Allgemeine Zeitung. Nr. 18. Augsburg, 18. Januar 1840.Beilage zur Allgemeinen Zeitung 4 Januar 1840 Oesterreich und der National. Vom Main. Der National vom 3 Januar enthält einen langen Artikel über Oesterreich, der zu interessante und neue Aufschlüsse über diesen Staat mittheilt, als daß wir sie unsern deutschen Lesern vorenthalten sollten. Was ist der National doch für ein gut unterrichtetes Blatt! Wir zweifeln nicht, daß es ihm viel Geld kosten müsse, hinter solche Geheimnisse zu kommen, aber er hat Recht. So etwas bezahlt weder der National, noch seine Leser zu theuer, die doch endlich einmal wahre, zuverlässige und unparteiische Nachrichten über Oesterreich erhalten. Der National erzählt: "Das Haus Hafsbourg kann sich weder auf die Nationalitäten, noch auf die Aristokratie, noch auf den Bürgerstand, noch auf das Volk stützen!" (Und dennoch steht es! wie geht das zu? - Mirakel!) "Die Nationalitäten vernichtet es (wir hatten in unserer Unwissenheit immer geglaubt, es sey Staatsprincip bei ihm, sie bestehen zu lassen); den Adel wagt es nicht anzustellen (einige kleine Edelleute: Fürst Metternich, Graf Wallis, Stadion, Kolowrat, Fürst Lobkowitz, Graf Choteck, Clam, Ugarte und noch ein paar Hundert von gleichem Schlage, scheinen sich doch eingeschlichen zu haben -); den Bürgerstand richtet es vollkommen mit Bankerutten zu Grunde und das Volk durch die Leibeigenschaft." (Fürchterlich! Und dennoch keine Emeuten! Wie mag das zugehen? - Mirakel!) "Nichtsdestoweniger, seufzt der National weiter, hat das Haus Oesterreich sich immer durch den Einfluß bemerkbar gemacht, den es seit den ältesten Zeiten in Europa ausgeübt hat. (Bei solchen Prämissen! wie mag das zugegangen seyn? Wir wissen es nicht, die Leser wissen es nicht und der National weiß es auch nicht. Es gehört wieder zu den unbegreiflichen Dingen, die sind, ohne daß irgend Jemand sagen kann, warum. Vielleicht hat es aber doch der National entdeckt. Hören wir weiter!) "Es ist die Bureaukratie, die - seit Aeneas Sylvius, Bischof von Plozk und später Papst unter dem Namen Pius, der Familie Hafsbourg ihr politisches System vorgezeichnet hat - eine occulte höchste Macht bildet. (Wir waren sonst der Meinung, die Bureaukratie gehe gleichen Schritt mit der Centralisation, und müsse dort am schärfsten ausgeprägt erscheinen, wo dieses System am weitesten getrieben wird, wie z. B. in Frankreich. Fehlgeschossen. Für das Ding, das man gewöhnlich Bureaukratie nennt, mag das gelten, die des Hauses Hatsbourg ist aber etwas ganz Anderes, wie wir weiter hören.) "Diese Bureaukratie ist aus der niedrigsten Classe des Volks, aus Soldaten- und Findelkindern auserlesen, untermischt mit einigen pfiffigen Beamtensöhnen. Die Regierung überwacht die Erziehung dieser jungen Leute von Kindheit an, leitet sie zu ernsten Studien, erlaubt und erleichtert ihnen aber zugleich jede Gelegenheit zu allen Liederlichkeiten, Lastern und Niederträchtigkeiten; dasselbe thut sie auch mit dem Clerus in Gallizien. Diese jungen Leute wissen durchaus nicht, woher ihnen das Geld zufließt, um ihre Ausschweifungen bestreiten zu können. Unerhörter Macchiavellismus!" seufzt der National. (Was sind wir diesem Blatte nicht schuldig allein für diese Nachricht! Nun wissen wir doch, wie es mit der Pepiniere der österreichischen Bureaukratie bestellt ist. Hatte Jemand bisher eine Ahnung davon? Es ist übrigens wohl zu hoffen, daß man dabei nicht stehen bleiben und den Erziehungsplan