Allgemeine Zeitung. Nr. 35. Augsburg, 4. Februar 1840.
Auch das Journal des Debats sagt heute, es scheine gewiß, daß General Sebastiani den Botschafterposten in London verlasse und Hr. Guizot zu seinem Nachfolger bestimmt sey. Der Messager will wissen, die Ernennungsordonnanz sey am 29 Jan. Morgens unterzeichnet worden. Dieser Angabe widerspricht der Temps. Da alle Blätter zugeben, daß erst am Tage zuvor die Rückberufung Sebastiani's im Conseil beschlossen worden, so könne Guizots definitive Ernennung und die Bestimmung alsbaldiger Abreise nicht unmittelbar darauf gefolgt seyn, da es diplomatische Sitte sey, über die Ernennung eines Botschafters erst den betreffenden Hof zu consultiren, und von ihm die Versicherung einzuholen, daß ihm die getroffene Wahl genehm sey. Das jetzige Ministerium werde am wenigsten unter den gegenwärtigen Umständen dem Whigcabinet einen Botschafter zuschicken wollen, ohne alle vorläufige Notiz, ohne Beobachtung der nöthigen und schicklichen Formen. Auch die nahe bevorstehende Vermählung der Königin Victoria sey ein Grund, Hrn. v. Sebastiani nicht auf der Stelle zurückzurufen. (Constitutionnel.) Die Minister, mit Recht beunruhigt über die Londoner Verhandlungen, lassen sagen und sagen selbst, die Vorschläge des Hrn. v. Brunnow seyen noch nicht angenommen worden, und man habe den Abschluß eines Vertrags zwischen England und Rußland zu früh angekündigt. Hierin sagen die Minister nicht ganz das Gegentheil von der Wahrheit. Sie spielen nur mit den Worten. Es ist sehr wahr, daß noch kein Vertrag unterzeichnet, und daß die Genehmigungen dazu noch nicht ausgefertigt sind; aber der Grundsatz der Unterhandlungen ist angenommen, über die Bedingungen desselben ist man übereingekommen, d. h. das Wesentliche davon ist, wenigstens vom Cabinet aus, im Reinen. Der Courrier francais antwortet auf den Artikel des M. Chronicle, den wir gestern gegeben: "In welcher Absicht sollte Mehemed Ali den Engländern die Reise über die Landenge von Suez erschweren? Liegt es nicht vielmehr in des Pascha's Interesse, daß Aegypten wieder werde, was es im Mittelalter war, der Schauplatz eines großen Transithandels, der Verbindungsweg zwischen Europa und Asien? Wahr ist es, Mehemed Ali hat der ostindischen Compagnie nicht erlaubt, Suez militärisch zu besetzen, denn dieß wäre so viel gewesen, als ihr die Schlüssel Aegyptens übergeben und zu ihren Gunsten abdanken. Auch würde Frankreich gegen diese Occupation protestirt haben, selbst wenn der Pascha eingewilligt hätte. Hat England zur Erleichterung seiner Communicationen mit dem Ganges und dem Indus nöthig, auf ein Gebiet, das ihm nicht gehört, eine Armee zu werfen und dort Forts zu errichten? Was würde Lord Palmerston sagen, wenn wir unsrerseits einige Regimenter nach Suez oder Saint-Jean-d'Acre schicken würden, um den Landstrich zu bewachen, der das rothe Meer vom Mittelmeere trennt? Alles, was wir thun konnten, um unsern aufrichtigen Wunsch zu zeigen, die Verbindungen Großbritanniens mit seinen ostindischen Colonien zu begünstigen, haben wir durch die Organisation der Dampfschifffahrt im Mittelmeer gethan. Wird von Lord Palmerston nun seinerseits nichts geschehen, um uns die Uneigennützigkeit seiner Politik zu beweisen, die seit der Besetzung von Aden sehr verdächtig geworden ist? Hr. Thiers wurde von den legitimistischen Blättern wegen seiner letzten Rede, die