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Allgemeine Zeitung. Nr. 40. Augsburg, 9. Februar 1840.

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und Genauigkeit derselben als ihre großen Vortheile streitig machen können."

Großbritannien.

Endlich tritt der Pariser Correspondent in der gestern hier ausgegebenen Nummer 25 der Allgem. Zeitung gegen meinen Brief vom 15 November vor. J. (Allgem. Ztg. Nr. 331) auf. Ich schwankte einige Augenblicke, ob ich Schritt für Schritt die Nichtigkeit der von ihm aufgestellten Behauptungen, Beweise, Voraussetzungen darlegen oder das Ganze etwas kürzer abfertigen sollte. Ich wähle das letztere, theils um die Geduld Ihrer Leser auf keine zu harte Probe zu stellen, theils weil, wie der Pariser Correspondent richtig bemerkt, die Thatsachen ohnehin dem Publicum vor Augen liegen, und die öffentliche Meinung über das von den Mächten, insbesondere von Seite Frankreichs beobachtete Verfahren bereits ihr Urtheil gefällt hat. Zwar trat schon vor längerer Zeit derselbe Pariser Correspondent mit ungewöhnlicher Prätension und in einem mehr als zuversichtlichen Ton in Ihrem Blatte (Nr. 355) gegen mich auf, und versprach die Beweise der Unrichtigkeit meiner in dem eingangserwähnten Schreiben gemachten Angaben unverzüglich zu liefern; er hat inzwischen dieses Versprechen schlecht erfüllt, und wer sich die Mühe geben wollte, seine und meine Angaben einer aufmerksamen Prüfung zu unterwerfen, würde sich bald überzeugen, daß mein Herr Gegner in seinen Widersprüchen nicht ganz loyal gehandelt hat, indem er meistens das, was ich nur als Vermuthung aufstellte, als eine von mir gemachte Behauptung darlegt, während er die wesentlichsten Angaben übergeht oder nur flüchtig berührt, bei Nebendingen stehen bleibt, Ausfälle auf meine vorgebliche Parteilichkeit und die Lauterkeit meiner Gesinnungen sich erlaubt, endlich mit schlecht angebrachtem Witz da durchzudringen strebt, wo er unwiderlegliche Beweise versprochen hatte.

Das Hauptthema meines Schreibens war: die Inconsequenz der bei der orientalischen Streitsache von Frankreich befolgten Politik. Ich belegte meine Behauptungen durch Thatsachen. Diesen Thatsachen stellt der Pariser Correspondent nur seine eigenen, durch nichts erwiesenen Versicherungen vom Gegentheil entgegen. So verbürgt er uns durch seine Autorität, die Sprache und Handlungsweise Frankreichs sey stets der Ausdruck seiner Gesinnungen gewesen, Frankreich habe weder vor noch nach der Schlacht von Nisib eine andere Absicht gehabt, als der Pforte seinen mächtigen Schutz angedeihen zu lassen; er versichert ferner, die mehr oder minder wichtigen Concessionen, die Frankreich (als Beschützer der Pforte!) für Mehemed Ali geltend machen wollte, könnten Niemand die Befugniß geben, seine, Frankreichs, Intentionen zu verdächtigen. "Hätte es (fährt er fort) die Absicht gehegt, Alles zu trainiren und zu vereiteln, was die andern Mächte gegen Mehemed Ali zu beschließen sich anschicken möchten, so würde es gerade das Feld der Conferenzen gewählt haben, denn da könnte nach Gefallen trainirt und protokollirt, mithin viel Zeit verschleudert werden," woraus man freilich den Schluß auf seine Meinung ziehen muß, als könne der Zusammentritt dissentirender Parteien, was gemeiniglich doch als das einzige Mittel zu einer Annäherung angesehen wird, nur hindernd sich jedem Einverständniß in den Weg stellen, als müßten die zur Erzielung der erforderlichen Einigkeit im Zweck und in den Mitteln so nothwendigen Communicationen mittelst Couriere, welche die kleinen Distanzen von Petersburg und Paris, Wien, Berlin und London zu durchlaufen hätten, am besten und schnellsten zum Ziele führen. So strebt der Correspondent überall die Verhältnisse anders zu wenden, die Wirklichkeit zu verdunkeln. Nichts dürfte indessen die unüberwindliche Scheu, von der er gegen jede Art von Offenbarung des wahren Sachverhältnisses befangen ist, deutlicher an den Tag legen, als sein, gewiß aufrichtig gemeintes Bedauern über die von den Repräsentanten der Großmächte an die Pforte gerichtete Collectivnote, denn dadurch, meint er, sey der Mangel an Uebereinstimmung der Mächte förmlich zur Schau getragen worden. Doch möge er sich damit trösten, daß dieser Mangel an Uebereinstimmung früher oder später nothwendig an das Tageslicht kommen mußte; denn da England seine Absicht, der Pforte die volle Souveränetät und den vollen Besitz von Syrien zu vindiciren, von Anbeginn an unumwunden ausgesprochen hatte, wie lange, fragen wir, konnte es Frankreich gelingen, seine wahren Intentionen zu verheimlichen? Der Hr. Correspondent versichert, das Cabinet der Tuilerien habe, trotz seiner Mißbilligung jenes Schritts, an den sich Admiral Roussin anschließen zu müssen glaubte, mit der Collectivnote sich identificirt; nur Schade, daß er hier, so wie überall, seinen Ausspruch mit nichts belegt, und doch ständen ihm der Beweise dafür die Hülle und Fülle zu Gebote, von denen das Benehmen des Hrn. v. Pontois in Konstantinopel, des Hrn. Cochelet in Alexandrien, mehr als alles Uebrige aber die, unter Anleitung des französischen Botschafters am Hofe des Padischahs ins Werk gesetzten Cadalvene'schen Operationen die eclatantesten seyn dürften, da nirgends das Festhalten Frankreichs an der Gemeinschaftlichkeit, zu der die Mächte sich in jener Note bekannt hatten, greller hervortritt, als gerade hier der Fall war. Der Hr. Pariser Correspondent wird inzwischen hier nicht übersehen, welches weite Feld sich auch mir auf diesem Terrain darbietet; ich unterlasse jedoch, diese erdrückende Waffe gegen ihn zu benützen, da ohnedieß die Konstantinopeler Correspondenz der Allgem. Zeitung seiner Zeit nicht ermangelt hat, die wahre Bewandtniß der Sache in das gehörige Licht zu stellen. Ihr Pariser Correspondent unternahm die herculische Arbeit, der Welt zu beweisen, was der gesammte französische Journalismus nicht vermochte (denn dieser schob die Schuld der französischen Schwankungen auf die Unnatürlichkeit einer englisch-französischen Allianz), was selbst Thiers, der hochgefeierte Thiers, bei allem guten Willen, Niemand zu nahe zu treten, nicht im Stande war; denn Thiers gab, sich so gelind wie möglich ausdrückend, selbst zu, Frankreich sey doch mit seiner eigentlichen Politik ein wenig zu spät aufgetreten; er konnte dabei nicht umhin, zum wenigsten die "obscurite" des französischen Benehmens zu rügen. Dieß Alles beirrt indessen unsern kühnen Beweisführer nicht im geringsten; unerschrocken tritt er in die Schranken gegen die allgemeine Ueberzeugung, gegen den Ausspruch sämmtlicher Mächte und ihrer Minister, die doch gewiß wenigstens so gut wie der Pariser Correspondent unterrichtet seyn dürften, dessen ungeachtet aber Manches über die Versatilität der von ihm in Schutz genommenen Politik verlauten ließen.

Die hier noch folgenden Bemerkungen haben keineswegs die Bestimmung, die von vielen Seiten gegen den Capitän Cailler und den Admiral Lalande erhobenen Beschuldigungen zu erneuern. Aus dem Zusammenhange meines Schreibens vom 15 Nov. ist ersichtlich, daß in dieser Hinsicht nichts von mir mit apodiktischer Gewißheit ausgesprochen worden. Aber meine Bedenken gegen die Stichhaltigkeit der für die erwähnten zwei Herren versuchten Beweise muß ich doch schließlich Ihren Lesern noch vorlegen. Wenn es Hrn. Cailler durch seine Instructionen unbedingt verwehrt war, ins ägyptische Lager sich zu begeben, bevor Hr. Volz in dem türkischen Lager angelangt

und Genauigkeit derselben als ihre großen Vortheile streitig machen können.“

Großbritannien.

Endlich tritt der Pariser Correspondent ✠ in der gestern hier ausgegebenen Nummer 25 der Allgem. Zeitung gegen meinen Brief vom 15 November vor. J. (Allgem. Ztg. Nr. 331) auf. Ich schwankte einige Augenblicke, ob ich Schritt für Schritt die Nichtigkeit der von ihm aufgestellten Behauptungen, Beweise, Voraussetzungen darlegen oder das Ganze etwas kürzer abfertigen sollte. Ich wähle das letztere, theils um die Geduld Ihrer Leser auf keine zu harte Probe zu stellen, theils weil, wie der Pariser Correspondent richtig bemerkt, die Thatsachen ohnehin dem Publicum vor Augen liegen, und die öffentliche Meinung über das von den Mächten, insbesondere von Seite Frankreichs beobachtete Verfahren bereits ihr Urtheil gefällt hat. Zwar trat schon vor längerer Zeit derselbe Pariser Correspondent mit ungewöhnlicher Prätension und in einem mehr als zuversichtlichen Ton in Ihrem Blatte (Nr. 355) gegen mich auf, und versprach die Beweise der Unrichtigkeit meiner in dem eingangserwähnten Schreiben gemachten Angaben unverzüglich zu liefern; er hat inzwischen dieses Versprechen schlecht erfüllt, und wer sich die Mühe geben wollte, seine und meine Angaben einer aufmerksamen Prüfung zu unterwerfen, würde sich bald überzeugen, daß mein Herr Gegner in seinen Widersprüchen nicht ganz loyal gehandelt hat, indem er meistens das, was ich nur als Vermuthung aufstellte, als eine von mir gemachte Behauptung darlegt, während er die wesentlichsten Angaben übergeht oder nur flüchtig berührt, bei Nebendingen stehen bleibt, Ausfälle auf meine vorgebliche Parteilichkeit und die Lauterkeit meiner Gesinnungen sich erlaubt, endlich mit schlecht angebrachtem Witz da durchzudringen strebt, wo er unwiderlegliche Beweise versprochen hatte.

Das Hauptthema meines Schreibens war: die Inconsequenz der bei der orientalischen Streitsache von Frankreich befolgten Politik. Ich belegte meine Behauptungen durch Thatsachen. Diesen Thatsachen stellt der Pariser Correspondent nur seine eigenen, durch nichts erwiesenen Versicherungen vom Gegentheil entgegen. So verbürgt er uns durch seine Autorität, die Sprache und Handlungsweise Frankreichs sey stets der Ausdruck seiner Gesinnungen gewesen, Frankreich habe weder vor noch nach der Schlacht von Nisib eine andere Absicht gehabt, als der Pforte seinen mächtigen Schutz angedeihen zu lassen; er versichert ferner, die mehr oder minder wichtigen Concessionen, die Frankreich (als Beschützer der Pforte!) für Mehemed Ali geltend machen wollte, könnten Niemand die Befugniß geben, seine, Frankreichs, Intentionen zu verdächtigen. „Hätte es (fährt er fort) die Absicht gehegt, Alles zu trainiren und zu vereiteln, was die andern Mächte gegen Mehemed Ali zu beschließen sich anschicken möchten, so würde es gerade das Feld der Conferenzen gewählt haben, denn da könnte nach Gefallen trainirt und protokollirt, mithin viel Zeit verschleudert werden,“ woraus man freilich den Schluß auf seine Meinung ziehen muß, als könne der Zusammentritt dissentirender Parteien, was gemeiniglich doch als das einzige Mittel zu einer Annäherung angesehen wird, nur hindernd sich jedem Einverständniß in den Weg stellen, als müßten die zur Erzielung der erforderlichen Einigkeit im Zweck und in den Mitteln so nothwendigen Communicationen mittelst Couriere, welche die kleinen Distanzen von Petersburg und Paris, Wien, Berlin und London zu durchlaufen hätten, am besten und schnellsten zum Ziele führen. So strebt der ✠ Correspondent überall die Verhältnisse anders zu wenden, die Wirklichkeit zu verdunkeln. Nichts dürfte indessen die unüberwindliche Scheu, von der er gegen jede Art von Offenbarung des wahren Sachverhältnisses befangen ist, deutlicher an den Tag legen, als sein, gewiß aufrichtig gemeintes Bedauern über die von den Repräsentanten der Großmächte an die Pforte gerichtete Collectivnote, denn dadurch, meint er, sey der Mangel an Uebereinstimmung der Mächte förmlich zur Schau getragen worden. Doch möge er sich damit trösten, daß dieser Mangel an Uebereinstimmung früher oder später nothwendig an das Tageslicht kommen mußte; denn da England seine Absicht, der Pforte die volle Souveränetät und den vollen Besitz von Syrien zu vindiciren, von Anbeginn an unumwunden ausgesprochen hatte, wie lange, fragen wir, konnte es Frankreich gelingen, seine wahren Intentionen zu verheimlichen? Der Hr. ✠ Correspondent versichert, das Cabinet der Tuilerien habe, trotz seiner Mißbilligung jenes Schritts, an den sich Admiral Roussin anschließen zu müssen glaubte, mit der Collectivnote sich identificirt; nur Schade, daß er hier, so wie überall, seinen Ausspruch mit nichts belegt, und doch ständen ihm der Beweise dafür die Hülle und Fülle zu Gebote, von denen das Benehmen des Hrn. v. Pontois in Konstantinopel, des Hrn. Cochelet in Alexandrien, mehr als alles Uebrige aber die, unter Anleitung des französischen Botschafters am Hofe des Padischahs ins Werk gesetzten Cadalvène'schen Operationen die eclatantesten seyn dürften, da nirgends das Festhalten Frankreichs an der Gemeinschaftlichkeit, zu der die Mächte sich in jener Note bekannt hatten, greller hervortritt, als gerade hier der Fall war. Der Hr. Pariser Correspondent wird inzwischen hier nicht übersehen, welches weite Feld sich auch mir auf diesem Terrain darbietet; ich unterlasse jedoch, diese erdrückende Waffe gegen ihn zu benützen, da ohnedieß die Konstantinopeler Correspondenz der Allgem. Zeitung seiner Zeit nicht ermangelt hat, die wahre Bewandtniß der Sache in das gehörige Licht zu stellen. Ihr Pariser Correspondent unternahm die herculische Arbeit, der Welt zu beweisen, was der gesammte französische Journalismus nicht vermochte (denn dieser schob die Schuld der französischen Schwankungen auf die Unnatürlichkeit einer englisch-französischen Allianz), was selbst Thiers, der hochgefeierte Thiers, bei allem guten Willen, Niemand zu nahe zu treten, nicht im Stande war; denn Thiers gab, sich so gelind wie möglich ausdrückend, selbst zu, Frankreich sey doch mit seiner eigentlichen Politik ein wenig zu spät aufgetreten; er konnte dabei nicht umhin, zum wenigsten die „obscurité“ des französischen Benehmens zu rügen. Dieß Alles beirrt indessen unsern kühnen Beweisführer nicht im geringsten; unerschrocken tritt er in die Schranken gegen die allgemeine Ueberzeugung, gegen den Ausspruch sämmtlicher Mächte und ihrer Minister, die doch gewiß wenigstens so gut wie der Pariser Correspondent unterrichtet seyn dürften, dessen ungeachtet aber Manches über die Versatilität der von ihm in Schutz genommenen Politik verlauten ließen.

Die hier noch folgenden Bemerkungen haben keineswegs die Bestimmung, die von vielen Seiten gegen den Capitän Cailler und den Admiral Lalande erhobenen Beschuldigungen zu erneuern. Aus dem Zusammenhange meines Schreibens vom 15 Nov. ist ersichtlich, daß in dieser Hinsicht nichts von mir mit apodiktischer Gewißheit ausgesprochen worden. Aber meine Bedenken gegen die Stichhaltigkeit der für die erwähnten zwei Herren versuchten Beweise muß ich doch schließlich Ihren Lesern noch vorlegen. Wenn es Hrn. Cailler durch seine Instructionen unbedingt verwehrt war, ins ägyptische Lager sich zu begeben, bevor Hr. Volz in dem türkischen Lager angelangt

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          <p>Das Hauptthema meines Schreibens war: die Inconsequenz der bei der orientalischen Streitsache von Frankreich befolgten Politik. Ich belegte meine Behauptungen durch Thatsachen. Diesen Thatsachen stellt der Pariser Correspondent nur seine eigenen, durch nichts erwiesenen Versicherungen vom Gegentheil entgegen. So verbürgt er uns durch seine Autorität, die Sprache und Handlungsweise Frankreichs sey stets der Ausdruck seiner Gesinnungen gewesen, Frankreich habe weder vor noch nach der Schlacht von Nisib eine andere Absicht gehabt, als der Pforte seinen mächtigen Schutz angedeihen zu lassen; er versichert ferner, die mehr oder minder wichtigen Concessionen, die Frankreich (als Beschützer der Pforte!) für Mehemed Ali geltend machen wollte, könnten Niemand die Befugniß geben, seine, Frankreichs, Intentionen zu verdächtigen. &#x201E;Hätte es (fährt er fort) die Absicht gehegt, Alles zu trainiren und zu vereiteln, was die andern Mächte gegen Mehemed Ali zu beschließen sich anschicken möchten, so würde es gerade das Feld der Conferenzen gewählt haben, denn da könnte nach Gefallen trainirt und protokollirt, mithin viel Zeit verschleudert werden,&#x201C; woraus man freilich den Schluß auf seine Meinung ziehen muß, als könne der Zusammentritt dissentirender Parteien, was gemeiniglich doch als das einzige Mittel zu einer Annäherung angesehen wird, nur hindernd sich jedem Einverständniß in den Weg stellen, als müßten die zur Erzielung der erforderlichen Einigkeit im Zweck und in den Mitteln so nothwendigen Communicationen mittelst Couriere, welche die kleinen Distanzen von Petersburg und Paris, Wien, Berlin und London zu durchlaufen hätten, am besten und schnellsten zum Ziele führen. So strebt der &#x2720; Correspondent überall die Verhältnisse anders zu wenden, die Wirklichkeit zu verdunkeln. Nichts dürfte indessen die unüberwindliche Scheu, von der er gegen jede Art von Offenbarung des wahren Sachverhältnisses befangen ist, deutlicher an den Tag legen, als sein, gewiß aufrichtig gemeintes Bedauern über die von den Repräsentanten der Großmächte an die Pforte gerichtete Collectivnote, denn dadurch, meint er, sey der Mangel an Uebereinstimmung der Mächte förmlich zur Schau getragen worden. Doch möge er sich damit trösten, daß dieser Mangel an Uebereinstimmung früher oder später nothwendig an das Tageslicht kommen mußte; denn da England seine Absicht, der Pforte die volle Souveränetät und den vollen Besitz von Syrien zu vindiciren, von Anbeginn an unumwunden ausgesprochen hatte, wie lange, fragen wir, konnte es Frankreich gelingen, seine wahren Intentionen zu verheimlichen? Der Hr. &#x2720; Correspondent versichert, das Cabinet der Tuilerien habe, trotz seiner Mißbilligung jenes Schritts, an den sich Admiral Roussin anschließen zu müssen glaubte, mit der Collectivnote <hi rendition="#g">sich identificirt</hi>; nur Schade, daß er hier, so wie überall, seinen Ausspruch mit nichts belegt, und doch ständen ihm der Beweise dafür die Hülle und Fülle zu Gebote, von denen das Benehmen des Hrn. v. Pontois in Konstantinopel, des Hrn. Cochelet in Alexandrien, mehr als alles Uebrige aber die, unter Anleitung des französischen Botschafters am Hofe des Padischahs ins Werk gesetzten Cadalvène'schen Operationen die eclatantesten seyn dürften, da nirgends das Festhalten Frankreichs an der Gemeinschaftlichkeit, zu der die Mächte sich in jener Note bekannt hatten, greller hervortritt, als gerade hier der Fall war. Der Hr. Pariser Correspondent wird inzwischen hier nicht übersehen, welches weite Feld sich auch mir auf diesem Terrain darbietet; ich unterlasse jedoch, diese erdrückende Waffe gegen ihn zu benützen, da ohnedieß die Konstantinopeler Correspondenz der Allgem. Zeitung seiner Zeit nicht ermangelt hat, die wahre Bewandtniß der Sache in das gehörige Licht zu stellen. Ihr Pariser Correspondent unternahm die herculische Arbeit, der Welt zu beweisen, was der gesammte französische Journalismus nicht vermochte (denn dieser schob die Schuld der französischen Schwankungen auf die Unnatürlichkeit einer englisch-französischen Allianz), was selbst Thiers, der hochgefeierte Thiers, bei allem guten Willen, Niemand zu nahe zu treten, nicht im Stande war; denn Thiers gab, sich so gelind wie möglich ausdrückend, selbst zu, Frankreich sey doch mit seiner <hi rendition="#g">eigentlichen</hi> Politik <hi rendition="#g">ein wenig zu spät</hi> aufgetreten; er konnte dabei nicht umhin, zum wenigsten die &#x201E;obscurité&#x201C; des französischen Benehmens zu rügen. Dieß Alles beirrt indessen unsern kühnen Beweisführer nicht im geringsten; unerschrocken tritt er in die Schranken gegen die allgemeine Ueberzeugung, gegen den Ausspruch sämmtlicher Mächte und ihrer Minister, die doch gewiß wenigstens so gut wie der Pariser Correspondent unterrichtet seyn dürften, dessen ungeachtet aber Manches über die Versatilität der von ihm in Schutz genommenen Politik verlauten ließen.</p><lb/>
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[0316/0012] und Genauigkeit derselben als ihre großen Vortheile streitig machen können.“ Großbritannien. _ London, 1 Febr. Endlich tritt der Pariser Correspondent ✠ in der gestern hier ausgegebenen Nummer 25 der Allgem. Zeitung gegen meinen Brief vom 15 November vor. J. (Allgem. Ztg. Nr. 331) auf. Ich schwankte einige Augenblicke, ob ich Schritt für Schritt die Nichtigkeit der von ihm aufgestellten Behauptungen, Beweise, Voraussetzungen darlegen oder das Ganze etwas kürzer abfertigen sollte. Ich wähle das letztere, theils um die Geduld Ihrer Leser auf keine zu harte Probe zu stellen, theils weil, wie der Pariser Correspondent richtig bemerkt, die Thatsachen ohnehin dem Publicum vor Augen liegen, und die öffentliche Meinung über das von den Mächten, insbesondere von Seite Frankreichs beobachtete Verfahren bereits ihr Urtheil gefällt hat. Zwar trat schon vor längerer Zeit derselbe Pariser Correspondent mit ungewöhnlicher Prätension und in einem mehr als zuversichtlichen Ton in Ihrem Blatte (Nr. 355) gegen mich auf, und versprach die Beweise der Unrichtigkeit meiner in dem eingangserwähnten Schreiben gemachten Angaben unverzüglich zu liefern; er hat inzwischen dieses Versprechen schlecht erfüllt, und wer sich die Mühe geben wollte, seine und meine Angaben einer aufmerksamen Prüfung zu unterwerfen, würde sich bald überzeugen, daß mein Herr Gegner in seinen Widersprüchen nicht ganz loyal gehandelt hat, indem er meistens das, was ich nur als Vermuthung aufstellte, als eine von mir gemachte Behauptung darlegt, während er die wesentlichsten Angaben übergeht oder nur flüchtig berührt, bei Nebendingen stehen bleibt, Ausfälle auf meine vorgebliche Parteilichkeit und die Lauterkeit meiner Gesinnungen sich erlaubt, endlich mit schlecht angebrachtem Witz da durchzudringen strebt, wo er unwiderlegliche Beweise versprochen hatte. Das Hauptthema meines Schreibens war: die Inconsequenz der bei der orientalischen Streitsache von Frankreich befolgten Politik. Ich belegte meine Behauptungen durch Thatsachen. Diesen Thatsachen stellt der Pariser Correspondent nur seine eigenen, durch nichts erwiesenen Versicherungen vom Gegentheil entgegen. So verbürgt er uns durch seine Autorität, die Sprache und Handlungsweise Frankreichs sey stets der Ausdruck seiner Gesinnungen gewesen, Frankreich habe weder vor noch nach der Schlacht von Nisib eine andere Absicht gehabt, als der Pforte seinen mächtigen Schutz angedeihen zu lassen; er versichert ferner, die mehr oder minder wichtigen Concessionen, die Frankreich (als Beschützer der Pforte!) für Mehemed Ali geltend machen wollte, könnten Niemand die Befugniß geben, seine, Frankreichs, Intentionen zu verdächtigen. „Hätte es (fährt er fort) die Absicht gehegt, Alles zu trainiren und zu vereiteln, was die andern Mächte gegen Mehemed Ali zu beschließen sich anschicken möchten, so würde es gerade das Feld der Conferenzen gewählt haben, denn da könnte nach Gefallen trainirt und protokollirt, mithin viel Zeit verschleudert werden,“ woraus man freilich den Schluß auf seine Meinung ziehen muß, als könne der Zusammentritt dissentirender Parteien, was gemeiniglich doch als das einzige Mittel zu einer Annäherung angesehen wird, nur hindernd sich jedem Einverständniß in den Weg stellen, als müßten die zur Erzielung der erforderlichen Einigkeit im Zweck und in den Mitteln so nothwendigen Communicationen mittelst Couriere, welche die kleinen Distanzen von Petersburg und Paris, Wien, Berlin und London zu durchlaufen hätten, am besten und schnellsten zum Ziele führen. So strebt der ✠ Correspondent überall die Verhältnisse anders zu wenden, die Wirklichkeit zu verdunkeln. Nichts dürfte indessen die unüberwindliche Scheu, von der er gegen jede Art von Offenbarung des wahren Sachverhältnisses befangen ist, deutlicher an den Tag legen, als sein, gewiß aufrichtig gemeintes Bedauern über die von den Repräsentanten der Großmächte an die Pforte gerichtete Collectivnote, denn dadurch, meint er, sey der Mangel an Uebereinstimmung der Mächte förmlich zur Schau getragen worden. Doch möge er sich damit trösten, daß dieser Mangel an Uebereinstimmung früher oder später nothwendig an das Tageslicht kommen mußte; denn da England seine Absicht, der Pforte die volle Souveränetät und den vollen Besitz von Syrien zu vindiciren, von Anbeginn an unumwunden ausgesprochen hatte, wie lange, fragen wir, konnte es Frankreich gelingen, seine wahren Intentionen zu verheimlichen? Der Hr. ✠ Correspondent versichert, das Cabinet der Tuilerien habe, trotz seiner Mißbilligung jenes Schritts, an den sich Admiral Roussin anschließen zu müssen glaubte, mit der Collectivnote sich identificirt; nur Schade, daß er hier, so wie überall, seinen Ausspruch mit nichts belegt, und doch ständen ihm der Beweise dafür die Hülle und Fülle zu Gebote, von denen das Benehmen des Hrn. v. Pontois in Konstantinopel, des Hrn. Cochelet in Alexandrien, mehr als alles Uebrige aber die, unter Anleitung des französischen Botschafters am Hofe des Padischahs ins Werk gesetzten Cadalvène'schen Operationen die eclatantesten seyn dürften, da nirgends das Festhalten Frankreichs an der Gemeinschaftlichkeit, zu der die Mächte sich in jener Note bekannt hatten, greller hervortritt, als gerade hier der Fall war. Der Hr. Pariser Correspondent wird inzwischen hier nicht übersehen, welches weite Feld sich auch mir auf diesem Terrain darbietet; ich unterlasse jedoch, diese erdrückende Waffe gegen ihn zu benützen, da ohnedieß die Konstantinopeler Correspondenz der Allgem. Zeitung seiner Zeit nicht ermangelt hat, die wahre Bewandtniß der Sache in das gehörige Licht zu stellen. Ihr Pariser Correspondent unternahm die herculische Arbeit, der Welt zu beweisen, was der gesammte französische Journalismus nicht vermochte (denn dieser schob die Schuld der französischen Schwankungen auf die Unnatürlichkeit einer englisch-französischen Allianz), was selbst Thiers, der hochgefeierte Thiers, bei allem guten Willen, Niemand zu nahe zu treten, nicht im Stande war; denn Thiers gab, sich so gelind wie möglich ausdrückend, selbst zu, Frankreich sey doch mit seiner eigentlichen Politik ein wenig zu spät aufgetreten; er konnte dabei nicht umhin, zum wenigsten die „obscurité“ des französischen Benehmens zu rügen. Dieß Alles beirrt indessen unsern kühnen Beweisführer nicht im geringsten; unerschrocken tritt er in die Schranken gegen die allgemeine Ueberzeugung, gegen den Ausspruch sämmtlicher Mächte und ihrer Minister, die doch gewiß wenigstens so gut wie der Pariser Correspondent unterrichtet seyn dürften, dessen ungeachtet aber Manches über die Versatilität der von ihm in Schutz genommenen Politik verlauten ließen. Die hier noch folgenden Bemerkungen haben keineswegs die Bestimmung, die von vielen Seiten gegen den Capitän Cailler und den Admiral Lalande erhobenen Beschuldigungen zu erneuern. Aus dem Zusammenhange meines Schreibens vom 15 Nov. ist ersichtlich, daß in dieser Hinsicht nichts von mir mit apodiktischer Gewißheit ausgesprochen worden. Aber meine Bedenken gegen die Stichhaltigkeit der für die erwähnten zwei Herren versuchten Beweise muß ich doch schließlich Ihren Lesern noch vorlegen. Wenn es Hrn. 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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 40. Augsburg, 9. Februar 1840, S. 0316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_040_18400209/12>, abgerufen am 27.04.2024.