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Allgemeine Zeitung. Nr. 5. Augsburg, 5. Januar 1840.

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einfallen, und die umfassende Idee einer westeuropäischen Neutralität unter dem Protectorate Frankreichs gegen England und Rußland kann nur als eine Mittelstation auf dem Wege von der englischen zur russischen Allianz erscheinen.

Mailand.

Wer Mailand seit einigen Jahren nicht gesehen hat, muß über die vortheilhaften Veränderungen erstaunen, die hier fortwährend stattfinden. Die große Baulust, zum Theil durch Berechnung des Nutzens geleitet, gibt Anlaß zu Verschönerungen. Nicht nur erheben sich an der Stelle unansehnlicher Häuser große Gebäude, die Anzahl der Wohnungen zu vermehren, sondern, wie dieß z. B. Graf Archinto gethan, grandiose Paläste entstehen an Orten, die früher als Gemüsegärten oder zu Stallungen benutzt waren. Jeder Neubau innerhalb der eigentlichen Stadt wird von der städtischen Behörde wahrgenommen, um die Straße zu erweitern, und wenn auch diese Behörde in Manchem den Geschmack des Bauenden zu viel leiten will, so ist doch nicht zu läugnen, daß alle neuen Häuser sich wohlgefällig ausnehmen. Auch die Plätze werden vergrößert, vorzüglich der um den herrlichen Dom. Weit entfernt, daß wie A. Lewalds Reisehandbuch von 1840 sich ausdrückt, "man in den kleinen Gäßchen rings um denselben den Hals in die Höhe recken muß, um zu den Zinnen hinan zu schauen", kann der Riesenbau von allen Seiten gemächlich und in so ungestörtem Genuß betrachtet werden, als irgend ein Gebäude dieser Art im Norden von Europa. Kleine Gäßchen gibt es gar nicht um den Dom. Die Hauptfronte wird von der großen Piazza del Duomo aus übersehen; an der einen langen Seite zieht sich die sehr breite Corsia del Duomo; hinten sind die Häuser, die zu Napoleons Zeit den Anblick der Kathedrale hinderten, nunmehr abgebrochen, und im Laufe des Jahres 1840 wird an dieser Seite ein großes Bauwerk in edlem Styl errichtet werden. Es bleibt also nur die andere lange Seite des Doms, und von dieser ist die vordere, größere Hälfte von der geräumigen Piazza reale zu überschauen, und nur die rückwärtige durch den rechten Flügel des königlichen Palastes etwas beengt. Lewalds Bemerkung ist also ganz ungegründet, so wie eine andere, S. 557, wo es heißt: die zerbrochenen gemalten Fensterscheiben des Doms wären durch neue von weißem Glas ersetzt worden. Hierdurch könnte die Vermuthung entstehen, ein solcher Vandalismus habe unter der österreichischen Regierung stattgefunden. Es wäre billig gewesen zu bemerken, daß er aus einer früheren Zeit ist. Als nämlich 1797 bei einem republicanischen Freiheitsfest in Mailand das Geschütz so nahe am Dom aufgeführt ward, daß durch die Erschütterung viele gemalte Scheiben sprangen, und der französische Befehlshaber nicht zu bewegen war, die Kanonen zu entfernen, wurden die vielen zertrümmerten gemalten Fenster damals durch weißes Glas ersetzt. So blieb es bis zum Jahr 1823. Da aber eine Hauptsorge der jetzigen Regierung in der Herstellung und Vollendung des Doms besteht, so wurden nicht allein fast alle einzelnen weißen Tafeln durch gemalte ersetzt, sondern auch ganz neue Fenster in prachtvoll gemaltem Glase verfertigt und eingepaßt. Die Kosten derselben, von der königlichen Regierung übernommen, haben bis jetzt über 105,000 L. A. betragen. Die Künstler Dall' Acqua, Bertini, Brenta wurden angestellt und arbeiten auf kaiserliche Kosten fort, bis alle Fenster der Kathedrale mit gemaltem Glase versehen sind. Unter Napoleon geschah in dieser Hinsicht nichts, und was er zu Vollendung des Doms selbst anordnete, traf gewissermaßen die jetzige Regierung. Denn, da er das Capital, von dessen Zinsen die Geistlichkeit erhalten, und der Dom, freilich nur sehr langsam, vollendet werden sollte, auf Einmal für dieses verwenden ließ, erwies es sich als unzureichend, und seit 1814 wurden daher über 2,700,000 L. A. von Seite der jetzigen Regierung dazu verausgabt. Es wird so eifrig fortgearbeitet, daß mit Wahrscheinlichkeit das Jahr 1850 als das der gänzlichen Vollendung angenommen werden kann. Die erwähnte Erschöpfung des Fonds machte auch, daß alle Ausgaben für den Gottesdienst dem Staate zur Last fielen.

