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Allgemeine Zeitung. Nr. 35. Augsburg, 4. Februar 1840.

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Oper bewundern. - Der Freih. v. Ostini, Geschäftsträger Sr. k. Hoh. des Herzogs von Lucca am Wiener Hofe, weilt noch immer in Lucca; Se. k. Hoh. hat ihn, seiner Dienste wegen, zum Staatsrath ernannt. - Fast alle Künstler und Arbeiter Carrara's sind seit länger als einem Jahre mit der Ausführung eines prachtvollen Marmorsaales für das Winterpalais in St. Petersburg beschäftigt. Schon sind, zur höchsten Zufriedenheit Sr. Maj. des Kaisers, drei große Schiffe, beladen mit benannten Arbeiten, in jener Residenz angelangt. In diesem Frühjahre hofft man das Ganze zu vollenden. Drei andere Schiffe sind bereits zu dem Transport der zweiten Hälfte bestimmt. Man schätzt die Kosten dieses Riesen-Marmorsaales allein für Carrara auf zwei Millionen Rubel.

Schweiz.

(Beschluß.) An die größern Unternehmungen im Administrativgebiete reiht sich befriedigend eine vor wenigen Jahren noch nicht geahnte Vervollkommnung der Posten auf allen Hauptlinien der Schweiz; die Leistungen von Zürich, Bern und St. Gallen beweisen, was Eifer und Sachkunde auch unter ungünstiger politischer Zersplitterung vermögen. In den genannten und einigen andern Kantonen ist kaum eine Straße, die nicht mit täglichen Eilwagen und Briefposten in den Bereich des Verkehrs gezogen worden und die Vervollkommnung wird bald den Grad erreichen, daß regelmäßige amtliche Botencurse auch in alle Dörfer errichtet werden.

Verhältnißmäßig nicht geringere Leistungen sind aufzuweisen im Militärwesen. Wenn auch unter nothwendig erachteten neuen Entwürfen dieses und jenes brach liegen mußte, so hat unterdessen die ununterbrochene Vermehrung des Materials viele Kräfte in Anspruch genommen; Bern, Waadt, Zürich, Genf voran, mehrere andere Kantone im mindern Grade sind in dieser Beziehung so wehrfähig, als es Staaten auf den Grund des Milizsystems nur seyn können. Das von den Franzosen Geraubte ist in den Zeughäusern von Bern und Waadt reichlich ersetzt. Die Ausrüstung der Truppen hat aller Orten große Fortschritte gemacht, die Instruction wurde an manchen ebenfalls verbessert.

Die ganze financielle Verwaltung der einzelnen Kantone hat den wohlthätigsten Umschwung erfahren. Oeffentlichkeit und Klarheit in den Rechnungen, sorgsame Nutzbarmachung der Staatseigenthümlichkeiten charakterisiren die neuere Periode; der Mißbräuche, die dem Einzelnen auf Rechnung des Ganzen zu zehren erlaubten, sind eine Legion abgeschafft worden. Nur den Stein der Weisen hat man noch nicht gefunden, ohne Geld und viel Geld die öffentlichen Bedürfnisse zu befriedigen. Gute Forstgesetze in mehrern Kantonen verdanken ihr Entstehen den letzten Jahren; sie werden nachhaltig wirken. Abschaffung der Grundlasten oder die Erklärung ihrer Loskäuflichkeit kam den Eigenthümern zu statten, wo nicht zur Zeit der Vermittelungsacte schon remedirt worden war. Drei Banken entstanden in den jüngsten Jahren, eine obrigkeitliche zu Bern, Privatbanken in Zürich und St. Gallen; sie sind sämmtlich für den öffentlichen Verkehr als wohlthätig erkannt. Selbst in dem schwierigen Münzwesen blieb man nicht ganz zurück. Große Summen alter Scheidemünzen wanderten in den Tiegel, neue wurden wenige nur geprägt. Genf hat vollends den zweckmäßigen französischen Münzfuß eingeführt.

Polizeiliches und Communalverhältnisse waren gleichmäßig Gegenstände der wohlthätigsten Verbesserungen. In den meisten Kantonen besteht nun ein Maaß und Gewicht mit allmählicher Verdrängung einer Unzahl von alten; die Niederlassung von Kanton zu Kanton ist wesentlich erleichtert worden; die Polizei wußte größtentheils dem alten Strolchen- und Vagantenwesen mit Erfolg zu Leibe zu gehen; ein paar Tausende sogenannter Heimathlosen wurden eingebürgert. In den Gemeinden erhielten die Ausbürger allmählich ausgedehntere Rechte, und spießbürgerliche Verschrumpfung mußte fast aller Orten den Bedürfnissen freierer Volksbewegung weichen.

