tausende handeln ja nur mit Credit, warum soll ich es nicht auch? Ich kann auch mit einem Federstrich Summen hin- und herschieben. Die Furcht vor einer Wechselschuld erschien ihm jetzt in der That nur als ein Aberglaube, und der Wein erfrischte ihm das Herz wie noch nie. Auf die Bitten der Wirthsleute und der Fränz versprach er, über Nacht zu bleiben und den Honoratioren-Ball zu besuchen. Das Haus Diethelm bleibt, sagte er halb selbstspöttisch; es wußte Niemand, was er damit meinte. Er ging nun hinaus vor das Thor, um seinen Schäfern Bescheid zu sagen und der Mutter Nachricht zu geben. So traf Diethelm die beiden Brüder mitten im Gespräche über ihn; er war voll guter Laune, als ihm Medard das Geld für die verkauften siebzig Paar Hämmel übergab, händigte ihm ein namhaftes Trinkgeld ein und befahl ihm ein Fuhrwerk zu nehmen und rasch nach Buchenberg zu fahren, dort der Meisterin Bescheid zu geben und Alles herzurichten zur Aufnahme der neuen Waaren und Schafe. Bald fuhr Medard mit seinem Bruder in die linde Nacht hinein, Buchenberg zu. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="5"> <p><pb facs="#f0038"/> berger das „Haus Diethelm“ aufforderte, zu verfahren wie ihm zukam, aber innerlich bebte ihm das Herz; endlich mußte doch ein Entschluß gefaßt werden, und weil denn einmal das Unvermeidliche zu vollziehen war, entlehnte Diethelm gleich noch ein zweites Tausend. Dennoch erhielt er nur mit großer Mühe sechshundert Gulden baar, das Uebrige mußte er in fremden Staatspapieren zu hohen Tagespreisen übernehmen. Noch nie zitterte die Hand Diethelm's so sehr, als da er den Wechsel unterschrieb. Auf der Straße war's ihm, als sähe es ihm Jedermann an, daß er sich dazu verpflichtet hatte, nach drei Monaten in schmähliche Gefangenschaft zu gehen; aber die Leute waren so ehrerbietig wie je, im Stern fand man es nicht im Entferntesten verwunderlich, daß Diethelm auf die Minute sein Wort hielt, und als dieser dem Wirthe die Staatspapiere aufzubewahren gab, kam ein neuer Stolz über ihn: Tausende handeln ja nur mit Credit, warum soll ich es nicht auch? Ich kann auch mit einem Federstrich Summen hin- und herschieben.</p><lb/> <p>Die Furcht vor einer Wechselschuld erschien ihm jetzt in der That nur als ein Aberglaube, und der Wein erfrischte ihm das Herz wie noch nie. Auf die Bitten der Wirthsleute und der Fränz versprach er, über Nacht zu bleiben und den Honoratioren-Ball zu besuchen. Das Haus Diethelm bleibt, sagte er halb selbstspöttisch; es wußte Niemand, was er damit meinte. Er ging nun hinaus vor das Thor, um seinen Schäfern Bescheid zu sagen und der Mutter Nachricht zu geben.</p><lb/> <p>So traf Diethelm die beiden Brüder mitten im Gespräche über ihn; er war voll guter Laune, als ihm Medard das Geld für die verkauften siebzig Paar Hämmel übergab, händigte ihm ein namhaftes Trinkgeld ein und befahl ihm ein Fuhrwerk zu nehmen und rasch nach Buchenberg zu fahren, dort der Meisterin Bescheid zu geben und Alles herzurichten zur Aufnahme der neuen Waaren und Schafe. Bald fuhr Medard mit seinem Bruder in die linde Nacht hinein, Buchenberg zu.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0038]
berger das „Haus Diethelm“ aufforderte, zu verfahren wie ihm zukam, aber innerlich bebte ihm das Herz; endlich mußte doch ein Entschluß gefaßt werden, und weil denn einmal das Unvermeidliche zu vollziehen war, entlehnte Diethelm gleich noch ein zweites Tausend. Dennoch erhielt er nur mit großer Mühe sechshundert Gulden baar, das Uebrige mußte er in fremden Staatspapieren zu hohen Tagespreisen übernehmen. Noch nie zitterte die Hand Diethelm's so sehr, als da er den Wechsel unterschrieb. Auf der Straße war's ihm, als sähe es ihm Jedermann an, daß er sich dazu verpflichtet hatte, nach drei Monaten in schmähliche Gefangenschaft zu gehen; aber die Leute waren so ehrerbietig wie je, im Stern fand man es nicht im Entferntesten verwunderlich, daß Diethelm auf die Minute sein Wort hielt, und als dieser dem Wirthe die Staatspapiere aufzubewahren gab, kam ein neuer Stolz über ihn: Tausende handeln ja nur mit Credit, warum soll ich es nicht auch? Ich kann auch mit einem Federstrich Summen hin- und herschieben.
Die Furcht vor einer Wechselschuld erschien ihm jetzt in der That nur als ein Aberglaube, und der Wein erfrischte ihm das Herz wie noch nie. Auf die Bitten der Wirthsleute und der Fränz versprach er, über Nacht zu bleiben und den Honoratioren-Ball zu besuchen. Das Haus Diethelm bleibt, sagte er halb selbstspöttisch; es wußte Niemand, was er damit meinte. Er ging nun hinaus vor das Thor, um seinen Schäfern Bescheid zu sagen und der Mutter Nachricht zu geben.
So traf Diethelm die beiden Brüder mitten im Gespräche über ihn; er war voll guter Laune, als ihm Medard das Geld für die verkauften siebzig Paar Hämmel übergab, händigte ihm ein namhaftes Trinkgeld ein und befahl ihm ein Fuhrwerk zu nehmen und rasch nach Buchenberg zu fahren, dort der Meisterin Bescheid zu geben und Alles herzurichten zur Aufnahme der neuen Waaren und Schafe. Bald fuhr Medard mit seinem Bruder in die linde Nacht hinein, Buchenberg zu.
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