Eine eben so unrichtige Angabe findet sich in v. Hailbronners Cartons III, 66, wo es heißt: daß den Mailändern die Ehre, auf eigene Kosten die Vollendung des Triumphbogens zu unternehmen, von der österreichischen Regierung schwer genug gemacht worden sey. Die Wahrheit ist aber: als, nicht die Stadt Mailand, sondern die Centralcongregation beider Königreiche den Wunsch ausdrückte, den Simplonsbogen dem Kaiser Franz widmen zu dürfen, ward diese Bitte sogleich gewährt; aber zu bescheiden, für sich einen Triumphbogen zu bewilligen, veränderte der Kaiser die Bestimmung desselben, und der Bogen des Siegs ward einer des Friedens. Die Vollendung dieses Prachtwerks gebührt dem jetzigen Kaiser. Dann, nachdem es mit den beiden Casini fast 2,000,000 L. A. mehr als die von den beiden Königreichen ausgesetzten 2,217,000 L. A. gekostet hatte, wollte Kaiser Ferdinand, zu dessen Krönung es beendet worden, nicht zugeben, daß sie diesen Zuschuß tragen sollten, und übernahm ihn ganz.

Bei dieser Gelegenheit geschehe hier auch Erwähnung von Einigem, was von Seite dieser Regierung hier für die Künste gethan worden, von ihr, die so oft als theilnahmlos für alles Schöne verschrieen ward. Das Atelier des großen Bildhauers Marchesi, welches sich in einem städtischen Gebäude befand, verbrannte im Jahr 1834 mit vielen Kunstwerken in Marmor und der ganzen Modellsammlung. Des Künstlers Geist gab ihm Kraft, den Unfall zu ertragen, aber es fehlten ihm die Mittel, das Verlorene zu ersetzen; er war durch den Brand verarmt. Voll Vertrauen wandte er sich an die k. k. Regierung und erhielt sogleich einen Vorschuß von 30,000 L. A. mit der Begünstigung, denselben durch nach Belieben abzuliefernde Kunstwerke zu erstatten. Außerdem wurden die mitverbrannten Modelle der zwei kolossalen Flußgötter für den Arco della pace als abgeliefert betrachtet, mit den contractmäßigen 6200 L. A. bezahlt und neue in Marmor für 18,600 L. A. bestellt. Als ob das Unglück dem Geiste des Künstlers neuen Schwung gegeben, faßte er die herrliche Idee, den Ausdruck der Empfindung, welche das heiligste Mysterium unserer Religion auf den Menschen in den verschiedenen Abstufungen seiner Entwicklung hervorbringt, durch eine große Gruppe in Marmor darzustellen. Er trug sie dem Monarchen vor, und ward alsbald beauftragt, das Werk zu beginnen, welches die Bestimmung eines Geschenks für die Stadt Mailand erhielt, und in einer Kirche aufgestellt werden soll. Die Gruppe wird in zwei Figuren von zwölf und in sieben von sechs Fuß Höhe bestehen. Für das Material sind 90,000 L. A. veranschlagt; die Belohnung des Künstlers wird bei Vollendung des Modells (welches in einigen Wochen stattfindet) 40,000 L. A. betragen, bei der der Gruppe in Marmor wenigstens noch 80,000 L. A. Aber nicht Marchesi allein, viele andere Meister werden großmüthig unterstützt, und jedes gelungene, größere Werk ihnen abgekauft. Hayez, Molteni unter den Malern, San Giorgio, beide Monti, Cacciatori, Gandolfi, Somaini, Puttinati unter den Bildhauern, sind vorzugsweise zu nennen. -- Es ist wohlgethan, mit dem, was für Kunst geschieht, nicht zu prahlen; es ist aber auch wohlgethan, es nicht zu verschweigen.