Wird auch die Straf- und Civilrechtspflege noch in mancher Beziehung getadelt, so ist doch kaum ein Kanton zu nennen, der nicht wesentliche Verbesserungen darzubieten hätte. In den meisten ist nunmehr die Trennung der Gewalten grundsätzlich durchgeführt; Rath und Gericht sind selten mehr in den gleichen Collegien zu finden, und die Rechtssicherheit hat darin Garantien gefunden, wegen deren Abgang früher hundert und abermal hundert Gräuel in die Geschichtbücher aufgezeichnet werden mußten. Der bessern Strafanstalten habe ich schon erwähnt. Die Reform in der Gesetzgebung ging an mehreren Orten gleichen Schrittes. Die Civilgesetzgebung ist in mehreren Kantonen (Waadt, Aargau, Bern) ganz geordnet. In andern sind wesentliche Theile derselben verbessert worden, und wieder in andern sind die Behörden eben dermal in Thätigkeit begriffen. Der Rechtsbedürftige wird beinahe überall mit einer Beförderung befriedigt, die in manchen Staaten noch Problem ist, obwohl die neuere Cultur auch in der Schweiz dem Formenwesen mehr Zutritt lassen mußte als ehedem. Verbesserte Hypothekargesetze endlich haben den Credit fast allerwärts gehoben.

Ich habe mit den Bauten, dieser äußern Zierde der Staaten, begonnen; ich schließe mit der innern, der reellen, mit den Bestrebungen für Volksbildung. Zwei neue Hochschulen, in Bern und Zürich, wurden gegründet; jene von Basel hat sich unter unglücklichen Verhältnissen erhalten. Die Akademien in Genf und Lausanne, die Lyceen und Gymnasien in Luzern, Solothurn, Zürich, St. Gallen u. s. w. haben größtentheils Verbesserungen erhalten; einzelne Lehrerseminarien wurden gegründet. Blinden- und Taubstummenanstalten hoben sich. Für die eigentliche Volksschule ist in Bern, Zürich, St. Gallen, Thurgau, Glarus fast mehr geschehen, als die Kräfte der Staats- etc., und Gemeindecassen und die Beutel der Bürger ertragen mochten. Fast allenthalben erstanden geräumige, gesundere eigene Schulhäuser, und ein Gang durch Land und Volk mag den Fremden überzeugen, daß die Schweiz in Beziehung auf die Schulbildung der Bewohner mit den besser regierten Staaten wetteifert, viele übertrifft. Wichtiges in diesem Fache hat besonders das letzte Decennium geleistet. Gleichzeitig ging die Armenpflege Hand in Hand zu besserm Zustande vorwärts.

Ich knüpfe an diese Darstellung noch ein Wort über die kirchlichen Kämpfe. Sie sind das Pensum aller Zeiten und Völker; das schweizerische hat trotz einzelner obscuren Ereignisse seine Denkfreiheit noch nicht hingegeben, und über die Rechtspostulate des Staates Erfahrungen gemacht, die es gelegentlich zu Nutzen ziehen wird.

Vorstehender Rückblik auf das, was seit ein paar Jahrzehnten in und von der Schweiz geleistet worden, und in welchem noch das Viele, das der Privatindustrie zu verdanken ist, keine Stelle gefunden hat, ist weit entfernt, eine hohle Panegyrik zu seyn; es beruht auf überall erweislichen Thatsachen. Die Schweiz darf sich dessen freuen, wenn sie auch noch Vieles zu bedauern und zu vermissen hat, was sie anstrebte, doch nicht zu erreichen vermochte. Und wer hat das Alles geleistet? Liberale, Aristokraten, Radicale oder Juste-Milieus? Ich weiß es nicht. Es ist gleichviel; immerhin nicht die einen Alles, aber Alle werden sich überzeugen, daß sie vereint noch Größeres und Schöneres vermögen - das Ausland endlich wird diese Blätter hoffentlich mit dem Gewinn der Zuversicht lesen, daß unsere mitunter


