Allgemeine Zeitung. Nr. 34. Augsburg, 3. Februar 1840.zu einer Revolution führen würden, hatte er nicht erwartet, weil er die höhern Stände einzig mit ihrem Vortheil beschäftigt und von Träumereien frei wußte; aber er sah die religiösen Wirren an der Nordwestgränze von Deutschland kommen und fürchtete die Einmischung französischer Aufhetzer; er hörte die Tribunendeclamationen von Frankreichs Einengung in Gränzen, die nicht seine natürlichen wären, und fürchtete, daß Liberale und Aristokraten sich vereinigen möchten, um hereinzubrechen gegen das arme zerrissene Deutschland. 5)5) Das Entsetzlichste war ihm der Gedanke, daß es geschehen könnte, daß Deutschland eines russischen Gustav Adolf bedürfte, um sich zu erwehren! 6)6) Die Galerie des Cardinals Fesch. Rom, 21 Jan. Es steht dem hiesigen Kunstleben ein neuer und unersetzlicher Verlust bevor. Der Fürst Hieronymus von Montfort soll sich demnächst zu seinem Bruder Joseph Bonaparte nach London verfügen *)*), um wegen des Verkaufs der Galerie Fesch, in so weit diese nicht nach Ajaccio wandern wird, das Nöthige zu verhandeln. Rom wird also diese Sammlung jedenfalls, ja vielleicht Europa wird sie verlieren, indem die Sage Glauben findet, man suche sie für den Sitz der Bundesbehörden der nordamerikanischen Freistaaten, für Washington zu erwerben. Diese Sammlung wurde mit Kennerblick, Glück und großen baaren Mitteln in dem günstigsten Zeitraum gebildet, und bietet hierin eine Parallele zur Antikensammlung Münchens. Sie umfaßt alle Zeiten und Schulen, und war deßhalb für Rom so wichtig. Ein gedrucktes Verzeichniß existirt nicht, daher kennt man auswärts den Werth und Umfang dieser Sammlung weniger als sie es verdiente. Von Italienern besitzt sie unter Anderm ein wunderschönes Altarblatt Tizians, den ersten Pierin del Vaga, den berühmten Rafael aus Citta del Castello, die nackte Mona Lisa Luini's und einige von der Wand gesägte Fresken der ersten Meister. Besonders reich ist die niederländische Schule, aus welcher beinahe von jedem bedeutenden Meister ein vorzügliches und wohlerhaltenes Bild zu sehen ist. Auch die französische Schule bis David einschließlich ist sehr vollständig, und die zwei Jungen von Holbein dürfen neben das Beste gestellt werden, was von diesem Meister existirt. Besonders unterrichtend sind die Kunstanfänge aller Schulen in Einem Saale vereinigt. Die Galerie classique, welche verkauft wird, mag 2000, die nach Ajaccio bestimmte, aus minder werthvollen Bildern bestehende, über 3000 Nummern betragen. - Wenn es schon bei dem Verkaufe der Coesvelt'schen Sammlung in London sehr zu bedauern war, daß sie nach St. Petersburg und nicht nach Deutschland gewandert ist, so wird es noch mehr der Fall bei dieser Sammlung seyn, welche unterrichtend, vielseitig und aus Bildern zusammengesetzt ist, wie sie jetzt kaum oder zu ungeheuern Preisen einzeln erworben werden können. Wir wünschen, sie möge für eine deutsche Hauptstadt oder für das reiche Frankfurt erstanden werden. Der Kaufpreis wird durch Reisende, und die Industrie, welche sich an Kunstsammlungen anschließt, reichlich hereingebracht werden, wie Dresdens und Münchens Beispiel beweisen. Am liebsten würden wir sie aber in Düsseldorf wiedersehen, wo ein schmerzlicher Verlust ersetzt und eine tüchtig vorschreitende Schule dadurch gekräftigt werden würde. Schließlich ist noch zu bemerken, daß die Galerie bei ihrer Einfuhr in den Kirchenstaat die bindendste Erlaubniß zur freien und ungehinderten Wiederausfuhr erhalten hat. Zug durch die Wüste