einfallen, und die umfassende Idee einer westeuropäischen Neutralität unter dem Protectorate Frankreichs gegen England und Rußland kann nur als eine Mittelstation auf dem Wege von der englischen zur russischen Allianz erscheinen.

Mailand.

Wer Mailand seit einigen Jahren nicht gesehen hat, muß über die vortheilhaften Veränderungen erstaunen, die hier fortwährend stattfinden. Die große Baulust, zum Theil durch Berechnung des Nutzens geleitet, gibt Anlaß zu Verschönerungen. Nicht nur erheben sich an der Stelle unansehnlicher Häuser große Gebäude, die Anzahl der Wohnungen zu vermehren, sondern, wie dieß z. B. Graf Archinto gethan, grandiose Paläste entstehen an Orten, die früher als Gemüsegärten oder zu Stallungen benutzt waren. Jeder Neubau innerhalb der eigentlichen Stadt wird von der städtischen Behörde wahrgenommen, um die Straße zu erweitern, und wenn auch diese Behörde in Manchem den Geschmack des Bauenden zu viel leiten will, so ist doch nicht zu läugnen, daß alle neuen Häuser sich wohlgefällig ausnehmen. Auch die Plätze werden vergrößert, vorzüglich der um den herrlichen Dom. Weit entfernt, daß wie A. Lewalds Reisehandbuch von 1840 sich ausdrückt, “man in den kleinen Gäßchen rings um denselben den Hals in die Höhe recken muß, um zu den Zinnen hinan zu schauen”, kann der Riesenbau von allen Seiten gemächlich und in so ungestörtem Genuß betrachtet werden, als irgend ein Gebäude dieser Art im Norden von Europa. Kleine Gäßchen gibt es gar nicht um den Dom. Die Hauptfronte wird von der großen Piazza del Duomo aus übersehen; an der einen langen Seite zieht sich die sehr breite Corsia del Duomo; hinten sind die Häuser, die zu Napoleons Zeit den Anblick der Kathedrale hinderten, nunmehr abgebrochen, und im Laufe des Jahres 1840 wird an dieser Seite ein großes Bauwerk in edlem Styl errichtet werden. Es bleibt also nur die andere lange Seite des Doms, und von dieser ist die vordere, größere Hälfte von der geräumigen Piazza reale zu überschauen, und nur die rückwärtige durch den rechten Flügel des königlichen Palastes etwas beengt. Lewalds Bemerkung ist also ganz ungegründet, so wie eine andere, S. 557, wo es heißt: die zerbrochenen gemalten Fensterscheiben des Doms wären durch neue von weißem Glas ersetzt worden. Hierdurch könnte die Vermuthung entstehen, ein solcher Vandalismus habe unter der österreichischen Regierung stattgefunden. Es wäre billig gewesen zu bemerken, daß er aus einer früheren Zeit ist. Als nämlich 1797 bei einem republicanischen Freiheitsfest in Mailand das Geschütz so nahe am Dom aufgeführt ward, daß durch die Erschütterung viele gemalte Scheiben sprangen, und der französische Befehlshaber nicht zu bewegen war, die Kanonen zu entfernen, wurden die vielen zertrümmerten gemalten Fenster damals durch weißes Glas ersetzt. So blieb es bis zum Jahr 1823. Da aber eine Hauptsorge der jetzigen Regierung in der Herstellung und Vollendung des Doms besteht, so wurden nicht allein fast alle einzelnen weißen Tafeln durch gemalte ersetzt, sondern auch ganz neue Fenster in prachtvoll gemaltem Glase verfertigt und eingepaßt. Die Kosten derselben, von der königlichen Regierung übernommen, haben bis jetzt über 105,000 L. A. betragen. Die Künstler Dall' Acqua, Bertini, Brenta wurden angestellt und arbeiten auf kaiserliche Kosten fort, bis alle Fenster der Kathedrale mit gemaltem Glase versehen sind. Unter Napoleon geschah in dieser Hinsicht nichts, und was er zu Vollendung des Doms selbst anordnete, traf gewissermaßen die jetzige Regierung. Denn, da er das Capital, von dessen Zinsen die Geistlichkeit erhalten, und der Dom, freilich nur sehr langsam, vollendet werden sollte, auf Einmal für dieses verwenden ließ, erwies es sich als unzureichend, und seit 1814 wurden daher über 2,700,000 L. A. von Seite der jetzigen Regierung dazu verausgabt. Es wird so eifrig fortgearbeitet, daß mit Wahrscheinlichkeit das Jahr 1850 als das der gänzlichen Vollendung angenommen werden kann. Die erwähnte Erschöpfung des Fonds machte auch, daß alle Ausgaben für den Gottesdienst dem Staate zur Last fielen.

