Allgemeine Zeitung. Nr. 42. Augsburg, 11. Februar 1840.dem durch den Tod des Hrn. v. Quelen erledigten Erzbisthum von Paris ernannt worden sey. Prinz Joinville soll zum Gegenadmiral ernannt werden und das Commando des Linienschiffs Stadt Marseille von 120 Kanonen übernehmen. Der Moniteur bezeichnet die gestern erwähnte Angabe des Journals le Droit über eine Zusammenrottung in der Straße St. Martin als falsch und übertrieben. Es seyen wohl um Mitternacht einige Individuen, worunter auch Frauen und Kinder, vorbeigezogen und hätten zum Theil gesungen; dieß komme aber jeden Sonntag vor und sey dießmal nicht so bedeutend gewesen, daß die Posten für nöthig erachtet hätten, heraus zu rufen. Die Ronden und Patrouillen hätten Alles ohne Schwierigkeit zerstreut. Die Commission der Deputirtenkammer, welcher die Begutachtung des Zuckergesetzesentwurfs übertragen ist, hat mit 5 Stimmen gegen 3 den General Bugeaud zum Präsidenten gewählt. Sein Gegner Hr. Lefebvre erhielt drei Stimmen. General Bugeaud hat sich in den Bureaux entschieden für die Rübenzuckerfabrication und gegen die Colonien ausgesprochen. In der Sitzung der Deputirtenkammer am 5 Febr. ward außer den schon gestern erwähnten Entwürfen der Zuschuß von 100,000 Fr. für das zum Andenken Moliere's zu errichtende Denkmal erörtert. Hr. v. Jaubert sprach bei diesem Anlaß vom Ausbau des Louvre; Hr. Piscatory trug auf Beseitigung der an das Museum stoßenden hölzernen Baracken an; Hr. Debelleyme äußerte Brandbesorgnisse für die Bibliothek in der Straße Richelien, und Hr. Dupin wollte auch die Häuser und Cafes, welche seiner Ansicht nach das Project des Carrouselplatzes entstellten, entfernt sehen. Die 100,000 Fr. für das Denkmal Moliere's wurden mit 221 weißen gegen 62 schwarze Kugeln bewilligt. [irrelevantes Material] Die Deputirtenkammer kam am 6 Febr. an Erörterung des Vorschlags des Hrn. Gauguier in Betreff der Deputirten, welche besoldete öffentliche Stellen versehen. Sein Vorschlag lautet: "In Zukunft und von der nächsten Legislatur an sollen die Mitglieder der Deputirtenkammer, die zugleich Civil- oder Militärfunctionen ausüben, während der Dauer der Sessionen den mit ihren Activitätsfunctionen verbundenen Gehalt nicht mehr beziehen. Nur die Minister des Königs sollen von dieser Verfügung ausgenommen seyn." Die mit Prüfung dieses Vorschlags in der letzten Session beauftragte Commission hat durch das Organ ihres Berichterstatters, des Hrn. Remusat, auf Verwerfung des Vorschlags angetragen. Hr. Lepelletier d'Aulnay sprach gegen den Vorschlag. Er glaubt, daß in Allem, was das Wahlgesetz berühre, die Initiative der Regierung gebühre. (Im Augenblick, wo der Redner die Tribune verließ, ward aus einer Galerie ein Paket Broschüren in den Saal geworfen. Dieser Zwischenvorfall veranlaßte große Bewegung. Der Präsident befahl den Huissiers den Urheber dieser Unschicklichkeit aus dem Saale zu weisen, was dann auch geschah.) Hr. Gauguier hielt zum Behufe seines Vorschlags eine sehr lange Rede. Er stützte sich auf das Beispiel von England in einer gewissen und auf das von Belgien und Spanien in der gegenwärtigen Zeit. Mehrmals ersucht der Redner die Kammer um Aufmerksamkeit, da vielfache Privatgespräche ihn kaum zum Worte kommen ließen. Endlich ruft er aus: "Sie wollen meine Rede nicht hören, ich will sie von neuem beginnen!" Darauf erfolgte allgemeiner Ausruf und langer Tumult. Hr. Gauguier: "Es ist keiner unter uns, der nicht, wenn er zum Ministerium überträte, Verrichtungen und Stellen erhalten könnte. (Oh! oh! Gährung.) So lange wenigstens, als die Minister ihr Versprechen nicht halten und moralisch gouverniren wollen. Man will den Legionären den Preis ihres Blutes nicht bezahlen. So ist die Moralität unserer Zeit, unserer Regierung." (Ruf: zur Ordnung!) Der Redner wiederholt seine Aeußerung inmitten des Geräusches und fährt dann in Lesung seiner Rede fort. Er spricht von den Wahlen von 1839 und sagt, daß wenn man den Vorschlag verwerfe, das Wahlgesetz nur durch eine Revolution geändert werden könne. "Wenn ihr, sagte er zum Schlusse, den Vorschlag nicht annehmt, so wird euch ganz Frankreich richten." Hr. Delespee vertheidigte die Commission, welche den in der letzten Session zum erstenmal ernstlich von der Kammer erwogenen Vorschlag geprüft hatte; er hält die Finanzfrage für höchst unbedeutend, da die Gehalte der Beamten-Deputirten im Ganzen sehr gering seyen; er läßt dem Charakter der Beamten Gerechtigkeit widerfahren, die trotz der unverdienten Angriffe, die sie seit einiger Zeit erfahren, das Vertrauen des Landes besitzen. (Abgang der Post.) Hr. Hennequin ist so krank, daß man an seinem Aufkommen zweifelt. Vor dem Assisenhof der Seine begann am 3 Febr. ein Proceß gegen einundfünfzig Diebe, welche seit einigen Jahren in einer Art Association vereint in Paris ihr Handwerk trieben und lange den Nachforschungen der Polizei entgingen. Erst durch die Geständnisse eines zur Zwangsarbeit verurtheilten Sträflings, welcher aus Rache gegen einen Gefährten des Bagno von Brest, mit dem er früher in Gemeinschaft lebte, eine Reihe verübter Diebstähle entdeckte, kam die Justiz auf die Spur der Diebsbande, die im Großen organisirt und durch eine Menge Hehler und Hehlerinnen, welche durch den Verkauf der gestohlenen Gegenstände ihren Profit fanden, unterstützt war. Vielleicht noch nie hatte der Gerichtssaal des Pariser Assisenhofs ein entsetzenerregenderes Schauspiel gezeigt. Unter den Angeklagten befinden sich eine Menge ehemaliger Galeerensträflinge. Darunter manche alte, verwitterte Sünder in grauen Haaren. Einer der Haupttheilnehmer, Bonnange, hat ein hölzernes Bein; er konnte an den Einbrüchen keinen activen Theil mehr nehmen, aber er recognoscirte die Localitäten, machte Abdrücke von den Schlössern und hielt Wache, während seine Cameraden stahlen. Mitten unter den Civilröcken der Angeklagten figurirt auch das rothe Verbrecherhabit. Viele dermalige Bewohner des Bagno von Brest mußten die Reise nach Paris machen; auf einigen lasten neue Anklagen, andere erscheinen als Zeugen. Daneben sieht man Damen in Federhüten sitzen - die Hehlerinnen der Bande. Der Proceß macht großes Aufsehen in Paris und wird über einen Monat dauern. Die Neugierigen finden aber keinen Platz nicht einmal zum Stehen, denn der ganze große Gerichtssaal ist mit Angeklagten, Hehlerinnen, Gendarmen und Zeugen angefüllt. Die Colonisten von Algier haben den Herzog von Orleans schriftlich gebeten, er möge sich für ihre Sache verwenden und ihr Gesuch um eine Entschädigung der Verluste, die sie beim letzten Einfall der Araber erlitten, bei der Regierung unterstützen. Der Herzog antwortete ihnen, er habe schon vor dem Empfang ihres Schreibens Schritte zu ihren Gunsten gethan, und sie dürften auf seine eifrigste Verwendung rechnen. Paris, 3 Februar. Die Unterhandlungen, die Hr. v. Brunnow in London einzuleiten hatte, sind so gut als unterbrochen. Hr. v. Brunnow fühlt sich sehr unbehaglich und wird nächstens nach dem Continent zurückkehren. Er klagt offen gegen Lord Palmerston, den er der Unverläßlichkeit oder Zweideutigkeit beschuldigt. Das zweite Auftreten des Hrn. v. Brunnow ist also unglücklicher als das erste. Dem Lord Palmerston dem durch den Tod des Hrn. v. Quelen erledigten Erzbisthum von Paris ernannt worden sey. Prinz Joinville soll zum Gegenadmiral ernannt werden und das Commando des Linienschiffs Stadt Marseille von 120 Kanonen übernehmen. Der Moniteur bezeichnet die gestern erwähnte Angabe des Journals le Droit über eine Zusammenrottung in der Straße St. Martin als falsch und übertrieben. Es seyen wohl um Mitternacht einige Individuen, worunter auch Frauen und Kinder, vorbeigezogen und hätten zum Theil gesungen; dieß komme aber jeden Sonntag vor und sey dießmal nicht so bedeutend gewesen, daß die Posten für nöthig erachtet hätten, heraus zu rufen. Die Ronden und Patrouillen hätten Alles ohne Schwierigkeit zerstreut. Die Commission der Deputirtenkammer, welcher die Begutachtung des Zuckergesetzesentwurfs übertragen ist, hat mit 5 Stimmen gegen 3 den General Bugeaud zum Präsidenten gewählt. Sein Gegner Hr. Lefèbvre erhielt drei Stimmen. General Bugeaud hat sich in den Bureaux entschieden für die Rübenzuckerfabrication und gegen die Colonien ausgesprochen. In der Sitzung der Deputirtenkammer am 5 Febr. ward außer den schon gestern erwähnten Entwürfen der Zuschuß von 100,000 Fr. für das zum Andenken Molière's zu errichtende Denkmal erörtert. Hr. v. Jaubert sprach bei diesem Anlaß vom Ausbau des Louvre; Hr. Piscatory trug auf Beseitigung der an das Museum stoßenden hölzernen Baracken an; Hr. Debelleyme äußerte Brandbesorgnisse für die Bibliothek in der Straße Richelien, und Hr. Dupin wollte auch die Häuser und Cafés, welche seiner Ansicht nach das Project des Carrouselplatzes entstellten, entfernt sehen. Die 100,000 Fr. für das Denkmal Molière's wurden mit 221 weißen gegen 62 schwarze Kugeln bewilligt. [irrelevantes Material] Die Deputirtenkammer kam am 6 Febr. an Erörterung des Vorschlags des Hrn. Gauguier in Betreff der Deputirten, welche besoldete öffentliche Stellen versehen. Sein Vorschlag lautet: „In Zukunft und von der nächsten Legislatur an sollen die Mitglieder der Deputirtenkammer, die zugleich Civil- oder Militärfunctionen ausüben, während der Dauer der Sessionen den mit ihren Activitätsfunctionen verbundenen Gehalt nicht mehr beziehen. Nur die Minister des Königs sollen von dieser Verfügung ausgenommen seyn.“ Die mit Prüfung dieses Vorschlags in der letzten Session beauftragte Commission hat durch das Organ ihres Berichterstatters, des Hrn. Remusat, auf Verwerfung des Vorschlags angetragen. Hr. Lepelletier d'Aulnay sprach gegen den Vorschlag. Er glaubt, daß in Allem, was das Wahlgesetz berühre, die Initiative der Regierung gebühre. (Im Augenblick, wo der Redner die Tribune verließ, ward aus einer Galerie ein Paket Broschüren in den Saal geworfen. Dieser Zwischenvorfall veranlaßte große Bewegung. Der Präsident befahl den Huissiers den Urheber dieser Unschicklichkeit aus dem Saale zu weisen, was dann auch geschah.) Hr. Gauguier hielt zum Behufe seines Vorschlags eine sehr lange Rede. Er stützte sich auf das Beispiel von England in einer gewissen und auf das von Belgien und Spanien in der gegenwärtigen Zeit. Mehrmals ersucht der Redner die Kammer um Aufmerksamkeit, da vielfache Privatgespräche ihn kaum zum Worte kommen ließen. Endlich ruft er aus: „Sie wollen meine Rede nicht hören, ich will sie von neuem beginnen!