nach Schendi, und Aufenthalt daselbst. (Fortsetzung.) Wir marschirten langsam, fortwährend auf hartem Sandboden, bis wir am Morgen in ein, mit vielen halbvertrockneten Mimosen waldartig besetztes Felsenthal kamen, wo sich ein tiefer und geräumiger Brunnen mit ziemlich gutem Wasser befindet. Er heißt Mseali, und seine Umgebung war zum Ziel unsers ersten Nachtlagers bestimmt. Wir hatten in der vergangenen sternhellen Nacht die Wüste voll schwarzer Granitfelsen, und an vielen Stellen Spuren von Vegetation gefunden, was unterirdisches Wasser nicht tief unter der Oberfläche vermuthen ließ. Ich fand auch später so oft Gelegenheit diese Bemerkung zu machen, daß ich von der Möglichkeit überzeugt bin, mit Hülfe artesischer Brunnen Tausende von Quadratmeilen der Wüsten Aethiopiens und des Sudans in fruchtbares Land umzuwandeln. Zwei Stunden seitwärts unserer Straße in östlicher Richtung soll sich in Badenn el Gasali (dem Thale der Gazellen) ein noch ziemlich wohl erhaltener Tempel aus röthlichem Sandstein befinden, nach der Beschreibung aber nur von geringen Dimensionen seyn. Ich würde die Mühe nicht gescheut haben ihn aufzusuchen, da ihn noch kein europäischer Reisender gesehen, der Führer erklärte aber des Weges nicht recht kundig zu seyn, und besorgte sich zu verirren, weßhalb ich die Sache aufgeben mußte. Wir schliefen bis um 5 Uhr Abends, wo ich aufstand, um die Gegend zu besichtigen. Am Brunnen fand ich mehrere Beduinen, die ihre, meistens schwarzen, Kamele mit Wasser beluden. Sie waren mit recht eleganten leichten Speeren, und schmalen, auf beiden Seiten zugespitzten Schildern aus Hippopotamoshaut bewaffnet, die ich ihnen vergebens feil zu machen versuchte. Zwei Mädchen befanden sich bei ihnen, wovon die eine, noch sehr junge, wie uns die Männer sagten, die renommirteste Schönheit ihres Dorfes sey, das nur einige Stunden von hier liegen soll. Sie war in der That nicht übel, trotz der breiten Brandnarben in den Backen, schön bemalt, und trug als Schmuck zwei schwere Fußschellen von Metall, gleich unsern Baugefangenen, an den Knöcheln. Sie lächelte uns zuerst sehr freundlich an, doch als ich mich ihr nähern wollte, um sie genauer zu betrachten, entsprang sie, von einem plötzlichen Panik ergriffen, in Begleitung ihrer ältern Gefährtin, wie ein Reh durch den Mimosenwald nach den entfernten kahlen Felsbergen. Ich nahm mit meinem Dragoman dieselbe Richtung, und erstieg die Höhen, konnte aber der beiden Mädchen nicht mehr ansichtig werden, wogegen mich auf dem Gipfel eine weite Aussicht über hügliches Land überraschte, in dessen Thälern mehrere grüne Oasen verstreut waren. Doch bemerkten wir nirgends Spuren von Wohnungen. Zu Burkhardts Zeiten war dieser ganze, von den Hassanyeh-Arabern bewohnte Theil der Wüste noch sehr unsicher, seit der neuen Herrschaft hat man nicht das Mindeste mehr zu befürchten, und mag hier so unbesorgt reisen wie in Aegypten. Als wir zurückkehrten, fanden wir den Sklaven des Doctors heftig an einem Sonnenstich erkrankt. Man mußte ihm mehreremal zur Ader lassen, und obgleich darnach bald einige Besserung eintrat, so erlangte der Knabe doch während der ganzen Reise nie ganz seine vorige Gesundheit wieder. Bei dem nächsten Marsch ward die Karawane nach alter Weise vorausgeschickt, und wir folgten ihr um 2 Uhr in der 5) Briefe von 1827 - 29, Bd. 3, S. 203, 210, 239. 6) Briefe von 1826, Bd. 3, S. 169. *) Anm. d. R. Er traf auf seiner Reise den 31 Jan. zu Köln ein, und setzte am 1 Febr. seine Reise über Rotterdam nach London fort.