Eine eben so unrichtige Angabe findet sich in v. Hailbronners Cartons III, 66, wo es heißt: daß den Mailändern die Ehre, auf eigene Kosten die Vollendung des Triumphbogens zu unternehmen, von der österreichischen Regierung schwer genug gemacht worden sey. Die Wahrheit ist aber: als, nicht die Stadt Mailand, sondern die Centralcongregation beider Königreiche den Wunsch ausdrückte, den Simplonsbogen dem Kaiser Franz widmen zu dürfen, ward diese Bitte sogleich gewährt; aber zu bescheiden, für sich einen Triumphbogen zu bewilligen, veränderte der Kaiser die Bestimmung desselben, und der Bogen des Siegs ward einer des Friedens. Die Vollendung dieses Prachtwerks gebührt dem jetzigen Kaiser. Dann, nachdem es mit den beiden Casini fast 2,000,000 L. A. mehr als die von den beiden Königreichen ausgesetzten 2,217,000 L. A. gekostet hatte, wollte Kaiser Ferdinand, zu dessen Krönung es beendet worden, nicht zugeben, daß sie diesen Zuschuß tragen sollten, und übernahm ihn ganz.

Bei dieser Gelegenheit geschehe hier auch Erwähnung von Einigem, was von Seite dieser Regierung hier für die Künste gethan worden, von ihr, die so oft als theilnahmlos für alles Schöne verschrieen ward. Das Atelier des großen Bildhauers Marchesi, welches sich in einem städtischen Gebäude befand, verbrannte im Jahr 1834 mit vielen Kunstwerken in Marmor und der ganzen Modellsammlung. Des Künstlers Geist gab ihm Kraft, den Unfall zu ertragen, aber es fehlten ihm die Mittel, das Verlorene zu ersetzen; er war durch den Brand verarmt. Voll Vertrauen wandte er sich an die k. k. Regierung und erhielt sogleich einen Vorschuß von 30,000 L. A. mit der Begünstigung, denselben durch nach Belieben abzuliefernde Kunstwerke zu erstatten. Außerdem wurden die mitverbrannten Modelle der zwei kolossalen Flußgötter für den Arco della pace als abgeliefert betrachtet, mit den contractmäßigen 6200 L. A. bezahlt und neue in Marmor für 18,600 L. A. bestellt. Als ob das Unglück dem Geiste des Künstlers neuen Schwung gegeben, faßte er die herrliche Idee, den Ausdruck der Empfindung, welche das heiligste Mysterium unserer Religion auf den Menschen in den verschiedenen Abstufungen seiner Entwicklung hervorbringt, durch eine große Gruppe in Marmor darzustellen. Er trug sie dem Monarchen vor, und ward alsbald beauftragt, das Werk zu beginnen, welches die Bestimmung eines Geschenks für die Stadt Mailand erhielt, und in einer Kirche aufgestellt werden soll. Die Gruppe wird in zwei Figuren von zwölf und in sieben von sechs Fuß Höhe bestehen. Für das Material sind 90,000 L. A. veranschlagt; die Belohnung des Künstlers wird bei Vollendung des Modells (welches in einigen Wochen stattfindet) 40,000 L. A. betragen, bei der der Gruppe in Marmor wenigstens noch 80,000 L. A. Aber nicht Marchesi allein, viele andere Meister werden großmüthig unterstützt, und jedes gelungene, größere Werk ihnen abgekauft. Hayez, Molteni unter den Malern, San Giorgio, beide Monti, Cacciatori, Gandolfi, Somaini, Puttinati unter den Bildhauern, sind vorzugsweise zu nennen. — Es ist wohlgethan, mit dem, was für Kunst geschieht, nicht zu prahlen; es ist aber auch wohlgethan, es nicht zu verschweigen.