ihnen für die Interessen Englands allzu günstig schien, angegriffen. Es gibt unter den französischen Journalisten boshafte oder einfältige Menschen, welche die Anhänger der englischen Allianz für eine Faction und den Courrier francais für das Organ dieser Faction halten. Nun aber kommt das M. Chronicle und beklagt sich, daß Hr. Thiers und der Courrier francais dem englischen Interesse nicht genug Concessionen machen! Man beschuldigt uns, daß wir das türkische Reich zu Gunsten des ägyptischen zerstören wollten. Wir wollen aber nichts zerstören, sondern im Gegentheil Alles erhalten, was in dem großen Besitzthum der Ottomanen die Zeit geschaffen oder geachtet hat. In dieser Absicht rathen wir den europäischen Mächten, daß sie nicht thörichterweise mit dem Gedanken umgehen sollen, in Aegypten und Syrien die einzige Schöpfung, die weder ephemer noch todtgeboren ist, über den Haufen zu werfen. Das M. Chronicle wird selbst in England eine große Zahl billigdenkender Leute finden, die unsere Ansicht über die Frage des Orients theilen; wir verweisen jenes Blatt auf den Bericht des Hrn. Bowring, dessen Druck das Parlament ohne Zweifel befehlen wird. Das M. Chronicle drückt über die Möglichkeit einer dauernden Allianz zwischen Frankreich und England Zweifel aus, die uns betrüben. Es erkennt gleichwohl den Nutzen dieser Allianz und lobt unsere Bemühungen, dieselbe zu erhalten. Wir bemerken dem M. Chronicle, daß die Erhaltung jener Allianz leicht wäre, wenn die Londoner Presse den Muth oder den Willen hätte, ihre Regierung zu tadeln, gleich wie wir die unsrige tadeln, so oft sie irgend einen ernsten Fehler begeht, der die Einigkeit der beiden Länder stören könnte; wenn ferner die englischen Blätter die Reizbarkeit unsers Nationalstolzes schonen würden, gleich wie wir uns eine Pflicht daraus machen, die des englischen Volks zu schonen. Das M. Chronicle vertheidigt mit Talent und Beharrlichkeit die Principien der Freiheit und des Fortschritts. Es wäre eines Journals, das so hoch in der öffentlichen Meinung steht, würdig, Einsicht und Mühe darauf zu verwenden, die Vorurtheile, die noch zwischen Frankreich und England bestehen, zu entfernen. Wir müssen in dieser Hinsicht den Sun, den Spectator und selbst den Examiner mehr loben. Das M. Chronicle hat von der Gewandtheit Lord Palmerstons eine hohe Meinung, und diese Sympathie, die wir weniger lebhaft wünschten, reißt es zuweilen weiter fort, als es selbst beabsichtigen mag. Möge das M. Chronicle aber wohl bedenken: so oft es auf solche Weise die Gränzen überschreitet, schwächt es in Frankreich die für England günstige Stimmung und liefert den Anhängern der russischen Allianz ein Argument weiter." (Courrier francais.) Die Presse behauptet (s. die gestrige Allg. Zeitung), daß die Königin-Regentin von Spanien England officiell aufgefordert habe, den Hafen von Passages zu räumen, und daß England sich weigere, seine Truppen zurückzuziehen. Wir sind in den Stand gesetzt, dieser Behauptung, die ohne Grund Empfindlichkeiten erwecken könnte, zu widersprechen. Vergangene Woche schiffte sich ein Drittheil der Soldaten der englischen Marine, welche die Garnison von Passages bilden, nach England ein. Von dort sollen diese Truppen nach China bestimmt seyn. Man versichert uns, die brittische Regierung sey geneigt, Passages auf der Stelle zu räumen, wenn die spanische Regierung dieß verlange.
Auch das Journal des Débats sagt heute, es scheine gewiß, daß General Sebastiani den Botschafterposten in London verlasse und Hr. Guizot zu seinem Nachfolger bestimmt sey. Der Messager will wissen, die Ernennungsordonnanz sey am 29 Jan. Morgens unterzeichnet worden. Dieser Angabe widerspricht der Temps. Da alle Blätter zugeben, daß erst am Tage zuvor die Rückberufung Sebastiani's im Conseil beschlossen worden, so könne Guizots definitive Ernennung und die Bestimmung alsbaldiger Abreise nicht unmittelbar darauf gefolgt seyn, da es diplomatische Sitte sey, über die Ernennung eines Botschafters erst den betreffenden Hof zu consultiren, und von ihm die Versicherung einzuholen, daß ihm die getroffene Wahl genehm sey. Das jetzige Ministerium werde am wenigsten unter den gegenwärtigen Umständen dem Whigcabinet einen Botschafter zuschicken wollen, ohne alle vorläufige Notiz, ohne Beobachtung der nöthigen und schicklichen Formen. Auch die nahe bevorstehende Vermählung der Königin Victoria sey ein Grund, Hrn. v. Sebastiani nicht auf der Stelle zurückzurufen. (Constitutionnel.) Die Minister, mit Recht beunruhigt über die Londoner Verhandlungen, lassen sagen und sagen selbst, die Vorschläge des Hrn. v. Brunnow seyen noch nicht angenommen worden, und man habe den Abschluß eines Vertrags zwischen England und Rußland zu früh angekündigt. Hierin sagen die Minister nicht ganz das Gegentheil von der Wahrheit. Sie spielen nur mit den Worten. Es ist sehr wahr, daß noch kein Vertrag unterzeichnet, und daß die Genehmigungen dazu noch nicht ausgefertigt sind; aber der Grundsatz der Unterhandlungen ist angenommen, über die Bedingungen desselben ist man übereingekommen, d. h. das Wesentliche davon ist, wenigstens vom Cabinet aus, im Reinen. Der Courrier français antwortet auf den Artikel des M. Chronicle, den wir gestern gegeben: „In welcher Absicht sollte Mehemed Ali den Engländern die Reise über die Landenge von Suez erschweren? Liegt es nicht vielmehr in des Pascha's Interesse, daß Aegypten wieder werde, was es im Mittelalter war, der Schauplatz eines großen Transithandels, der Verbindungsweg zwischen Europa und Asien? Wahr ist es, Mehemed Ali hat der ostindischen Compagnie nicht erlaubt, Suez militärisch zu besetzen, denn dieß wäre so viel gewesen, als ihr die Schlüssel Aegyptens übergeben und zu ihren Gunsten abdanken. Auch würde Frankreich gegen diese Occupation protestirt haben, selbst wenn der Pascha eingewilligt hätte. Hat England zur Erleichterung seiner Communicationen mit dem Ganges und dem Indus nöthig, auf ein Gebiet, das ihm nicht gehört, eine Armee zu werfen und dort Forts zu errichten? Was würde Lord Palmerston sagen, wenn wir unsrerseits einige Regimenter nach Suez oder Saint-Jean-d'Acre schicken würden, um den Landstrich zu bewachen, der das rothe Meer vom Mittelmeere trennt? Alles, was wir thun konnten, um unsern aufrichtigen Wunsch zu zeigen, die Verbindungen Großbritanniens mit seinen ostindischen Colonien zu begünstigen, haben wir durch die Organisation der Dampfschifffahrt im Mittelmeer gethan. Wird von Lord Palmerston nun seinerseits nichts geschehen, um uns die Uneigennützigkeit seiner Politik zu beweisen, die seit der Besetzung von Aden sehr verdächtig geworden ist? Hr. Thiers wurde von den legitimistischen Blättern wegen seiner letzten Rede, die ihnen für die Interessen Englands allzu günstig schien, angegriffen. Es gibt unter den französischen