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Allgemeine Zeitung. Nr. 13. Augsburg, 13. Januar 1840.

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einen Artikel unter der Aufschrift: "Der Elephant und seine Wärter", worin er letztern (den liberalen Ministern) Schuld gibt, durch falsche Behandlung in Güte und Strenge den Elephanten John Bull wahnsinnig gemacht zu haben. "Die Wahrheiten, heißt es darin, sind entweder absolute oder bedingte. Daß "Wissen eine Macht ist", mag eine absolute Wahrheit heißen; daß "Unwissenheit ein Glück ist", ist eine bedingte Wahrheit. Es mag wahr seyn, daß das englische Volk glücklicher war, als es unwissender war; aber diese Wahrheit ist bedingt durch die weitere Thatsache, daß das Volk damals besser versorgt war. Jetzt ist es schlecht behaust, schlecht genährt, schlecht unterrichtet, kurz in Allem schlecht daran. Nun kommt ihm, dem kein anderer Befreier kommen wollte, das "Wissen" als ein Befreier, und nachgerade erweist es sich als eine Macht und droht hinzureichen, wenn auch nicht zur Beglückung des Volks, doch zum herben Unglück der übrigen Staatsgesellschaft. So war es immer, in der Geschichte und in der Sage. Erschien kein Retter den Unterdrückten? Den Kindern Israel in der ägyptischen Dienstbarkeit kam ein Gott, der nicht nur sie errettete, sondern Plagen und Tod dem Unterdrücker brachte. Gleichwohl gibt es für ein Volk keine verderblichere Art, sich zu befreien, als jene Art der Selbstbefreiung, wobei es das Land vom Norden bis zum Süden erschüttern lernt, und in der ersten Erprobung seiner ungewogenen Kräfte, blind und ohne Berechnung, nicht bloß die Mauern seines Gefängnisses, sondern das ganze gesellschaftliche Gebäude umstürzt.

"Wenn sich die Völker selbst befrei'n,
Da kann die Wohlfahrt nicht gedeih'n",
sagt Schiller, ziemlich absolutistisch vielleicht - denn wie soll es z. B. auf Amerika passen? - aber doch bedingungsweise wahr. Aber wer wird Ziel und Schranken den Bewegungen eines tollen Elephanten vorstecken? Seine Kraft ist zu groß, um genau zu ermessen, was sie mit den ungeschlachten Beinen niedertritt. Armselige Rindfleischesser, die ihr den Elephanten wartet! er war nicht toll, bis ihr ihn toll machtet; er quälte sich sogar wenig mit Gedanken, die jenseits seines Stalles lagen, bis ihr ihn dazu reiztet, indem ihr erst diese, dann jene Schranke wegnahmt, und mittlerweile an der dritten und vierten herumspieltet, als wolltet ihr sie ebenfalls wegnehmen. Da freilich fingen die kleinen scharfen Augen dem Elephanten zu funkeln an, denn er dachte, ihr meintet es im Ernst, und die Zeit sey wirklich nahe, wo er wieder frei über die Ebenen traben dürfe. Und auf diesen Gedanken kam, ganz in natürlicher Aufeinanderfolge, ein zweiter: mochtet ihr es ernstlich meinen oder nicht, der Elephant fühlte sich immer mehr überzeugt, daß die Schranken hinweggehörten. Was Wunder, daß er da den Rüssel aus dem Loch steckte und so sanft, wie ein so schweres Thier es nur vermochte, euch bei eurem Wegräumungsgeschäft unterstützte? O ihr armseligen tändelnden Thierwärter! machtet ihr dieses Loch denn nicht mit selbsteigenen zarten Fingern? Und, bei allem Gewissen und gesunden Menschenverstand! wozu machtet ihr das Loch, wenn es nicht eure Meinung war, daß euer Elephant herauskommen solle? Aber, als nun die Proboscis des Elephanten durch das Loch heraussah, was thatet ihr da? Ihr prügeltet ihn in seinen Käfig zurück, und in unverhohlener Todesangst finget ihr an, die Querbalken wieder einzusetzen und einzurammen, nicht ohne üble Behandlung und Drohung, an deren Stelle dann bald wieder krabelnde Liebkosungen und ein tändelndes Herumspielen an den Schranken traten. Und so ging es fort: bald mit Freiheitshoffnung lockend, bald wieder enger einsperrend (der Spectator spielt mit soldering und soldiering, d. h. Soldaten auf das Volk loslassend), bald schmeichelnd, bald polternd brachtet ihr das Thier in Wuth. Noch mehr, ihr ließt euren Elephanten hungern. Geschah es vielleicht in der Hoffnung, daß er zur etwaigen Selbstbefreiung zu schwach werden möge? Ihr vergaßt die Verzweiflung - sie, das Kind des Hungers und die Mutter der Kraft, einer jener grimmen Götter, die, wenn alle übrigen Mittel fehlschlagen, auf die Bühne treten, um ein Werk der Befreiung zu vollbringen, das schlimmer ist als das Uebel selbst. Aber noch mehr: während ihr euren Elephanten hungern ließet, wetztet ihr ihm die Fangzähne! Könnte ein Kornak wohl thörichter verfahren? Wohlan, endlich bricht er los - toll, ausgehungert, mit geschärften Zähnen, wuthblind, und tritt einige hundert unschuldige Menschen und weite Erntefelder in den Boden. Wessen ist die Schuld, als die eure, elende Wärter? Vor Allem, wer hieß euch das arme Thier in einem so engen, schmutzigen Käfig halten? Sehet zu: stand er zu einer so großen Thiergestalt in irgend vernünftigem Verhältniß? War es recht und billig, ihn für immer in einem Raum einzusperren, worin er sich kaum umdrehen konnte? Ja, war der Käfig eines so scharfsinnigen, gutmüthigen und nützlichen Thieres auch nur würdig? Doch genug, man kennt euch und euer Gelichter. Ihr habt euch benommen als die armseligsten, feigsten, dümmsten Elephantenwärter, und wenn euer Elephant, nachdem er ausgebrochen, nicht aus euch allen beim ersten Stoß gestampfte Kartoffeln macht, dann wollen wir von dieser Zeit an die Parabeln verschwören."


Preußen.

Von jeher ist der Jahreswechsel an sich etwas Wichtiges gewesen: das menschliche Leben ist kein ebenmäßig fortlaufendes Continuum, sondern theilt sich durch natürliche wie durch künstliche Einrichtungen in Abschnitte, und in diesen Abschnitten übersieht und überlegt man das Vergangene wie das Künftige ruhiger, zieht Schlüsse, und faßt Beschlüsse. Gewiß wäre es gut, wenn auch jeder Staat beim Jahresschluß sich und den Bewohnern öffentlich Rechenschaft von dem, was geschehen ist, ablegte, und eine Uebersicht dessen, was geschehen soll, gäbe. Man würde dann vielleicht besser sehen, was geschehen muß und mußte! Ist nun schon ein gewöhnlicher Jahresabschluß wichtig genug, um zu allerlei Betrachtungen aufzufordern, so ist es der gegenwärtige für Preußen mehr als jemals. Das 40ste Jahr des Jahrhunderts ist bereits zweimal hintereinander der Anfangspunkt einer wichtigen Aera für den Staat gewesen. Im Jahr 1640 kam der große Kurfürst, im Jahr 1740 der große Friedrich zur Regierung, die beiden geschichtlichen Säulen, auf denen Preußens Existenz gegründet ist. Es bedarf aber nicht eben eines Regierungswechsels - den der Himmel noch fern von uns halte - um neue Lebensabschnitte eines Staats zu beginnen; andere Conflicte können eben so mächtig darauf hin drängen. Wir feiern in diesem Jahre das Bestehen eines fünfundzwanzigjährigen Friedens; auch ein seltenes Ereigniß in der Völkergeschichte. Kein Zweifel, daß ein solches Vierteljahrhundert viel Segensreiches reift; aber eben so wahr, daß ein so langer, behaglicher Glücksgenuß manche durch den Krieg oder andere Zeitbedrängnisse gestählte Kraft abspannt, manchen Vorsatz einschläfert, Vieles allmählich ins Stocken bringt, wodurch sich ein gewisses Morsch- und Mürbewerden der Dinge und Kräfte erzeugt, ein Zerbröckeln, das manche Zustände unvermerkt in der That unterhöhlt, so daß sie nur anscheinend haltbar sind, aber eigentlich keine Erschütterung ertragen können. Jede Krisis im Allgemeinen wird auch für sie eine. Ein durchgreifendes Zeitereigniß, ein Regierungswechsel bilden solche Krisen, wie wir


einen Artikel unter der Aufschrift: „Der Elephant und seine Wärter“, worin er letztern (den liberalen Ministern) Schuld gibt, durch falsche Behandlung in Güte und Strenge den Elephanten John Bull wahnsinnig gemacht zu haben. „Die Wahrheiten, heißt es darin, sind entweder absolute oder bedingte. Daß „Wissen eine Macht ist“, mag eine absolute Wahrheit heißen; daß „Unwissenheit ein Glück ist“, ist eine bedingte Wahrheit. Es mag wahr seyn, daß das englische Volk glücklicher war, als es unwissender war; aber diese Wahrheit ist bedingt durch die weitere Thatsache, daß das Volk damals besser versorgt war. Jetzt ist es schlecht behaust, schlecht genährt, schlecht unterrichtet, kurz in Allem schlecht daran. Nun kommt ihm, dem kein anderer Befreier kommen wollte, das „Wissen“ als ein Befreier, und nachgerade erweist es sich als eine Macht und droht hinzureichen, wenn auch nicht zur Beglückung des Volks, doch zum herben Unglück der übrigen Staatsgesellschaft. So war es immer, in der Geschichte und in der Sage. Erschien kein Retter den Unterdrückten? Den Kindern Israel in der ägyptischen Dienstbarkeit kam ein Gott, der nicht nur sie errettete, sondern Plagen und Tod dem Unterdrücker brachte. Gleichwohl gibt es für ein Volk keine verderblichere Art, sich zu befreien, als jene Art der Selbstbefreiung, wobei es das Land vom Norden bis zum Süden erschüttern lernt, und in der ersten Erprobung seiner ungewogenen Kräfte, blind und ohne Berechnung, nicht bloß die Mauern seines Gefängnisses, sondern das ganze gesellschaftliche Gebäude umstürzt.

„Wenn sich die Völker selbst befrei'n,
Da kann die Wohlfahrt nicht gedeih'n“,
sagt Schiller, ziemlich absolutistisch vielleicht – denn wie soll es z. B. auf Amerika passen? – aber doch bedingungsweise wahr. Aber wer wird Ziel und Schranken den Bewegungen eines tollen Elephanten vorstecken? Seine Kraft ist zu groß, um genau zu ermessen, was sie mit den ungeschlachten Beinen niedertritt. Armselige Rindfleischesser, die ihr den Elephanten wartet! er war nicht toll, bis ihr ihn toll machtet; er quälte sich sogar wenig mit Gedanken, die jenseits seines Stalles lagen, bis ihr ihn dazu reiztet, indem ihr erst diese, dann jene Schranke wegnahmt, und mittlerweile an der dritten und vierten herumspieltet, als wolltet ihr sie ebenfalls wegnehmen. Da freilich fingen die kleinen scharfen Augen dem Elephanten zu funkeln an, denn er dachte, ihr meintet es im Ernst, und die Zeit sey wirklich nahe, wo er wieder frei über die Ebenen traben dürfe. Und auf diesen Gedanken kam, ganz in natürlicher Aufeinanderfolge, ein zweiter: mochtet ihr es ernstlich meinen oder nicht, der Elephant fühlte sich immer mehr überzeugt, daß die Schranken hinweggehörten. Was Wunder, daß er da den Rüssel aus dem Loch steckte und so sanft, wie ein so schweres Thier es nur vermochte, euch bei eurem Wegräumungsgeschäft unterstützte? O ihr armseligen tändelnden Thierwärter! machtet ihr dieses Loch denn nicht mit selbsteigenen zarten Fingern? Und, bei allem Gewissen und gesunden Menschenverstand! wozu machtet ihr das Loch, wenn es nicht eure Meinung war, daß euer Elephant herauskommen solle? Aber, als nun die Proboscis des Elephanten durch das Loch heraussah, was thatet ihr da? Ihr prügeltet ihn in seinen Käfig zurück, und in unverhohlener Todesangst finget ihr an, die Querbalken wieder einzusetzen und einzurammen, nicht ohne üble Behandlung und Drohung, an deren Stelle dann bald wieder krabelnde Liebkosungen und ein tändelndes Herumspielen an den Schranken traten. Und so ging es fort: bald mit Freiheitshoffnung lockend, bald wieder enger einsperrend (der Spectator spielt mit soldering und soldiering, d. h. Soldaten auf das Volk loslassend), bald schmeichelnd, bald polternd brachtet ihr das Thier in Wuth. Noch mehr, ihr ließt euren Elephanten hungern. Geschah es vielleicht in der Hoffnung, daß er zur etwaigen Selbstbefreiung zu schwach werden möge? Ihr vergaßt die Verzweiflung – sie, das Kind des Hungers und die Mutter der Kraft, einer jener grimmen Götter, die, wenn alle übrigen Mittel fehlschlagen, auf die Bühne treten, um ein Werk der Befreiung zu vollbringen, das schlimmer ist als das Uebel selbst. Aber noch mehr: während ihr euren Elephanten hungern ließet, wetztet ihr ihm die Fangzähne! Könnte ein Kornak wohl thörichter verfahren? Wohlan, endlich bricht er los – toll, ausgehungert, mit geschärften Zähnen, wuthblind, und tritt einige hundert unschuldige Menschen und weite Erntefelder in den Boden. Wessen ist die Schuld, als die eure, elende Wärter? Vor Allem, wer hieß euch das arme Thier in einem so engen, schmutzigen Käfig halten? Sehet zu: stand er zu einer so großen Thiergestalt in irgend vernünftigem Verhältniß? War es recht und billig, ihn für immer in einem Raum einzusperren, worin er sich kaum umdrehen konnte? Ja, war der Käfig eines so scharfsinnigen, gutmüthigen und nützlichen Thieres auch nur würdig? Doch genug, man kennt euch und euer Gelichter. Ihr habt euch benommen als die armseligsten, feigsten, dümmsten Elephantenwärter, und wenn euer Elephant, nachdem er ausgebrochen, nicht aus euch allen beim ersten Stoß gestampfte Kartoffeln macht, dann wollen wir von dieser Zeit an die Parabeln verschwören.“


Preußen.

Von jeher ist der Jahreswechsel an sich etwas Wichtiges gewesen: das menschliche Leben ist kein ebenmäßig fortlaufendes Continuum, sondern theilt sich durch natürliche wie durch künstliche Einrichtungen in Abschnitte, und in diesen Abschnitten übersieht und überlegt man das Vergangene wie das Künftige ruhiger, zieht Schlüsse, und faßt Beschlüsse. Gewiß wäre es gut, wenn auch jeder Staat beim Jahresschluß sich und den Bewohnern öffentlich Rechenschaft von dem, was geschehen ist, ablegte, und eine Uebersicht dessen, was geschehen soll, gäbe. Man würde dann vielleicht besser sehen, was geschehen muß und mußte! Ist nun schon ein gewöhnlicher Jahresabschluß wichtig genug, um zu allerlei Betrachtungen aufzufordern, so ist es der gegenwärtige für Preußen mehr als jemals. Das 40ste Jahr des Jahrhunderts ist bereits zweimal hintereinander der Anfangspunkt einer wichtigen Aera für den Staat gewesen. Im Jahr 1640 kam der große Kurfürst, im Jahr 1740 der große Friedrich zur Regierung, die beiden geschichtlichen Säulen, auf denen Preußens Existenz gegründet ist. Es bedarf aber nicht eben eines Regierungswechsels – den der Himmel noch fern von uns halte – um neue Lebensabschnitte eines Staats zu beginnen; andere Conflicte können eben so mächtig darauf hin drängen. Wir feiern in diesem Jahre das Bestehen eines fünfundzwanzigjährigen Friedens; auch ein seltenes Ereigniß in der Völkergeschichte. Kein Zweifel, daß ein solches Vierteljahrhundert viel Segensreiches reift; aber eben so wahr, daß ein so langer, behaglicher Glücksgenuß manche durch den Krieg oder andere Zeitbedrängnisse gestählte Kraft abspannt, manchen Vorsatz einschläfert, Vieles allmählich ins Stocken bringt, wodurch sich ein gewisses Morsch- und Mürbewerden der Dinge und Kräfte erzeugt, ein Zerbröckeln, das manche Zustände unvermerkt in der That unterhöhlt, so daß sie nur anscheinend haltbar sind, aber eigentlich keine Erschütterung ertragen können. Jede Krisis im Allgemeinen wird auch für sie eine. Ein durchgreifendes Zeitereigniß, ein Regierungswechsel bilden solche Krisen, wie wir

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[0101/0013] einen Artikel unter der Aufschrift: „Der Elephant und seine Wärter“, worin er letztern (den liberalen Ministern) Schuld gibt, durch falsche Behandlung in Güte und Strenge den Elephanten John Bull wahnsinnig gemacht zu haben. „Die Wahrheiten, heißt es darin, sind entweder absolute oder bedingte. Daß „Wissen eine Macht ist“, mag eine absolute Wahrheit heißen; daß „Unwissenheit ein Glück ist“, ist eine bedingte Wahrheit. Es mag wahr seyn, daß das englische Volk glücklicher war, als es unwissender war; aber diese Wahrheit ist bedingt durch die weitere Thatsache, daß das Volk damals besser versorgt war. Jetzt ist es schlecht behaust, schlecht genährt, schlecht unterrichtet, kurz in Allem schlecht daran. Nun kommt ihm, dem kein anderer Befreier kommen wollte, das „Wissen“ als ein Befreier, und nachgerade erweist es sich als eine Macht und droht hinzureichen, wenn auch nicht zur Beglückung des Volks, doch zum herben Unglück der übrigen Staatsgesellschaft. So war es immer, in der Geschichte und in der Sage. Erschien kein Retter den Unterdrückten? Den Kindern Israel in der ägyptischen Dienstbarkeit kam ein Gott, der nicht nur sie errettete, sondern Plagen und Tod dem Unterdrücker brachte. Gleichwohl gibt es für ein Volk keine verderblichere Art, sich zu befreien, als jene Art der Selbstbefreiung, wobei es das Land vom Norden bis zum Süden erschüttern lernt, und in der ersten Erprobung seiner ungewogenen Kräfte, blind und ohne Berechnung, nicht bloß die Mauern seines Gefängnisses, sondern das ganze gesellschaftliche Gebäude umstürzt. „Wenn sich die Völker selbst befrei'n, Da kann die Wohlfahrt nicht gedeih'n“, sagt Schiller, ziemlich absolutistisch vielleicht – denn wie soll es z. B. auf Amerika passen? – aber doch bedingungsweise wahr. Aber wer wird Ziel und Schranken den Bewegungen eines tollen Elephanten vorstecken? Seine Kraft ist zu groß, um genau zu ermessen, was sie mit den ungeschlachten Beinen niedertritt. Armselige Rindfleischesser, die ihr den Elephanten wartet! er war nicht toll, bis ihr ihn toll machtet; er quälte sich sogar wenig mit Gedanken, die jenseits seines Stalles lagen, bis ihr ihn dazu reiztet, indem ihr erst diese, dann jene Schranke wegnahmt, und mittlerweile an der dritten und vierten herumspieltet, als wolltet ihr sie ebenfalls wegnehmen. Da freilich fingen die kleinen scharfen Augen dem Elephanten zu funkeln an, denn er dachte, ihr meintet es im Ernst, und die Zeit sey wirklich nahe, wo er wieder frei über die Ebenen traben dürfe. Und auf diesen Gedanken kam, ganz in natürlicher Aufeinanderfolge, ein zweiter: mochtet ihr es ernstlich meinen oder nicht, der Elephant fühlte sich immer mehr überzeugt, daß die Schranken hinweggehörten. Was Wunder, daß er da den Rüssel aus dem Loch steckte und so sanft, wie ein so schweres Thier es nur vermochte, euch bei eurem Wegräumungsgeschäft unterstützte? O ihr armseligen tändelnden Thierwärter! machtet ihr dieses Loch denn nicht mit selbsteigenen zarten Fingern? Und, bei allem Gewissen und gesunden Menschenverstand! wozu machtet ihr das Loch, wenn es nicht eure Meinung war, daß euer Elephant herauskommen solle? Aber, als nun die Proboscis des Elephanten durch das Loch heraussah, was thatet ihr da? Ihr prügeltet ihn in seinen Käfig zurück, und in unverhohlener Todesangst finget ihr an, die Querbalken wieder einzusetzen und einzurammen, nicht ohne üble Behandlung und Drohung, an deren Stelle dann bald wieder krabelnde Liebkosungen und ein tändelndes Herumspielen an den Schranken traten. Und so ging es fort: bald mit Freiheitshoffnung lockend, bald wieder enger einsperrend (der Spectator spielt mit soldering und soldiering, d. h. Soldaten auf das Volk loslassend), bald schmeichelnd, bald polternd brachtet ihr das Thier in Wuth. Noch mehr, ihr ließt euren Elephanten hungern. Geschah es vielleicht in der Hoffnung, daß er zur etwaigen Selbstbefreiung zu schwach werden möge? Ihr vergaßt die Verzweiflung – sie, das Kind des Hungers und die Mutter der Kraft, einer jener grimmen Götter, die, wenn alle übrigen Mittel fehlschlagen, auf die Bühne treten, um ein Werk der Befreiung zu vollbringen, das schlimmer ist als das Uebel selbst. Aber noch mehr: während ihr euren Elephanten hungern ließet, wetztet ihr ihm die Fangzähne! Könnte ein Kornak wohl thörichter verfahren? Wohlan, endlich bricht er los – toll, ausgehungert, mit geschärften Zähnen, wuthblind, und tritt einige hundert unschuldige Menschen und weite Erntefelder in den Boden. Wessen ist die Schuld, als die eure, elende Wärter? Vor Allem, wer hieß euch das arme Thier in einem so engen, schmutzigen Käfig halten? Sehet zu: stand er zu einer so großen Thiergestalt in irgend vernünftigem Verhältniß? War es recht und billig, ihn für immer in einem Raum einzusperren, worin er sich kaum umdrehen konnte? Ja, war der Käfig eines so scharfsinnigen, gutmüthigen und nützlichen Thieres auch nur würdig? Doch genug, man kennt euch und euer Gelichter. Ihr habt euch benommen als die armseligsten, feigsten, dümmsten Elephantenwärter, und wenn euer Elephant, nachdem er ausgebrochen, nicht aus euch allen beim ersten Stoß gestampfte Kartoffeln macht, dann wollen wir von dieser Zeit an die Parabeln verschwören.“ Preußen. _Berlin, 3 Jan. Von jeher ist der Jahreswechsel an sich etwas Wichtiges gewesen: das menschliche Leben ist kein ebenmäßig fortlaufendes Continuum, sondern theilt sich durch natürliche wie durch künstliche Einrichtungen in Abschnitte, und in diesen Abschnitten übersieht und überlegt man das Vergangene wie das Künftige ruhiger, zieht Schlüsse, und faßt Beschlüsse. Gewiß wäre es gut, wenn auch jeder Staat beim Jahresschluß sich und den Bewohnern öffentlich Rechenschaft von dem, was geschehen ist, ablegte, und eine Uebersicht dessen, was geschehen soll, gäbe. Man würde dann vielleicht besser sehen, was geschehen muß und mußte! Ist nun schon ein gewöhnlicher Jahresabschluß wichtig genug, um zu allerlei Betrachtungen aufzufordern, so ist es der gegenwärtige für Preußen mehr als jemals. Das 40ste Jahr des Jahrhunderts ist bereits zweimal hintereinander der Anfangspunkt einer wichtigen Aera für den Staat gewesen. Im Jahr 1640 kam der große Kurfürst, im Jahr 1740 der große Friedrich zur Regierung, die beiden geschichtlichen Säulen, auf denen Preußens Existenz gegründet ist. Es bedarf aber nicht eben eines Regierungswechsels – den der Himmel noch fern von uns halte – um neue Lebensabschnitte eines Staats zu beginnen; andere Conflicte können eben so mächtig darauf hin drängen. Wir feiern in diesem Jahre das Bestehen eines fünfundzwanzigjährigen Friedens; auch ein seltenes Ereigniß in der Völkergeschichte. Kein Zweifel, daß ein solches Vierteljahrhundert viel Segensreiches reift; aber eben so wahr, daß ein so langer, behaglicher Glücksgenuß manche durch den Krieg oder andere Zeitbedrängnisse gestählte Kraft abspannt, manchen Vorsatz einschläfert, Vieles allmählich ins Stocken bringt, wodurch sich ein gewisses Morsch- und Mürbewerden der Dinge und Kräfte erzeugt, ein Zerbröckeln, das manche Zustände unvermerkt in der That unterhöhlt, so daß sie nur anscheinend haltbar sind, aber eigentlich keine Erschütterung ertragen können. Jede Krisis im Allgemeinen wird auch für sie eine. Ein durchgreifendes Zeitereigniß, ein Regierungswechsel bilden solche Krisen, wie wir

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 13. Augsburg, 13. Januar 1840, S. 0101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_013_18400113/13>, abgerufen am 21.11.2024.