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          <p> Wer Mailand seit einigen Jahren nicht gesehen hat, muß über die vortheilhaften Veränderungen erstaunen, die hier fortwährend stattfinden. Die große Baulust, zum Theil durch Berechnung des Nutzens geleitet, gibt Anlaß zu Verschönerungen. Nicht nur erheben sich an der Stelle unansehnlicher Häuser große Gebäude, die Anzahl der Wohnungen zu vermehren, sondern, wie dieß z. B. Graf Archinto gethan, grandiose Paläste entstehen an Orten, die früher als Gemüsegärten oder zu Stallungen benutzt waren. Jeder Neubau innerhalb der eigentlichen Stadt wird von der städtischen Behörde wahrgenommen, um die Straße zu erweitern, und wenn auch diese Behörde in Manchem den Geschmack des Bauenden zu viel leiten will, so ist doch nicht zu läugnen, daß alle neuen Häuser sich wohlgefällig ausnehmen. Auch die Plätze werden vergrößert, vorzüglich der um den herrlichen Dom. Weit entfernt, daß wie A. Lewalds Reisehandbuch von 1840 sich ausdrückt, &#x201C;man in den kleinen Gäßchen rings um denselben den Hals in die Höhe recken muß, um zu den Zinnen hinan zu schauen&#x201D;, kann der Riesenbau von allen Seiten gemächlich und in so ungestörtem Genuß betrachtet werden, als irgend ein Gebäude dieser Art im Norden von Europa. Kleine Gäßchen gibt es gar nicht um den Dom. Die Hauptfronte wird von der großen Piazza del Duomo aus übersehen; an der einen langen Seite zieht sich die sehr breite Corsia del Duomo; hinten sind die Häuser, die zu Napoleons Zeit den Anblick der Kathedrale hinderten, nunmehr abgebrochen, und im Laufe des Jahres 1840 wird an dieser Seite ein großes Bauwerk in edlem Styl errichtet werden. Es bleibt also nur die andere lange Seite des Doms, und von dieser ist die vordere, größere Hälfte von der geräumigen Piazza reale zu überschauen, und nur die rückwärtige durch den rechten Flügel des königlichen Palastes etwas beengt. Lewalds Bemerkung ist also ganz ungegründet, so wie eine andere, S. 557, wo es heißt: die zerbrochenen gemalten Fensterscheiben des Doms wären durch neue von weißem Glas ersetzt worden. Hierdurch könnte die Vermuthung entstehen, ein solcher Vandalismus habe unter der österreichischen Regierung stattgefunden. Es wäre billig gewesen zu bemerken, daß er aus einer früheren Zeit ist. Als nämlich 1797 bei einem republicanischen Freiheitsfest in Mailand das Geschütz so nahe am Dom aufgeführt ward, daß durch die Erschütterung viele gemalte Scheiben sprangen, und der französische Befehlshaber nicht zu bewegen war, die Kanonen zu entfernen, wurden die vielen zertrümmerten gemalten Fenster damals durch weißes Glas ersetzt. So blieb es bis zum Jahr 1823. Da aber eine Hauptsorge der jetzigen Regierung in der Herstellung und Vollendung des Doms besteht, so wurden nicht allein fast alle einzelnen weißen Tafeln durch gemalte ersetzt, sondern auch ganz neue Fenster in prachtvoll gemaltem Glase verfertigt und eingepaßt. Die Kosten derselben, von der königlichen Regierung übernommen, haben bis jetzt über 105,000 L. A. betragen. Die Künstler Dall' Acqua, Bertini, Brenta wurden angestellt und arbeiten auf kaiserliche Kosten fort, bis alle Fenster der Kathedrale mit gemaltem Glase versehen sind. Unter Napoleon geschah in dieser Hinsicht nichts, und was er zu Vollendung des Doms selbst anordnete, traf gewissermaßen die jetzige Regierung. Denn, da er das Capital, von dessen Zinsen die Geistlichkeit erhalten, und der Dom, freilich nur sehr langsam, vollendet werden sollte, auf Einmal für dieses verwenden ließ, erwies es sich als unzureichend, und seit 1814 wurden daher über 2,700,000 L. A. von Seite der jetzigen Regierung dazu verausgabt. Es wird so eifrig fortgearbeitet, daß mit Wahrscheinlichkeit das Jahr 1850 als das der gänzlichen Vollendung angenommen werden kann. Die erwähnte Erschöpfung des Fonds machte auch, daß alle Ausgaben für den Gottesdienst dem Staate zur Last fielen.</p><lb/>