Oper bewundern. – Der Freih. v. Ostini, Geschäftsträger Sr. k. Hoh. des Herzogs von Lucca am Wiener Hofe, weilt noch immer in Lucca; Se. k. Hoh. hat ihn, seiner Dienste wegen, zum Staatsrath ernannt. – Fast alle Künstler und Arbeiter Carrara's sind seit länger als einem Jahre mit der Ausführung eines prachtvollen Marmorsaales für das Winterpalais in St. Petersburg beschäftigt. Schon sind, zur höchsten Zufriedenheit Sr. Maj. des Kaisers, drei große Schiffe, beladen mit benannten Arbeiten, in jener Residenz angelangt. In diesem Frühjahre hofft man das Ganze zu vollenden. Drei andere Schiffe sind bereits zu dem Transport der zweiten Hälfte bestimmt. Man schätzt die Kosten dieses Riesen-Marmorsaales allein für Carrara auf zwei Millionen Rubel.

Schweiz.

(Beschluß.) An die größern Unternehmungen im Administrativgebiete reiht sich befriedigend eine vor wenigen Jahren noch nicht geahnte Vervollkommnung der Posten auf allen Hauptlinien der Schweiz; die Leistungen von Zürich, Bern und St. Gallen beweisen, was Eifer und Sachkunde auch unter ungünstiger politischer Zersplitterung vermögen. In den genannten und einigen andern Kantonen ist kaum eine Straße, die nicht mit täglichen Eilwagen und Briefposten in den Bereich des Verkehrs gezogen worden und die Vervollkommnung wird bald den Grad erreichen, daß regelmäßige amtliche Botencurse auch in alle Dörfer errichtet werden.

Verhältnißmäßig nicht geringere Leistungen sind aufzuweisen im Militärwesen. Wenn auch unter nothwendig erachteten neuen Entwürfen dieses und jenes brach liegen mußte, so hat unterdessen die ununterbrochene Vermehrung des Materials viele Kräfte in Anspruch genommen; Bern, Waadt, Zürich, Genf voran, mehrere andere Kantone im mindern Grade sind in dieser Beziehung so wehrfähig, als es Staaten auf den Grund des Milizsystems nur seyn können. Das von den Franzosen Geraubte ist in den Zeughäusern von Bern und Waadt reichlich ersetzt. Die Ausrüstung der Truppen hat aller Orten große Fortschritte gemacht, die Instruction wurde an manchen ebenfalls verbessert.

Die ganze financielle Verwaltung der einzelnen Kantone hat den wohlthätigsten Umschwung erfahren. Oeffentlichkeit und Klarheit in den Rechnungen, sorgsame Nutzbarmachung der Staatseigenthümlichkeiten charakterisiren die neuere Periode; der Mißbräuche, die dem Einzelnen auf Rechnung des Ganzen zu zehren erlaubten, sind eine Legion abgeschafft worden. Nur den Stein der Weisen hat man noch nicht gefunden, ohne Geld und viel Geld die öffentlichen Bedürfnisse zu befriedigen. Gute Forstgesetze in mehrern Kantonen verdanken ihr Entstehen den letzten Jahren; sie werden nachhaltig wirken. Abschaffung der Grundlasten oder die Erklärung ihrer Loskäuflichkeit kam den Eigenthümern zu statten, wo nicht zur Zeit der Vermittelungsacte schon remedirt worden war. Drei Banken entstanden in den jüngsten Jahren, eine obrigkeitliche zu Bern, Privatbanken in Zürich und St. Gallen; sie sind sämmtlich für den öffentlichen Verkehr als wohlthätig erkannt. Selbst in dem schwierigen Münzwesen blieb man nicht ganz zurück. Große Summen alter Scheidemünzen wanderten in den Tiegel, neue wurden wenige nur geprägt. Genf hat vollends den zweckmäßigen französischen Münzfuß eingeführt.

Polizeiliches und Communalverhältnisse waren gleichmäßig Gegenstände der wohlthätigsten Verbesserungen. In den meisten Kantonen besteht nun ein Maaß und Gewicht mit allmählicher Verdrängung einer Unzahl von alten; die Niederlassung von Kanton zu Kanton ist wesentlich erleichtert worden; die Polizei wußte größtentheils dem alten Strolchen- und Vagantenwesen mit Erfolg zu Leibe zu gehen; ein paar Tausende sogenannter Heimathlosen wurden eingebürgert. In den Gemeinden erhielten die Ausbürger allmählich ausgedehntere Rechte, und spießbürgerliche Verschrumpfung mußte fast aller Orten den Bedürfnissen freierer Volksbewegung weichen.

