Allgemeine Zeitung. Nr. 50. Augsburg, 19. Februar 1840.durch seinen hohen Preis verhindert wurden, es in größeren Quantitäten zu nehmen. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, daß England genöthigt seyn wird, zu Hause dieselben Verbote und Maaßregeln zu treffen, wegen deren es mit China Krieg führt. Die wichtigsten Nachrichten, die ich Ihnen aus Indien geben kann, beziehen sich auf das Reglement der Landsteuer in der Präsidentschaft von Agra. Es ist zwar kaum möglich, daß man in Europa das große Interesse fühlen könne, daß sich in der That daran knüpft, weil dazu die Kenntniß der höchst verwickelten Verhältnisse des Landbesitzes und der verschiedenen Steuersysteme von Indien gehört - eine Kenntniß, welche selbst hier selten genug ist, obgleich die Zukunft von Indien mehr davon abhängt, als von Feldzügen jenseits des Indus; aber ich will doch versuchen, wenigstens im Allgemeinen verständlich zu machen, um was es sich handelt. Unter den indischen Fürsten bildete ursprünglich jede Gemeinde eine vollständige Republik, welche alle ihre Beamten selbst ernannte oder erblich besaß, und deren Markung den ursprünglich angesiedelten Familien gehörte. Der Staat mischte sich weder in locale Polizei, wofür durch Communalanstalten gesorgt war, noch in die Steuererhebung. Er hatte ein Recht auf 10 und in Kriegszeit auf 16 Procent des Bruttoertrags der Markung, und dieser wurde ihm von den Dorfbehörden abgeliefert. Wo die Markung zu groß war, als daß die Bürgerfamilien sie hätten ganz bebauen können, stand jedem frei, Pächter oder Hinterfassen auf einem Theil seiner Güter anzunehmen, welche aber keine Steuer bezahlten, sondern diese wurde von dem Landbesitzer aus dem Pachtgeld entrichtet, gerade als ob er das Land selbst bebaute. Die mohammedanischen Eroberer machten keine directe Aenderung in einem System, welches ihre Regierung aller kleinen Polizei- und Steuersachen enthob; allein sie erhöhten die Landsteuer auf 50 Procent des Bruttoertrags, was sich in der Praxis gewöhnlich auf 35-40 Procent reducirte. Diese Steuern verpachteten sie, und der Steuerpächter, Zemindar, erhielt 10 Procent des Ertrags, den er an die Staatscasse bezahlte, als Entschädigung. Die Folge dieser hohen Steuer war, daß in den meisten Fällen das ganze Pachtgeld der an Hintersassen verliehenen Güter von der Steuer aufgezehrt und auf diese Art der Grundbesitz so gut als unverkäuflich wurde. Das Capital der Gemeindemitglieder verminderte sich natürlich sehr beträchtlich, so daß sie oft nicht mehr im Stande waren, die Bewässerungsanstalten in gutem Zustande zu erhalten, und ein Theil jeder Markung wüst liegen blieb. Da aber der Zemindar ein Interesse hatte, daß der Steuerertrag nicht zu tief sank, so nahm er bis auf einen gewissen Ertrag die öffentlichen Arbeiten auf sich, und setzte, wo möglich, Hintersassen auf die zwar Bürgern gehörigen, aber wüst liegenden Ländereien. Dieses letztere hatte jedoch große Schwierigkeiten, indem der Hindu außerordentlich an dem Familiengut hängt, selbst wo er nicht im Stande ist, es zu betreiben oder zu verpachten. In diesem Zustand fanden die Engländer Bengalen, und bei ihrer gänzlichen Unwissenheit der Finanzgeschichte und der wahren Verhältnisse des Landes glaubten sie, daß der Grund und Boden der Regierung gehöre, und Lord Cornwallis beschloß im Jahr 1790, dem elenden Zustande des Landes aufzuhelfen, indem er den vermeintlichen Grundbesitz des Staats jedem Zemindar in seinem District abtrat, und ihm dafür eine unveränderliche Landsteuer auferlegte. Alle Inhaber des Landes wurden daher für seine Pächter erklärt, und das wüste Land ihm unbeschränkt übergeben; doch wurde ein Vorbehalt für die alten Rechte der Inhaber des Landes gemacht, ohne daß der