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          <p>Bei dieser Gelegenheit geschehe hier auch Erwähnung von Einigem, was von Seite dieser Regierung hier für die Künste gethan worden, von ihr, die so oft als theilnahmlos für alles Schöne verschrieen ward. Das Atelier des großen Bildhauers Marchesi, welches sich in einem städtischen Gebäude befand, verbrannte im Jahr 1834 mit vielen Kunstwerken in Marmor und der ganzen Modellsammlung. Des Künstlers Geist gab ihm Kraft, den Unfall zu ertragen, aber es fehlten ihm die Mittel, das Verlorene zu ersetzen; er war durch den Brand verarmt. Voll Vertrauen wandte er sich an die k. k. Regierung und erhielt sogleich einen Vorschuß von 30,000 L. A. mit der Begünstigung, denselben durch nach Belieben abzuliefernde Kunstwerke zu erstatten. Außerdem wurden die mitverbrannten Modelle der zwei kolossalen Flußgötter für den Arco della pace als abgeliefert betrachtet, mit den contractmäßigen 6200 L. A. bezahlt und neue in Marmor für 18,600 L. A. bestellt. Als ob das Unglück dem Geiste des Künstlers neuen Schwung gegeben, faßte er die herrliche Idee, den Ausdruck der Empfindung, welche das heiligste Mysterium unserer Religion auf den Menschen in den verschiedenen Abstufungen seiner Entwicklung hervorbringt, durch eine große Gruppe in Marmor darzustellen. Er trug sie dem Monarchen vor, und ward alsbald beauftragt, das Werk zu beginnen, welches die Bestimmung eines Geschenks für die Stadt Mailand erhielt, und in einer Kirche aufgestellt werden soll. Die Gruppe wird in zwei Figuren von zwölf und in sieben von sechs Fuß Höhe bestehen. Für das Material sind 90,000 L. A. veranschlagt; die Belohnung des Künstlers wird bei Vollendung des Modells (welches in einigen Wochen stattfindet) 40,000 L. A. betragen, bei der der Gruppe in Marmor wenigstens noch 80,000 L. A. Aber nicht Marchesi allein, viele andere Meister werden großmüthig unterstützt, und jedes gelungene, größere Werk ihnen abgekauft. Hayez, Molteni unter den Malern, San Giorgio, beide Monti, Cacciatori, Gandolfi, Somaini, Puttinati unter den Bildhauern, sind vorzugsweise zu nennen. &#x2014; Es ist wohlgethan, mit dem, was für Kunst geschieht, nicht zu prahlen; es ist aber auch wohlgethan, es nicht zu verschweigen.</p>
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[0037/0013] einfallen, und die umfassende Idee einer westeuropäischen Neutralität unter dem Protectorate Frankreichs gegen England und Rußland kann nur als eine Mittelstation auf dem Wege von der englischen zur russischen Allianz erscheinen. Mailand. _ Mailand, im December. Wer Mailand seit einigen Jahren nicht gesehen hat, muß über die vortheilhaften Veränderungen erstaunen, die hier fortwährend stattfinden. Die große Baulust, zum Theil durch Berechnung des Nutzens geleitet, gibt Anlaß zu Verschönerungen. Nicht nur erheben sich an der Stelle unansehnlicher Häuser große Gebäude, die Anzahl der Wohnungen