Journalisten boshafte oder einfältige Menschen, welche die Anhänger der englischen Allianz für eine Faction und den Courrier français für das Organ dieser Faction halten. Nun aber kommt das M. Chronicle und beklagt sich, daß Hr. Thiers und der Courrier français dem englischen Interesse nicht genug Concessionen machen! Man beschuldigt uns, daß wir das türkische Reich zu Gunsten des ägyptischen zerstören wollten. Wir wollen aber nichts zerstören, sondern im Gegentheil Alles erhalten, was in dem großen Besitzthum der Ottomanen die Zeit geschaffen oder geachtet hat. In dieser Absicht rathen wir den europäischen Mächten, daß sie nicht thörichterweise mit dem Gedanken umgehen sollen, in Aegypten und Syrien die einzige Schöpfung, die weder ephemer noch todtgeboren ist, über den Haufen zu werfen. Das M. Chronicle wird selbst in England eine große Zahl billigdenkender Leute finden, die unsere Ansicht über die Frage des Orients theilen; wir verweisen jenes Blatt auf den Bericht des Hrn. Bowring, dessen Druck das Parlament ohne Zweifel befehlen wird. Das M. Chronicle drückt über die Möglichkeit einer dauernden Allianz zwischen Frankreich und England Zweifel aus, die uns betrüben. Es erkennt gleichwohl den Nutzen dieser Allianz und lobt unsere Bemühungen, dieselbe zu erhalten. Wir bemerken dem M. Chronicle, daß die Erhaltung jener Allianz leicht wäre, wenn die Londoner Presse den Muth oder den Willen hätte, ihre Regierung zu tadeln, gleich wie wir die unsrige tadeln, so oft sie irgend einen ernsten Fehler begeht, der die Einigkeit der beiden Länder stören könnte; wenn ferner die englischen Blätter die Reizbarkeit unsers Nationalstolzes schonen würden, gleich wie wir uns eine Pflicht daraus machen, die des englischen Volks zu schonen. Das M. Chronicle vertheidigt mit Talent und Beharrlichkeit die Principien der Freiheit und des Fortschritts. Es wäre eines Journals, das so hoch in der öffentlichen Meinung steht, würdig, Einsicht und Mühe darauf zu verwenden, die Vorurtheile, die noch zwischen Frankreich und England bestehen, zu entfernen. Wir müssen in dieser Hinsicht den Sun, den Spectator und selbst den Examiner mehr loben. Das M. Chronicle hat von der Gewandtheit Lord Palmerstons eine hohe Meinung, und diese Sympathie, die wir weniger lebhaft wünschten, reißt es zuweilen weiter fort, als es selbst beabsichtigen mag. Möge das M. Chronicle aber wohl bedenken: so oft es auf solche Weise die Gränzen überschreitet, schwächt es in Frankreich die für England günstige Stimmung und liefert den Anhängern der russischen Allianz ein Argument weiter.“ (Courrier français.) Die Presse behauptet (s. die gestrige Allg. Zeitung), daß die Königin-Regentin von Spanien England officiell aufgefordert habe, den Hafen von Passages zu räumen, und daß England sich weigere, seine Truppen zurückzuziehen. Wir sind in den Stand gesetzt, dieser Behauptung, die ohne Grund Empfindlichkeiten erwecken könnte, zu widersprechen. Vergangene Woche schiffte sich ein Drittheil der Soldaten der englischen Marine, welche die Garnison von Passages bilden, nach England ein. Von dort sollen diese Truppen nach China bestimmt seyn. 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Wir hoffen es.</p><lb/> <p>Auch das <hi rendition="#g">Journal des Débats</hi> sagt heute, es scheine gewiß, daß General Sebastiani den Botschafterposten in London verlasse und Hr. Guizot zu seinem Nachfolger bestimmt sey. Der <hi rendition="#g">Messager</hi> will wissen, die Ernennungsordonnanz sey am 29 Jan. Morgens unterzeichnet worden. Dieser Angabe widerspricht der <hi rendition="#g">Temps</hi>. Da alle Blätter zugeben, daß erst am Tage zuvor die Rückberufung Sebastiani's im Conseil beschlossen worden, so könne Guizots definitive Ernennung und die Bestimmung alsbaldiger Abreise nicht unmittelbar darauf gefolgt seyn, da es diplomatische Sitte sey, über die Ernennung eines Botschafters erst den betreffenden Hof zu consultiren, und von ihm die Versicherung einzuholen, daß ihm die getroffene Wahl genehm sey. Das jetzige Ministerium werde am wenigsten unter den gegenwärtigen Umständen dem Whigcabinet einen Botschafter zuschicken wollen, ohne alle vorläufige Notiz, ohne Beobachtung der nöthigen und schicklichen Formen. Auch die nahe bevorstehende Vermählung der Königin Victoria sey ein Grund, Hrn. v. Sebastiani nicht auf der Stelle zurückzurufen.</p><lb/> <p>(<hi rendition="#g">Constitutionnel</hi>.) Die Minister, mit Recht beunruhigt über die Londoner Verhandlungen, lassen sagen und sagen selbst, die Vorschläge des Hrn. v. Brunnow seyen noch nicht angenommen worden, und man habe den Abschluß eines Vertrags zwischen England und Rußland zu früh angekündigt. Hierin sagen die Minister nicht ganz das Gegentheil von der Wahrheit. Sie spielen nur mit den Worten. Es ist sehr wahr, daß noch kein Vertrag unterzeichnet, und daß die Genehmigungen dazu noch nicht ausgefertigt sind; aber der Grundsatz der Unterhandlungen ist angenommen, über die Bedingungen desselben ist man übereingekommen, d. h. das Wesentliche davon ist, wenigstens vom Cabinet aus, im Reinen.</p><lb/> <p>Der <hi rendition="#g">Courrier français</hi> antwortet auf den Artikel des M. <hi rendition="#g">Chronicle</hi>, den wir gestern gegeben: „In welcher Absicht sollte Mehemed Ali den Engländern die Reise über die Landenge von Suez erschweren? Liegt es nicht vielmehr in des Pascha's Interesse, daß Aegypten wieder werde, was es im Mittelalter war, der Schauplatz eines großen Transithandels, der Verbindungsweg zwischen Europa und Asien? Wahr ist es, Mehemed Ali hat der ostindischen Compagnie nicht erlaubt, Suez militärisch zu besetzen, denn dieß wäre so viel gewesen, als ihr die Schlüssel Aegyptens übergeben und zu ihren Gunsten abdanken. Auch würde Frankreich gegen diese Occupation protestirt haben, selbst wenn der Pascha eingewilligt hätte. Hat England zur Erleichterung seiner Communicationen mit dem Ganges und dem Indus nöthig, auf ein Gebiet, das ihm nicht gehört, eine Armee zu werfen und dort Forts zu errichten? Was würde Lord Palmerston sagen, wenn wir unsrerseits einige Regimenter nach Suez oder Saint-Jean-d'Acre schicken würden, um den Landstrich zu bewachen, der das rothe Meer vom Mittelmeere trennt? Alles, was wir thun konnten, um unsern aufrichtigen Wunsch zu zeigen, die Verbindungen Großbritanniens mit seinen ostindischen Colonien zu begünstigen, haben wir durch die Organisation der Dampfschifffahrt im Mittelmeer gethan. Wird von Lord Palmerston nun seinerseits nichts geschehen, um uns die Uneigennützigkeit seiner Politik zu beweisen, die seit der Besetzung von Aden sehr verdächtig geworden ist? Hr. Thiers wurde von den legitimistischen Blättern wegen seiner letzten Rede, die ihnen für die Interessen Englands allzu günstig schien, angegriffen. Es gibt unter den französischen Journalisten boshafte oder einfältige Menschen, welche die Anhänger der englischen Allianz für eine Faction und den Courrier français für das Organ dieser Faction halten. Nun aber kommt das M. Chronicle und beklagt sich, daß Hr. Thiers und der Courrier français dem englischen Interesse nicht genug Concessionen machen! Man beschuldigt uns, daß wir das türkische Reich zu Gunsten des ägyptischen zerstören wollten. Wir wollen aber nichts zerstören, sondern im Gegentheil Alles erhalten, was in dem großen Besitzthum der Ottomanen die Zeit geschaffen oder geachtet hat. In dieser Absicht rathen wir den europäischen Mächten, daß sie nicht thörichterweise mit dem Gedanken umgehen sollen, in Aegypten und Syrien die einzige Schöpfung, die weder ephemer noch todtgeboren ist, über den Haufen zu werfen. Das M. Chronicle wird selbst in England eine große Zahl billigdenkender Leute finden, die unsere Ansicht über die Frage des Orients theilen; wir verweisen jenes Blatt auf den Bericht des Hrn. Bowring, dessen Druck das Parlament ohne Zweifel befehlen wird. Das M. Chronicle drückt über die Möglichkeit einer dauernden Allianz zwischen Frankreich und England Zweifel aus, die uns betrüben. Es erkennt gleichwohl den Nutzen dieser Allianz und lobt unsere Bemühungen, dieselbe zu erhalten. Wir bemerken dem M. Chronicle, daß die Erhaltung jener Allianz leicht wäre, wenn die Londoner Presse den Muth oder den Willen hätte, ihre Regierung zu tadeln, gleich wie wir die unsrige tadeln, so oft sie irgend einen ernsten Fehler begeht, der die Einigkeit der beiden Länder stören könnte; wenn ferner die englischen Blätter die Reizbarkeit unsers Nationalstolzes schonen würden, gleich wie wir uns eine Pflicht daraus machen, die des englischen Volks zu schonen. Das M. Chronicle vertheidigt mit Talent und Beharrlichkeit die Principien der Freiheit und des Fortschritts. Es wäre eines Journals, das so hoch in der öffentlichen Meinung steht, würdig, Einsicht und Mühe darauf zu verwenden, die Vorurtheile, die noch zwischen Frankreich und England bestehen, zu entfernen. Wir müssen in dieser Hinsicht den Sun, den Spectator und selbst den Examiner mehr loben. Das M. Chronicle hat von der Gewandtheit Lord Palmerstons eine hohe Meinung, und diese Sympathie, die wir weniger lebhaft wünschten, reißt es zuweilen weiter fort, als es selbst beabsichtigen mag. Möge das M. Chronicle aber wohl bedenken: so oft es auf solche Weise die Gränzen überschreitet, schwächt es in Frankreich die für England günstige Stimmung und liefert den Anhängern der russischen Allianz ein Argument weiter.“</p><lb/> <p>(<hi rendition="#g">Courrier français</hi>.) Die <hi rendition="#g">Presse</hi> behauptet (s. die gestrige Allg. 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beständig gewesen ist. Wir glauben daher, daß das Ministerium jetzt nicht stärker ist, als es vor seinem Versuche nach Unabhängigkeit gewesen. Wir möchten eher glauben, daß es sich durch die Wichtigkeit, die es dem Chef der Doctrin beilegt, geschwächt hat, weil es ihn vorerst nicht von dem parlamentarischen Schauplatz entfernte, indem Hr. Guizot erst nach der Vermählung der Königin Besitz ergreifen soll – ein Umstand, der unter der Voraussetzung, daß seine Ernennung den ostensiblen Zweck hätte, die zu London vor sich gehenden Unterhandlungen fortzusetzen, ihn in dieser Beziehung anulliren würde. Das Land ist besorgt. Parlamentarische Erläuterungen sind nöthig. Werden sie verlangt werden? Wir hoffen es.
Auch das Journal des Débats sagt heute, es scheine gewiß, daß General Sebastiani den Botschafterposten in London verlasse und Hr. Guizot zu seinem Nachfolger bestimmt sey. Der Messager will wissen, die Ernennungsordonnanz sey am 29 Jan. Morgens unterzeichnet worden. Dieser Angabe widerspricht der Temps. Da alle Blätter zugeben, daß erst am Tage zuvor die Rückberufung Sebastiani's im Conseil beschlossen worden, so könne Guizots definitive Ernennung und die Bestimmung alsbaldiger Abreise nicht unmittelbar darauf gefolgt seyn, da es diplomatische Sitte sey, über die Ernennung eines Botschafters erst den betreffenden Hof zu consultiren, und von ihm die Versicherung einzuholen, daß ihm die getroffene Wahl genehm sey. Das jetzige Ministerium werde am wenigsten unter den gegenwärtigen Umständen dem Whigcabinet einen Botschafter zuschicken wollen, ohne alle vorläufige Notiz, ohne Beobachtung der nöthigen und schicklichen Formen. Auch die nahe bevorstehende Vermählung der Königin Victoria sey ein Grund, Hrn. v. Sebastiani nicht auf der Stelle zurückzurufen.
(Constitutionnel.) Die Minister, mit Recht beunruhigt über die Londoner Verhandlungen, lassen sagen und sagen selbst, die Vorschläge des Hrn. v. Brunnow seyen noch nicht angenommen worden, und man habe den Abschluß eines Vertrags zwischen England und Rußland zu früh angekündigt. Hierin sagen die Minister nicht ganz das Gegentheil von der Wahrheit. Sie spielen nur mit den Worten. Es ist sehr wahr, daß noch kein Vertrag unterzeichnet, und daß die Genehmigungen dazu noch nicht ausgefertigt sind; aber der Grundsatz der Unterhandlungen ist angenommen, über die Bedingungen desselben ist man übereingekommen, d. h. das Wesentliche davon ist, wenigstens vom Cabinet aus, im Reinen.
Der Courrier français antwortet auf den Artikel des M. Chronicle, den wir gestern gegeben: „In welcher Absicht sollte Mehemed Ali den Engländern die Reise über die Landenge von Suez erschweren? Liegt es nicht vielmehr in des Pascha's Interesse, daß Aegypten wieder werde, was es im Mittelalter war, der Schauplatz eines großen Transithandels, der Verbindungsweg zwischen Europa und Asien? Wahr ist es, Mehemed Ali hat der ostindischen Compagnie nicht erlaubt, Suez militärisch zu besetzen, denn dieß wäre so viel gewesen, als ihr die Schlüssel Aegyptens übergeben und zu ihren Gunsten abdanken. Auch würde Frankreich gegen diese Occupation protestirt haben, selbst wenn der Pascha eingewilligt hätte. Hat England zur Erleichterung seiner Communicationen mit dem Ganges und dem Indus nöthig, auf ein Gebiet, das ihm nicht gehört, eine Armee zu werfen und dort Forts zu errichten? Was würde Lord Palmerston sagen, wenn wir unsrerseits einige Regimenter nach Suez oder Saint-Jean-d'Acre schicken würden, um den Landstrich zu bewachen, der das rothe Meer vom Mittelmeere trennt? Alles, was wir thun konnten, um unsern aufrichtigen Wunsch zu zeigen, die Verbindungen Großbritanniens mit seinen ostindischen Colonien zu begünstigen, haben wir durch die Organisation der Dampfschifffahrt im Mittelmeer gethan. Wird von Lord Palmerston nun seinerseits nichts geschehen, um uns die Uneigennützigkeit seiner Politik zu beweisen, die seit der Besetzung von Aden sehr verdächtig geworden ist? Hr. Thiers wurde von den legitimistischen Blättern wegen seiner letzten Rede, die ihnen für die Interessen Englands allzu günstig schien, angegriffen. Es gibt unter