zu einer Revolution führen würden, hatte er nicht erwartet, weil er die höhern Stände einzig mit ihrem Vortheil beschäftigt und von Träumereien frei wußte; aber er sah die religiösen Wirren an der Nordwestgränze von Deutschland kommen und fürchtete die Einmischung französischer Aufhetzer; er hörte die Tribunendeclamationen von Frankreichs Einengung in Gränzen, die nicht seine natürlichen wären, und fürchtete, daß Liberale und Aristokraten sich vereinigen möchten, um hereinzubrechen gegen das arme zerrissene Deutschland. 5)5) Das Entsetzlichste war ihm der Gedanke, daß es geschehen könnte, daß Deutschland eines russischen Gustav Adolf bedürfte, um sich zu erwehren! 6)6) Die Galerie des Cardinals Fesch. Rom, 21 Jan. Es steht dem hiesigen Kunstleben ein neuer und unersetzlicher Verlust bevor. Der Fürst Hieronymus von Montfort soll sich demnächst zu seinem Bruder Joseph Bonaparte nach London verfügen *)*), um wegen des Verkaufs der Galerie Fesch, in so weit diese nicht nach Ajaccio wandern wird, das Nöthige zu verhandeln. Rom wird also diese Sammlung jedenfalls, ja vielleicht Europa wird sie verlieren, indem die Sage Glauben findet, man suche sie für den Sitz der Bundesbehörden der nordamerikanischen Freistaaten, für Washington zu erwerben. Diese Sammlung wurde mit Kennerblick, Glück und großen baaren Mitteln in dem günstigsten Zeitraum gebildet, und bietet hierin eine Parallele zur Antikensammlung Münchens. Sie umfaßt alle Zeiten und Schulen, und war deßhalb für Rom so wichtig. Ein gedrucktes Verzeichniß existirt nicht, daher kennt man auswärts den Werth und Umfang dieser Sammlung weniger als sie es verdiente. Von Italienern besitzt sie unter Anderm ein wunderschönes Altarblatt Tizians, den ersten Pierin del Vaga, den berühmten Rafael aus Città del Castello, die nackte Mona Lisa Luini's und einige von der Wand gesägte Fresken der ersten Meister. Besonders reich ist die niederländische Schule, aus welcher beinahe von jedem bedeutenden Meister ein vorzügliches und wohlerhaltenes Bild zu sehen ist. Auch die französische Schule bis David einschließlich ist sehr vollständig, und die zwei Jungen von Holbein dürfen neben das Beste gestellt werden, was von diesem Meister existirt. Besonders unterrichtend sind die Kunstanfänge aller Schulen in Einem Saale vereinigt. Die Galerie classique, welche verkauft wird, mag 2000, die nach Ajaccio bestimmte, aus minder werthvollen Bildern bestehende, über 3000 Nummern betragen. – Wenn es schon bei dem Verkaufe der Coësvelt'schen Sammlung in London sehr zu bedauern war, daß sie nach St. Petersburg und nicht nach Deutschland gewandert ist, so wird es noch mehr der Fall bei dieser Sammlung seyn, welche unterrichtend, vielseitig und aus Bildern zusammengesetzt ist, wie sie jetzt kaum oder zu ungeheuern Preisen einzeln erworben werden können. Wir wünschen, sie möge für eine deutsche Hauptstadt oder für das reiche Frankfurt erstanden werden. Der Kaufpreis wird durch Reisende, und die Industrie, welche sich an Kunstsammlungen anschließt, reichlich hereingebracht werden, wie Dresdens und Münchens Beispiel beweisen. Am liebsten würden wir sie aber in Düsseldorf wiedersehen, wo ein schmerzlicher Verlust ersetzt und eine tüchtig vorschreitende Schule dadurch gekräftigt werden würde. Schließlich ist noch zu bemerken, daß die Galerie bei ihrer Einfuhr in den Kirchenstaat die bindendste Erlaubniß zur freien und ungehinderten Wiederausfuhr erhalten hat. Zug durch die Wüste nach Schendi, und Aufenthalt daselbst. (Fortsetzung.) Wir marschirten langsam, fortwährend auf hartem Sandboden, bis wir am Morgen in ein, mit vielen halbvertrockneten Mimosen waldartig besetztes Felsenthal kamen, wo sich ein tiefer und geräumiger Brunnen mit ziemlich gutem Wasser befindet. Er heißt Mseali, und seine Umgebung war zum Ziel unsers ersten Nachtlagers bestimmt. Wir hatten in der vergangenen sternhellen Nacht die Wüste voll schwarzer Granitfelsen, und an vielen Stellen Spuren von Vegetation gefunden, was unterirdisches Wasser nicht tief unter der Oberfläche vermuthen ließ. Ich fand auch später so oft Gelegenheit diese Bemerkung zu machen, daß ich von der Möglichkeit überzeugt bin, mit Hülfe artesischer Brunnen Tausende von Quadratmeilen der Wüsten Aethiopiens und des Sudans in fruchtbares Land umzuwandeln. Zwei Stunden seitwärts unserer Straße in östlicher Richtung soll sich in Badeñ el Gasali (dem Thale der Gazellen) ein noch ziemlich wohl erhaltener Tempel aus röthlichem Sandstein befinden, nach der Beschreibung aber nur von geringen Dimensionen seyn. Ich würde die Mühe nicht gescheut haben ihn aufzusuchen, da ihn noch kein europäischer Reisender gesehen, der Führer erklärte aber des Weges nicht recht kundig zu seyn, und besorgte sich zu verirren, weßhalb ich die Sache aufgeben mußte. Wir schliefen bis um 5 Uhr Abends, wo ich aufstand, um die Gegend zu besichtigen. Am Brunnen fand ich mehrere Beduinen, die ihre, meistens schwarzen, Kamele mit Wasser beluden. Sie waren mit recht eleganten leichten Speeren, und schmalen, auf beiden Seiten zugespitzten Schildern aus Hippopotamoshaut bewaffnet, die ich ihnen vergebens feil zu machen versuchte. Zwei Mädchen befanden sich bei ihnen, wovon die eine, noch sehr junge, wie uns die Männer sagten, die renommirteste Schönheit ihres Dorfes sey, das nur einige Stunden von hier liegen soll. Sie war in der That nicht übel, trotz der breiten Brandnarben in den Backen, schön bemalt, und trug als Schmuck zwei schwere Fußschellen von Metall, gleich unsern Baugefangenen, an den Knöcheln. Sie lächelte uns zuerst sehr freundlich an, doch als ich mich ihr nähern wollte, um sie genauer zu betrachten, entsprang sie, von einem plötzlichen Panik ergriffen, in Begleitung ihrer ältern Gefährtin, wie ein Reh durch den Mimosenwald nach den entfernten kahlen Felsbergen. Ich nahm mit meinem Dragoman dieselbe Richtung, und erstieg die Höhen, konnte aber der beiden Mädchen nicht mehr ansichtig werden, wogegen mich auf dem Gipfel eine weite Aussicht über hügliches Land überraschte, in dessen Thälern mehrere grüne Oasen verstreut waren. Doch bemerkten wir nirgends Spuren von Wohnungen. Zu Burkhardts Zeiten war dieser ganze, von den Hassanyeh-Arabern bewohnte Theil der Wüste noch sehr unsicher, seit der neuen Herrschaft hat man nicht das Mindeste mehr zu befürchten, und mag hier so unbesorgt reisen wie in Aegypten. Als wir zurückkehrten, fanden wir den Sklaven des Doctors heftig an einem Sonnenstich erkrankt. Man mußte ihm mehreremal zur Ader lassen, und obgleich darnach bald einige Besserung eintrat, so erlangte der Knabe doch während der ganzen Reise nie ganz seine vorige Gesundheit wieder. Bei dem nächsten Marsch ward die Karawane nach alter Weise vorausgeschickt, und wir folgten ihr um 2 Uhr in der 5) Briefe von 1827 - 29, Bd. 3, S. 203, 210, 239. 6) Briefe von 1826, Bd. 3, S. 169. *) Anm. d. R. Er traf auf seiner Reise den 31 Jan. zu Köln ein, und setzte am 1 Febr. seine Reise über Rotterdam nach London fort.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0011" n="0299"/> zu einer Revolution führen würden, hatte er nicht erwartet, weil er die höhern Stände einzig mit ihrem Vortheil beschäftigt und von Träumereien frei wußte; aber er sah die religiösen Wirren an der Nordwestgränze von Deutschland kommen und fürchtete die Einmischung französischer Aufhetzer; er hörte die Tribunendeclamationen von Frankreichs Einengung in Gränzen, die nicht seine natürlichen wären, und fürchtete, daß Liberale und Aristokraten sich vereinigen möchten, um hereinzubrechen gegen das arme zerrissene Deutschland. <hi rendition="#sup">5)</hi><note place="foot" n="5)"> Briefe von 1827 - 29, Bd. 3, S. 203, 210, 239.