erweitern werde. Einige kleine Bälle Musard würden die Pepiniere weit bringen. Lehrer der Cahute könnte man vielleicht sogar durch Intervention des National für dieses Institut gewinnen.) "Die Familie Hapsbourg unterhält endlich noch ein Heer von Industrierittern, Glücksofficieren, Renegaten, Ueberläufern, die alle nicht Brod von heute auf morgen haben; je niederträchtiger und verworfener ein solches Individuum ist, desto höher achtet es die Regierung. Fürst Metternich personificirt in sich die österreichische Bureaukratie. (Sonderbar, zu Wien hält man den Fürsten Metternich für keinen Gönner der Bureaukratie. Aber das weiß der National gewiß besser!) "Die Aristokratie weiß, daß sie keine Geltung hat, keine Aemter erhält und überall den Beamten nachgesetzt wird, wenn auch der Kaiser, um das Publicum irre zu führen, einige alte, abgewirthschaftete Familien aus seiner Privatcasse unterstützt. Umsonst bestrebt sich der Slave Kolowrat die Aristokratie über die Bureaukratie zu setzen; die Hasbourg, eingedenk der Lehren des Aeneas Sylvius, Bischofs zu Plozk, wollen davon nichts wissen. - - Der Tod Kotzebue's brachte Schrecken in das Lager der Bureaukraten, und Genz verzweifelte an ihrem Schicksal, als die polnische Revolution zu siegen schien; denn Kotzebue und Genz waren beide ächte Kinder dieser Bureaukratie. (Aber nicht in der Pepiniere erzogen!) Wenn einmal ihre Völker sich gegen sie auflehnen, und dieses Ereigniß wird unfehlbar eintreten, wenn der Fürst Metternich, der Vater der Bureaukratie, die Augen schließt, werden diese Beamten die Familie Hasbourg verkaufen. (Bei dieser Licitation dürfte indeß für Frankreich schwerlich etwas zu erstehen seyn. Alle diese Neuigkeiten gibt der National um ein paar Pfennige den Bogen. Das ganze Abonnement von 60 Franken wäre nicht zu viel für dieses einzige Blatt vom 3 Januar.) "Uebrigens ist die Ruhe in dieser Monarchie keineswegs gesichert; sie ist nur scheinbar. In der Armee hat man, wie wir im Vertrauen melden können, Militärcomplotte entdeckt! Nie wird das Haus Hapsbourg, ... es den Franzosen vergessen, daß diese es an der Universalmonarchie gehindert haben - dieses Haus, welches das Genie eines Sully einst mit der Wurzel auszurotten und nach Amerika zu deportiren vorschlug." - So schließt der National. Aber wer wird den ausgesprochenen Vorschlag zum Heil der Welt ins Werk setzen? Es gibt keine wahrhaft freisinnigen Weltbürger mehr, die so etwas unternehmen möchten, als etwa den National und seine Abonnenten; und diese sind wohl stark in ihrer Tugend, aber schwach in ihren Mitteln. Doch genug und fast zu viel des Scherzes! Wir überlassen es sämmtlichen Lesern, über diesen Aufsatz, seine Wahrhaftigkeit und seine Tendenz, das Urtheil zu sprechen. Das Eine wissen wir gewiß: herwärts des Rheins wird er kein Echo finden. In Deutschland gibt es keinen Schwachkopf, dem man solche Dinge aufheften kann, und keine Seele, schmutzig genug, um sich öffentlich oder im Herzen zu solchen Grundsätzen und solchen Mitteln zu bekennen, was auch immer ihr politischer Glaube sey. Der deutsche Zollverein und das Memorandum von Bremen. Berlin, 12 Januar. Mit Recht wurde es dieser Tage in öffentlichen Blättern herausgehoben, daß selbst Regierungen wie die von Wallis oder die neue von Zürich es nicht wagen durften, in den materiellen Interessen Rückschritte zu thun, sondern vielmehr genöthigt waren, sich für Vervielfältigung Beilage zur Allgemeinen Zeitung 4 