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Allgemeine Zeitung. Nr. 43. Augsburg, 12. Februar 1840.

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daß es vor Allem darauf ankommt, durch Erforschung der Gesetze der Oberflächenerscheinungen diesen Winkel zu vergrößern, daß es rein müßig ist, das alte Chaos zu lichten und die Erde aus Wasser oder Feuer sich ballen zu lassen, da der Geist kaum angefangen hat, im Labyrinth der Erdrinde sich zu orientiren. In den frühern Speculationen war die Beschaffenheit des Erdkerns immer der Ausgangspunkt, der jetzigen Forschung ist er ein in eine unabsehbare Perspective entrücktes Ziel, das der Geist, einer unendlichen Aufgabe sich bewußt, zu erreichen verzweifelt.

Die zur Ueberzeugung gewordene Naturanschauung, welche den Kern der modernen Geologie bildet, scheint in der Entwicklungsgeschichte des menschlichen Geistes auf ähnliche Weise Epoche machen zu sollen, wie im 16ten Jahrhundert der gewonnene Begriff von der wahren Bewegung der Himmelskörper. Beides ist eine Frucht, die reif vom Baum der Erkenntniß fiel, aber auch unmittelbar den Samen zahlloser, bisher nicht geahnter Zweifel und Probleme verstreute. Die Aufgabe, die das Copernicanische System dem Menschen stellte, war großartiger und erhabener als die heutige, aber auch einfacher, und sie mußte in den Hauptzügen gelöst seyn, bevor die Aufgabe, welche das gegenwärtige Jahrhundert beschäftigt, klar und deutlich gefaßt wurde. Damals handelte es sich in Bezug auf die Erde davon, sie als I ndividuum, als Persönlichkeit im Universum klar aufzufassen, ihren Rang unter den Himmelskörpern auszumitteln, das Band, das sie an die Sonne knüpft, ihre Entfernung von dieser und ihren Genossen, den Planeten, ihre Bahn, ihre Neigung und Schwankung auf derselben, ihren Umriß, ihren Umfang und ihr Gewicht genau kennen zu lernen. Die wundervollen Gebäude der Astronomie und der physikalischen Geographie stehen jetzt da als das schöne Tagwerk der seitdem verflossenen Jahrhunderte. Aber während so die Geschichte der Erde im Raum eine sehr hohe Ausbildung erhielt, blieb ihre Geschichte in der Zeit so verworren und unklar, als die Bewegungen am Firmament vor der Lösung des Räthsels durch Copernicus.

Diese Geschichte der Erde in der Zeit ist nun das Pensum der Gegenwart und der Zukunft, und James Hutton ist der Copernicus, Leopold v. Buch der Galilei dieser neuen Epoche der Forschung. Noch Werners ausschließlich neptunistisches System der Erdbildung glich dem Ptolemäischen Firmament, wobei nur durch kecke Voraussetzungen Ordnung in die gränzenlose Verwirrung kommt; in der Erhebungstheorie erblicken wir ein Schema, gleich dem Apercu des Copernicus, das auf Einmal die natürliche Lösung ahnen läßt. - Es ist aber merkwürdig, daß es im einen Falle dem Menschen fast so schwer wurde, den Augenschein anzuerkennen, als im andern, sich demselben zu entziehen. Denn das alte Weltsystem, in dem die Erde ruhend angenommen wird, hatte unbedingt das Zeugniß der Sinne für sich; dagegen die neptunistische Ansicht, nach welcher die Schichten der Erdrinde, steil aufgerichtet, wie sie so oft sind, sich aus den alten Meeren sollten niedergeschlagen haben, hatte jenes Zeugniß geradezu gegen sich. Es war die tiefe Ueberzeugung des speculativen Geistes, wenn Galilei, nachdem er eben seine ewigen Wahrheiten vor der Inquisition abgeschworen, ausrief: "e pur si muove!" Es war der Sieg des sinnlichen Eindrucks über Schulbegriffe, wenn Leopold v. Buch im Angesicht eines mächtigen Profils der Alpen ausrief: und doch ist das Gebirge aufgestiegen!

Dieß bezeichnet zugleich scharf den Unterschied zwischen Astronomie und Geologie hinsichtlich der Geistesvermögen, welche sie vorzugsweise in Anspruch nehmen. Mit dem Copernicanischen System wurde der astrologischen, rein sinnlichen Betrach ung und Anordnung des Himmels eine Ende gemacht; man sah sich dadurch sofort auf die Bahn der Speculation geworfen; man konnte nur durch Combination und Rechnung zur Ermittlung von Verhältnissen gelangen, welche sich der unmittelbaren sinnlichen Beobachtung entziehen, wie die Bahnen der Himmelskörper, die Anziehungskraft, die Geschwindigkeit des Lichts, die Abplattung der Erde u. s. w. Mit der Theorie der Erdbildung war es gerade umgekehrt: die eigentlich fruchtbare Forschung begann hier erst dann, als man der Speculation entsagte, als man aufgeklärt genug geworden war, zu erkennen, daß man nur durch sinnlich treue Beobachtung des an der Erdoberfläche Bloßgelegten, auf dem langen Wege vorsichtiger Induction gemach dem Ziele zurücken könne. - Während aber so der Geist unserer Zeit mit besonderer Kraft erdwärts gerichtet ist, hat er sich doch keineswegs von der Erforschung der Gesetze des Himmels abgezogen; er ist vielmehr auch hier, nachdem er ein altes Pensum so ziemlich hinter sich gebracht, zu einem neuen, höhern fortgeschritten. Der Geist hat die Rechenschule des Planetensystems absolvirt, und es ist nun gewiß sehr bezeichnend, daß er in derselben Generation, welche sich zum mühseligen Detailstudium der Erdrinde, zur Entwirrung des unendlich Kleinen entschlossen hat, sich an das unermeßlich Große wagt und über den Uranus hinaus kräftig in die bisher versiegelten Geheimnisse des Fixsternhimmels dringt. Aber wie sonderbar - dieß im Vorbeigehen gesagt - wird der Geist bei dieser gedoppelten Thätigkeit zwischen den Begriffen von Groß und Klein hin- und hergetrieben! Die eine Forschung steht beobachtend und sichtend vor einem ungeheuern Felsprofil mit mächtigen durcheinander gestürzten Schichten, die andere berechnet die unendlich kleine Parallaxe eines Fixsterns; aber Lyell beobachtet, um wie viel Zolle sich in einer Reihe von Jahren die Küste von Skandinavien aus dem Meer erhoben hat, und Bessel beweist, daß der Stern 61 im Schwan um eben so viele hunderttausend Halbmesser der Erdbahn von der Erde abliegen muß. Auch hier, wie in der vorhergegangenen Periode der Astronomie und der Erdkunde, ist der Mathematiker weit voraus vor dem sinnlichen Beobachter, und die Astronomie mag leicht die Sternschichten der Milchstraße entwirrt haben, bevor die Geologie auch nur zu dem Punkte vordringt, wo geologische und historische Zeit sich berühren.

(Beschluß folgt.)

Die Franzosen und die Rheingränze.

Die Reden Thiers' und Lamartine's haben patriotische Erwiederungen in der Allgem. Ztg. hervorgerufen die wir hier in Paris mit vielem Interesse gelesen haben, obschon wir von der Veranlassung, denen sie ihr Daseyn verdanken, nicht auf dieselbe Weise berührt worden sind. Ihre deutschen Correspondenten wollen keinem fremden Volke das Recht zugestehen, einen Theil des deutschen Landes von seiner Einheit loszureißen und sich mit freventlicher Anmaßung zuzuwenden, sie empören sich gegen eine Begehrlichkeit der Franzosen, die dahin lautete: das linke Rheinufer unter französische Hoheit zu werfen, damit Frankreich allerorts mehr mit natürlichen Gränzen umgürtet und geründeter sey, sie rufen dem fremden Eroberer mit trotzigem Lakonismus zu: "wenn ihr unsre Waffen wollt, kommt und holt sie" was wohl heißt, wir werden unsre Landestheile in solcher Art vertheidigen, daß euch die Lust vergehen soll, uns auch nur eine Scholle gegen unsern und der betheiligten Provinzen Willen zu entreißen! Solche Grundsätze ehren die, welche sich zu Sprechern der Gesammtheit aufgeworfen, wie die Gesammtheit selbst, in deren Namen sie ausgesprochen werden; man müßte das Volk verachten, das

daß es vor Allem darauf ankommt, durch Erforschung der Gesetze der Oberflächenerscheinungen diesen Winkel zu vergrößern, daß es rein müßig ist, das alte Chaos zu lichten und die Erde aus Wasser oder Feuer sich ballen zu lassen, da der Geist kaum angefangen hat, im Labyrinth der Erdrinde sich zu orientiren. In den frühern Speculationen war die Beschaffenheit des Erdkerns immer der Ausgangspunkt, der jetzigen Forschung ist er ein in eine unabsehbare Perspective entrücktes Ziel, das der Geist, einer unendlichen Aufgabe sich bewußt, zu erreichen verzweifelt.

Die zur Ueberzeugung gewordene Naturanschauung, welche den Kern der modernen Geologie bildet, scheint in der Entwicklungsgeschichte des menschlichen Geistes auf ähnliche Weise Epoche machen zu sollen, wie im 16ten Jahrhundert der gewonnene Begriff von der wahren Bewegung der Himmelskörper. Beides ist eine Frucht, die reif vom Baum der Erkenntniß fiel, aber auch unmittelbar den Samen zahlloser, bisher nicht geahnter Zweifel und Probleme verstreute. Die Aufgabe, die das Copernicanische System dem Menschen stellte, war großartiger und erhabener als die heutige, aber auch einfacher, und sie mußte in den Hauptzügen gelöst seyn, bevor die Aufgabe, welche das gegenwärtige Jahrhundert beschäftigt, klar und deutlich gefaßt wurde. Damals handelte es sich in Bezug auf die Erde davon, sie als I ndividuum, als Persönlichkeit im Universum klar aufzufassen, ihren Rang unter den Himmelskörpern auszumitteln, das Band, das sie an die Sonne knüpft, ihre Entfernung von dieser und ihren Genossen, den Planeten, ihre Bahn, ihre Neigung und Schwankung auf derselben, ihren Umriß, ihren Umfang und ihr Gewicht genau kennen zu lernen. Die wundervollen Gebäude der Astronomie und der physikalischen Geographie stehen jetzt da als das schöne Tagwerk der seitdem verflossenen Jahrhunderte. Aber während so die Geschichte der Erde im Raum eine sehr hohe Ausbildung erhielt, blieb ihre Geschichte in der Zeit so verworren und unklar, als die Bewegungen am Firmament vor der Lösung des Räthsels durch Copernicus.

Diese Geschichte der Erde in der Zeit ist nun das Pensum der Gegenwart und der Zukunft, und James Hutton ist der Copernicus, Leopold v. Buch der Galilei dieser neuen Epoche der Forschung. Noch Werners ausschließlich neptunistisches System der Erdbildung glich dem Ptolemäischen Firmament, wobei nur durch kecke Voraussetzungen Ordnung in die gränzenlose Verwirrung kommt; in der Erhebungstheorie erblicken wir ein Schema, gleich dem Aperçu des Copernicus, das auf Einmal die natürliche Lösung ahnen läßt. – Es ist aber merkwürdig, daß es im einen Falle dem Menschen fast so schwer wurde, den Augenschein anzuerkennen, als im andern, sich demselben zu entziehen. Denn das alte Weltsystem, in dem die Erde ruhend angenommen wird, hatte unbedingt das Zeugniß der Sinne für sich; dagegen die neptunistische Ansicht, nach welcher die Schichten der Erdrinde, steil aufgerichtet, wie sie so oft sind, sich aus den alten Meeren sollten niedergeschlagen haben, hatte jenes Zeugniß geradezu gegen sich. Es war die tiefe Ueberzeugung des speculativen Geistes, wenn Galilei, nachdem er eben seine ewigen Wahrheiten vor der Inquisition abgeschworen, ausrief: „e pur si muove!“ Es war der Sieg des sinnlichen Eindrucks über Schulbegriffe, wenn Leopold v. Buch im Angesicht eines mächtigen Profils der Alpen ausrief: und doch ist das Gebirge aufgestiegen!

Dieß bezeichnet zugleich scharf den Unterschied zwischen Astronomie und Geologie hinsichtlich der Geistesvermögen, welche sie vorzugsweise in Anspruch nehmen. Mit dem Copernicanischen System wurde der astrologischen, rein sinnlichen Betrach ung und Anordnung des Himmels eine Ende gemacht; man sah sich dadurch sofort auf die Bahn der Speculation geworfen; man konnte nur durch Combination und Rechnung zur Ermittlung von Verhältnissen gelangen, welche sich der unmittelbaren sinnlichen Beobachtung entziehen, wie die Bahnen der Himmelskörper, die Anziehungskraft, die Geschwindigkeit des Lichts, die Abplattung der Erde u. s. w. Mit der Theorie der Erdbildung war es gerade umgekehrt: die eigentlich fruchtbare Forschung begann hier erst dann, als man der Speculation entsagte, als man aufgeklärt genug geworden war, zu erkennen, daß man nur durch sinnlich treue Beobachtung des an der Erdoberfläche Bloßgelegten, auf dem langen Wege vorsichtiger Induction gemach dem Ziele zurücken könne. – Während aber so der Geist unserer Zeit mit besonderer Kraft erdwärts gerichtet ist, hat er sich doch keineswegs von der Erforschung der Gesetze des Himmels abgezogen; er ist vielmehr auch hier, nachdem er ein altes Pensum so ziemlich hinter sich gebracht, zu einem neuen, höhern fortgeschritten. Der Geist hat die Rechenschule des Planetensystems absolvirt, und es ist nun gewiß sehr bezeichnend, daß er in derselben Generation, welche sich zum mühseligen Detailstudium der Erdrinde, zur Entwirrung des unendlich Kleinen entschlossen hat, sich an das unermeßlich Große wagt und über den Uranus hinaus kräftig in die bisher versiegelten Geheimnisse des Fixsternhimmels dringt. Aber wie sonderbar – dieß im Vorbeigehen gesagt – wird der Geist bei dieser gedoppelten Thätigkeit zwischen den Begriffen von Groß und Klein hin- und hergetrieben! Die eine Forschung steht beobachtend und sichtend vor einem ungeheuern Felsprofil mit mächtigen durcheinander gestürzten Schichten, die andere berechnet die unendlich kleine Parallaxe eines Fixsterns; aber Lyell beobachtet, um wie viel Zolle sich in einer Reihe von Jahren die Küste von Skandinavien aus dem Meer erhoben hat, und Bessel beweist, daß der Stern 61 im Schwan um eben so viele hunderttausend Halbmesser der Erdbahn von der Erde abliegen muß. Auch hier, wie in der vorhergegangenen Periode der Astronomie und der Erdkunde, ist der Mathematiker weit voraus vor dem sinnlichen Beobachter, und die Astronomie mag leicht die Sternschichten der Milchstraße entwirrt haben, bevor die Geologie auch nur zu dem Punkte vordringt, wo geologische und historische Zeit sich berühren.

(Beschluß folgt.)

Die Franzosen und die Rheingränze.

Die Reden Thiers' und Lamartine's haben patriotische Erwiederungen in der Allgem. Ztg. hervorgerufen die wir hier in Paris mit vielem Interesse gelesen haben, obschon wir von der Veranlassung, denen sie ihr Daseyn verdanken, nicht auf dieselbe Weise berührt worden sind. Ihre deutschen Correspondenten wollen keinem fremden Volke das Recht zugestehen, einen Theil des deutschen Landes von seiner Einheit loszureißen und sich mit freventlicher Anmaßung zuzuwenden, sie empören sich gegen eine Begehrlichkeit der Franzosen, die dahin lautete: das linke Rheinufer unter französische Hoheit zu werfen, damit Frankreich allerorts mehr mit natürlichen Gränzen umgürtet und geründeter sey, sie rufen dem fremden Eroberer mit trotzigem Lakonismus zu: „wenn ihr unsre Waffen wollt, kommt und holt sie“ was wohl heißt, wir werden unsre Landestheile in solcher Art vertheidigen, daß euch die Lust vergehen soll, uns auch nur eine Scholle gegen unsern und der betheiligten Provinzen Willen zu entreißen! Solche Grundsätze ehren die, welche sich zu Sprechern der Gesammtheit aufgeworfen, wie die Gesammtheit selbst, in deren Namen sie ausgesprochen werden; man müßte das Volk verachten, das

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[0338/0010] daß es vor Allem darauf ankommt, durch Erforschung der Gesetze der Oberflächenerscheinungen diesen Winkel zu vergrößern, daß es rein müßig ist, das alte Chaos zu lichten und die Erde aus Wasser oder Feuer sich ballen zu lassen, da der Geist kaum angefangen hat, im Labyrinth der Erdrinde sich zu orientiren. In den frühern Speculationen war die Beschaffenheit des Erdkerns immer der Ausgangspunkt, der jetzigen Forschung ist er ein in eine unabsehbare Perspective entrücktes Ziel, das der Geist, einer unendlichen Aufgabe sich bewußt, zu erreichen verzweifelt. Die zur Ueberzeugung gewordene Naturanschauung, welche den Kern der modernen Geologie bildet, scheint in der Entwicklungsgeschichte des menschlichen Geistes auf ähnliche Weise Epoche machen zu sollen, wie im 16ten Jahrhundert der gewonnene Begriff von der wahren Bewegung der Himmelskörper. Beides ist eine Frucht, die reif vom Baum der Erkenntniß fiel, aber auch unmittelbar den Samen zahlloser, bisher nicht geahnter Zweifel und Probleme verstreute. Die Aufgabe, die das Copernicanische System dem Menschen stellte, war großartiger und erhabener als die heutige, aber auch einfacher, und sie mußte in den Hauptzügen gelöst seyn, bevor die Aufgabe, welche das gegenwärtige Jahrhundert beschäftigt, klar und deutlich gefaßt wurde. Damals handelte es sich in Bezug auf die Erde davon, sie als I ndividuum, als Persönlichkeit im Universum klar aufzufassen, ihren Rang unter den Himmelskörpern auszumitteln, das Band, das sie an die Sonne knüpft, ihre Entfernung von dieser und ihren Genossen, den Planeten, ihre Bahn, ihre Neigung und Schwankung auf derselben, ihren Umriß, ihren Umfang und ihr Gewicht genau kennen zu lernen. Die wundervollen Gebäude der Astronomie und der physikalischen Geographie stehen jetzt da als das schöne Tagwerk der seitdem verflossenen Jahrhunderte. Aber während so die Geschichte der Erde im Raum eine sehr hohe Ausbildung erhielt, blieb ihre Geschichte in der Zeit so verworren und unklar, als die Bewegungen am Firmament vor der Lösung des Räthsels durch Copernicus. Diese Geschichte der Erde in der Zeit ist nun das Pensum der Gegenwart und der Zukunft, und James Hutton ist der Copernicus, Leopold v. Buch der Galilei dieser neuen Epoche der Forschung. Noch Werners ausschließlich neptunistisches System der Erdbildung glich dem Ptolemäischen Firmament, wobei nur durch kecke Voraussetzungen Ordnung in die gränzenlose Verwirrung kommt; in der Erhebungstheorie erblicken wir ein Schema, gleich dem Aperçu des Copernicus, das auf Einmal die natürliche Lösung ahnen läßt. – Es ist aber merkwürdig, daß es im einen Falle dem Menschen fast so schwer wurde, den Augenschein anzuerkennen, als im andern, sich demselben zu entziehen. Denn das alte Weltsystem, in dem die Erde ruhend angenommen wird, hatte unbedingt das Zeugniß der Sinne für sich; dagegen die neptunistische Ansicht, nach welcher die Schichten der Erdrinde, steil aufgerichtet, wie sie so oft sind, sich aus den alten Meeren sollten niedergeschlagen haben, hatte jenes Zeugniß geradezu gegen sich. Es war die tiefe Ueberzeugung des speculativen Geistes, wenn Galilei, nachdem er eben seine ewigen Wahrheiten vor der Inquisition abgeschworen, ausrief: „e pur si muove!“ Es war der Sieg des sinnlichen Eindrucks über Schulbegriffe, wenn Leopold v. Buch im Angesicht eines mächtigen Profils der Alpen ausrief: und doch ist das Gebirge aufgestiegen! Dieß bezeichnet zugleich scharf den Unterschied zwischen Astronomie und Geologie hinsichtlich der Geistesvermögen, welche sie vorzugsweise in Anspruch nehmen. Mit dem Copernicanischen System wurde der astrologischen, rein sinnlichen Betrach ung und Anordnung des Himmels eine Ende gemacht; man sah sich dadurch sofort auf die Bahn der Speculation geworfen; man konnte nur durch Combination und Rechnung zur Ermittlung von Verhältnissen gelangen, welche sich der unmittelbaren sinnlichen Beobachtung entziehen, wie die Bahnen der Himmelskörper, die Anziehungskraft, die Geschwindigkeit des Lichts, die Abplattung der Erde u. s. w. Mit der Theorie der Erdbildung war es gerade umgekehrt: die eigentlich fruchtbare Forschung begann hier erst dann, als man der Speculation entsagte, als man aufgeklärt genug geworden war, zu erkennen, daß man nur durch sinnlich treue Beobachtung des an der Erdoberfläche Bloßgelegten, auf dem langen Wege vorsichtiger Induction gemach dem Ziele zurücken könne. – Während aber so der Geist unserer Zeit mit besonderer Kraft erdwärts gerichtet ist, hat er sich doch keineswegs von der Erforschung der Gesetze des Himmels abgezogen; er ist vielmehr auch hier, nachdem er ein altes Pensum so ziemlich hinter sich gebracht, zu einem neuen, höhern fortgeschritten. Der Geist hat die Rechenschule des Planetensystems absolvirt, und es ist nun gewiß sehr bezeichnend, daß er in derselben Generation, welche sich zum mühseligen Detailstudium der Erdrinde, zur Entwirrung des unendlich Kleinen entschlossen hat, sich an das unermeßlich Große wagt und über den Uranus hinaus kräftig in die bisher versiegelten Geheimnisse des Fixsternhimmels dringt. Aber wie sonderbar – dieß im Vorbeigehen gesagt – wird der Geist bei dieser gedoppelten Thätigkeit zwischen den Begriffen von Groß und Klein hin- und hergetrieben! Die eine Forschung steht beobachtend und sichtend vor einem ungeheuern Felsprofil mit mächtigen durcheinander gestürzten Schichten, die andere berechnet die unendlich kleine Parallaxe eines Fixsterns; aber Lyell beobachtet, um wie viel Zolle sich in einer Reihe von Jahren die Küste von Skandinavien aus dem Meer erhoben hat, und Bessel beweist, daß der Stern 61 im Schwan um eben so viele hunderttausend Halbmesser der Erdbahn von der Erde abliegen muß. Auch hier, wie in der vorhergegangenen Periode der Astronomie und der Erdkunde, ist der Mathematiker weit voraus vor dem sinnlichen Beobachter, und die Astronomie mag leicht die Sternschichten der Milchstraße entwirrt haben, bevor die Geologie auch nur zu dem Punkte vordringt, wo geologische und historische Zeit sich berühren. (Beschluß folgt.) Die Franzosen und die Rheingränze. _ Paris, 5 Febr. Die Reden Thiers' und Lamartine's haben patriotische Erwiederungen in der Allgem. Ztg. hervorgerufen die wir hier in Paris mit vielem Interesse gelesen haben, obschon wir von der Veranlassung, denen sie ihr Daseyn verdanken, nicht auf dieselbe Weise berührt worden sind. Ihre deutschen Correspondenten wollen keinem fremden Volke das Recht zugestehen, einen Theil des deutschen Landes von seiner Einheit loszureißen und sich mit freventlicher Anmaßung zuzuwenden, sie empören sich gegen eine Begehrlichkeit der Franzosen, die dahin lautete: das linke Rheinufer unter französische Hoheit zu werfen, damit Frankreich allerorts mehr mit natürlichen Gränzen umgürtet und geründeter sey, sie rufen dem fremden Eroberer mit trotzigem Lakonismus zu: „wenn ihr unsre Waffen wollt, kommt und holt sie“ was wohl heißt, wir werden unsre Landestheile in solcher Art vertheidigen, daß euch die Lust vergehen soll, uns auch nur eine Scholle gegen unsern und der betheiligten Provinzen Willen zu entreißen! Solche Grundsätze ehren die, welche sich zu Sprechern der Gesammtheit aufgeworfen, wie die Gesammtheit selbst, in deren Namen sie ausgesprochen werden; man müßte das Volk verachten, das

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 43. Augsburg, 12. Februar 1840, S. 0338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_043_18400212/10>, abgerufen am 21.11.2024.