</note> Das Entsetzlichste war ihm der Gedanke, daß es geschehen könnte, daß <hi rendition="#g">Deutschland</hi> eines <hi rendition="#g">russischen Gustav Adolf</hi> bedürfte, um sich zu erwehren! <hi rendition="#sup">6)</hi><note place="foot" n="6)"> Briefe von 1826, Bd. 3, S. 169.</note></p><lb/> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die Galerie des Cardinals Fesch</hi>.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <byline> <docAuthor> <gap reason="insignificant"/> </docAuthor> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Rom,</hi> 21 Jan.</dateline> <p> Es steht dem hiesigen Kunstleben ein neuer und unersetzlicher Verlust bevor. Der Fürst Hieronymus von Montfort soll sich demnächst zu seinem Bruder Joseph Bonaparte nach London verfügen <hi rendition="#sup">*)</hi><note place="foot" n="*)"> Anm. d. R. Er traf auf seiner Reise den 31 Jan. zu Köln ein, und setzte am 1 Febr. seine Reise über Rotterdam nach London fort.</note>, um wegen des Verkaufs der Galerie Fesch, in so weit diese nicht nach Ajaccio wandern wird, das Nöthige zu verhandeln. Rom wird also diese Sammlung jedenfalls, ja vielleicht Europa wird sie verlieren, indem die Sage Glauben findet, man suche sie für den Sitz der Bundesbehörden der nordamerikanischen Freistaaten, für Washington zu erwerben. Diese Sammlung wurde mit Kennerblick, Glück und großen baaren Mitteln in dem günstigsten Zeitraum gebildet, und bietet hierin eine Parallele zur Antikensammlung Münchens. Sie umfaßt alle Zeiten und Schulen, und war deßhalb für Rom so wichtig. Ein gedrucktes Verzeichniß existirt nicht, daher kennt man auswärts den Werth und Umfang dieser Sammlung weniger als sie es verdiente. Von Italienern besitzt sie unter Anderm ein wunderschönes Altarblatt Tizians, den ersten Pierin del Vaga, den berühmten Rafael aus Città del Castello, die nackte Mona Lisa Luini's und einige von der Wand gesägte Fresken der ersten Meister. Besonders reich ist die niederländische Schule, aus welcher beinahe von jedem bedeutenden Meister ein vorzügliches und wohlerhaltenes Bild zu sehen ist. Auch die französische Schule bis David einschließlich ist sehr vollständig, und die zwei Jungen von Holbein dürfen neben das Beste gestellt werden, was von diesem Meister existirt. Besonders unterrichtend sind die Kunstanfänge aller Schulen in Einem Saale vereinigt. Die Galerie classique, welche verkauft wird, mag 2000, die nach Ajaccio bestimmte, aus minder werthvollen Bildern bestehende, über 3000 Nummern betragen. – Wenn es schon bei dem Verkaufe der Coësvelt'schen Sammlung in London sehr zu bedauern war, daß sie nach St. Petersburg und nicht nach Deutschland gewandert ist, so wird es noch mehr der Fall bei dieser Sammlung seyn, welche unterrichtend, vielseitig und aus Bildern zusammengesetzt ist, wie sie jetzt kaum oder zu ungeheuern Preisen einzeln erworben werden können. Wir wünschen, sie möge für eine deutsche Hauptstadt oder für das reiche Frankfurt erstanden werden. Der Kaufpreis wird durch Reisende, und die Industrie, welche sich an Kunstsammlungen anschließt, reichlich hereingebracht werden, wie Dresdens und Münchens Beispiel beweisen. Am liebsten würden wir sie aber in Düsseldorf wiedersehen, wo ein schmerzlicher Verlust ersetzt und eine tüchtig vorschreitende Schule dadurch gekräftigt werden würde. Schließlich ist noch zu bemerken, daß die Galerie bei ihrer Einfuhr in den Kirchenstaat die bindendste Erlaubniß zur freien und ungehinderten Wiederausfuhr erhalten hat.</p><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Zug durch die Wüste nach Schendi</hi>, <hi rendition="#g">und Aufenthalt daselbst</hi>.</hi> </head><lb/> <p>(Fortsetzung.)