Gesetzgeber selbst wußte, in was sie beständen. Ich kann die Geschichte dieser Gesetzgebung nicht verfolgen - genug, das Resultat war, daß der Zemindar dadurch ein Interesse erhielt, die bisher wüst gelegenen Ländereien zu bebauen, indem er dadurch seine Einkünfte vermehrte, ohne daß die von ihm zu entrichtende Steuer erhöht worden wäre. Daher ist auch in Bengalen seit dieser Zeit alles wüste Land umgebrochen, großes Capital auf Wässerungsanstalten verwendet worden, der Ertrag des Landes hat überaus zugenommen und die Landsteuer ist im Allgemeinen mit großer Regelmäßigkeit bezahlt worden. Aber die Rückseite der Medaille ist, daß die Rechte der eigentlichen Grundbesitzer verkannt, der Gemeindeverband wenigstens scheinbar aufgelöst wurde und die ganze Bevölkerung, mit Ausnahme der Zemindars, gänzlich verarmt ist, während der Widerstand der alten Grundbesitzer gegen diese Spoliation zu vielfachem Blutvergießen und zu endlosen Processen geführt hat. Als man diese schlimmen Folgen des Systems anfing einzusehen, wurde in Madras, auf dieselbe falsche Basis eines vermeintlichen Besitzes des Staats von allem Grund und Boden, von den Obersten Reid und Munro ein entgegengesetztes System eingeführt, welches das Ryotwarsystem genannt wird. Nach diesem wird jedes Stück Landes direct besteuert, zu einem Maximum von 45 Procent des Bruttoertrags. Die Folge war, daß ebenfalls jeder Unterschied zwischen dem alten Grundbesitzer und dem Hintersassen aufhörte, und man somit die ganze Ungerechtigkeit des Zemindarsystems hatte, aber ohne seine Vortheile; denn da bei diesem System Niemand ein Interesse hat, die wüsten Ländereien urbar zu machen, weil diese direct besteuert worden wären, und die viel zu hohe Steuer kaum genug übrig ließ, um das Leben des Bauern zu fristen, so beschränkte sich die Cultur mehr und mehr, und es entstand ein unermeßlicher Pauperismus, so daß der Ertrag der Landsteuer regelmäßig abnimmt. In den nordwestlichen Provinzen und in der Präsidentschaft Bombay wurde keines dieser beiden Systeme angenommen, und man fuhr fort, mit den im Besitz sich befindenden Familien oder Gemeinden die Landsteuer jährlich oder von drei zu drei Jahren zu reguliren. Dieses System, oder vielmehr diese Abwesenheit von System hatte zur Folge, daß der Landbau keine Fortschritte machen konnte, denn Niemand konnte Capital auf Verbesserungen, auf Graben von Brunnen und Teichen, auf Ausrotten von Waldungen, auf Bau von Dörfern und Straßen und auf Einführung neuer Methoden oder Werkzeuge verwenden, weil der Steuereinnehmer fast unmittelbar darauf kam, die Steuer verhältnißmäßig erhöhte und den ganzen Profit für den Staat confiscirte. Daher hat man z. B. gesehen, daß, als die Compagnie den Canal von Dehli graben ließ und den anliegenden Besitzern die Erlaubniß gab, Wasser daraus abzuleiten, in der ganzen Provinz Hissar Niemand einen Abzugsgraben eröffnete, als die Städte Hissar und Hansi für Trinkwasser und der Oberst Skinner für seine Ländereien. Dagegen hatte dieser Zustand wenigstens den Vortheil, daß er die Constitution der Gemeinden bestehen ließ und die alten Rechte nicht angriff. Sie waren wie ein Samen, der unter den unvortheilhaften Umständen freilich nicht keimen konnte, aber doch nicht zerstört war und seiner Zeit noch reife Früchte tragen konnte. Die Compagnie hatte allen ihren Provinzen die Fixirung einer unveränderlichen Landrente versprochen, und sie ist seit 20 Jahren umsonst daran erinnert worden, ihr Versprechen in den nordwestlichen Provinzen zu halten. In diesem Fall war die Indolenz der Direction ein Glück, denn hätte sie ihr Versprechen früher gehalten, so wäre ohne Zweifel das Zemindarsystem auf sie ausgedehnt worden, da die alte bengalische Finanzschule durch seinen hohen Preis verhindert wurden, es in größeren Quantitäten zu nehmen. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, daß England genöthigt seyn wird, zu Hause dieselben Verbote und Maaßregeln zu treffen, wegen deren es mit China Krieg führt. Die wichtigsten Nachrichten, die ich Ihnen aus Indien geben kann, beziehen sich auf das Reglement der Landsteuer in der Präsidentschaft von Agra. Es ist zwar kaum möglich, daß man in Europa das große Interesse fühlen könne, daß sich in der That daran knüpft, weil dazu die Kenntniß der höchst verwickelten Verhältnisse des Landbesitzes und der verschiedenen Steuersysteme von Indien gehört – eine Kenntniß, welche selbst hier selten genug ist, obgleich die Zukunft von Indien mehr davon abhängt, als von Feldzügen jenseits des Indus; aber ich will doch versuchen, wenigstens im Allgemeinen verständlich zu machen, um was es sich handelt. Unter den indischen Fürsten bildete ursprünglich jede Gemeinde eine vollständige Republik, welche alle ihre Beamten selbst ernannte oder erblich besaß, und deren Markung den ursprünglich angesiedelten Familien gehörte. Der Staat mischte sich weder in locale Polizei, wofür durch Communalanstalten gesorgt war, noch in die Steuererhebung. Er hatte ein Recht auf 10 und in Kriegszeit auf 16 Procent des Bruttoertrags der Markung, und dieser wurde ihm von den Dorfbehörden abgeliefert. Wo die Markung zu groß war, als daß die Bürgerfamilien sie hätten ganz bebauen können, stand jedem frei, Pächter oder Hinterfassen auf einem Theil seiner Güter anzunehmen, welche aber keine Steuer bezahlten, sondern diese wurde von dem Landbesitzer aus dem Pachtgeld entrichtet, gerade als ob er das Land selbst bebaute. Die mohammedanischen Eroberer machten keine directe Aenderung in einem System, welches ihre Regierung aller kleinen Polizei- und Steuersachen enthob; allein sie erhöhten die Landsteuer auf 50 Procent des Bruttoertrags, was sich in der Praxis gewöhnlich auf 35-40 Procent reducirte. Diese Steuern verpachteten sie, und der Steuerpächter, Zemindar, erhielt 10 Procent des Ertrags, den er an die Staatscasse bezahlte, als Entschädigung. Die Folge dieser hohen Steuer war, daß in den meisten Fällen das ganze Pachtgeld der an Hintersassen verliehenen Güter von der Steuer aufgezehrt und auf diese Art der Grundbesitz so gut als unverkäuflich wurde. Das Capital der Gemeindemitglieder verminderte sich natürlich sehr beträchtlich, so daß sie oft nicht mehr im Stande waren, die Bewässerungsanstalten in gutem Zustande zu erhalten, und ein Theil jeder Markung wüst liegen blieb. Da aber der Zemindar ein Interesse hatte, daß der Steuerertrag nicht zu tief sank, so nahm er bis auf einen gewissen Ertrag die öffentlichen Arbeiten auf sich, und setzte, wo möglich, Hintersassen auf die zwar Bürgern gehörigen, aber wüst liegenden Ländereien. Dieses letztere hatte jedoch große Schwierigkeiten, indem der Hindu außerordentlich an dem Familiengut hängt, selbst wo er nicht im Stande ist, es zu betreiben oder zu verpachten. In diesem Zustand fanden die Engländer Bengalen, und bei ihrer gänzlichen Unwissenheit der Finanzgeschichte und der wahren Verhältnisse des Landes glaubten sie, daß der Grund und Boden der Regierung gehöre, und Lord Cornwallis beschloß im Jahr 1790, dem elenden Zustande des Landes aufzuhelfen, indem er den vermeintlichen Grundbesitz des Staats jedem Zemindar in seinem District abtrat, und ihm dafür eine unveränderliche Landsteuer auferlegte. Alle Inhaber des Landes wurden daher für seine Pächter erklärt, und das wüste Land ihm unbeschränkt übergeben; doch wurde ein Vorbehalt für die alten Rechte der Inhaber des Landes gemacht, ohne daß der Gesetzgeber selbst wußte, in was sie beständen. Ich kann die Geschichte dieser Gesetzgebung nicht verfolgen – genug, das Resultat war, daß der Zemindar dadurch ein Interesse erhielt, die bisher wüst gelegenen Ländereien zu bebauen, indem er dadurch seine Einkünfte vermehrte, ohne daß die von ihm zu entrichtende Steuer erhöht worden wäre. Daher ist auch in Bengalen seit dieser Zeit alles wüste Land umgebrochen, großes Capital auf Wässerungsanstalten verwendet worden, der Ertrag des Landes hat überaus zugenommen und die Landsteuer ist im Allgemeinen mit großer Regelmäßigkeit bezahlt worden. Aber die Rückseite der Medaille ist, daß die Rechte der eigentlichen Grundbesitzer verkannt, der Gemeindeverband wenigstens scheinbar aufgelöst wurde und die ganze Bevölkerung, mit Ausnahme der Zemindars, gänzlich verarmt ist, während der Widerstand der alten Grundbesitzer gegen diese Spoliation zu vielfachem Blutvergießen und zu endlosen Processen geführt hat. Als man diese schlimmen Folgen des Systems anfing einzusehen, wurde in Madras, auf dieselbe falsche Basis eines vermeintlichen Besitzes des Staats von allem Grund und Boden, von den Obersten Reid und Munro ein entgegengesetztes System eingeführt, welches das Ryotwarsystem genannt wird. Nach diesem wird jedes Stück Landes direct besteuert, zu einem Maximum von 45 Procent des Bruttoertrags. Die Folge war, daß ebenfalls jeder Unterschied zwischen dem alten Grundbesitzer und dem Hintersassen aufhörte, und man somit die ganze Ungerechtigkeit des Zemindarsystems hatte, aber ohne seine Vortheile; denn da bei diesem System Niemand ein Interesse hat, die wüsten Ländereien urbar zu machen, weil diese direct besteuert worden wären, und die viel zu hohe Steuer kaum genug übrig ließ, um das Leben des Bauern zu fristen, so beschränkte sich die Cultur mehr und mehr, und es entstand ein unermeßlicher Pauperismus, so daß der Ertrag der Landsteuer regelmäßig abnimmt. In den nordwestlichen Provinzen und in der Präsidentschaft Bombay wurde keines dieser beiden Systeme angenommen, und man fuhr fort, mit den im Besitz sich befindenden Familien oder Gemeinden die Landsteuer jährlich oder von drei zu drei Jahren zu reguliren. Dieses System, oder vielmehr diese Abwesenheit von System hatte zur Folge, daß der Landbau keine Fortschritte machen konnte, denn Niemand konnte Capital auf Verbesserungen, auf Graben von Brunnen und Teichen, auf Ausrotten von Waldungen, auf Bau von Dörfern und Straßen und auf Einführung neuer Methoden oder Werkzeuge verwenden, weil der Steuereinnehmer fast unmittelbar darauf kam, die Steuer verhältnißmäßig erhöhte und den ganzen Profit für den Staat confiscirte. Daher hat man z. B. gesehen, daß, als die Compagnie den Canal von Dehli graben ließ und den anliegenden Besitzern die Erlaubniß gab, Wasser daraus abzuleiten, in der ganzen Provinz Hissar Niemand einen Abzugsgraben eröffnete, als die Städte Hissar und Hansi für Trinkwasser und der Oberst Skinner für seine Ländereien. Dagegen hatte dieser Zustand wenigstens den Vortheil, daß er die Constitution der Gemeinden bestehen ließ und die alten Rechte nicht angriff. Sie waren wie ein Samen, der unter den unvortheilhaften Umständen freilich nicht keimen konnte, aber doch nicht zerstört war und seiner Zeit noch reife Früchte tragen konnte. Die Compagnie hatte allen ihren Provinzen die Fixirung einer unveränderlichen Landrente versprochen, und sie ist seit 20 Jahren umsonst daran erinnert worden, ihr Versprechen in den nordwestlichen Provinzen zu halten. In diesem Fall war die Indolenz der Direction ein Glück, denn hätte sie ihr Versprechen früher gehalten, so wäre ohne Zweifel das Zemindarsystem auf sie ausgedehnt worden, da die alte bengalische Finanzschule <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0012" n="0396"/> durch seinen hohen Preis verhindert wurden, es in größeren Quantitäten zu nehmen. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, daß England genöthigt seyn wird, zu Hause dieselben Verbote und Maaßregeln zu treffen, wegen deren es mit China Krieg führt.</p><lb/> <p>Die wichtigsten Nachrichten, die ich Ihnen aus Indien geben kann, beziehen sich auf das Reglement der Landsteuer in der Präsidentschaft von Agra. Es ist zwar kaum möglich, daß man in Europa das große Interesse fühlen könne, daß sich in der That daran knüpft, weil dazu die Kenntniß der höchst verwickelten Verhältnisse des Landbesitzes und der verschiedenen Steuersysteme von Indien gehört – eine Kenntniß, welche selbst hier selten genug ist, obgleich die Zukunft von Indien mehr davon abhängt, als von Feldzügen jenseits des Indus; aber ich will doch versuchen, wenigstens im Allgemeinen verständlich zu machen, um was es sich handelt. Unter den indischen Fürsten bildete ursprünglich jede Gemeinde eine vollständige Republik, welche alle ihre Beamten selbst ernannte oder erblich besaß, und deren Markung den ursprünglich angesiedelten Familien gehörte. Der Staat mischte sich weder in locale Polizei, wofür durch Communalanstalten gesorgt war, noch in die Steuererhebung. Er hatte ein Recht auf 10 und in Kriegszeit auf 16 Procent des Bruttoertrags der Markung, und dieser wurde ihm von den Dorfbehörden abgeliefert. Wo die Markung zu groß war, als daß die Bürgerfamilien sie hätten ganz bebauen können, stand jedem frei, Pächter oder Hinterfassen auf einem Theil seiner Güter anzunehmen, welche aber keine Steuer bezahlten, sondern diese wurde von dem Landbesitzer aus dem Pachtgeld entrichtet, gerade als ob er das Land selbst bebaute. Die mohammedanischen Eroberer machten keine directe Aenderung in einem System, welches ihre Regierung aller kleinen Polizei- und Steuersachen enthob; allein sie erhöhten die Landsteuer auf 50 Procent des Bruttoertrags, was sich in der Praxis gewöhnlich auf 35-40 Procent reducirte. Diese Steuern verpachteten sie, und der Steuerpächter, Zemindar, erhielt 10 Procent des Ertrags, den er an die Staatscasse bezahlte, als Entschädigung. Die Folge dieser hohen Steuer war, daß in den meisten Fällen das ganze Pachtgeld der an Hintersassen verliehenen Güter von der Steuer aufgezehrt und auf diese Art der Grundbesitz so gut als unverkäuflich wurde. Das Capital der Gemeindemitglieder verminderte sich natürlich sehr beträchtlich, so daß sie oft nicht mehr im Stande waren, die Bewässerungsanstalten in gutem Zustande zu erhalten, und ein Theil jeder Markung wüst liegen blieb. Da aber der Zemindar ein Interesse hatte, daß der Steuerertrag nicht zu tief sank, so nahm er bis auf einen gewissen Ertrag die öffentlichen Arbeiten auf sich, und setzte, wo möglich, Hintersassen auf die zwar Bürgern gehörigen, aber wüst liegenden Ländereien. Dieses letztere hatte jedoch große Schwierigkeiten, indem der Hindu außerordentlich an dem Familiengut hängt, selbst wo er nicht im Stande ist, es zu betreiben oder zu verpachten.</p><lb/> <p>In diesem Zustand fanden die Engländer Bengalen, und bei ihrer gänzlichen Unwissenheit der Finanzgeschichte und der wahren Verhältnisse des Landes glaubten sie, daß der Grund und Boden der Regierung gehöre, und Lord Cornwallis beschloß im Jahr 1790, dem elenden Zustande des Landes aufzuhelfen, indem er den vermeintlichen Grundbesitz des Staats jedem Zemindar in seinem District abtrat, und ihm dafür eine unveränderliche Landsteuer auferlegte. Alle Inhaber des Landes wurden daher für seine Pächter erklärt, und das wüste Land ihm unbeschränkt übergeben; doch wurde ein Vorbehalt für die alten Rechte der Inhaber des Landes gemacht, ohne daß der Gesetzgeber selbst wußte, in was sie beständen. Ich