zu vermehren, sondern, wie dieß z. B. Graf Archinto gethan, grandiose Paläste entstehen an Orten, die früher als Gemüsegärten oder zu Stallungen benutzt waren. Jeder Neubau innerhalb der eigentlichen Stadt wird von der städtischen Behörde wahrgenommen, um die Straße zu erweitern, und wenn auch diese Behörde in Manchem den Geschmack des Bauenden zu viel leiten will, so ist doch nicht zu läugnen, daß alle neuen Häuser sich wohlgefällig ausnehmen. Auch die Plätze werden vergrößert, vorzüglich der um den herrlichen Dom. Weit entfernt, daß wie A. Lewalds Reisehandbuch von 1840 sich ausdrückt, “man in den kleinen Gäßchen rings um denselben den Hals in die Höhe recken muß, um zu den Zinnen hinan zu schauen”, kann der Riesenbau von allen Seiten gemächlich und in so ungestörtem Genuß betrachtet werden, als irgend ein Gebäude dieser Art im Norden von Europa. Kleine Gäßchen gibt es gar nicht um den Dom. Die Hauptfronte wird von der großen Piazza del Duomo aus übersehen; an der einen langen Seite zieht sich die sehr breite Corsia del Duomo; hinten sind die Häuser, die zu Napoleons Zeit den Anblick der Kathedrale hinderten, nunmehr abgebrochen, und im Laufe des Jahres 1840 wird an dieser Seite ein großes Bauwerk in edlem Styl errichtet werden. Es bleibt also nur die andere lange Seite des Doms, und von dieser ist die vordere, größere Hälfte von der geräumigen Piazza reale zu überschauen, und nur die rückwärtige durch den rechten Flügel des königlichen Palastes etwas beengt. Lewalds Bemerkung ist also ganz ungegründet, so wie eine andere, S. 557, wo es heißt: die zerbrochenen gemalten Fensterscheiben des Doms wären durch neue von weißem Glas ersetzt worden. Hierdurch könnte die Vermuthung entstehen, ein solcher Vandalismus habe unter der österreichischen Regierung stattgefunden. Es wäre billig gewesen zu bemerken, daß er aus einer früheren Zeit ist. Als nämlich 1797 bei einem republicanischen Freiheitsfest in Mailand das Geschütz so nahe am Dom aufgeführt ward, daß durch die Erschütterung viele gemalte Scheiben sprangen, und der französische Befehlshaber nicht zu bewegen war, die Kanonen zu entfernen, wurden die vielen zertrümmerten gemalten Fenster damals durch weißes Glas ersetzt. So blieb es bis zum Jahr 1823. Da aber eine Hauptsorge der jetzigen Regierung in der Herstellung und Vollendung des Doms besteht, so wurden nicht allein fast alle einzelnen weißen Tafeln durch gemalte ersetzt, sondern auch ganz neue Fenster in prachtvoll gemaltem Glase verfertigt und eingepaßt. Die Kosten derselben, von der königlichen Regierung übernommen, haben bis jetzt über 105,000 L. A. betragen. Die Künstler Dall' Acqua, Bertini, Brenta wurden angestellt und arbeiten auf kaiserliche Kosten fort, bis alle Fenster der Kathedrale mit gemaltem Glase versehen sind. Unter Napoleon geschah in dieser Hinsicht nichts, und was er zu Vollendung des Doms selbst anordnete, traf gewissermaßen die jetzige Regierung. Denn, da er das Capital, von dessen Zinsen die Geistlichkeit erhalten, und der Dom, freilich nur sehr langsam, vollendet werden sollte, auf Einmal für dieses verwenden ließ, erwies es sich als unzureichend, und seit 1814 wurden daher über 2,700,000 L. A. von Seite der jetzigen Regierung dazu verausgabt. Es wird so eifrig fortgearbeitet, daß mit Wahrscheinlichkeit das Jahr 1850 als das der gänzlichen Vollendung angenommen werden kann. Die erwähnte Erschöpfung des Fonds machte auch, daß alle Ausgaben für den Gottesdienst dem Staate zur Last fielen. Eine eben so unrichtige Angabe findet sich in v. Hailbronners Cartons III, 66, wo es heißt: daß den Mailändern die Ehre, auf eigene Kosten die Vollendung des Triumphbogens zu unternehmen, von der österreichischen Regierung schwer genug gemacht worden sey. Die Wahrheit ist aber: als, nicht die Stadt Mailand, sondern die Centralcongregation beider Königreiche den Wunsch ausdrückte, den Simplonsbogen dem Kaiser Franz widmen zu dürfen, ward diese Bitte sogleich gewährt; aber zu bescheiden, für sich einen Triumphbogen zu bewilligen, veränderte der Kaiser die Bestimmung desselben, und der Bogen des Siegs ward einer des Friedens. Die Vollendung dieses Prachtwerks gebührt dem jetzigen Kaiser. Dann, nachdem es mit den beiden Casini fast 2,000,000 L. A. mehr als die von den beiden Königreichen ausgesetzten 2,217,000 L. A. gekostet hatte, wollte Kaiser Ferdinand, zu dessen Krönung es beendet worden, nicht zugeben, daß sie diesen Zuschuß tragen sollten, und übernahm ihn ganz. Bei dieser Gelegenheit geschehe hier auch Erwähnung von Einigem, was von Seite dieser Regierung hier für die Künste gethan worden, von ihr, die so oft als theilnahmlos für alles Schöne verschrieen ward. Das Atelier des großen Bildhauers Marchesi, welches sich in einem städtischen Gebäude befand, verbrannte im Jahr 1834 mit vielen Kunstwerken in Marmor und der ganzen Modellsammlung. Des Künstlers Geist gab ihm Kraft, den Unfall zu ertragen, aber es fehlten ihm die Mittel, das Verlorene zu ersetzen; er war durch den Brand verarmt. Voll Vertrauen wandte er sich an die k. k. Regierung und erhielt sogleich einen Vorschuß von 30,000 L. A. mit der Begünstigung, denselben durch nach Belieben abzuliefernde Kunstwerke zu erstatten. Außerdem wurden die mitverbrannten Modelle der zwei kolossalen Flußgötter für den Arco della pace als abgeliefert betrachtet, mit den contractmäßigen 6200 L. A. bezahlt und neue in Marmor für 18,600 L. A. bestellt. Als ob das Unglück dem Geiste des Künstlers neuen Schwung gegeben, faßte er die herrliche Idee, den Ausdruck der Empfindung, welche das heiligste Mysterium unserer Religion auf den Menschen in den verschiedenen Abstufungen seiner Entwicklung hervorbringt, durch eine große Gruppe in Marmor darzustellen. Er trug sie dem Monarchen vor, und ward alsbald beauftragt, das Werk zu beginnen, welches die Bestimmung eines Geschenks für die Stadt Mailand erhielt, und in einer Kirche aufgestellt werden soll. Die Gruppe wird in zwei Figuren von zwölf und in sieben von sechs Fuß Höhe bestehen. Für das Material sind 90,000 L. A. veranschlagt; die Belohnung des Künstlers wird bei Vollendung des Modells (welches in einigen Wochen stattfindet) 40,000 L. A. betragen, bei der der Gruppe in Marmor wenigstens noch 80,000 L. A. Aber nicht Marchesi allein, viele andere Meister werden großmüthig unterstützt, und jedes gelungene, größere Werk ihnen abgekauft. Hayez, Molteni unter den Malern, San Giorgio, beide Monti, Cacciatori, Gandolfi, Somaini, Puttinati unter den Bildhauern, sind vorzugsweise zu nennen. — Es ist wohlgethan, mit dem, was für Kunst geschieht, nicht zu prahlen; es ist aber auch wohlgethan, es nicht zu verschweigen.

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 5. Augsburg, 5. Januar 1840, S. 0037. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_005_18400105/13>, abgerufen am 05.05.2024.