Wird auch die Straf- und Civilrechtspflege noch in mancher Beziehung getadelt, so ist doch kaum ein Kanton zu nennen, der nicht wesentliche Verbesserungen darzubieten hätte. In den meisten ist nunmehr die Trennung der Gewalten grundsätzlich durchgeführt; Rath und Gericht sind selten mehr in den gleichen Collegien zu finden, und die Rechtssicherheit hat darin Garantien gefunden, wegen deren Abgang früher hundert und abermal hundert Gräuel in die Geschichtbücher aufgezeichnet werden mußten. Der bessern Strafanstalten habe ich schon erwähnt. Die Reform in der Gesetzgebung ging an mehreren Orten gleichen Schrittes. Die Civilgesetzgebung ist in mehreren Kantonen (Waadt, Aargau, Bern) ganz geordnet. In andern sind wesentliche Theile derselben verbessert worden, und wieder in andern sind die Behörden eben dermal in Thätigkeit begriffen. Der Rechtsbedürftige wird beinahe überall mit einer Beförderung befriedigt, die in manchen Staaten noch Problem ist, obwohl die neuere Cultur auch in der Schweiz dem Formenwesen mehr Zutritt lassen mußte als ehedem. Verbesserte Hypothekargesetze endlich haben den Credit fast allerwärts gehoben.

Ich habe mit den Bauten, dieser äußern Zierde der Staaten, begonnen; ich schließe mit der innern, der reellen, mit den Bestrebungen für Volksbildung. Zwei neue Hochschulen, in Bern und Zürich, wurden gegründet; jene von Basel hat sich unter unglücklichen Verhältnissen erhalten. Die Akademien in Genf und Lausanne, die Lyceen und Gymnasien in Luzern, Solothurn, Zürich, St. Gallen u. s. w. haben größtentheils Verbesserungen erhalten; einzelne Lehrerseminarien wurden gegründet. Blinden- und Taubstummenanstalten hoben sich. Für die eigentliche Volksschule ist in Bern, Zürich, St. Gallen, Thurgau, Glarus fast mehr geschehen, als die Kräfte der Staats- etc., und Gemeindecassen und die Beutel der Bürger ertragen mochten. Fast allenthalben erstanden geräumige, gesundere eigene Schulhäuser, und ein Gang durch Land und Volk mag den Fremden überzeugen, daß die Schweiz in Beziehung auf die Schulbildung der Bewohner mit den besser regierten Staaten wetteifert, viele übertrifft. Wichtiges in diesem Fache hat besonders das letzte Decennium geleistet. Gleichzeitig ging die Armenpflege Hand in Hand zu besserm Zustande vorwärts.

Ich knüpfe an diese Darstellung noch ein Wort über die kirchlichen Kämpfe. Sie sind das Pensum aller Zeiten und Völker; das schweizerische hat trotz einzelner obscuren Ereignisse seine Denkfreiheit noch nicht hingegeben, und über die Rechtspostulate des Staates Erfahrungen gemacht, die es gelegentlich zu Nutzen ziehen wird.

Vorstehender Rückblik auf das, was seit ein paar Jahrzehnten in und von der Schweiz geleistet worden, und in welchem noch das Viele, das der Privatindustrie zu verdanken ist, keine Stelle gefunden hat, ist weit entfernt, eine hohle Panegyrik zu seyn; es beruht auf überall erweislichen Thatsachen. Die Schweiz darf sich dessen freuen, wenn sie auch noch Vieles zu bedauern und zu vermissen hat, was sie anstrebte, doch nicht zu erreichen vermochte. Und wer hat das Alles geleistet? Liberale, Aristokraten, Radicale oder Juste-Milieus? Ich weiß es nicht. Es ist gleichviel; immerhin nicht die einen Alles, aber Alle werden sich überzeugen, daß sie vereint noch Größeres und Schöneres vermögen – das Ausland endlich wird diese Blätter hoffentlich mit dem Gewinn der Zuversicht lesen, daß unsere mitunter