kann die Geschichte dieser Gesetzgebung nicht verfolgen – genug, das Resultat war, daß der Zemindar dadurch ein Interesse erhielt, die bisher wüst gelegenen Ländereien zu bebauen, indem er dadurch seine Einkünfte vermehrte, ohne daß die von ihm zu entrichtende Steuer erhöht worden wäre. Daher ist auch in Bengalen seit dieser Zeit alles wüste Land umgebrochen, großes Capital auf Wässerungsanstalten verwendet worden, der Ertrag des Landes hat überaus zugenommen und die Landsteuer ist im Allgemeinen mit großer Regelmäßigkeit bezahlt worden. Aber die Rückseite der Medaille ist, daß die Rechte der eigentlichen Grundbesitzer verkannt, der Gemeindeverband wenigstens scheinbar aufgelöst wurde und die ganze Bevölkerung, mit Ausnahme der Zemindars, gänzlich verarmt ist, während der Widerstand der alten Grundbesitzer gegen diese Spoliation zu vielfachem Blutvergießen und zu endlosen Processen geführt hat. Als man diese schlimmen Folgen des Systems anfing einzusehen, wurde in Madras, auf dieselbe falsche Basis eines vermeintlichen Besitzes des Staats von allem Grund und Boden, von den Obersten Reid und Munro ein entgegengesetztes System eingeführt, welches das Ryotwarsystem genannt wird. Nach diesem wird jedes Stück Landes direct besteuert, zu einem Maximum von 45 Procent des Bruttoertrags. Die Folge war, daß ebenfalls jeder Unterschied zwischen dem alten Grundbesitzer und dem Hintersassen aufhörte, und man somit die ganze Ungerechtigkeit des Zemindarsystems hatte, aber ohne seine Vortheile; denn da bei diesem System Niemand ein Interesse hat, die wüsten Ländereien urbar zu machen, weil diese direct besteuert worden wären, und die viel zu hohe Steuer kaum genug übrig ließ, um das Leben des Bauern zu fristen, so beschränkte sich die Cultur mehr und mehr, und es entstand ein unermeßlicher Pauperismus, so daß der Ertrag der Landsteuer regelmäßig abnimmt.</p><lb/> <p>In den nordwestlichen Provinzen und in der Präsidentschaft Bombay wurde keines dieser beiden Systeme angenommen, und man fuhr fort, mit den im Besitz sich befindenden Familien oder Gemeinden die Landsteuer jährlich oder von drei zu drei Jahren zu reguliren. Dieses System, oder vielmehr diese Abwesenheit von System hatte zur Folge, daß der Landbau keine Fortschritte machen konnte, denn Niemand konnte Capital auf Verbesserungen, auf Graben von Brunnen und Teichen, auf Ausrotten von Waldungen, auf Bau von Dörfern und Straßen und auf Einführung neuer Methoden oder Werkzeuge verwenden, weil der Steuereinnehmer fast unmittelbar darauf kam, die Steuer verhältnißmäßig erhöhte und den ganzen Profit für den Staat confiscirte. Daher hat man z. B. gesehen, daß, als die Compagnie den Canal von Dehli graben ließ und den anliegenden Besitzern die Erlaubniß gab, Wasser daraus abzuleiten, in der ganzen Provinz Hissar Niemand einen Abzugsgraben eröffnete, als die Städte Hissar und Hansi für Trinkwasser und der Oberst Skinner für seine Ländereien. Dagegen hatte dieser Zustand wenigstens den Vortheil, daß er die Constitution der Gemeinden bestehen ließ und die alten Rechte nicht angriff. Sie waren wie ein Samen, der unter den unvortheilhaften Umständen freilich nicht keimen konnte, aber doch nicht zerstört war und seiner Zeit noch reife Früchte tragen konnte. Die Compagnie hatte allen ihren Provinzen die Fixirung einer unveränderlichen Landrente versprochen, und sie ist seit 20 Jahren umsonst daran erinnert worden, ihr Versprechen in den nordwestlichen Provinzen zu halten. In diesem Fall war die Indolenz der Direction ein Glück, denn hätte sie ihr Versprechen früher gehalten, so wäre ohne Zweifel das Zemindarsystem auf sie ausgedehnt worden, da die alte bengalische Finanzschule<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0396/0012]