“ Darauf erfolgte allgemeiner Ausruf und langer Tumult. Hr. Gauguier: „Es ist keiner unter uns, der nicht, wenn er zum Ministerium überträte, Verrichtungen und Stellen erhalten könnte. (Oh! oh! Gährung.) So lange wenigstens, als die Minister ihr Versprechen nicht halten und moralisch gouverniren wollen. Man will den Legionären den Preis ihres Blutes nicht bezahlen. So ist die Moralität unserer Zeit, unserer Regierung.“ (Ruf: zur Ordnung!) Der Redner wiederholt seine Aeußerung inmitten des Geräusches und fährt dann in Lesung seiner Rede fort. Er spricht von den Wahlen von 1839 und sagt, daß wenn man den Vorschlag verwerfe, das Wahlgesetz nur durch eine Revolution geändert werden könne. „Wenn ihr, sagte er zum Schlusse, den Vorschlag nicht annehmt, so wird euch ganz Frankreich richten.“ Hr. Delespée vertheidigte die Commission, welche den in der letzten Session zum erstenmal ernstlich von der Kammer erwogenen Vorschlag geprüft hatte; er hält die Finanzfrage für höchst unbedeutend, da die Gehalte der Beamten-Deputirten im Ganzen sehr gering seyen; er läßt dem Charakter der Beamten Gerechtigkeit widerfahren, die trotz der unverdienten Angriffe, die sie seit einiger Zeit erfahren, das Vertrauen des Landes besitzen. (Abgang der Post.) Hr. Hennequin ist so krank, daß man an seinem Aufkommen zweifelt. Vor dem Assisenhof der Seine begann am 3 Febr. ein Proceß gegen einundfünfzig Diebe, welche seit einigen Jahren in einer Art Association vereint in Paris ihr Handwerk trieben und lange den Nachforschungen der Polizei entgingen. Erst durch die Geständnisse eines zur Zwangsarbeit verurtheilten Sträflings, welcher aus Rache gegen einen Gefährten des Bagno von Brest, mit dem er früher in Gemeinschaft lebte, eine Reihe verübter Diebstähle entdeckte, kam die Justiz auf die Spur der Diebsbande, die im Großen organisirt und durch eine Menge Hehler und Hehlerinnen, welche durch den Verkauf der gestohlenen Gegenstände ihren Profit fanden, unterstützt war. Vielleicht noch nie hatte der Gerichtssaal des Pariser Assisenhofs ein entsetzenerregenderes Schauspiel gezeigt. Unter den Angeklagten befinden sich eine Menge ehemaliger Galeerensträflinge. Darunter manche alte, verwitterte Sünder in grauen Haaren. Einer der Haupttheilnehmer, Bonnange, hat ein hölzernes Bein; er konnte an den Einbrüchen keinen activen Theil mehr nehmen, aber er recognoscirte die Localitäten, machte Abdrücke von den Schlössern und hielt Wache, während seine Cameraden stahlen. Mitten unter den Civilröcken der Angeklagten figurirt auch das rothe Verbrecherhabit. Viele dermalige Bewohner des Bagno von Brest mußten die Reise nach Paris machen; auf einigen lasten neue Anklagen, andere erscheinen als Zeugen. Daneben sieht man Damen in Federhüten sitzen – die Hehlerinnen der Bande. Der Proceß macht großes Aufsehen in Paris und wird über einen Monat dauern. Die Neugierigen finden aber keinen Platz nicht einmal zum Stehen, denn der ganze große Gerichtssaal ist mit Angeklagten, Hehlerinnen, Gendarmen und Zeugen angefüllt. Die Colonisten von Algier haben den Herzog von Orleans schriftlich gebeten, er möge sich für ihre Sache verwenden und ihr Gesuch um eine Entschädigung der Verluste, die sie beim letzten Einfall der Araber erlitten, bei der Regierung unterstützen. Der Herzog antwortete ihnen, er habe schon vor dem Empfang ihres Schreibens Schritte zu ihren Gunsten gethan, und sie dürften auf seine eifrigste Verwendung rechnen. ✝ Paris, 3 Februar. Die Unterhandlungen, die Hr. v. Brunnow in London einzuleiten hatte, sind so gut als unterbrochen. Hr. v. Brunnow fühlt sich sehr unbehaglich und wird nächstens nach dem Continent zurückkehren. Er klagt offen gegen Lord Palmerston, den er der Unverläßlichkeit oder Zweideutigkeit beschuldigt. Das zweite Auftreten des Hrn. v. Brunnow ist also unglücklicher als das erste. Dem Lord Palmerston <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0004" n="0332"/> dem durch den Tod des Hrn. v. Quelen erledigten Erzbisthum von Paris ernannt worden sey.</p><lb/> <p>Prinz Joinville soll zum Gegenadmiral ernannt werden und das Commando des Linienschiffs Stadt Marseille von 120 Kanonen übernehmen.</p><lb/> <p>Der <hi rendition="#g">Moniteur</hi> bezeichnet die gestern erwähnte Angabe des Journals le Droit über eine Zusammenrottung in der Straße St. Martin als falsch und übertrieben. 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Piscatory trug auf Beseitigung der an das Museum stoßenden hölzernen Baracken an; Hr. Debelleyme äußerte Brandbesorgnisse für die Bibliothek in der Straße Richelien, und Hr. Dupin wollte auch die Häuser und Cafés, welche seiner Ansicht nach das Project des Carrouselplatzes entstellten, entfernt sehen. Die 100,000 Fr. für das Denkmal Molière's wurden mit 221 weißen gegen 62 schwarze Kugeln bewilligt.</p> </div><lb/> <div n="2"> <dateline/> <p><bibl><gap reason="insignificant"/></bibl> Die <hi rendition="#g">Deputirtenkammer</hi> kam am 6 Febr. an Erörterung des Vorschlags des Hrn. Gauguier in Betreff der Deputirten, welche besoldete öffentliche Stellen versehen. Sein Vorschlag lautet: „In Zukunft und von der nächsten Legislatur an sollen die Mitglieder der Deputirtenkammer, die zugleich Civil- oder Militärfunctionen ausüben, während der Dauer der Sessionen den mit ihren Activitätsfunctionen verbundenen Gehalt nicht mehr beziehen. 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Mehrmals ersucht der Redner die Kammer um Aufmerksamkeit, da vielfache Privatgespräche ihn kaum zum Worte kommen ließen. Endlich ruft er aus: „Sie wollen meine Rede nicht hören, ich will sie von neuem beginnen!“ Darauf erfolgte allgemeiner Ausruf und langer Tumult. Hr. <hi rendition="#g">Gauguier</hi>: „Es ist keiner unter uns, der nicht, wenn er zum Ministerium überträte, Verrichtungen und Stellen erhalten könnte. (Oh! oh! Gährung.) So lange wenigstens, als die Minister ihr Versprechen nicht halten und moralisch gouverniren wollen. Man will den Legionären den Preis ihres Blutes nicht bezahlen. So ist die Moralität unserer Zeit, unserer Regierung.“ (Ruf: zur Ordnung!) Der Redner wiederholt seine Aeußerung inmitten des Geräusches und fährt dann in Lesung seiner Rede fort. Er spricht von den Wahlen von 1839 und sagt, daß wenn man den Vorschlag verwerfe, das Wahlgesetz nur durch eine Revolution geändert werden könne. „Wenn ihr, sagte er zum Schlusse, den Vorschlag nicht annehmt, so wird euch ganz Frankreich richten.“ Hr. <hi rendition="#g">Delespée</hi> vertheidigte die Commission, welche den in der letzten Session zum erstenmal ernstlich von der Kammer erwogenen Vorschlag geprüft hatte; er hält die Finanzfrage für höchst unbedeutend, da die Gehalte der Beamten-Deputirten im Ganzen sehr gering seyen; er läßt dem Charakter der Beamten Gerechtigkeit widerfahren, die trotz der unverdienten Angriffe, die sie seit einiger Zeit erfahren, das Vertrauen des Landes besitzen. (Abgang der Post.)</p><lb/> <p>Hr. 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Darunter manche alte, verwitterte Sünder in grauen Haaren. Einer der Haupttheilnehmer, Bonnange, hat ein hölzernes Bein; er konnte an den Einbrüchen keinen activen Theil mehr nehmen, aber er recognoscirte die Localitäten, machte Abdrücke von den Schlössern und hielt Wache, während seine Cameraden stahlen. Mitten unter den Civilröcken der Angeklagten figurirt auch das rothe Verbrecherhabit. Viele dermalige Bewohner des Bagno von Brest mußten die Reise nach Paris machen; auf einigen lasten neue Anklagen, andere erscheinen als Zeugen. Daneben sieht man Damen in Federhüten sitzen – die Hehlerinnen der Bande. Der Proceß macht großes Aufsehen in Paris und wird über einen Monat dauern. Die Neugierigen finden aber keinen Platz nicht einmal zum Stehen, denn der ganze große Gerichtssaal ist mit Angeklagten, Hehlerinnen, Gendarmen und Zeugen angefüllt.</p><lb/> <p>Die Colonisten von Algier haben den Herzog von Orleans schriftlich gebeten, er möge sich für ihre Sache verwenden und ihr Gesuch um eine Entschädigung der Verluste, die sie beim letzten Einfall der Araber erlitten, bei der Regierung unterstützen. Der Herzog antwortete ihnen, er habe schon vor dem Empfang ihres Schreibens Schritte zu ihren Gunsten gethan, und sie dürften auf seine eifrigste Verwendung rechnen.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head>✝</head> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 3 Februar.</dateline> <p> Die Unterhandlungen, die Hr. v. Brunnow in London einzuleiten hatte, sind so gut als unterbrochen. Hr. v. Brunnow fühlt sich sehr unbehaglich und wird nächstens nach dem Continent zurückkehren. Er klagt offen gegen Lord Palmerston, den er der Unverläßlichkeit oder Zweideutigkeit beschuldigt. 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dem durch den Tod des Hrn. v. Quelen erledigten Erzbisthum von Paris ernannt worden sey.
Prinz Joinville soll zum Gegenadmiral ernannt werden und das Commando des Linienschiffs Stadt Marseille von 120 Kanonen übernehmen.
Der Moniteur bezeichnet die gestern erwähnte Angabe des Journals le Droit über eine Zusammenrottung in der Straße St. Martin als falsch und übertrieben. Es seyen wohl um Mitternacht einige Individuen, worunter auch Frauen und Kinder, vorbeigezogen und hätten zum Theil gesungen; dieß komme aber jeden Sonntag vor und sey dießmal nicht so bedeutend gewesen, daß die Posten für nöthig erachtet hätten, heraus zu rufen. Die Ronden und Patrouillen hätten Alles ohne Schwierigkeit zerstreut.
Die Commission der Deputirtenkammer, welcher die Begutachtung des Zuckergesetzesentwurfs übertragen ist, hat mit 5 Stimmen gegen 3 den General Bugeaud zum Präsidenten gewählt. Sein Gegner Hr. Lefèbvre erhielt drei Stimmen. General Bugeaud hat sich in den Bureaux entschieden für die Rübenzuckerfabrication und gegen die Colonien ausgesprochen.
In der Sitzung der Deputirtenkammer am 5 Febr. ward außer den schon gestern erwähnten Entwürfen der Zuschuß von 100,000 Fr. für das zum Andenken Molière's zu errichtende Denkmal erörtert. Hr. v. Jaubert sprach bei diesem Anlaß vom Ausbau des Louvre; Hr. Piscatory trug auf Beseitigung der an das Museum stoßenden hölzernen Baracken an; Hr. Debelleyme äußerte Brandbesorgnisse für die Bibliothek in der Straße Richelien, und Hr. Dupin wollte auch die Häuser und Cafés, welche seiner Ansicht nach das Project des Carrouselplatzes entstellten, entfernt sehen. Die 100,000 Fr. für das Denkmal Molière's wurden mit 221 weißen gegen 62 schwarze Kugeln bewilligt.
_ Die Deputirtenkammer kam am 6 Febr. an Erörterung des Vorschlags des Hrn. Gauguier in Betreff der Deputirten, welche besoldete öffentliche Stellen versehen. Sein Vorschlag lautet: „In Zukunft und von der nächsten Legislatur an sollen die Mitglieder der Deputirtenkammer, die zugleich Civil- oder Militärfunctionen ausüben, während der Dauer der Sessionen den mit ihren Activitätsfunctionen verbundenen Gehalt nicht mehr beziehen. Nur die Minister des Königs sollen von dieser Verfügung ausgenommen seyn.“ Die mit Prüfung dieses Vorschlags in der letzten Session beauftragte Commission hat durch das Organ ihres Berichterstatters, des Hrn. Remusat, auf Verwerfung des Vorschlags angetragen. Hr. Lepelletier d'Aulnay sprach gegen den Vorschlag. Er glaubt, daß in Allem, was das Wahlgesetz berühre, die Initiative der Regierung gebühre. (Im Augenblick, wo der Redner die Tribune verließ, ward aus einer Galerie ein Paket Broschüren in den Saal geworfen. Dieser Zwischenvorfall veranlaßte große Bewegung. Der Präsident befahl den Huissiers den Urheber dieser Unschicklichkeit aus dem Saale zu weisen, was dann auch geschah.) Hr. Gauguier hielt zum Behufe seines Vorschlags eine sehr lange Rede. Er stützte sich auf das Beispiel von England in einer gewissen und auf das von Belgien und Spanien in der gegenwärtigen Zeit. Mehrmals ersucht der Redner die Kammer um Aufmerksamkeit, da vielfache Privatgespräche ihn kaum zum Worte kommen ließen. Endlich ruft er aus: „Sie wollen meine Rede nicht hören, ich will sie von neuem beginnen!“ Darauf erfolgte allgemeiner Ausruf und langer Tumult. Hr. Gauguier: „Es ist keiner unter uns, der nicht, wenn er zum Ministerium überträte, Verrichtungen und Stellen erhalten könnte. (Oh! oh! Gährung.) So lange wenigstens, als die Minister ihr Versprechen nicht halten und moralisch gouverniren wollen. Man will den Legionären den Preis ihres Blutes nicht bezahlen. So ist die Moralität unserer Zeit, unserer Regierung.“ (Ruf: zur Ordnung!) Der Redner wiederholt seine Aeußerung inmitten des Geräusches und fährt dann in Lesung seiner Rede fort. Er spricht von den Wahlen von 1839 und sagt, daß wenn man den Vorschlag verwerfe, das Wahlgesetz nur durch eine Revolution geändert werden könne. „Wenn ihr, sagte er zum Schlusse, den Vorschlag nicht annehmt, so wird euch ganz Frankreich richten.“ Hr. Delespée vertheidigte die Commission, welche den in der letzten Session zum erstenmal ernstlich von der Kammer erwogenen Vorschlag geprüft hatte; er hält die Finanzfrage für höchst unbedeutend, da die Gehalte der Beamten-Deputirten im Ganzen sehr gering seyen; er läßt dem Charakter der Beamten Gerechtigkeit widerfahren, die trotz der unverdienten Angriffe, die sie seit einiger Zeit erfahren, das Vertrauen des Landes besitzen. (Abgang der Post.)
Hr. Hennequin ist so krank, daß man an seinem Aufkommen zweifelt.
Vor dem Assisenhof der Seine begann am 3 Febr. ein Proceß gegen einundfünfzig Diebe, welche seit einigen Jahren in einer Art Association vereint in Paris ihr Handwerk trieben und lange den Nachforschungen der Polizei entgingen. Erst durch die Geständnisse eines zur Zwangsarbeit verurtheilten Sträflings, welcher aus Rache gegen einen Gefährten des Bagno von Brest, mit dem er früher in Gemeinschaft lebte, eine Reihe verübter Diebstähle entdeckte, kam die Justiz auf die Spur der Diebsbande, die im Großen organisirt und durch eine Menge Hehler und Hehlerinnen, welche durch den Verkauf der gestohlenen Gegenstände ihren Profit fanden, unterstützt war. Vielleicht noch nie hatte der Gerichtssaal des Pariser Assisenhofs ein entsetzenerregenderes Schauspiel gezeigt. Unter den Angeklagten befinden sich eine Menge ehemaliger Galeerensträflinge. Darunter manche alte, verwitterte Sünder in grauen Haaren. Einer der Haupttheilnehmer, Bonnange, hat ein hölzernes Bein; er konnte an den Einbrüchen keinen activen Theil mehr nehmen, aber er recognoscirte die Localitäten, machte Abdrücke von den Schlössern und hielt Wache, während seine Cameraden stahlen. Mitten unter den Civilröcken der Angeklagten figurirt auch das rothe Verbrecherhabit. Viele dermalige Bewohner des Bagno von Brest mußten die Reise nach Paris machen; auf einigen lasten neue Anklagen, andere erscheinen als Zeugen. Daneben sieht man Damen in Federhüten sitzen – die Hehlerinnen der Bande. Der Proceß macht großes Aufsehen in Paris und wird über einen Monat dauern. Die Neugierigen finden aber keinen Platz nicht einmal zum Stehen, denn der ganze große Gerichtssaal ist mit Angeklagten, Hehlerinnen, Gendarmen und Zeugen angefüllt.
Die Colonisten von Algier haben den Herzog von Orleans schriftlich gebeten, er möge sich für ihre Sache verwenden und ihr Gesuch um eine Entschädigung der Verluste, die sie beim letzten Einfall der Araber erlitten, bei der Regierung unterstützen. Der Herzog antwortete ihnen, er habe schon vor dem Empfang ihres Schreibens Schritte zu ihren Gunsten gethan, und sie dürften auf seine eifrigste Verwendung rechnen.
✝ Paris, 3 Februar. Die Unterhandlungen, die Hr. v. Brunnow in London einzuleiten hatte, sind so gut als unterbrochen. Hr. v. Brunnow fühlt sich sehr unbehaglich und wird nächstens nach dem Continent zurückkehren. Er klagt offen gegen Lord Palmerston, den er der Unverläßlichkeit oder Zweideutigkeit beschuldigt. Das zweite Auftreten des Hrn. v. Brunnow ist also unglücklicher als das erste. Dem Lord Palmerston
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
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