Allgemeine Zeitung. Nr. 47. Augsburg, 16. Februar 1840.das Knurren und Murren um Aegypten zwischen den dortigen englischen und französischen Consuln und Geschäftsträgern als Repräsentanten entgegengesetzter Interessen; seit Algier und der Juliusrevolution ist diese beiderseitige Feindlichkeit zu Kairo und in Alexandrien immer schroffer geworden, und jetzt ist sie nahe daran, die höchste Höhe zu erreichen. Wenn es der europäischen Politik gelingen sollte, diese Schwierigkeiten noch auf längere Zeit aufzuschieben, so wäre ihr ein wahres Kunststück gelungen. Spanien. Madrid, im Januar. Unsere Nation ist dem übrigen Europa fast gleichgültig geworden; von mancher Seite entzieht man uns die hülfreiche Hand und wendet seine Augen weg, als fürchtete man von der Revolution angesteckt zu werden, oder als wären unsere Zerwürfnisse nicht bald in Ordnung zu bringen. Und doch sind wir den andern Regierungen nicht so fern, daß sie die Resignation unsers Volkes über die Verblendung einer kleinen Partei verkennen dürften; unser Zustand ist keineswegs der Verzweiflung anheim gefallen; es bedarf keiner übermenschlichen Macht, um unsere Gebrechen zu heilen. Wer die Pyrenäen überschreitet, kann sich überzeugen, daß die spanische Nation nicht bis in ihre innersten Lebensorgane vom revolutionären Gifte durchwühlt ist. Der revolutionäre Geist ist in Spanien nur oberflächlich; er hat sich durch Zeitereignisse, an denen das Ausland zum Theil die Schuld trägt, wichtiger dargestellt, als er wirklich ist; denn wäre er von jener Stärke, wie man anzunehmen scheint, so müßte die alte Staats- und Kircheneinrichtung in Spanien umgestürzt und die Ueberzeugung des Volks in dieser Hinsicht rein umgekehrt seyn. Das ist aber keineswegs der Fall, und weil man das Parteiwesen nicht in seinem beschränkten Treiben würdigt, sondern ihm eine überwiegende Kraft beilegt, so ist man in Europa zu der ganz irrigen Ansicht gelangt, daß, obgleich in Spanien keine Revolution herrsche, doch eine beständige Anarchie zu Hause sey. Ist ja doch die Anarchie, wenn sie wirklich vorhanden wäre, das stärkste Zeugniß von der Unmacht einer Revolution; wie mag man diese fürchten, wenn sie nicht einmal im Stande ist, sich der Herrschaft zu bemächtigen? Doch ich werde später auf diesen Gegenstand zurückkommen; jetzt ist es mir darum zu thun, anzudeuten, daß die europäischen Mächte wohl ein Interesse haben, unserer innern Entwicklung ihre Theilnahme nicht zu entziehen. Der Friede kehrt nach Spanien zurück, wichtige Frage sind zu entscheiden, um die künftige Ruhe Spaniens sicher zu stellen. Die spanischen Zustände sind für Europa von einem doppelten Gesichtspunkt aus zu beurtheilen: von einem dynastischen und einem politischen; in jener Hinsicht ist es eine Frage der Legitimität, in dieser eine Frage der Ordnung. Wer der legitime König von Spanien sey, ist für die spanische Nation wie für Europa eine gleich wichtige Frage, denn ohne Legitimität hat die Monarchie keinen festen Boden. Diese Frage ist für Isabella II in Spanien schon seit dem Tode Ferdinands VII gesetzlich und durch die letzten Ereignisse auch factisch entschieden. England und Frankreich haben sich vom Anfang unserer Wirren dieser Entscheidung angeschlossen, jenseits des Rheins wurde das gute Recht unserer Königin auf den Thron durch preiswürdige wissenschaftliche Bemühung so evident erwiesen, daß hierüber so wenig in Deutschland ein Zweifel seyn kann, als in Spanien einer obwaltet. Europa hat beinahe zu gleicher Zeit erfahren, daß Don Carlos ein rebellischer und geächteter Prinz sey. Dieser Gegenstand ist abgemacht, nicht aber die politische Frage, welche jetzt noch die europäischen Cabinette allein beschäftigt. Einige derselben sind der Meinung, das Princip der Ordnung in Spanien sey durch Don Carlos, das der Revolution durch Isabella II repräsentirt; daher die Theilnahme, welche die Sache des Don Carlos in den rein monarchischen Staaten gefunden hat, und der instinctartige Widerwille gegen den Sieg Isabella's, als das vermeintliche Signal politischer Umwälzung. Diese Meinung ist die einzige und wahre Ursache, warum sich mehrere Cabinette von der spanischen Regierung fern halten. Freilich, wer unsern politischen und gesellschaftlichen Zustand nicht durch und durch kennt, wer sich durch gefährlichen Schein einschüchtern läßt, wer die Dinge nur beurtheilt nach dem Namen, den man ihnen gibt, der wird alles Unheil und alle Gräuel, die in Spanien vorgefallen sind, nur aus dem revolutionären Grund erklären. Die Thatsachen sprechen nun einmal gegen uns; sie klagen uns mit unwiderstehlicher Beredsamkeit an; ich will sie nicht durch täuschende Farben beschönigen, von welchem Nutzen möchte auch diese Verstellung seyn für die wichtige Sache, der ich dienen will? Nur das eine will ich behaupten, daß man die Thatsachen nicht gehörig beurtheilen kann, ohne daß sie vollständig erklärt sind. Europa kennt aber nicht die wahren Ursachen unserer traurigen Zustände und Verhältnisse, und ich glaube deßhalb eine zeitgemäße Arbeit zu liefern, wenn ich im Verfolg dieser Briefe die Gründe unserer Zerwürfnisse auseinander setze. Man wird daraus erkennen, daß bis jetzt das Lager des Prätendenten der Herd und Sitz derjenigen Principien war, welche die demagogischen Leidenschaften aufgeregt haben. Das ist die einzige Ursache unserer Wirren; es gibt gegen sie keinen stärkeren Widerstand als die Befestigung des Throns Isabella's II, dessen Institutionen mit den gegenwärtigen Wünschen und Bedürfnissen übereinstimmen und geeignet sind, um der Regierung die nöthige Stärke und Garantien zu geben. Italien. Rom, 3 Febr. Das Verschwinden des gabinischen Sees von der Erdoberfläche - seine Wasser versiegten vor einem Jahr innerhalb weniger Tage spurlos in modernen und antiken sich eröffnenden Emissären und Aquäducten - hat von neuem die Aufmerksamkeit der Forscher und Freunde des Alterthums auf die Feldmarken der albanischen Colonien Collatia und Gabii gelenkt. Unweit der grünen Ufer des gewesenen Sees hat man hin und wieder Nachgrabungen angestellt. Die angewandte Mühe blieb indeß lange resultatlos, bis endlich vor wenigen Tagen der auf einem Acker des Landguts Torre Nuova (Rocca Cenci), jetzt Eigenthum des Prinzen Borghese, gemachte Fund die Wünsche der Suchenden befriedigte. Wenige Fuß unter dem gegenwärtigen Erdniveau fand man Quadermauern von lapis Gabinus, aus dem auch der Junotempel des alten Gabii, wie die noch übrigen imposanten Ruinen seiner Cella zeigen, erbaut war. Neben der langen aufgedeckten Mauer standen zwei Marmorsarkophage, ein kleinerer mit erhabener Arbeit von geringem Werth, und ein größerer mit Basrelief-Ornamenten von ganz ausgezeichneter Schönheit in Composition und technischer Ausführung. Das Centrum der Darstellung ist ein Opferact; zur Rechten ein Feldherr mit Reitergefolge; zur Linken ein Männer- und Frauenchor, welcher Kränze und andere Opfergaben herbeiträgt. Der Styl der Arbeit erinnert an die Zeit nach den Antoninen. Vielleicht bewahrte der Sarg die Gebeine des berühmten Fabius Cilo Septimianus, Consul und Präfect der Stadt, und Erzieher der Söhne des Septimius Severus. Grund dieser Hypothese ist die mittelalterliche Benamung eines dem Fundorte nahen Ackers mit crypta Cilonis, jetzt grotta Celone. das Knurren und Murren um Aegypten zwischen den dortigen englischen und französischen Consuln und Geschäftsträgern als Repräsentanten entgegengesetzter Interessen; seit Algier und der Juliusrevolution ist diese beiderseitige Feindlichkeit zu Kairo und in Alexandrien immer schroffer geworden, und jetzt ist sie nahe daran, die höchste Höhe zu erreichen. Wenn es der europäischen Politik gelingen sollte, diese Schwierigkeiten noch auf längere Zeit aufzuschieben, so wäre ihr ein wahres Kunststück gelungen. Spanien. Madrid, im Januar. Unsere Nation ist dem übrigen Europa fast gleichgültig geworden; von mancher Seite entzieht man uns die hülfreiche Hand und wendet seine Augen weg, als fürchtete man von der Revolution angesteckt zu werden, oder als wären unsere Zerwürfnisse nicht bald in Ordnung zu bringen. Und doch sind wir den andern Regierungen nicht so fern, daß sie die Resignation unsers Volkes über die Verblendung einer kleinen Partei verkennen dürften; unser Zustand ist keineswegs der Verzweiflung anheim gefallen; es bedarf keiner übermenschlichen Macht, um unsere Gebrechen zu heilen. Wer die Pyrenäen überschreitet, kann sich überzeugen, daß die spanische Nation nicht bis in ihre innersten Lebensorgane vom revolutionären Gifte durchwühlt ist. Der revolutionäre Geist ist in Spanien nur oberflächlich; er hat sich durch Zeitereignisse, an denen das Ausland zum Theil die Schuld trägt, wichtiger dargestellt, als er wirklich ist; denn wäre er von jener Stärke, wie man anzunehmen scheint, so müßte die alte Staats- und Kircheneinrichtung in Spanien umgestürzt und die Ueberzeugung des Volks in dieser Hinsicht rein umgekehrt seyn. Das ist aber keineswegs der Fall, und weil man das Parteiwesen nicht in seinem beschränkten Treiben würdigt, sondern ihm eine überwiegende Kraft beilegt, so ist man in Europa zu der ganz irrigen Ansicht gelangt, daß, obgleich in Spanien keine Revolution herrsche, doch eine beständige Anarchie zu Hause sey. Ist ja doch die Anarchie, wenn sie wirklich vorhanden wäre, das stärkste Zeugniß von der Unmacht einer Revolution; wie mag man diese fürchten, wenn sie nicht einmal im Stande ist, sich der Herrschaft zu bemächtigen? Doch ich werde später auf diesen Gegenstand zurückkommen; jetzt ist es mir darum zu thun, anzudeuten, daß die europäischen Mächte wohl ein Interesse haben, unserer innern Entwicklung ihre Theilnahme nicht zu entziehen. Der Friede kehrt nach Spanien zurück, wichtige Frage sind zu entscheiden, um die künftige Ruhe Spaniens sicher zu stellen. Die spanischen Zustände sind für Europa von einem doppelten Gesichtspunkt aus zu beurtheilen: von einem dynastischen und einem politischen; in jener Hinsicht ist es eine Frage der Legitimität, in dieser eine Frage der Ordnung. Wer der legitime König von Spanien sey, ist für die spanische Nation wie für Europa eine gleich wichtige Frage, denn ohne Legitimität hat die Monarchie keinen festen Boden. Diese Frage ist für Isabella II in Spanien schon seit dem Tode Ferdinands VII gesetzlich und durch die letzten Ereignisse auch factisch entschieden. England und Frankreich haben sich vom Anfang unserer Wirren dieser Entscheidung angeschlossen, jenseits des Rheins wurde das gute Recht unserer Königin auf den Thron durch preiswürdige wissenschaftliche Bemühung so evident erwiesen, daß hierüber so wenig in Deutschland ein Zweifel seyn kann, als in Spanien einer obwaltet. Europa hat beinahe zu gleicher Zeit erfahren, daß Don Carlos ein rebellischer und geächteter Prinz sey. Dieser Gegenstand ist abgemacht, nicht aber die politische Frage, welche jetzt noch die europäischen Cabinette allein beschäftigt. Einige derselben sind der Meinung, das Princip der Ordnung in Spanien sey durch Don Carlos, das der Revolution durch Isabella II repräsentirt; daher die Theilnahme, welche die Sache des Don Carlos in den rein monarchischen Staaten gefunden hat, und der instinctartige Widerwille gegen den Sieg Isabella's, als das vermeintliche Signal politischer Umwälzung. Diese Meinung ist die einzige und wahre Ursache, warum sich mehrere Cabinette von der spanischen Regierung fern halten. Freilich, wer unsern politischen und gesellschaftlichen Zustand nicht durch und durch kennt, wer sich durch gefährlichen Schein einschüchtern läßt, wer die Dinge nur beurtheilt nach dem Namen, den man ihnen gibt, der wird alles Unheil und alle Gräuel, die in Spanien vorgefallen sind, nur aus dem revolutionären Grund erklären. Die Thatsachen sprechen nun einmal gegen uns; sie klagen uns mit unwiderstehlicher Beredsamkeit an; ich will sie nicht durch täuschende Farben beschönigen, von welchem Nutzen möchte auch diese Verstellung seyn für die wichtige Sache, der ich dienen will? Nur das eine will ich behaupten, daß man die Thatsachen nicht gehörig beurtheilen kann, ohne daß sie vollständig erklärt sind. Europa kennt aber nicht die wahren Ursachen unserer traurigen Zustände und Verhältnisse, und ich glaube deßhalb eine zeitgemäße Arbeit zu liefern, wenn ich im Verfolg dieser Briefe die Gründe unserer Zerwürfnisse auseinander setze. Man wird daraus erkennen, daß bis jetzt das Lager des Prätendenten der Herd und Sitz derjenigen Principien war, welche die demagogischen Leidenschaften aufgeregt haben. Das ist die einzige Ursache unserer Wirren; es gibt gegen sie keinen stärkeren Widerstand als die Befestigung des Throns Isabella's II, dessen Institutionen mit den gegenwärtigen Wünschen und Bedürfnissen übereinstimmen und geeignet sind, um der Regierung die nöthige Stärke und Garantien zu geben. Italien. Rom, 3 Febr. Das Verschwinden des gabinischen Sees von der Erdoberfläche – seine Wasser versiegten vor einem Jahr innerhalb weniger Tage spurlos in modernen und antiken sich eröffnenden Emissären und Aquäducten – hat von neuem die Aufmerksamkeit der Forscher und Freunde des Alterthums auf die Feldmarken der albanischen Colonien Collatia und Gabii gelenkt. Unweit der grünen Ufer des gewesenen Sees hat man hin und wieder Nachgrabungen angestellt. Die angewandte Mühe blieb indeß lange resultatlos, bis endlich vor wenigen Tagen der auf einem Acker des Landguts Torre Nuova (Rocca Cencí), jetzt Eigenthum des Prinzen Borghese, gemachte Fund die Wünsche der Suchenden befriedigte. Wenige Fuß unter dem gegenwärtigen Erdniveau fand man Quadermauern von lapis Gabinus, aus dem auch der Junotempel des alten Gabii, wie die noch übrigen imposanten Ruinen seiner Cella zeigen, erbaut war. Neben der langen aufgedeckten Mauer standen zwei Marmorsarkophage, ein kleinerer mit erhabener Arbeit von geringem Werth, und ein größerer mit Basrelief-Ornamenten von ganz ausgezeichneter Schönheit in Composition und technischer Ausführung. Das Centrum der Darstellung ist ein Opferact; zur Rechten ein Feldherr mit Reitergefolge; zur Linken ein Männer- und Frauenchor, welcher Kränze und andere Opfergaben herbeiträgt. Der Styl der Arbeit erinnert an die Zeit nach den Antoninen. Vielleicht bewahrte der Sarg die Gebeine des berühmten Fabius Cilo Septimianus, Consul und Präfect der Stadt, und Erzieher der Söhne des Septimius Severus. 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Ist ja doch die Anarchie, wenn sie wirklich vorhanden wäre, das stärkste Zeugniß von der Unmacht einer Revolution; wie mag man diese fürchten, wenn sie nicht einmal im Stande ist, sich der Herrschaft zu bemächtigen? Doch ich werde später auf diesen Gegenstand zurückkommen; jetzt ist es mir darum zu thun, anzudeuten, daß die europäischen Mächte wohl ein Interesse haben, unserer innern Entwicklung ihre Theilnahme nicht zu entziehen. Der Friede kehrt nach Spanien zurück, wichtige Frage sind zu entscheiden, um die künftige Ruhe Spaniens sicher zu stellen. Die spanischen Zustände sind für Europa von einem doppelten Gesichtspunkt aus zu beurtheilen: von einem dynastischen und einem politischen; in jener Hinsicht ist es eine Frage der Legitimität, in dieser eine Frage der Ordnung. Wer der legitime König von Spanien sey, ist für die spanische Nation wie für Europa eine gleich wichtige Frage, denn ohne Legitimität hat die Monarchie keinen festen Boden. Diese Frage ist für Isabella II in Spanien schon seit dem Tode Ferdinands VII gesetzlich und durch die letzten Ereignisse auch factisch entschieden. England und Frankreich haben sich vom Anfang unserer Wirren dieser Entscheidung angeschlossen, jenseits des Rheins wurde das gute Recht unserer Königin auf den Thron durch preiswürdige wissenschaftliche Bemühung so evident erwiesen, daß hierüber so wenig in Deutschland ein Zweifel seyn kann, als in Spanien einer obwaltet. Europa hat beinahe zu gleicher Zeit erfahren, daß Don Carlos ein rebellischer und geächteter Prinz sey. Dieser Gegenstand ist abgemacht, nicht aber die politische Frage, welche jetzt noch die europäischen Cabinette allein beschäftigt. Einige derselben sind der Meinung, das Princip der Ordnung in Spanien sey durch Don Carlos, das der Revolution durch Isabella II repräsentirt; daher die Theilnahme, welche die Sache des Don Carlos in den rein monarchischen Staaten gefunden hat, und der instinctartige Widerwille gegen den Sieg Isabella's, als das vermeintliche Signal politischer Umwälzung. Diese Meinung ist die einzige und wahre Ursache, warum sich mehrere Cabinette von der spanischen Regierung fern halten. Freilich, wer unsern politischen und gesellschaftlichen Zustand nicht durch und durch kennt, wer sich durch gefährlichen Schein einschüchtern läßt, wer die Dinge nur beurtheilt nach dem Namen, den man ihnen gibt, der wird alles Unheil und alle Gräuel, die in Spanien vorgefallen sind, nur aus dem revolutionären Grund erklären. Die Thatsachen sprechen nun einmal gegen uns; sie klagen uns mit unwiderstehlicher Beredsamkeit an; ich will sie nicht durch täuschende Farben beschönigen, von welchem Nutzen möchte auch diese Verstellung seyn für die wichtige Sache, der ich dienen will? Nur das eine will ich behaupten, daß man die Thatsachen nicht gehörig beurtheilen kann, ohne daß sie vollständig erklärt sind. Europa kennt aber nicht die wahren Ursachen unserer traurigen Zustände und Verhältnisse, und ich glaube deßhalb eine zeitgemäße Arbeit zu liefern, wenn ich im Verfolg dieser Briefe die Gründe unserer Zerwürfnisse auseinander setze. Man wird daraus erkennen, daß bis jetzt das Lager des Prätendenten der Herd und Sitz derjenigen Principien war, welche die demagogischen Leidenschaften aufgeregt haben. 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Die angewandte Mühe blieb indeß lange resultatlos, bis endlich vor wenigen Tagen der auf einem Acker des Landguts Torre Nuova (Rocca Cencí), jetzt Eigenthum des Prinzen Borghese, gemachte Fund die Wünsche der Suchenden befriedigte. Wenige Fuß unter dem gegenwärtigen Erdniveau fand man Quadermauern von lapis Gabinus, aus dem auch der Junotempel des alten Gabii, wie die noch übrigen imposanten Ruinen seiner Cella zeigen, erbaut war. Neben der langen aufgedeckten Mauer standen zwei Marmorsarkophage, ein kleinerer mit erhabener Arbeit von geringem Werth, und ein größerer mit Basrelief-Ornamenten von ganz ausgezeichneter Schönheit in Composition und technischer Ausführung. Das Centrum der Darstellung ist ein Opferact; zur Rechten ein Feldherr mit Reitergefolge; zur Linken ein Männer- und Frauenchor, welcher Kränze und andere Opfergaben herbeiträgt. Der Styl der Arbeit erinnert an die Zeit nach den Antoninen. Vielleicht bewahrte der Sarg die Gebeine des berühmten Fabius Cilo Septimianus, Consul und Präfect der Stadt, und Erzieher der Söhne des Septimius Severus. Grund dieser Hypothese ist die mittelalterliche Benamung eines dem Fundorte nahen Ackers mit crypta Cilonis, jetzt grotta Celone.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0371/0011]
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Spanien.
_ Madrid, im Januar. Unsere Nation ist dem übrigen Europa fast gleichgültig geworden; von mancher Seite entzieht man uns die hülfreiche Hand und wendet seine Augen weg, als fürchtete man von der Revolution angesteckt zu werden, oder als wären unsere Zerwürfnisse nicht bald in Ordnung zu bringen. Und doch sind wir den andern Regierungen nicht so fern, daß sie die Resignation unsers Volkes über die Verblendung einer kleinen Partei verkennen dürften; unser Zustand ist keineswegs der Verzweiflung anheim gefallen; es bedarf keiner übermenschlichen Macht, um unsere Gebrechen zu heilen. Wer die Pyrenäen überschreitet, kann sich überzeugen, daß die spanische Nation nicht bis in ihre innersten Lebensorgane vom revolutionären Gifte durchwühlt ist. Der revolutionäre Geist ist in Spanien nur oberflächlich; er hat sich durch Zeitereignisse, an denen das Ausland zum Theil die Schuld trägt, wichtiger dargestellt, als er wirklich ist; denn wäre er von jener Stärke, wie man anzunehmen scheint, so müßte die alte Staats- und Kircheneinrichtung in Spanien umgestürzt und die Ueberzeugung des Volks in dieser Hinsicht rein umgekehrt seyn. Das ist aber keineswegs der Fall, und weil man das Parteiwesen nicht in seinem beschränkten Treiben würdigt, sondern ihm eine überwiegende Kraft beilegt, so ist man in Europa zu der ganz irrigen Ansicht gelangt, daß, obgleich in Spanien keine Revolution herrsche, doch eine beständige Anarchie zu Hause sey. Ist ja doch die Anarchie, wenn sie wirklich vorhanden wäre, das stärkste Zeugniß von der Unmacht einer Revolution; wie mag man diese fürchten, wenn sie nicht einmal im Stande ist, sich der Herrschaft zu bemächtigen? Doch ich werde später auf diesen Gegenstand zurückkommen; jetzt ist es mir darum zu thun, anzudeuten, daß die europäischen Mächte wohl ein Interesse haben, unserer innern Entwicklung ihre Theilnahme nicht zu entziehen. Der Friede kehrt nach Spanien zurück, wichtige Frage sind zu entscheiden, um die künftige Ruhe Spaniens sicher zu stellen. Die spanischen Zustände sind für Europa von einem doppelten Gesichtspunkt aus zu beurtheilen: von einem dynastischen und einem politischen; in jener Hinsicht ist es eine Frage der Legitimität, in dieser eine Frage der Ordnung. Wer der legitime König von Spanien sey, ist für die spanische Nation wie für Europa eine gleich wichtige Frage, denn ohne Legitimität hat die Monarchie keinen festen Boden. Diese Frage ist für Isabella II in Spanien schon seit dem Tode Ferdinands VII gesetzlich und durch die letzten Ereignisse auch factisch entschieden. England und Frankreich haben sich vom Anfang unserer Wirren dieser Entscheidung angeschlossen, jenseits des Rheins wurde das gute Recht unserer Königin auf den Thron durch preiswürdige wissenschaftliche Bemühung so evident erwiesen, daß hierüber so wenig in Deutschland ein Zweifel seyn kann, als in Spanien einer obwaltet. Europa hat beinahe zu gleicher Zeit erfahren, daß Don Carlos ein rebellischer und geächteter Prinz sey. Dieser Gegenstand ist abgemacht, nicht aber die politische Frage, welche jetzt noch die europäischen Cabinette allein beschäftigt. Einige derselben sind der Meinung, das Princip der Ordnung in Spanien sey durch Don Carlos, das der Revolution durch Isabella II repräsentirt; daher die Theilnahme, welche die Sache des Don Carlos in den rein monarchischen Staaten gefunden hat, und der instinctartige Widerwille gegen den Sieg Isabella's, als das vermeintliche Signal politischer Umwälzung. Diese Meinung ist die einzige und wahre Ursache, warum sich mehrere Cabinette von der spanischen Regierung fern halten. Freilich, wer unsern politischen und gesellschaftlichen Zustand nicht durch und durch kennt, wer sich durch gefährlichen Schein einschüchtern läßt, wer die Dinge nur beurtheilt nach dem Namen, den man ihnen gibt, der wird alles Unheil und alle Gräuel, die in Spanien vorgefallen sind, nur aus dem revolutionären Grund erklären. Die Thatsachen sprechen nun einmal gegen uns; sie klagen uns mit unwiderstehlicher Beredsamkeit an; ich will sie nicht durch täuschende Farben beschönigen, von welchem Nutzen möchte auch diese Verstellung seyn für die wichtige Sache, der ich dienen will? Nur das eine will ich behaupten, daß man die Thatsachen nicht gehörig beurtheilen kann, ohne daß sie vollständig erklärt sind. Europa kennt aber nicht die wahren Ursachen unserer traurigen Zustände und Verhältnisse, und ich glaube deßhalb eine zeitgemäße Arbeit zu liefern, wenn ich im Verfolg dieser Briefe die Gründe unserer Zerwürfnisse auseinander setze. Man wird daraus erkennen, daß bis jetzt das Lager des Prätendenten der Herd und Sitz derjenigen Principien war, welche die demagogischen Leidenschaften aufgeregt haben. Das ist die einzige Ursache unserer Wirren; es gibt gegen sie keinen stärkeren Widerstand als die Befestigung des Throns Isabella's II, dessen Institutionen mit den gegenwärtigen Wünschen und Bedürfnissen übereinstimmen und geeignet sind, um der Regierung die nöthige Stärke und Garantien zu geben.
Italien.
_ Rom, 3 Febr. Das Verschwinden des gabinischen Sees von der Erdoberfläche – seine Wasser versiegten vor einem Jahr innerhalb weniger Tage spurlos in modernen und antiken sich eröffnenden Emissären und Aquäducten – hat von neuem die Aufmerksamkeit der Forscher und Freunde des Alterthums auf die Feldmarken der albanischen Colonien Collatia und Gabii gelenkt. Unweit der grünen Ufer des gewesenen Sees hat man hin und wieder Nachgrabungen angestellt. Die angewandte Mühe blieb indeß lange resultatlos, bis endlich vor wenigen Tagen der auf einem Acker des Landguts Torre Nuova (Rocca Cencí), jetzt Eigenthum des Prinzen Borghese, gemachte Fund die Wünsche der Suchenden befriedigte. Wenige Fuß unter dem gegenwärtigen Erdniveau fand man Quadermauern von lapis Gabinus, aus dem auch der Junotempel des alten Gabii, wie die noch übrigen imposanten Ruinen seiner Cella zeigen, erbaut war. Neben der langen aufgedeckten Mauer standen zwei Marmorsarkophage, ein kleinerer mit erhabener Arbeit von geringem Werth, und ein größerer mit Basrelief-Ornamenten von ganz ausgezeichneter Schönheit in Composition und technischer Ausführung. Das Centrum der Darstellung ist ein Opferact; zur Rechten ein Feldherr mit Reitergefolge; zur Linken ein Männer- und Frauenchor, welcher Kränze und andere Opfergaben herbeiträgt. Der Styl der Arbeit erinnert an die Zeit nach den Antoninen. Vielleicht bewahrte der Sarg die Gebeine des berühmten Fabius Cilo Septimianus, Consul und Präfect der Stadt, und Erzieher der Söhne des Septimius Severus. Grund dieser Hypothese ist die mittelalterliche Benamung eines dem Fundorte nahen Ackers mit crypta Cilonis, jetzt grotta Celone.
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