Januar 1840 Oesterreich und der National. Vom Main. Der National vom 3 Januar enthält einen langen Artikel über Oesterreich, der zu interessante und neue Aufschlüsse über diesen Staat mittheilt, als daß wir sie unsern deutschen Lesern vorenthalten sollten. Was ist der National doch für ein gut unterrichtetes Blatt! Wir zweifeln nicht, daß es ihm viel Geld kosten müsse, hinter solche Geheimnisse zu kommen, aber er hat Recht. So etwas bezahlt weder der National, noch seine Leser zu theuer, die doch endlich einmal wahre, zuverlässige und unparteiische Nachrichten über Oesterreich erhalten. Der National erzählt: „Das Haus Hafsbourg kann sich weder auf die Nationalitäten, noch auf die Aristokratie, noch auf den Bürgerstand, noch auf das Volk stützen!“ (Und dennoch steht es! wie geht das zu? – Mirakel!) „Die Nationalitäten vernichtet es (wir hatten in unserer Unwissenheit immer geglaubt, es sey Staatsprincip bei ihm, sie bestehen zu lassen); den Adel wagt es nicht anzustellen (einige kleine Edelleute: Fürst Metternich, Graf Wallis, Stadion, Kolowrat, Fürst Lobkowitz, Graf Choteck, Clam, Ugarte und noch ein paar Hundert von gleichem Schlage, scheinen sich doch eingeschlichen zu haben –); den Bürgerstand richtet es vollkommen mit Bankerutten zu Grunde und das Volk durch die Leibeigenschaft.“ (Fürchterlich! Und dennoch keine Emeuten! Wie mag das zugehen? – Mirakel!) „Nichtsdestoweniger, seufzt der National weiter, hat das Haus Oesterreich sich immer durch den Einfluß bemerkbar gemacht, den es seit den ältesten Zeiten in Europa ausgeübt hat. (Bei solchen Prämissen! wie mag das zugegangen seyn? Wir wissen es nicht, die Leser wissen es nicht und der National weiß es auch nicht. Es gehört wieder zu den unbegreiflichen Dingen, die sind, ohne daß irgend Jemand sagen kann, warum. Vielleicht hat es aber doch der National entdeckt. Hören wir weiter!) „Es ist die Bureaukratie, die – seit Aeneas Sylvius, Bischof von Plozk und später Papst unter dem Namen Pius, der Familie Hafsbourg ihr politisches System vorgezeichnet hat – eine occulte höchste Macht bildet. (Wir waren sonst der Meinung, die Bureaukratie gehe gleichen Schritt mit der Centralisation, und müsse dort am schärfsten ausgeprägt erscheinen, wo dieses System am weitesten getrieben wird, wie z. B. in Frankreich. Fehlgeschossen. Für das Ding, das man gewöhnlich Bureaukratie nennt, mag das gelten, die des Hauses Hatsbourg ist aber etwas ganz Anderes, wie wir weiter hören.) „Diese Bureaukratie ist aus der niedrigsten Classe des Volks, aus Soldaten- und Findelkindern auserlesen, untermischt mit einigen pfiffigen Beamtensöhnen. Die Regierung überwacht die Erziehung dieser jungen Leute von Kindheit an, leitet sie zu ernsten Studien, erlaubt und erleichtert ihnen aber zugleich jede Gelegenheit zu allen Liederlichkeiten, Lastern und Niederträchtigkeiten; dasselbe thut sie auch mit dem Clerus in Gallizien. Diese jungen Leute wissen durchaus nicht, woher ihnen das Geld zufließt, um ihre Ausschweifungen bestreiten zu können. Unerhörter Macchiavellismus!“ seufzt der National. (Was sind wir diesem Blatte nicht schuldig allein für diese Nachricht! Nun wissen wir doch, wie es mit der Pepinière der österreichischen Bureaukratie bestellt ist. Hatte Jemand bisher eine Ahnung davon? Es ist übrigens wohl zu hoffen, daß man dabei nicht stehen bleiben und den Erziehungsplan erweitern werde. Einige kleine Bälle Musard würden die Pepinière weit bringen. Lehrer der Cahute könnte man vielleicht sogar durch Intervention des National für dieses Institut gewinnen.) „Die Familie Hapsbourg unterhält endlich noch ein Heer von Industrierittern, Glücksofficieren, Renegaten, Ueberläufern, die alle nicht Brod von heute auf morgen haben; je niederträchtiger und verworfener ein solches Individuum ist, desto höher achtet es die Regierung. Fürst Metternich personificirt in sich die österreichische Bureaukratie. (Sonderbar, zu Wien hält man den Fürsten Metternich für keinen Gönner der Bureaukratie. Aber das weiß der National gewiß besser!) „Die Aristokratie weiß, daß sie keine Geltung hat, keine Aemter erhält und überall den Beamten nachgesetzt wird, wenn auch der Kaiser, um das Publicum irre zu führen, einige alte, abgewirthschaftete Familien aus seiner Privatcasse unterstützt. Umsonst bestrebt sich der Slave Kolowrat die Aristokratie über die Bureaukratie zu setzen; die Hasbourg, eingedenk der Lehren des Aeneas Sylvius, Bischofs zu Plozk, wollen davon nichts wissen. – – Der Tod Kotzebue's brachte Schrecken in das Lager der Bureaukraten, und Genz verzweifelte an ihrem Schicksal, als die polnische Revolution zu siegen schien; denn Kotzebue und Genz waren beide ächte Kinder dieser Bureaukratie. (Aber nicht in der Pepinière erzogen!) Wenn einmal ihre Völker sich gegen sie auflehnen, und dieses Ereigniß wird unfehlbar eintreten, wenn der Fürst Metternich, der Vater der Bureaukratie, die Augen schließt, werden diese Beamten die Familie Hasbourg verkaufen. (Bei dieser Licitation dürfte indeß für Frankreich schwerlich etwas zu erstehen seyn. Alle diese Neuigkeiten gibt der National um ein paar Pfennige den Bogen. Das ganze Abonnement von 60 Franken wäre nicht zu viel für dieses einzige Blatt vom 3 Januar.) „Uebrigens ist die Ruhe in dieser Monarchie keineswegs gesichert; sie ist nur scheinbar. In der Armee hat man, wie wir im Vertrauen melden können, Militärcomplotte entdeckt! Nie wird das Haus Hapsbourg, ... es den Franzosen vergessen, daß diese es an der Universalmonarchie gehindert haben – dieses Haus, welches das Genie eines Sully einst mit der Wurzel auszurotten und nach Amerika zu deportiren vorschlug.“ – So schließt der National. Aber wer wird den ausgesprochenen Vorschlag zum Heil der Welt ins Werk setzen? Es gibt keine wahrhaft freisinnigen Weltbürger mehr, die so etwas unternehmen möchten, als etwa den National und seine Abonnenten; und diese sind wohl stark in ihrer Tugend, aber schwach in ihren Mitteln. Doch genug und fast zu viel des Scherzes! Wir überlassen es sämmtlichen Lesern, über diesen Aufsatz, seine Wahrhaftigkeit und seine Tendenz, das Urtheil zu sprechen. Das Eine wissen wir gewiß: herwärts des Rheins wird er kein Echo finden. In Deutschland gibt es keinen Schwachkopf, dem man solche Dinge aufheften kann, und keine Seele, schmutzig genug, um sich öffentlich oder im Herzen zu solchen Grundsätzen und solchen Mitteln zu bekennen, was auch immer ihr politischer Glaube sey. Der deutsche Zollverein und das Memorandum von Bremen. Berlin, 12 Januar. Mit Recht wurde es dieser Tage in öffentlichen Blättern herausgehoben, daß selbst Regierungen wie die von Wallis oder die neue von Zürich es nicht wagen durften, in den materiellen Interessen Rückschritte zu thun, sondern vielmehr genöthigt waren, sich für Vervielfältigung <TEI> <text> <body> <div type="jArticle" n="1"> <pb facs="#f0009" n="0137"/><lb/> </div> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <front> <titlePage type="heading"> <docTitle> <titlePart type="main">Beilage zur Allgemeinen Zeitung</titlePart> </docTitle> <docImprint> <docDate>4 Januar 1840</docDate> </docImprint> </titlePage> </front> <body><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Oesterreich und der National</hi>.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <byline>=</byline> <dateline> <hi rendition="#b">Vom Main.</hi> </dateline> <p> Der National vom 3 Januar enthält einen langen Artikel über Oesterreich, der zu interessante und neue Aufschlüsse über diesen Staat mittheilt, als daß wir sie unsern deutschen Lesern vorenthalten sollten. 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Wie mag das zugehen? – Mirakel!) „Nichtsdestoweniger, seufzt der National weiter, hat das Haus Oesterreich sich immer durch den Einfluß bemerkbar gemacht, den es seit den ältesten Zeiten in Europa ausgeübt hat. (Bei solchen Prämissen! wie mag das zugegangen seyn? Wir wissen es nicht, die Leser wissen es nicht und der National weiß es auch nicht. Es gehört wieder zu den unbegreiflichen Dingen, die <hi rendition="#g">sind</hi>, ohne daß irgend Jemand sagen kann, warum. Vielleicht hat es aber doch der National entdeckt. Hören wir weiter!) „Es ist die Bureaukratie, die – seit Aeneas Sylvius, Bischof von Plozk und später Papst unter dem Namen Pius, der Familie <hi rendition="#g">Hafs</hi>bourg ihr politisches System vorgezeichnet hat – eine occulte höchste Macht bildet. (Wir waren sonst der Meinung, die Bureaukratie gehe gleichen Schritt mit der Centralisation, und müsse dort am schärfsten ausgeprägt erscheinen, wo dieses System am weitesten getrieben wird, wie z. B. in Frankreich. 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Es ist übrigens wohl zu hoffen, daß man dabei nicht stehen bleiben und den Erziehungsplan erweitern werde. Einige kleine Bälle Musard würden die Pepinière weit bringen. Lehrer der Cahute könnte man vielleicht sogar durch Intervention des National für dieses Institut gewinnen.) „Die Familie <hi rendition="#g">Haps</hi>bourg unterhält endlich noch ein Heer von Industrierittern, Glücksofficieren, Renegaten, Ueberläufern, die alle nicht Brod von heute auf morgen haben; je niederträchtiger und verworfener ein solches Individuum ist, desto höher achtet es die Regierung. Fürst Metternich personificirt in sich die österreichische Bureaukratie. (Sonderbar, zu Wien hält man den Fürsten Metternich für <hi rendition="#g">keinen</hi> Gönner der Bureaukratie. 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Wenn einmal ihre Völker sich gegen sie auflehnen, und dieses Ereigniß wird unfehlbar eintreten, wenn der Fürst Metternich, der Vater der Bureaukratie, die Augen schließt, werden diese Beamten die Familie <hi rendition="#g">Has</hi>bourg verkaufen. (Bei dieser Licitation dürfte indeß für Frankreich schwerlich etwas zu erstehen seyn. Alle diese Neuigkeiten gibt der National um ein paar Pfennige den Bogen. Das ganze Abonnement von 60 Franken wäre nicht zu viel für dieses einzige Blatt vom 3 Januar.) „Uebrigens ist die Ruhe in dieser Monarchie keineswegs gesichert; sie ist nur scheinbar. <hi rendition="#g">In der Armee hat man</hi>, <hi rendition="#g">wie wir im Vertrauen melden können</hi>, <hi rendition="#g">Militärcomplotte entdeckt</hi>! 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Beilage zur Allgemeinen Zeitung 4 Januar 1840
Oesterreich und der National.
=Vom Main. Der National vom 3 Januar enthält einen langen Artikel über Oesterreich, der zu interessante und neue Aufschlüsse über diesen Staat mittheilt, als daß wir sie unsern deutschen Lesern vorenthalten sollten. Was ist der National doch für ein gut unterrichtetes Blatt! Wir zweifeln nicht, daß es ihm viel Geld kosten müsse, hinter solche Geheimnisse zu kommen, aber er hat Recht. So etwas bezahlt weder der National, noch seine Leser zu theuer, die doch endlich einmal wahre, zuverlässige und unparteiische Nachrichten über Oesterreich erhalten.
Der National erzählt: „Das Haus Hafsbourg kann sich weder auf die Nationalitäten, noch auf die Aristokratie, noch auf den Bürgerstand, noch auf das Volk stützen!“ (Und dennoch steht es! wie geht das zu? – Mirakel!) „Die Nationalitäten vernichtet es (wir hatten in unserer Unwissenheit immer geglaubt, es sey Staatsprincip bei ihm, sie bestehen zu lassen); den Adel wagt es nicht anzustellen (einige kleine Edelleute: Fürst Metternich, Graf Wallis, Stadion, Kolowrat, Fürst Lobkowitz, Graf Choteck, Clam, Ugarte und noch ein paar Hundert von gleichem Schlage, scheinen sich doch eingeschlichen zu haben –); den Bürgerstand richtet es vollkommen mit Bankerutten zu Grunde und das Volk durch die Leibeigenschaft.“ (Fürchterlich! Und dennoch keine Emeuten! Wie mag das zugehen? – Mirakel!) „Nichtsdestoweniger, seufzt der National weiter, hat das Haus Oesterreich sich immer durch den Einfluß bemerkbar gemacht, den es seit den ältesten Zeiten in Europa ausgeübt hat. (Bei solchen Prämissen! wie mag das zugegangen seyn? Wir wissen es nicht, die Leser wissen es nicht und der National weiß es auch nicht. Es gehört wieder zu den unbegreiflichen Dingen, die sind, ohne daß irgend Jemand sagen kann, warum. Vielleicht hat es aber doch der National entdeckt. Hören wir weiter!) „Es ist die Bureaukratie, die – seit Aeneas Sylvius, Bischof von Plozk und später Papst unter dem Namen Pius, der Familie Hafsbourg ihr politisches System vorgezeichnet hat – eine occulte höchste Macht bildet. (Wir waren sonst der Meinung, die Bureaukratie gehe gleichen Schritt mit der Centralisation, und müsse dort am schärfsten ausgeprägt erscheinen, wo dieses System am weitesten getrieben wird, wie z. B. in Frankreich. Fehlgeschossen. Für das Ding, das man gewöhnlich Bureaukratie nennt, mag das gelten, die des Hauses Hatsbourg ist aber etwas ganz Anderes, wie wir weiter hören.) „Diese Bureaukratie ist aus der niedrigsten Classe des Volks, aus Soldaten- und Findelkindern auserlesen, untermischt mit einigen pfiffigen Beamtensöhnen. Die Regierung überwacht die Erziehung dieser jungen Leute von Kindheit an, leitet sie zu ernsten Studien, erlaubt und erleichtert ihnen aber zugleich jede Gelegenheit zu allen Liederlichkeiten, Lastern und Niederträchtigkeiten; dasselbe thut sie auch mit dem Clerus in Gallizien. Diese jungen Leute wissen durchaus nicht, woher ihnen das Geld zufließt, um ihre Ausschweifungen bestreiten zu können. Unerhörter Macchiavellismus!“ seufzt der National. (Was sind wir diesem Blatte nicht schuldig allein für diese Nachricht! Nun wissen wir doch, wie es mit der Pepinière der österreichischen Bureaukratie bestellt ist. Hatte Jemand bisher eine Ahnung davon? Es ist übrigens wohl zu hoffen, daß man dabei nicht stehen bleiben und den Erziehungsplan erweitern werde. Einige kleine Bälle Musard würden die Pepinière weit bringen. Lehrer der Cahute könnte man vielleicht sogar durch Intervention des National für dieses Institut gewinnen.) „Die Familie Hapsbourg unterhält endlich noch ein Heer von Industrierittern, Glücksofficieren, Renegaten, Ueberläufern, die alle nicht Brod von heute auf morgen haben; je niederträchtiger und verworfener ein solches Individuum ist, desto höher achtet es die Regierung. Fürst Metternich personificirt in sich die österreichische Bureaukratie. (Sonderbar, zu Wien hält man den Fürsten Metternich für keinen Gönner der Bureaukratie. Aber das weiß der National gewiß besser!) „Die Aristokratie weiß, daß sie keine Geltung hat, keine Aemter erhält und überall den Beamten nachgesetzt wird, wenn auch der Kaiser, um das Publicum irre zu führen, einige alte, abgewirthschaftete Familien aus seiner Privatcasse unterstützt. Umsonst bestrebt sich der Slave Kolowrat die Aristokratie über die Bureaukratie zu setzen; die Hasbourg, eingedenk der Lehren des Aeneas Sylvius, Bischofs zu Plozk, wollen davon nichts wissen. – – Der Tod Kotzebue's brachte Schrecken in das Lager der Bureaukraten, und Genz verzweifelte an ihrem Schicksal, als die polnische Revolution zu siegen schien; denn Kotzebue und Genz waren beide ächte Kinder dieser Bureaukratie. (Aber nicht in der Pepinière erzogen!) Wenn einmal ihre Völker sich gegen sie auflehnen, und dieses Ereigniß wird unfehlbar eintreten, wenn der Fürst Metternich, der Vater der Bureaukratie, die Augen schließt, werden diese Beamten die Familie Hasbourg verkaufen. (Bei dieser Licitation dürfte indeß für Frankreich schwerlich etwas zu erstehen seyn. Alle diese Neuigkeiten gibt der National um ein paar Pfennige den Bogen. Das ganze Abonnement von 60 Franken wäre nicht zu viel für dieses einzige Blatt vom 3 Januar.) „Uebrigens ist die Ruhe in dieser Monarchie keineswegs gesichert; sie ist nur scheinbar. In der Armee hat man, wie wir im Vertrauen melden können, Militärcomplotte entdeckt! Nie wird das Haus Hapsbourg, ... es den Franzosen vergessen, daß diese es an der Universalmonarchie gehindert haben – dieses Haus, welches das Genie eines Sully einst mit der Wurzel auszurotten und nach Amerika zu deportiren vorschlug.“ – So schließt der National. Aber wer wird den ausgesprochenen Vorschlag zum Heil der Welt ins Werk setzen? Es gibt keine wahrhaft freisinnigen Weltbürger mehr, die so etwas unternehmen möchten, als etwa den National und seine Abonnenten; und diese sind wohl stark in ihrer Tugend, aber schwach in ihren Mitteln. Doch genug und fast zu viel des Scherzes! Wir überlassen es sämmtlichen Lesern, über diesen Aufsatz, seine Wahrhaftigkeit und seine Tendenz, das Urtheil zu sprechen. Das Eine wissen wir gewiß: herwärts des Rheins wird er kein Echo finden. In Deutschland gibt es keinen Schwachkopf, dem man solche Dinge aufheften kann, und keine Seele, schmutzig genug, um sich öffentlich oder im Herzen zu solchen Grundsätzen und solchen Mitteln zu bekennen, was auch immer ihr politischer Glaube sey.
Der deutsche Zollverein und das Memorandum von Bremen.
_Berlin, 12 Januar. Mit Recht wurde es dieser Tage in öffentlichen Blättern herausgehoben, daß selbst Regierungen wie die von Wallis oder die neue von Zürich es nicht wagen durften, in den materiellen Interessen Rückschritte zu thun, sondern vielmehr genöthigt waren, sich für Vervielfältigung
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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