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[0277/0005] Oper bewundern. – Der Freih. v. Ostini, Geschäftsträger Sr. k. Hoh. des Herzogs von Lucca am Wiener Hofe, weilt noch immer in Lucca; Se. k. Hoh. hat ihn, seiner Dienste wegen, zum Staatsrath ernannt. – Fast alle Künstler und Arbeiter Carrara's sind seit länger als einem Jahre mit der Ausführung eines prachtvollen Marmorsaales für das Winterpalais in St. Petersburg beschäftigt. Schon sind, zur höchsten Zufriedenheit Sr. Maj. des Kaisers, drei große Schiffe, beladen mit benannten Arbeiten, in jener Residenz angelangt. In diesem Frühjahre hofft man das Ganze zu vollenden. Drei andere Schiffe sind bereits zu dem Transport der zweiten Hälfte bestimmt. Man schätzt die Kosten dieses Riesen-Marmorsaales allein für Carrara auf zwei Millionen Rubel. Schweiz. ***St. Gallen, 26 Jan. (Beschluß.) An die größern Unternehmungen im Administrativgebiete reiht sich befriedigend eine vor wenigen Jahren noch nicht geahnte Vervollkommnung der Posten auf allen Hauptlinien der Schweiz; die Leistungen von Zürich, Bern und St. Gallen beweisen, was Eifer und Sachkunde auch unter ungünstiger politischer Zersplitterung vermögen. In den genannten und einigen andern Kantonen ist kaum eine Straße, die nicht mit täglichen Eilwagen und Briefposten in den Bereich des Verkehrs gezogen worden und die Vervollkommnung wird bald den Grad erreichen, daß regelmäßige amtliche Botencurse auch in alle Dörfer errichtet werden. Verhältnißmäßig nicht geringere Leistungen sind aufzuweisen im Militärwesen. Wenn auch unter nothwendig erachteten neuen Entwürfen dieses und jenes brach liegen mußte, so hat unterdessen die ununterbrochene Vermehrung des Materials viele Kräfte in Anspruch genommen; Bern, Waadt, Zürich, Genf voran, mehrere andere Kantone im mindern Grade sind in dieser Beziehung so wehrfähig, als es Staaten auf den Grund des Milizsystems nur seyn können. Das von den Franzosen Geraubte ist in den Zeughäusern von Bern und Waadt reichlich ersetzt. Die Ausrüstung der Truppen hat aller Orten große Fortschritte gemacht, die Instruction wurde an manchen ebenfalls verbessert. Die ganze financielle Verwaltung der einzelnen Kantone hat den wohlthätigsten Umschwung erfahren. Oeffentlichkeit und Klarheit in den Rechnungen, sorgsame Nutzbarmachung der Staatseigenthümlichkeiten charakterisiren die neuere Periode; der Mißbräuche, die dem Einzelnen auf Rechnung des Ganzen zu zehren erlaubten, sind eine Legion abgeschafft worden. Nur den Stein der Weisen hat man noch nicht gefunden, ohne Geld und viel Geld die öffentlichen Bedürfnisse zu befriedigen. Gute Forstgesetze in mehrern Kantonen verdanken ihr Entstehen den letzten Jahren; sie werden nachhaltig wirken. Abschaffung der Grundlasten oder die Erklärung ihrer Loskäuflichkeit kam den Eigenthümern zu statten, wo nicht zur Zeit der Vermittelungsacte schon remedirt worden war. Drei Banken entstanden in den jüngsten Jahren, eine obrigkeitliche zu Bern, Privatbanken in Zürich und St. Gallen; sie sind sämmtlich für den öffentlichen Verkehr als wohlthätig erkannt. Selbst in dem schwierigen Münzwesen blieb man nicht ganz zurück. Große Summen alter Scheidemünzen wanderten in den Tiegel, neue wurden wenige nur geprägt. Genf hat vollends den zweckmäßigen französischen Münzfuß eingeführt. Polizeiliches und Communalverhältnisse waren gleichmäßig Gegenstände der wohlthätigsten Verbesserungen. In den meisten Kantonen besteht nun ein Maaß und Gewicht mit allmählicher Verdrängung einer Unzahl von alten; die Niederlassung von Kanton zu Kanton ist wesentlich erleichtert worden; die Polizei wußte größtentheils dem alten Strolchen- und Vagantenwesen mit Erfolg zu Leibe zu gehen; ein paar Tausende sogenannter Heimathlosen wurden eingebürgert. In den Gemeinden erhielten die Ausbürger allmählich ausgedehntere Rechte, und spießbürgerliche Verschrumpfung mußte fast aller Orten den Bedürfnissen freierer Volksbewegung weichen. Wird auch die Straf- und Civilrechtspflege noch in mancher Beziehung getadelt, so ist doch kaum ein Kanton zu nennen, der nicht wesentliche Verbesserungen darzubieten hätte. In den meisten ist nunmehr die Trennung der Gewalten grundsätzlich durchgeführt; Rath und Gericht sind selten mehr in den gleichen Collegien zu finden, und die Rechtssicherheit hat darin Garantien gefunden, wegen deren Abgang früher hundert und abermal hundert Gräuel in die Geschichtbücher aufgezeichnet werden mußten. Der bessern Strafanstalten habe ich schon erwähnt. Die Reform in der Gesetzgebung ging an mehreren Orten gleichen Schrittes. Die Civilgesetzgebung ist in mehreren Kantonen (Waadt, Aargau, Bern) ganz geordnet. In andern sind wesentliche Theile derselben verbessert worden, und wieder in andern sind die Behörden eben dermal in Thätigkeit begriffen. Der Rechtsbedürftige wird beinahe überall mit einer Beförderung befriedigt, die in manchen Staaten noch Problem ist, obwohl die neuere Cultur auch in der Schweiz dem Formenwesen mehr Zutritt lassen mußte als ehedem. Verbesserte Hypothekargesetze endlich haben den Credit fast allerwärts gehoben. Ich habe mit den Bauten, dieser äußern Zierde der Staaten, begonnen; ich schließe mit der innern, der reellen, mit den Bestrebungen für Volksbildung. Zwei neue Hochschulen, in Bern und Zürich, wurden gegründet; jene von Basel hat sich unter unglücklichen Verhältnissen erhalten. Die Akademien in Genf und Lausanne, die Lyceen und Gymnasien in Luzern, Solothurn, Zürich, St. Gallen u. s. w. haben größtentheils Verbesserungen erhalten; einzelne Lehrerseminarien wurden gegründet. Blinden- und Taubstummenanstalten hoben sich. Für die eigentliche Volksschule ist in Bern, Zürich, St. Gallen, Thurgau, Glarus fast mehr geschehen, als die Kräfte der Staats- etc., und Gemeindecassen und die Beutel der Bürger ertragen mochten. Fast allenthalben erstanden geräumige, gesundere eigene Schulhäuser, und ein Gang durch Land und Volk mag den Fremden überzeugen, daß die Schweiz in Beziehung auf die Schulbildung der Bewohner mit den besser regierten Staaten wetteifert, viele übertrifft. Wichtiges in diesem Fache hat besonders das letzte Decennium geleistet. Gleichzeitig ging die Armenpflege Hand in Hand zu besserm Zustande vorwärts. Ich knüpfe an diese Darstellung noch ein Wort über die kirchlichen Kämpfe. Sie sind das Pensum aller Zeiten und Völker; das schweizerische hat trotz einzelner obscuren Ereignisse seine Denkfreiheit noch nicht hingegeben, und über die Rechtspostulate des Staates Erfahrungen gemacht, die es gelegentlich zu Nutzen ziehen wird. Vorstehender Rückblik auf das, was seit ein paar Jahrzehnten in und von der Schweiz geleistet worden, und in welchem noch das Viele, das der Privatindustrie zu verdanken ist, keine Stelle gefunden hat, ist weit entfernt, eine hohle Panegyrik zu seyn; es beruht auf überall erweislichen Thatsachen. Die Schweiz darf sich dessen freuen, wenn sie auch noch Vieles zu bedauern und zu vermissen hat, was sie anstrebte, doch nicht zu erreichen vermochte. Und wer hat das Alles geleistet? Liberale, Aristokraten, Radicale oder Juste-Milieus? Ich weiß es nicht. Es ist gleichviel; immerhin nicht die einen Alles, aber Alle werden sich überzeugen, daß sie vereint noch Größeres und Schöneres vermögen – das Ausland endlich wird diese Blätter hoffentlich mit dem Gewinn der Zuversicht lesen, daß unsere mitunter

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 35. Augsburg, 4. Februar 1840, S. 0277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_035_18400204/5>, abgerufen am 02.05.2024.