durch seinen hohen Preis verhindert wurden, es in größeren Quantitäten zu nehmen. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, daß England genöthigt seyn wird, zu Hause dieselben Verbote und Maaßregeln zu treffen, wegen deren es mit China Krieg führt.
Die wichtigsten Nachrichten, die ich Ihnen aus Indien geben kann, beziehen sich auf das Reglement der Landsteuer in der Präsidentschaft von Agra. Es ist zwar kaum möglich, daß man in Europa das große Interesse fühlen könne, daß sich in der That daran knüpft, weil dazu die Kenntniß der höchst verwickelten Verhältnisse des Landbesitzes und der verschiedenen Steuersysteme von Indien gehört – eine Kenntniß, welche selbst hier selten genug ist, obgleich die Zukunft von Indien mehr davon abhängt, als von Feldzügen jenseits des Indus; aber ich will doch versuchen, wenigstens im Allgemeinen verständlich zu machen, um was es sich handelt. Unter den indischen Fürsten bildete ursprünglich jede Gemeinde eine vollständige Republik, welche alle ihre Beamten selbst ernannte oder erblich besaß, und deren Markung den ursprünglich angesiedelten Familien gehörte. Der Staat mischte sich weder in locale Polizei, wofür durch Communalanstalten gesorgt war, noch in die Steuererhebung. Er hatte ein Recht auf 10 und in Kriegszeit auf 16 Procent des Bruttoertrags der Markung, und dieser wurde ihm von den Dorfbehörden abgeliefert. Wo die Markung zu groß war, als daß die Bürgerfamilien sie hätten ganz bebauen können, stand jedem frei, Pächter oder Hinterfassen auf einem Theil seiner Güter anzunehmen, welche aber keine Steuer bezahlten, sondern diese wurde von dem Landbesitzer aus dem Pachtgeld entrichtet, gerade als ob er das Land selbst bebaute. Die mohammedanischen Eroberer machten keine directe Aenderung in einem System, welches ihre Regierung aller kleinen Polizei- und Steuersachen enthob; allein sie erhöhten die Landsteuer auf 50 Procent des Bruttoertrags, was sich in der Praxis gewöhnlich auf 35-40 Procent reducirte. Diese Steuern verpachteten sie, und der Steuerpächter, Zemindar, erhielt 10 Procent des Ertrags, den er an die Staatscasse bezahlte, als Entschädigung. Die Folge dieser hohen Steuer war, daß in den meisten Fällen das ganze Pachtgeld der an Hintersassen verliehenen Güter von der Steuer aufgezehrt und auf diese Art der Grundbesitz so gut als unverkäuflich wurde. Das Capital der Gemeindemitglieder verminderte sich natürlich sehr beträchtlich, so daß sie oft nicht mehr im Stande waren, die Bewässerungsanstalten in gutem Zustande zu erhalten, und ein Theil jeder Markung wüst liegen blieb. Da aber der Zemindar ein Interesse hatte, daß der Steuerertrag nicht zu tief sank, so nahm er bis auf einen gewissen Ertrag die öffentlichen Arbeiten auf sich, und setzte, wo möglich, Hintersassen auf die zwar Bürgern gehörigen, aber wüst liegenden Ländereien. Dieses letztere hatte jedoch große Schwierigkeiten, indem der Hindu außerordentlich an dem Familiengut hängt, selbst wo er nicht im Stande ist, es zu betreiben oder zu verpachten.
In diesem Zustand fanden die Engländer Bengalen, und bei ihrer gänzlichen Unwissenheit der Finanzgeschichte und der wahren Verhältnisse des Landes glaubten sie, daß der Grund und Boden der Regierung gehöre, und Lord Cornwallis beschloß im Jahr 1790, dem elenden Zustande des Landes aufzuhelfen, indem er den vermeintlichen Grundbesitz des Staats jedem Zemindar in seinem District abtrat, und ihm dafür eine unveränderliche Landsteuer auferlegte. Alle Inhaber des Landes wurden daher für seine Pächter erklärt, und das wüste Land ihm unbeschränkt übergeben; doch wurde ein Vorbehalt für die alten Rechte der Inhaber des Landes gemacht, ohne daß der Gesetzgeber selbst wußte, in was sie beständen. Ich kann die Geschichte dieser Gesetzgebung nicht verfolgen – genug, das Resultat war, daß der Zemindar dadurch ein Interesse erhielt, die bisher wüst gelegenen Ländereien zu bebauen, indem er dadurch seine Einkünfte vermehrte, ohne daß die von ihm zu entrichtende Steuer erhöht worden wäre. Daher ist auch in Bengalen seit dieser Zeit alles wüste Land umgebrochen, großes Capital auf Wässerungsanstalten verwendet worden, der Ertrag des Landes hat überaus zugenommen und die Landsteuer ist im Allgemeinen mit großer Regelmäßigkeit bezahlt worden. Aber die Rückseite der Medaille ist, daß die Rechte der eigentlichen Grundbesitzer verkannt, der Gemeindeverband wenigstens scheinbar aufgelöst wurde und die ganze Bevölkerung, mit Ausnahme der Zemindars, gänzlich verarmt ist, während der Widerstand der alten Grundbesitzer gegen diese Spoliation zu vielfachem Blutvergießen und zu endlosen Processen geführt hat. Als man diese schlimmen Folgen des Systems anfing einzusehen, wurde in Madras, auf dieselbe falsche Basis eines vermeintlichen Besitzes des Staats von allem Grund und Boden, von den Obersten Reid und Munro ein entgegengesetztes System eingeführt, welches das Ryotwarsystem genannt wird. Nach diesem wird jedes Stück Landes direct besteuert, zu einem Maximum von 45 Procent des Bruttoertrags. Die Folge war, daß ebenfalls jeder Unterschied zwischen dem alten Grundbesitzer und dem Hintersassen aufhörte, und man somit die ganze Ungerechtigkeit des Zemindarsystems hatte, aber ohne seine Vortheile; denn da bei diesem System Niemand ein Interesse hat, die wüsten Ländereien urbar zu machen, weil diese direct besteuert worden wären, und die viel zu hohe Steuer kaum genug übrig ließ, um das Leben des Bauern zu fristen, so beschränkte sich die Cultur mehr und mehr, und es entstand ein unermeßlicher Pauperismus, so daß der Ertrag der Landsteuer regelmäßig abnimmt.
In den nordwestlichen Provinzen und in der Präsidentschaft Bombay wurde keines dieser beiden Systeme angenommen, und man fuhr fort, mit den im Besitz sich befindenden Familien oder Gemeinden die Landsteuer jährlich oder von drei zu drei Jahren zu reguliren. Dieses System, oder vielmehr diese Abwesenheit von System hatte zur Folge, daß der Landbau keine Fortschritte machen konnte, denn Niemand konnte Capital auf Verbesserungen, auf Graben von Brunnen und Teichen, auf Ausrotten von Waldungen, auf Bau von Dörfern und Straßen und auf Einführung neuer Methoden oder Werkzeuge verwenden, weil der Steuereinnehmer fast unmittelbar darauf kam, die Steuer verhältnißmäßig erhöhte und den ganzen Profit für den Staat confiscirte. Daher hat man z. B. gesehen, daß, als die Compagnie den Canal von Dehli graben ließ und den anliegenden Besitzern die Erlaubniß gab, Wasser daraus abzuleiten, in der ganzen Provinz Hissar Niemand einen Abzugsgraben eröffnete, als die Städte Hissar und Hansi für Trinkwasser und der Oberst Skinner für seine Ländereien. Dagegen hatte dieser Zustand wenigstens den Vortheil, daß er die Constitution der Gemeinden bestehen ließ und die alten Rechte nicht angriff. Sie waren wie ein Samen, der unter den unvortheilhaften Umständen freilich nicht keimen konnte, aber doch nicht zerstört war und seiner Zeit noch reife Früchte tragen konnte. Die Compagnie hatte allen ihren Provinzen die Fixirung einer unveränderlichen Landrente versprochen, und sie ist seit 20 Jahren umsonst daran erinnert worden, ihr Versprechen in den nordwestlichen Provinzen zu halten. In diesem Fall war die Indolenz der Direction ein Glück, denn hätte sie ihr Versprechen früher gehalten, so wäre ohne Zweifel das Zemindarsystem auf sie ausgedehnt worden, da die alte bengalische Finanzschule
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |