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Allgemeine Zeitung. Nr. 8. Augsburg, 8. Januar 1840.

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und welches sie mit Friedrich dem Großen zugleich begann, der bei seiner Thronbesteigung dem Buchhändler Haude, bei welchem er, als Kronprinz, früh schon litterarische Nahrung für den aufstrebenden Geist gefunden, das Privilegium zur Begründung einer zweiten Berliner Zeitung verlieh. Man kann nun zwar eben nicht sagen, daß die Haude- und Spener'sche Zeitung den Geist ihres königlichen Schutzherrn stets repräsentirt habe, oder im Geiste desselben die Gegenwart aufzufassen wisse; gleichwohl muß diesem Blatte, trotz aller Anglo- und Torymanie, das Verdienst gelassen werden, daß es immer den Ton des Schicklichen und die Richtschnur der Integrität, die von der heutigen Journalistik nur allzuleicht verlassen werden, zu beobachten gewußt habe. Bezweifelt wird, ob ihm bei seinem Publicum, das meistens im industriellen Mittelstande zu suchen ist, die Vergrößerung des Formats förderlich seyn werde. Denn außerdem, daß es nicht mehr so handlich und bequem ist, wie früher, kann auch der Umstand, daß die Zeitung, wie es heißt, keine politischen Beilagen mehr geben darf, ihr selbst und dem Publicum nur Nachtheil bringen. - Das neue Jahr hat uns bereits einige empfindliche Verluste gebracht. Heute wurde der Director im Kriegsministerium, Generallieutenant v. Stülpnagel, ein überaus verdienstvoller Officier, beerdigt. Am Neujahrstage selbst war die Nachricht von dem Tode eines der ersten preußischen Standesherrn, des Grafen Joseph v. Stolberg-Stolberg, eingegangen. - Unser hundertjähriger Jubelpräsident, der "alte Grolmann," wie er kurzweg in der Berliner Volkssprache heißt, feierte seinen hundertsten Geburtstag im Kreise seiner Söhne und Schwiegersöhne, von denen der Freiherr v. Rotenhan aus dem bayerischen Franken hier eingetroffen war, und empfing an diesem Tage die Glückwünsche seiner zahlreichen Freunde, unter denen voran der edle Kronprinz stand, der in herzlichen ergreifenden Worten dem 100jährigen Greise seine Gefühle ausdrückte. Se. k. Hoh. hatten auch wenige Tage vorher die Ausstellung weiblicher Handarbeiten besucht, welche Fräulein Mariane S. im Vereine mit einigen anderen Katholikinnen zum Besten des projectirten katholischen Waisenhauses veranstaltete. Der Kronprinz kaufte Mehreres und sagte den wohlthätigen Damen verbindliche Worte zur Anerkennung ihrer Menschenliebe und ihrer ausdauernden Bemühungen.

Der hiesige an der Gränze des Königreichs Polen gelegene Kreis des Großherzogthums Posen ist der Schauplatz eines Aufstandes gewesen, der glücklicherweise keine Folgen gehabt hat. Auf dem Gut eines gewissen v. Grudzinski hatte sich vor einigen Tagen das Gerücht verbreitet, daß der katholische Geistliche wegen angeordneter Kirchentrauer verhaftet werden sollte. Plötzlich versammelten sich die Bauern des Dorfes, so gut bewaffnet, als es ihnen möglich war, und desetzten das Haus des Geistlichen. Dieser erfuhr erst durch ben dadurch entstehenden Tumult, wovon es sich handle, und hatte alle Mühe, dem bewaffneten Haufen zu bedeuten, daß gar nicht davon die Rede sey, ihn zu verhaften, und nur mit großer Mühe gelang es demselben, die Bauern nach Hause zu schicken, die an dem Wirthschaftsbeamten des polnischen Edelmanns ihren geheimen Anführer gehabt haben sollen. Obwohl dieser Aufstand in Masse ein ruhiges Ende genommen hat, durfte doch die Behörde dieß nicht so hingehen lassen; es ist daher die gerichtliche Untersuchung eingeleitet, und achtzehn von den Aufrührern sind verhaftet worden. (Leipz. Bl.)

Dänemark.

Allmählich fangen die vielen und dringlichen Adressen aus allen Theilen des Reichs, worin immer das Verlangen nach der norwegischen Constitution wiederholt wird, an, dem König unbequem zu werden. Eine Adresse der Art von einem Landdistricte der Insel Lolland, worin die norwegische Verfassung ein Meisterwerk genannt wird, wurde, nachdem der König schon geäußert hatte, daß sie ein Werk der Umstände und der Uebereilung sey, aus den Händen einer eigens damit nach der Hauptstadt gesendeten Deputation nicht entgegengenommen und blieb unbeantwortet. (Hamb. Bl.)

Rußland.

Das Journal du Commerce theilt nach angeblichen Privatnachrichten nachstehende Zusammensetzung des gegen Khiwa entsandten Corps Perowsky's mit: 8 Bataillone Infanterie und 4 Bataillone Jäger zu Fuß, zusammen 9000 Mann Infanterie; ferner zehn Regimenter reguläre sibirische Kosaken, fünf Regimenter halbreguläre Kosaken vom Ural und 8 Regimenter Kalmuken, Tataren, Baschkiren und Kirgiskaisaken, zusammen 11,500 Reiter; endlich drei Halbbrigaden Kosakenartillerie nebst einem Belagerungstrain und einer Schwadron Trainsoldaten mit 350 Pferden, im Ganzen 24,000 Mann und 72 Kanonen. - Eine andere Nachricht desselben Blattes vom 3 Jan. will wissen, daß ein zweites Corps von 12,000 Mann Infanterie, 8000 donischen Kosaken und 24 Kanonen von Tiflis unter dem Oberbefehl des Hetman Orlow aufbrechen soll, um von der Südseite her zu dem Unternehmen mitzuwirken. Die Cavallerie soll längs den Ufern des kaspischen Meers (also durch persisches Gebiet) marschiren, die Infanterie und Artillerie zur See nach Tarkeley (? vielleicht Tschalatoka am Ausfluß des Attrek) gebracht zu werden.

Nachrichten aus Orenburg vom 8 d. zufolge hatte die Expedition nach Khiwa bereits vier Tagmärsche in der Kirgisen-Steppe glücklich zurückgelegt. - Se. Maj. der Kaiser haben den bisher beim Ministerium des Innern angestellt gewesenen Generalmajor von der Cavallerie, Bartholomey II, zum Militär- und Civilgouverneur des Gouvernements Pskoff ernannt. - Der ehemalige Präsident des Justizcollegiums der Liv- und Esthländischen Angelegenheiten, Geheimerath Peter Friccius, ist am 23 d. im 84sten Jahre seines Alters mit Tode abgegangen. (Preuß. Staatsz.)


Türkei.

Mit der letzten Post aus Konstantinopel ist nichts von Bedeutung gemeldet worden. In Konstantinopel war Alles ruhig, und man beschäftigte sich wenig mit der Politik. Die englischen Schiffe, welche so unerwartet vor die Dardanellen zurückgekehrt waren, haben dieselben wieder verlassen und sich der Escadre des Admirals Stopford angeschlossen.

Es wurden seit dem Erscheinen des letzten Hattischerifs viele Sitzungen über den Gegenstand desselben abgehalten. Die Minister scheinen anfangs der Meinung gewesen zu seyn, daß die zu erlassenden organischen Gesetze, die jener Hattischerif in Aussicht stellt, im Conseil erörtert und entworfen, dann aber dem Sultan zur allerhöchsten Sanction vorgelegt werden sollten. Man überzeugte sich inzwischen bald, daß die Sache mit größern Schwierigkeiten zu kämpfen haben werde, als man anfänglich geglaubt, und daß Schritt für Schritt mit der größten Vorsicht und mit ungetheilter Aufmerksamkeit verfahren werden müsse, wenn man anders etwas zu Tage fördern wolle, das nicht jeden Augenblick im Geiste des Volkes, in seinen bisherigen politischen und religiösen Institutionen auf unübersteigliche Hindernisse stoßen solle. Man beschloß daher, eine eigene Commission aufzustellen, deren ausschließendes Geschäft sich auf genaue Prüfung der zu treffenden Neuerungen, auf Entwerfung der darauf bezüglichen Gesetze und auf Vorschläge über die zweckmäßigste Art und Weise, wie die Reformen


und welches sie mit Friedrich dem Großen zugleich begann, der bei seiner Thronbesteigung dem Buchhändler Haude, bei welchem er, als Kronprinz, früh schon litterarische Nahrung für den aufstrebenden Geist gefunden, das Privilegium zur Begründung einer zweiten Berliner Zeitung verlieh. Man kann nun zwar eben nicht sagen, daß die Haude- und Spener'sche Zeitung den Geist ihres königlichen Schutzherrn stets repräsentirt habe, oder im Geiste desselben die Gegenwart aufzufassen wisse; gleichwohl muß diesem Blatte, trotz aller Anglo- und Torymanie, das Verdienst gelassen werden, daß es immer den Ton des Schicklichen und die Richtschnur der Integrität, die von der heutigen Journalistik nur allzuleicht verlassen werden, zu beobachten gewußt habe. Bezweifelt wird, ob ihm bei seinem Publicum, das meistens im industriellen Mittelstande zu suchen ist, die Vergrößerung des Formats förderlich seyn werde. Denn außerdem, daß es nicht mehr so handlich und bequem ist, wie früher, kann auch der Umstand, daß die Zeitung, wie es heißt, keine politischen Beilagen mehr geben darf, ihr selbst und dem Publicum nur Nachtheil bringen. – Das neue Jahr hat uns bereits einige empfindliche Verluste gebracht. Heute wurde der Director im Kriegsministerium, Generallieutenant v. Stülpnagel, ein überaus verdienstvoller Officier, beerdigt. Am Neujahrstage selbst war die Nachricht von dem Tode eines der ersten preußischen Standesherrn, des Grafen Joseph v. Stolberg-Stolberg, eingegangen. – Unser hundertjähriger Jubelpräsident, der „alte Grolmann,“ wie er kurzweg in der Berliner Volkssprache heißt, feierte seinen hundertsten Geburtstag im Kreise seiner Söhne und Schwiegersöhne, von denen der Freiherr v. Rotenhan aus dem bayerischen Franken hier eingetroffen war, und empfing an diesem Tage die Glückwünsche seiner zahlreichen Freunde, unter denen voran der edle Kronprinz stand, der in herzlichen ergreifenden Worten dem 100jährigen Greise seine Gefühle ausdrückte. Se. k. Hoh. hatten auch wenige Tage vorher die Ausstellung weiblicher Handarbeiten besucht, welche Fräulein Mariane S. im Vereine mit einigen anderen Katholikinnen zum Besten des projectirten katholischen Waisenhauses veranstaltete. Der Kronprinz kaufte Mehreres und sagte den wohlthätigen Damen verbindliche Worte zur Anerkennung ihrer Menschenliebe und ihrer ausdauernden Bemühungen.

Der hiesige an der Gränze des Königreichs Polen gelegene Kreis des Großherzogthums Posen ist der Schauplatz eines Aufstandes gewesen, der glücklicherweise keine Folgen gehabt hat. Auf dem Gut eines gewissen v. Grudzinski hatte sich vor einigen Tagen das Gerücht verbreitet, daß der katholische Geistliche wegen angeordneter Kirchentrauer verhaftet werden sollte. Plötzlich versammelten sich die Bauern des Dorfes, so gut bewaffnet, als es ihnen möglich war, und desetzten das Haus des Geistlichen. Dieser erfuhr erst durch ben dadurch entstehenden Tumult, wovon es sich handle, und hatte alle Mühe, dem bewaffneten Haufen zu bedeuten, daß gar nicht davon die Rede sey, ihn zu verhaften, und nur mit großer Mühe gelang es demselben, die Bauern nach Hause zu schicken, die an dem Wirthschaftsbeamten des polnischen Edelmanns ihren geheimen Anführer gehabt haben sollen. Obwohl dieser Aufstand in Masse ein ruhiges Ende genommen hat, durfte doch die Behörde dieß nicht so hingehen lassen; es ist daher die gerichtliche Untersuchung eingeleitet, und achtzehn von den Aufrührern sind verhaftet worden. (Leipz. Bl.)

Dänemark.

Allmählich fangen die vielen und dringlichen Adressen aus allen Theilen des Reichs, worin immer das Verlangen nach der norwegischen Constitution wiederholt wird, an, dem König unbequem zu werden. Eine Adresse der Art von einem Landdistricte der Insel Lolland, worin die norwegische Verfassung ein Meisterwerk genannt wird, wurde, nachdem der König schon geäußert hatte, daß sie ein Werk der Umstände und der Uebereilung sey, aus den Händen einer eigens damit nach der Hauptstadt gesendeten Deputation nicht entgegengenommen und blieb unbeantwortet. (Hamb. Bl.)

Rußland.

Das Journal du Commerce theilt nach angeblichen Privatnachrichten nachstehende Zusammensetzung des gegen Khiwa entsandten Corps Perowsky's mit: 8 Bataillone Infanterie und 4 Bataillone Jäger zu Fuß, zusammen 9000 Mann Infanterie; ferner zehn Regimenter reguläre sibirische Kosaken, fünf Regimenter halbreguläre Kosaken vom Ural und 8 Regimenter Kalmuken, Tataren, Baschkiren und Kirgiskaisaken, zusammen 11,500 Reiter; endlich drei Halbbrigaden Kosakenartillerie nebst einem Belagerungstrain und einer Schwadron Trainsoldaten mit 350 Pferden, im Ganzen 24,000 Mann und 72 Kanonen. – Eine andere Nachricht desselben Blattes vom 3 Jan. will wissen, daß ein zweites Corps von 12,000 Mann Infanterie, 8000 donischen Kosaken und 24 Kanonen von Tiflis unter dem Oberbefehl des Hetman Orlow aufbrechen soll, um von der Südseite her zu dem Unternehmen mitzuwirken. Die Cavallerie soll längs den Ufern des kaspischen Meers (also durch persisches Gebiet) marschiren, die Infanterie und Artillerie zur See nach Tarkeley (? vielleicht Tschalatoka am Ausfluß des Attrek) gebracht zu werden.

Nachrichten aus Orenburg vom 8 d. zufolge hatte die Expedition nach Khiwa bereits vier Tagmärsche in der Kirgisen-Steppe glücklich zurückgelegt. – Se. Maj. der Kaiser haben den bisher beim Ministerium des Innern angestellt gewesenen Generalmajor von der Cavallerie, Bartholomey II, zum Militär- und Civilgouverneur des Gouvernements Pskoff ernannt. – Der ehemalige Präsident des Justizcollegiums der Liv- und Esthländischen Angelegenheiten, Geheimerath Peter Friccius, ist am 23 d. im 84sten Jahre seines Alters mit Tode abgegangen. (Preuß. Staatsz.)


Türkei.

Mit der letzten Post aus Konstantinopel ist nichts von Bedeutung gemeldet worden. In Konstantinopel war Alles ruhig, und man beschäftigte sich wenig mit der Politik. Die englischen Schiffe, welche so unerwartet vor die Dardanellen zurückgekehrt waren, haben dieselben wieder verlassen und sich der Escadre des Admirals Stopford angeschlossen.

Es wurden seit dem Erscheinen des letzten Hattischerifs viele Sitzungen über den Gegenstand desselben abgehalten. Die Minister scheinen anfangs der Meinung gewesen zu seyn, daß die zu erlassenden organischen Gesetze, die jener Hattischerif in Aussicht stellt, im Conseil erörtert und entworfen, dann aber dem Sultan zur allerhöchsten Sanction vorgelegt werden sollten. Man überzeugte sich inzwischen bald, daß die Sache mit größern Schwierigkeiten zu kämpfen haben werde, als man anfänglich geglaubt, und daß Schritt für Schritt mit der größten Vorsicht und mit ungetheilter Aufmerksamkeit verfahren werden müsse, wenn man anders etwas zu Tage fördern wolle, das nicht jeden Augenblick im Geiste des Volkes, in seinen bisherigen politischen und religiösen Institutionen auf unübersteigliche Hindernisse stoßen solle. Man beschloß daher, eine eigene Commission aufzustellen, deren ausschließendes Geschäft sich auf genaue Prüfung der zu treffenden Neuerungen, auf Entwerfung der darauf bezüglichen Gesetze und auf Vorschläge über die zweckmäßigste Art und Weise, wie die Reformen

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[0062/0006] und welches sie mit Friedrich dem Großen zugleich begann, der bei seiner Thronbesteigung dem Buchhändler Haude, bei welchem er, als Kronprinz, früh schon litterarische Nahrung für den aufstrebenden Geist gefunden, das Privilegium zur Begründung einer zweiten Berliner Zeitung verlieh. Man kann nun zwar eben nicht sagen, daß die Haude- und Spener'sche Zeitung den Geist ihres königlichen Schutzherrn stets repräsentirt habe, oder im Geiste desselben die Gegenwart aufzufassen wisse; gleichwohl muß diesem Blatte, trotz aller Anglo- und Torymanie, das Verdienst gelassen werden, daß es immer den Ton des Schicklichen und die Richtschnur der Integrität, die von der heutigen Journalistik nur allzuleicht verlassen werden, zu beobachten gewußt habe. Bezweifelt wird, ob ihm bei seinem Publicum, das meistens im industriellen Mittelstande zu suchen ist, die Vergrößerung des Formats förderlich seyn werde. Denn außerdem, daß es nicht mehr so handlich und bequem ist, wie früher, kann auch der Umstand, daß die Zeitung, wie es heißt, keine politischen Beilagen mehr geben darf, ihr selbst und dem Publicum nur Nachtheil bringen. – Das neue Jahr hat uns bereits einige empfindliche Verluste gebracht. Heute wurde der Director im Kriegsministerium, Generallieutenant v. Stülpnagel, ein überaus verdienstvoller Officier, beerdigt. Am Neujahrstage selbst war die Nachricht von dem Tode eines der ersten preußischen Standesherrn, des Grafen Joseph v. Stolberg-Stolberg, eingegangen. – Unser hundertjähriger Jubelpräsident, der „alte Grolmann,“ wie er kurzweg in der Berliner Volkssprache heißt, feierte seinen hundertsten Geburtstag im Kreise seiner Söhne und Schwiegersöhne, von denen der Freiherr v. Rotenhan aus dem bayerischen Franken hier eingetroffen war, und empfing an diesem Tage die Glückwünsche seiner zahlreichen Freunde, unter denen voran der edle Kronprinz stand, der in herzlichen ergreifenden Worten dem 100jährigen Greise seine Gefühle ausdrückte. Se. k. Hoh. hatten auch wenige Tage vorher die Ausstellung weiblicher Handarbeiten besucht, welche Fräulein Mariane S. im Vereine mit einigen anderen Katholikinnen zum Besten des projectirten katholischen Waisenhauses veranstaltete. Der Kronprinz kaufte Mehreres und sagte den wohlthätigen Damen verbindliche Worte zur Anerkennung ihrer Menschenliebe und ihrer ausdauernden Bemühungen. Wreschen, 22 Dec. Der hiesige an der Gränze des Königreichs Polen gelegene Kreis des Großherzogthums Posen ist der Schauplatz eines Aufstandes gewesen, der glücklicherweise keine Folgen gehabt hat. Auf dem Gut eines gewissen v. Grudzinski hatte sich vor einigen Tagen das Gerücht verbreitet, daß der katholische Geistliche wegen angeordneter Kirchentrauer verhaftet werden sollte. Plötzlich versammelten sich die Bauern des Dorfes, so gut bewaffnet, als es ihnen möglich war, und desetzten das Haus des Geistlichen. Dieser erfuhr erst durch ben dadurch entstehenden Tumult, wovon es sich handle, und hatte alle Mühe, dem bewaffneten Haufen zu bedeuten, daß gar nicht davon die Rede sey, ihn zu verhaften, und nur mit großer Mühe gelang es demselben, die Bauern nach Hause zu schicken, die an dem Wirthschaftsbeamten des polnischen Edelmanns ihren geheimen Anführer gehabt haben sollen. Obwohl dieser Aufstand in Masse ein ruhiges Ende genommen hat, durfte doch die Behörde dieß nicht so hingehen lassen; es ist daher die gerichtliche Untersuchung eingeleitet, und achtzehn von den Aufrührern sind verhaftet worden. (Leipz. Bl.) Dänemark. Allmählich fangen die vielen und dringlichen Adressen aus allen Theilen des Reichs, worin immer das Verlangen nach der norwegischen Constitution wiederholt wird, an, dem König unbequem zu werden. Eine Adresse der Art von einem Landdistricte der Insel Lolland, worin die norwegische Verfassung ein Meisterwerk genannt wird, wurde, nachdem der König schon geäußert hatte, daß sie ein Werk der Umstände und der Uebereilung sey, aus den Händen einer eigens damit nach der Hauptstadt gesendeten Deputation nicht entgegengenommen und blieb unbeantwortet. (Hamb. Bl.) Rußland. Das Journal du Commerce theilt nach angeblichen Privatnachrichten nachstehende Zusammensetzung des gegen Khiwa entsandten Corps Perowsky's mit: 8 Bataillone Infanterie und 4 Bataillone Jäger zu Fuß, zusammen 9000 Mann Infanterie; ferner zehn Regimenter reguläre sibirische Kosaken, fünf Regimenter halbreguläre Kosaken vom Ural und 8 Regimenter Kalmuken, Tataren, Baschkiren und Kirgiskaisaken, zusammen 11,500 Reiter; endlich drei Halbbrigaden Kosakenartillerie nebst einem Belagerungstrain und einer Schwadron Trainsoldaten mit 350 Pferden, im Ganzen 24,000 Mann und 72 Kanonen. – Eine andere Nachricht desselben Blattes vom 3 Jan. will wissen, daß ein zweites Corps von 12,000 Mann Infanterie, 8000 donischen Kosaken und 24 Kanonen von Tiflis unter dem Oberbefehl des Hetman Orlow aufbrechen soll, um von der Südseite her zu dem Unternehmen mitzuwirken. Die Cavallerie soll längs den Ufern des kaspischen Meers (also durch persisches Gebiet) marschiren, die Infanterie und Artillerie zur See nach Tarkeley (? vielleicht Tschalatoka am Ausfluß des Attrek) gebracht zu werden. St. Petersburg, 28 Dec. Nachrichten aus Orenburg vom 8 d. zufolge hatte die Expedition nach Khiwa bereits vier Tagmärsche in der Kirgisen-Steppe glücklich zurückgelegt. – Se. Maj. der Kaiser haben den bisher beim Ministerium des Innern angestellt gewesenen Generalmajor von der Cavallerie, Bartholomey II, zum Militär- und Civilgouverneur des Gouvernements Pskoff ernannt. – Der ehemalige Präsident des Justizcollegiums der Liv- und Esthländischen Angelegenheiten, Geheimerath Peter Friccius, ist am 23 d. im 84sten Jahre seines Alters mit Tode abgegangen. (Preuß. Staatsz.) Türkei. ✝ Wien, 2 Jan. Mit der letzten Post aus Konstantinopel ist nichts von Bedeutung gemeldet worden. In Konstantinopel war Alles ruhig, und man beschäftigte sich wenig mit der Politik. Die englischen Schiffe, welche so unerwartet vor die Dardanellen zurückgekehrt waren, haben dieselben wieder verlassen und sich der Escadre des Admirals Stopford angeschlossen. *✝ Konstantinopel, 18 Dec. Es wurden seit dem Erscheinen des letzten Hattischerifs viele Sitzungen über den Gegenstand desselben abgehalten. Die Minister scheinen anfangs der Meinung gewesen zu seyn, daß die zu erlassenden organischen Gesetze, die jener Hattischerif in Aussicht stellt, im Conseil erörtert und entworfen, dann aber dem Sultan zur allerhöchsten Sanction vorgelegt werden sollten. Man überzeugte sich inzwischen bald, daß die Sache mit größern Schwierigkeiten zu kämpfen haben werde, als man anfänglich geglaubt, und daß Schritt für Schritt mit der größten Vorsicht und mit ungetheilter Aufmerksamkeit verfahren werden müsse, wenn man anders etwas zu Tage fördern wolle, das nicht jeden Augenblick im Geiste des Volkes, in seinen bisherigen politischen und religiösen Institutionen auf unübersteigliche Hindernisse stoßen solle. Man beschloß daher, eine eigene Commission aufzustellen, deren ausschließendes Geschäft sich auf genaue Prüfung der zu treffenden Neuerungen, auf Entwerfung der darauf bezüglichen Gesetze und auf Vorschläge über die zweckmäßigste Art und Weise, wie die Reformen

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 8. Augsburg, 8. Januar 1840, S. 0062. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_008_18400108/6>, abgerufen am 23.11.2024.