den französischen Journalisten boshafte oder einfältige Menschen, welche die Anhänger der englischen Allianz für eine Faction und den Courrier français für das Organ dieser Faction halten. Nun aber kommt das M. Chronicle und beklagt sich, daß Hr. Thiers und der Courrier français dem englischen Interesse nicht genug Concessionen machen! Man beschuldigt uns, daß wir das türkische Reich zu Gunsten des ägyptischen zerstören wollten. Wir wollen aber nichts zerstören, sondern im Gegentheil Alles erhalten, was in dem großen Besitzthum der Ottomanen die Zeit geschaffen oder geachtet hat. In dieser Absicht rathen wir den europäischen Mächten, daß sie nicht thörichterweise mit dem Gedanken umgehen sollen, in Aegypten und Syrien die einzige Schöpfung, die weder ephemer noch todtgeboren ist, über den Haufen zu werfen. Das M. Chronicle wird selbst in England eine große Zahl billigdenkender Leute finden, die unsere Ansicht über die Frage des Orients theilen; wir verweisen jenes Blatt auf den Bericht des Hrn. Bowring, dessen Druck das Parlament ohne Zweifel befehlen wird. Das M. Chronicle drückt über die Möglichkeit einer dauernden Allianz zwischen Frankreich und England Zweifel aus, die uns betrüben. Es erkennt gleichwohl den Nutzen dieser Allianz und lobt unsere Bemühungen, dieselbe zu erhalten. Wir bemerken dem M. Chronicle, daß die Erhaltung jener Allianz leicht wäre, wenn die Londoner Presse den Muth oder den Willen hätte, ihre Regierung zu tadeln, gleich wie wir die unsrige tadeln, so oft sie irgend einen ernsten Fehler begeht, der die Einigkeit der beiden Länder stören könnte; wenn ferner die englischen Blätter die Reizbarkeit unsers Nationalstolzes schonen würden, gleich wie wir uns eine Pflicht daraus machen, die des englischen Volks zu schonen. Das M. Chronicle vertheidigt mit Talent und Beharrlichkeit die Principien der Freiheit und des Fortschritts. Es wäre eines Journals, das so hoch in der öffentlichen Meinung steht, würdig, Einsicht und Mühe darauf zu verwenden, die Vorurtheile, die noch zwischen Frankreich und England bestehen, zu entfernen. Wir müssen in dieser Hinsicht den Sun, den Spectator und selbst den Examiner mehr loben. Das M. Chronicle hat von der Gewandtheit Lord Palmerstons eine hohe Meinung, und diese Sympathie, die wir weniger lebhaft wünschten, reißt es zuweilen weiter fort, als es selbst beabsichtigen mag. Möge das M. Chronicle aber wohl bedenken: so oft es auf solche Weise die Gränzen überschreitet, schwächt es in Frankreich die für England günstige Stimmung und liefert den Anhängern der russischen Allianz ein Argument weiter.“
(Courrier français.) Die Presse behauptet (s. die gestrige Allg. Zeitung), daß die Königin-Regentin von Spanien England officiell aufgefordert habe, den Hafen von Passages zu räumen, und daß England sich weigere, seine Truppen zurückzuziehen. Wir sind in den Stand gesetzt, dieser Behauptung, die ohne Grund Empfindlichkeiten erwecken könnte, zu widersprechen. Vergangene Woche schiffte sich ein Drittheil der Soldaten der englischen Marine, welche die Garnison von Passages bilden, nach England ein. Von dort sollen diese Truppen nach China bestimmt seyn. Man versichert uns, die brittische Regierung sey geneigt, Passages auf der Stelle zu räumen, wenn die spanische Regierung dieß verlange.
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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