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Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Sechstes Kapitel.

Diethelm wollte nun sogleich von dem Kastenverwalter den Wechsel auslösen, aber er überlegte, daß er dann ohne baar Geld sei, und noch nie hatte er solche Freude an diesem gehabt, wie heute.

Das Marktgewühl verlief sich allmählich; die großen Leiterwagen, mit lustigen Bauern und Bäuerinnen vol besetzt, konnten schon in ungehemmtem Schritte durch die Straßen heimwärts fahren, in den Krämerbuden wurde bereits eingepackt und gehämmert, und die Pferde der Uebernachtenden wurden zur Abendtränke an den Marktbrunnen geführt. Es war Diethelm, der Allem in Gedanken verloren zuschaute, als bliebe er zum erstenmal in seinem Leben in einem fremden Orte über Nacht, und als sei er fern in der weiten Welt und diese Stadt ihm nicht wohlbekannt und heimisch. Er wartete noch, bis auch seine Rappen zur Tränke geführt wurden, dann ging er abermals nach dem Kaufhause, um die Beförderung der eingekauften Vorräthe nach seinem Heimathsort anzuordnen. Als begänne das eben am Himmel aufflammende Abendroth zu tönen, so war's, als jetzt die Stadtzinkenisten den feierlichen Abendchoral vom Thurme erschallen ließen. Diethelm achtete nicht lange darauf, und die Oedigkeit und Kühle, die jetzt in dem vor Stunden so menschenvollen Kaufhause herrschte, machte ihn eine Weile frösteln; aber er ließ es dennoch nicht an Umsicht fehlen, und der Reppenberger versah sein Aufseheramt meisterlich. Fünf große Wagen fuhren nach Buchenberg, als Diethelm wieder in den Stern zu seiner Fränz zurückkehrte und zu neuem Aufsehen eine weitere Summe zum Aufbewahren übergab. Das Innere des Hauses hatte in wenigen Stunden ein ganz anderes Ansehen gewonnen, und ein Mädchen lachte in der Stube Diethelm aus, weil er es lange anstarrte und nicht erkennen wollte; es war Fränz, die in dem weißen Kleide der Wirths-

Sechstes Kapitel.

Diethelm wollte nun sogleich von dem Kastenverwalter den Wechsel auslösen, aber er überlegte, daß er dann ohne baar Geld sei, und noch nie hatte er solche Freude an diesem gehabt, wie heute.

Das Marktgewühl verlief sich allmählich; die großen Leiterwagen, mit lustigen Bauern und Bäuerinnen vol besetzt, konnten schon in ungehemmtem Schritte durch die Straßen heimwärts fahren, in den Krämerbuden wurde bereits eingepackt und gehämmert, und die Pferde der Uebernachtenden wurden zur Abendtränke an den Marktbrunnen geführt. Es war Diethelm, der Allem in Gedanken verloren zuschaute, als bliebe er zum erstenmal in seinem Leben in einem fremden Orte über Nacht, und als sei er fern in der weiten Welt und diese Stadt ihm nicht wohlbekannt und heimisch. Er wartete noch, bis auch seine Rappen zur Tränke geführt wurden, dann ging er abermals nach dem Kaufhause, um die Beförderung der eingekauften Vorräthe nach seinem Heimathsort anzuordnen. Als begänne das eben am Himmel aufflammende Abendroth zu tönen, so war's, als jetzt die Stadtzinkenisten den feierlichen Abendchoral vom Thurme erschallen ließen. Diethelm achtete nicht lange darauf, und die Oedigkeit und Kühle, die jetzt in dem vor Stunden so menschenvollen Kaufhause herrschte, machte ihn eine Weile frösteln; aber er ließ es dennoch nicht an Umsicht fehlen, und der Reppenberger versah sein Aufseheramt meisterlich. Fünf große Wagen fuhren nach Buchenberg, als Diethelm wieder in den Stern zu seiner Fränz zurückkehrte und zu neuem Aufsehen eine weitere Summe zum Aufbewahren übergab. Das Innere des Hauses hatte in wenigen Stunden ein ganz anderes Ansehen gewonnen, und ein Mädchen lachte in der Stube Diethelm aus, weil er es lange anstarrte und nicht erkennen wollte; es war Fränz, die in dem weißen Kleide der Wirths-

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[0039] Sechstes Kapitel. Diethelm wollte nun sogleich von dem Kastenverwalter den Wechsel auslösen, aber er überlegte, daß er dann ohne baar Geld sei, und noch nie hatte er solche Freude an diesem gehabt, wie heute. Das Marktgewühl verlief sich allmählich; die großen Leiterwagen, mit lustigen Bauern und Bäuerinnen vol besetzt, konnten schon in ungehemmtem Schritte durch die Straßen heimwärts fahren, in den Krämerbuden wurde bereits eingepackt und gehämmert, und die Pferde der Uebernachtenden wurden zur Abendtränke an den Marktbrunnen geführt. Es war Diethelm, der Allem in Gedanken verloren zuschaute, als bliebe er zum erstenmal in seinem Leben in einem fremden Orte über Nacht, und als sei er fern in der weiten Welt und diese Stadt ihm nicht wohlbekannt und heimisch. Er wartete noch, bis auch seine Rappen zur Tränke geführt wurden, dann ging er abermals nach dem Kaufhause, um die Beförderung der eingekauften Vorräthe nach seinem Heimathsort anzuordnen. Als begänne das eben am Himmel aufflammende Abendroth zu tönen, so war's, als jetzt die Stadtzinkenisten den feierlichen Abendchoral vom Thurme erschallen ließen. Diethelm achtete nicht lange darauf, und die Oedigkeit und Kühle, die jetzt in dem vor Stunden so menschenvollen Kaufhause herrschte, machte ihn eine Weile frösteln; aber er ließ es dennoch nicht an Umsicht fehlen, und der Reppenberger versah sein Aufseheramt meisterlich. Fünf große Wagen fuhren nach Buchenberg, als Diethelm wieder in den Stern zu seiner Fränz zurückkehrte und zu neuem Aufsehen eine weitere Summe zum Aufbewahren übergab. Das Innere des Hauses hatte in wenigen Stunden ein ganz anderes Ansehen gewonnen, und ein Mädchen lachte in der Stube Diethelm aus, weil er es lange anstarrte und nicht erkennen wollte; es war Fränz, die in dem weißen Kleide der Wirths-

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/39>, abgerufen am 21.11.2024.