</p><lb/> <p>Wir marschirten langsam, fortwährend auf hartem Sandboden, bis wir am Morgen in ein, mit vielen halbvertrockneten Mimosen waldartig besetztes Felsenthal kamen, wo sich ein tiefer und geräumiger Brunnen mit ziemlich gutem Wasser befindet. Er heißt Mseali, und seine Umgebung war zum Ziel unsers ersten Nachtlagers bestimmt. Wir hatten in der vergangenen sternhellen Nacht die Wüste voll schwarzer Granitfelsen, und an vielen Stellen Spuren von Vegetation gefunden, was unterirdisches Wasser nicht tief unter der Oberfläche vermuthen ließ. Ich fand auch später so oft Gelegenheit diese Bemerkung zu machen, daß ich von der Möglichkeit überzeugt bin, mit Hülfe artesischer Brunnen Tausende von Quadratmeilen der Wüsten Aethiopiens und des Sudans in fruchtbares Land umzuwandeln. Zwei Stunden seitwärts unserer Straße in östlicher Richtung soll sich in Badeñ el Gasali (dem Thale der Gazellen) ein noch ziemlich wohl erhaltener Tempel aus röthlichem Sandstein befinden, nach der Beschreibung aber nur von geringen Dimensionen seyn. Ich würde die Mühe nicht gescheut haben ihn aufzusuchen, da ihn noch kein europäischer Reisender gesehen, der Führer erklärte aber des Weges nicht recht kundig zu seyn, und besorgte sich zu verirren, weßhalb ich die Sache aufgeben mußte.</p><lb/> <p>Wir schliefen bis um 5 Uhr Abends, wo ich aufstand, um die Gegend zu besichtigen. Am Brunnen fand ich mehrere Beduinen, die ihre, meistens schwarzen, Kamele mit Wasser beluden. Sie waren mit recht eleganten leichten Speeren, und schmalen, auf beiden Seiten zugespitzten Schildern aus Hippopotamoshaut bewaffnet, die ich ihnen vergebens feil zu machen versuchte. Zwei Mädchen befanden sich bei ihnen, wovon die eine, noch sehr junge, wie uns die Männer sagten, die renommirteste Schönheit ihres Dorfes sey, das nur einige Stunden von hier liegen soll. Sie war in der That nicht übel, trotz der breiten Brandnarben in den Backen, schön bemalt, und trug als Schmuck zwei schwere Fußschellen von Metall, gleich unsern Baugefangenen, an den Knöcheln. Sie lächelte uns zuerst sehr freundlich an, doch als ich mich ihr nähern wollte, um sie genauer zu betrachten, entsprang sie, von einem plötzlichen Panik ergriffen, in Begleitung ihrer ältern Gefährtin, wie ein Reh durch den Mimosenwald nach den entfernten kahlen Felsbergen. Ich nahm mit meinem Dragoman dieselbe Richtung, und erstieg die Höhen, konnte aber der beiden Mädchen nicht mehr ansichtig werden, wogegen mich auf dem Gipfel eine weite Aussicht über hügliches Land überraschte, in dessen Thälern mehrere grüne Oasen verstreut waren. Doch bemerkten wir nirgends Spuren von Wohnungen. Zu Burkhardts Zeiten war dieser ganze, von den Hassanyeh-Arabern bewohnte Theil der Wüste noch sehr unsicher, seit der neuen Herrschaft hat man nicht das Mindeste mehr zu befürchten, und mag hier so unbesorgt reisen wie in Aegypten. Als wir zurückkehrten, fanden wir den Sklaven des Doctors heftig an einem Sonnenstich erkrankt. Man mußte ihm mehreremal zur Ader lassen, und obgleich darnach bald einige Besserung eintrat, so erlangte der Knabe doch während der ganzen Reise nie ganz seine vorige Gesundheit wieder.</p><lb/> <p>Bei dem nächsten Marsch ward die Karawane nach alter Weise vorausgeschickt, und wir folgten ihr um 2 Uhr in der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0299/0011]
zu einer Revolution führen würden, hatte er nicht erwartet, weil er die höhern Stände einzig mit ihrem Vortheil beschäftigt und von Träumereien frei wußte; aber er sah die religiösen Wirren an der Nordwestgränze von Deutschland kommen und fürchtete die Einmischung französischer Aufhetzer; er hörte die Tribunendeclamationen von Frankreichs Einengung in Gränzen, die nicht seine natürlichen wären, und fürchtete, daß Liberale und Aristokraten sich vereinigen möchten, um hereinzubrechen gegen das arme zerrissene Deutschland. 5) 5) Das Entsetzlichste war ihm der Gedanke, daß es geschehen könnte, daß Deutschland eines russischen Gustav Adolf bedürfte, um sich zu erwehren! 6) 6)
Die Galerie des Cardinals Fesch.
_ Rom, 21 Jan. Es steht dem hiesigen Kunstleben ein neuer und unersetzlicher Verlust bevor. Der Fürst Hieronymus von Montfort soll sich demnächst zu seinem Bruder Joseph Bonaparte nach London verfügen *) *), um wegen des Verkaufs der Galerie Fesch, in so weit diese nicht nach Ajaccio wandern wird, das Nöthige zu verhandeln. Rom wird also diese Sammlung jedenfalls, ja vielleicht Europa wird sie verlieren, indem die Sage Glauben findet, man suche sie für den Sitz der Bundesbehörden der nordamerikanischen Freistaaten, für Washington zu erwerben. Diese Sammlung wurde mit Kennerblick, Glück und großen baaren Mitteln in dem günstigsten Zeitraum gebildet, und bietet hierin eine Parallele zur Antikensammlung Münchens. Sie umfaßt alle Zeiten und Schulen, und war deßhalb für Rom so wichtig. Ein gedrucktes Verzeichniß existirt nicht, daher kennt man auswärts den Werth und Umfang dieser Sammlung weniger als sie es verdiente. Von Italienern besitzt sie unter Anderm ein wunderschönes Altarblatt Tizians, den ersten Pierin del Vaga, den berühmten Rafael aus Città del Castello, die nackte Mona Lisa Luini's und einige von der Wand gesägte Fresken der ersten Meister. Besonders reich ist die niederländische Schule, aus welcher beinahe von jedem bedeutenden Meister ein vorzügliches und wohlerhaltenes Bild zu sehen ist. Auch die französische Schule bis David einschließlich ist sehr vollständig, und die zwei Jungen von Holbein dürfen neben das Beste gestellt werden, was von diesem Meister existirt. Besonders unterrichtend sind die Kunstanfänge aller Schulen in Einem Saale vereinigt. Die Galerie classique, welche verkauft wird, mag 2000, die nach Ajaccio bestimmte, aus minder werthvollen Bildern bestehende, über 3000 Nummern betragen. – Wenn es schon bei dem Verkaufe der Coësvelt'schen Sammlung in London sehr zu bedauern war, daß sie nach St. Petersburg und nicht nach Deutschland gewandert ist, so wird es noch mehr der Fall bei dieser Sammlung seyn, welche unterrichtend, vielseitig und aus Bildern zusammengesetzt ist, wie sie jetzt kaum oder zu ungeheuern Preisen einzeln erworben werden können. Wir wünschen, sie möge für eine deutsche Hauptstadt oder für das reiche Frankfurt erstanden werden. Der Kaufpreis wird durch Reisende, und die Industrie, welche sich an Kunstsammlungen anschließt, reichlich hereingebracht werden, wie Dresdens und Münchens Beispiel beweisen. Am liebsten würden wir sie aber in Düsseldorf wiedersehen, wo ein schmerzlicher Verlust ersetzt und eine tüchtig vorschreitende Schule dadurch gekräftigt werden würde. Schließlich ist noch zu bemerken, daß die Galerie bei ihrer Einfuhr in den Kirchenstaat die bindendste Erlaubniß zur freien und ungehinderten Wiederausfuhr erhalten hat.
Zug durch die Wüste nach Schendi, und Aufenthalt daselbst.
(Fortsetzung.)
Wir marschirten langsam, fortwährend auf hartem Sandboden, bis wir am Morgen in ein, mit vielen halbvertrockneten Mimosen waldartig besetztes Felsenthal kamen, wo sich ein tiefer und geräumiger Brunnen mit ziemlich gutem Wasser befindet. Er heißt Mseali, und seine Umgebung war zum Ziel unsers ersten Nachtlagers bestimmt. Wir hatten in der vergangenen sternhellen Nacht die Wüste voll schwarzer Granitfelsen, und an vielen Stellen Spuren von Vegetation gefunden, was unterirdisches Wasser nicht tief unter der Oberfläche vermuthen ließ. Ich fand auch später so oft Gelegenheit diese Bemerkung zu machen, daß ich von der Möglichkeit überzeugt bin, mit Hülfe artesischer Brunnen Tausende von Quadratmeilen der Wüsten Aethiopiens und des Sudans in fruchtbares Land umzuwandeln. Zwei Stunden seitwärts unserer Straße in östlicher Richtung soll sich in Badeñ el Gasali (dem Thale der Gazellen) ein noch ziemlich wohl erhaltener Tempel aus röthlichem Sandstein befinden, nach der Beschreibung aber nur von geringen Dimensionen seyn. Ich würde die Mühe nicht gescheut haben ihn aufzusuchen, da ihn noch kein europäischer Reisender gesehen, der Führer erklärte aber des Weges nicht recht kundig zu seyn, und besorgte sich zu verirren, weßhalb ich die Sache aufgeben mußte.
Wir schliefen bis um 5 Uhr Abends, wo ich aufstand, um die Gegend zu besichtigen. Am Brunnen fand ich mehrere Beduinen, die ihre, meistens schwarzen, Kamele mit Wasser beluden. Sie waren mit recht eleganten leichten Speeren, und schmalen, auf beiden Seiten zugespitzten Schildern aus Hippopotamoshaut bewaffnet, die ich ihnen vergebens feil zu machen versuchte. Zwei Mädchen befanden sich bei ihnen, wovon die eine, noch sehr junge, wie uns die Männer sagten, die renommirteste Schönheit ihres Dorfes sey, das nur einige Stunden von hier liegen soll. Sie war in der That nicht übel, trotz der breiten Brandnarben in den Backen, schön bemalt, und trug als Schmuck zwei schwere Fußschellen von Metall, gleich unsern Baugefangenen, an den Knöcheln. Sie lächelte uns zuerst sehr freundlich an, doch als ich mich ihr nähern wollte, um sie genauer zu betrachten, entsprang sie, von einem plötzlichen Panik ergriffen, in Begleitung ihrer ältern Gefährtin, wie ein Reh durch den Mimosenwald nach den entfernten kahlen Felsbergen. Ich nahm mit meinem Dragoman dieselbe Richtung, und erstieg die Höhen, konnte aber der beiden Mädchen nicht mehr ansichtig werden, wogegen mich auf dem Gipfel eine weite Aussicht über hügliches Land überraschte, in dessen Thälern mehrere grüne Oasen verstreut waren. Doch bemerkten wir nirgends Spuren von Wohnungen. Zu Burkhardts Zeiten war dieser ganze, von den Hassanyeh-Arabern bewohnte Theil der Wüste noch sehr unsicher, seit der neuen Herrschaft hat man nicht das Mindeste mehr zu befürchten, und mag hier so unbesorgt reisen wie in Aegypten. Als wir zurückkehrten, fanden wir den Sklaven des Doctors heftig an einem Sonnenstich erkrankt. Man mußte ihm mehreremal zur Ader lassen, und obgleich darnach bald einige Besserung eintrat, so erlangte der Knabe doch während der ganzen Reise nie ganz seine vorige Gesundheit wieder.
Bei dem nächsten Marsch ward die Karawane nach alter Weise vorausgeschickt, und wir folgten ihr um 2 Uhr in der
5) Briefe von 1827 - 29, Bd. 3, S. 203, 210, 239.
6) Briefe von 1826, Bd. 3, S. 169.
*) Anm. d. R. Er traf auf seiner Reise den 31 Jan. zu Köln ein, und setzte am 1 Febr. seine Reise über Rotterdam nach London fort.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |