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Allgemeine Zeitung. Nr. 51. Augsburg, 20. Februar 1840.

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schlecht in St. Petersburg angerechnet werden, wo man ihn mit Recht der Doppelsinnigkeit beschuldigen kann, während wir, wo nicht mit Lord Palmerston, doch mit dem brittischen Cabinet nur enger verbunden werden. Hiernach kann einstweilen der Erfolg berechnet werden, den die versuchten Conferenzen in London gehabt haben - ein Erfolg, der den Frieden nur mehr befestigen wird.

Die so eben eingetroffenen Dampfboote, Cocyte und Chimere, bringen uns Nachrichten aus Algier bis zum 8 Febr. Abd-El-Kader soll in Person vor Belida eingetroffen seyn, und dem Bey von Miliana neue Truppen, die er aus den arabischen Stämmen gezogen, zugeführt haben. Die Belagerung von Belida hat wieder begonnen. Die Artillerie des Emirs warf gegen dreißig Haubitzen in die Stadt, welche einige Verheerungen anrichteten. Die Araber formirten auch einige Batterien gegen die Mauern; aber Obrist Changarnier nahm die vom Feind occupirte Position ein, und bemächtigte sich, wie man sagt, einer Kanone. Der Marschall Valee läßt alle verfügbaren Truppen nach Duera und Buffarik aufbrechen, und wird, sobald die Witterung wieder günstig geworden, an der Spitze einer Colonne von 4 bis 5000 Mann gegen den Feind marschiren. Die ganze Cavallerie ist nach Duera auf dem Wege; eben dahin sind auch die Tirailleurs von Vincennes aufgebrochen, ein neugebildetes Corps vortrefflicher Schützen. Der Marschall will sich mit eigenen Augen überzeugen, welchen Erfolg das erste Zusammentreffen dieser Schützen mit dem Feind haben wird. - Ein aus Oran eingetroffenes Kauffahrteischiff meldet, daß in dieser Provinz sehr ernste Gefechte vorgefallen sind, und daß der Obrist des 2ten Regiments der Chasseurs d'Afrique getödtet worden ist. Es fehlen noch die näheren Details hierüber.

Mit dem heute eingetroffenen Dampfboot aus der Levante sind uns folgende Nachrichten aus Vurla vom 30 Jan. zugekommen: "Alle Vorgänge - schreibt man uns - deuten auf neue Verwickelungen der orientalischen Frage hin. Einerseits erfahren wir, daß der Pascha von Aegypten seine Armee in Syrien bereit hält, um beim ersten Signal gegen Konstantinopel zu marschiren; andrerseits hat auch der Admiral Stopford, im Augenblick, als er mit den Linienschiffen Prinzessin Charlotte und Benbow nach Malta zu segeln im Begriffe war, durch das Dampfboot Gorgone Befehl erhalten, sein Escadre vollzählig in der Bay von Vurla zurückzuhalten. Obige Linienschiffe kehrten demnach wieder auf ihren Ankerplatz zurück, und nach Malta ging der Befehl an die Linienschiffe Asia, Ganges und Bellerophon ab, baldigst wieder nach Vurla unter Segel zu gehen. Die Linienschiffe Rodney und Vanguard werden nach England segeln, aber unverzüglich durch zwei andere Linienschiffe im mittelländischen Meer ersetzt werden. Auch dem Admiral Lalande ist mit dem letzten Dampfboot gemeldet worden, daß die Linienschiffe, welche nach Toulon segelten, um sich dort zu verproviantiren, nach der Levante zurückkehren sollen; überdieß sollen auch drei Linienschiffe der Reserveescadre in Toulon die Escadre Lalande verstärken, so daß dieselbe im künftigen Frühjahr 12 Linienschiffe zählen wird. - Admiral Stopford wird auf dem Dampfboot Rhadamanthus in den nächsten Tagen nach Malta abreisen; während seiner Abwesenheit übernimmt ein Contre-Admiral das Commando der brittischen Flotte. - Zwischen den französischen und englischen Admiralen herrscht fortwährend die gleiche Kälte.

Belgien.

Das Commerce belge enthält die etwas wunderliche und nicht sehr glaubliche Nachricht, daß der Zweck, weßhalb sich Hr. Ouvrard in Madrid aufhalte, darin bestehe, den Ankauf der Philippinen für Rechnung Belgiens zu bewerkstelligen.

Schweiz.

Der Kanton Luzern scheint auch einem Umschwunge seiner Politik entgegen zu gehen. Es hat das für die Schweiz um so größere Bedeutung, als Luzern ein vorörtlicher Stand ist. Seit langem wurde die wahre eidgenössische Stellung Luzerns von den dortigen Führern weder eingesehen noch gewahrt. Die dortigen Radicalen träumten von viel zu weit reichenden Planen, als daß sie die nahe Wirklichkeit hätten scharf ins Auge fassen können. Luzern ist historisch der katholische Vorort der Schweiz. An ihn schloßen sich früher die katholische Stände vorzugsweise an, in ihm Schutz suchend für ihre confessionellen Interessen, und hinwieder durch ihren Zusammenhang ihm Ansehen und Einfluß verschaffend. Statt diese durch Geschichte und Bedürfnisse angewiesene Stellung festzuhalten, entfremdeten sich die Luzernischen Führer die katholischen Stände, erzeugten sie bei der katholischen Bevölkerung Mißtrauen, lehnten sich selber auch in confessionellen Dingen an die reformirten und paritätischen Stände. So kam es, daß die katholischen Bergkantone sich lieber noch an das reformirte, aber billigere Zürich hielten, als an den katholischen Vorort, mit dem sie früher so eng verbunden gewesen waren. Auch von einer andern Seite war die Luzernische Politik völlig verkehrt. Von jeher rivalisirten in der Schweiz Zürich und Bern. Der alte Wettstreit der Städte ist auf die Kantone übergegangen. Um diese Stände vornehmlich gruppiren sich die übrigen. Das Bewußtseyn einer gewissen materiellen und geistigen Ueberlegenheit wird da gehoben durch die vorörtliche Stellung beider. Da ist es nun offenbar wieder Luzerns Aufgabe, dazwischen zu treten, die Gegensätze zu vermitteln und auszugleichen, und durch seine Unterstützung und Zustimmung da, wo entweder Zürich oder Bern das Gerechte oder Billige oder Heilsame will, den Ausschlag zu geben. Gewiß eine - dieses Standes würdige - für die Eidgenossenschaft bedeutungsvolle Aufgabe. Aber wer zu viel an eine einheitliche Schweiz dachte, die nicht ist, dem entging die kantonale und föderale Stellung Luzerns, die vorhanden ist. Der eine Fehler rächt sich bereits. Die eigene katholische Bevölkerung des Kantons Luzern steht der Regierung sehr gespannt gegenüber. Die berorstehende Verfassungsrevision wird wahrscheinlich benutzt werden, um große Personalveränderungen in den leitenden Behörden durchzusetzen. Die Regierung wird genöthigt werden, in Zukunft den Glauben des Volkes besser zu beachten. In einem gut geschriebenen Büchlein hat ihr der dortige Staatsschreiber Siegwart Müller den Untergang der irreligiös-radicalen Herrschaft angekündigt. Auf der Landschaft wächst der Anhang und Einfluß des Großrathes Leu fortwährend. Die Gesinnung der entschiedenen Volksmehrheit ist auf dieser Seite. Nicht daß sie nicht herrschend werde, steht zu besorgen, wohl aber, daß hinterher durch den Umschwung Uebertreibungen der entgegengesetzten Farbe aufkommen. - Uebertreibungen, welche in Zürich glücklich vermieden wurden. Die Stadt Luzern, statt mit der Landschaft getreulich und auf gleichem Boden zusammen zu wirken, ist zwar den Radicalen auch nicht hold, aber steift sich auf unhaltbare Privilegien in der Repräsentation, und geräth so in Opposition zu der Landschaft. Beide sind arm an gebildeten tüchtigen Geschäftsmännern. Die wenigen, welche sich finden, halten eher zu der radicalen Partei. Die Furcht und der Abscheu vor den Radicalen treibt die Massen den Jesuiten in die offenen Arme. Hier kann einzig noch ein rasches entschiedenes Hinzutreten theils der Stadt, theils aller Gemäßigten, nicht völlig dem radicalen Geiste anheim Gefallenen zu der Bewegung vor Abwegen wahren, welche in der Zukunft neue Stürme veranlassen müßten.

schlecht in St. Petersburg angerechnet werden, wo man ihn mit Recht der Doppelsinnigkeit beschuldigen kann, während wir, wo nicht mit Lord Palmerston, doch mit dem brittischen Cabinet nur enger verbunden werden. Hiernach kann einstweilen der Erfolg berechnet werden, den die versuchten Conferenzen in London gehabt haben – ein Erfolg, der den Frieden nur mehr befestigen wird.

Die so eben eingetroffenen Dampfboote, Cocyte und Chimère, bringen uns Nachrichten aus Algier bis zum 8 Febr. Abd-El-Kader soll in Person vor Belida eingetroffen seyn, und dem Bey von Miliana neue Truppen, die er aus den arabischen Stämmen gezogen, zugeführt haben. Die Belagerung von Belida hat wieder begonnen. Die Artillerie des Emirs warf gegen dreißig Haubitzen in die Stadt, welche einige Verheerungen anrichteten. Die Araber formirten auch einige Batterien gegen die Mauern; aber Obrist Changarnier nahm die vom Feind occupirte Position ein, und bemächtigte sich, wie man sagt, einer Kanone. Der Marschall Valée läßt alle verfügbaren Truppen nach Duera und Buffarik aufbrechen, und wird, sobald die Witterung wieder günstig geworden, an der Spitze einer Colonne von 4 bis 5000 Mann gegen den Feind marschiren. Die ganze Cavallerie ist nach Duera auf dem Wege; eben dahin sind auch die Tirailleurs von Vincennes aufgebrochen, ein neugebildetes Corps vortrefflicher Schützen. Der Marschall will sich mit eigenen Augen überzeugen, welchen Erfolg das erste Zusammentreffen dieser Schützen mit dem Feind haben wird. – Ein aus Oran eingetroffenes Kauffahrteischiff meldet, daß in dieser Provinz sehr ernste Gefechte vorgefallen sind, und daß der Obrist des 2ten Regiments der Chasseurs d'Afrique getödtet worden ist. Es fehlen noch die näheren Details hierüber.

Mit dem heute eingetroffenen Dampfboot aus der Levante sind uns folgende Nachrichten aus Vurla vom 30 Jan. zugekommen: „Alle Vorgänge – schreibt man uns – deuten auf neue Verwickelungen der orientalischen Frage hin. Einerseits erfahren wir, daß der Pascha von Aegypten seine Armee in Syrien bereit hält, um beim ersten Signal gegen Konstantinopel zu marschiren; andrerseits hat auch der Admiral Stopford, im Augenblick, als er mit den Linienschiffen Prinzessin Charlotte und Benbow nach Malta zu segeln im Begriffe war, durch das Dampfboot Gorgone Befehl erhalten, sein Escadre vollzählig in der Bay von Vurla zurückzuhalten. Obige Linienschiffe kehrten demnach wieder auf ihren Ankerplatz zurück, und nach Malta ging der Befehl an die Linienschiffe Asia, Ganges und Bellerophon ab, baldigst wieder nach Vurla unter Segel zu gehen. Die Linienschiffe Rodney und Vanguard werden nach England segeln, aber unverzüglich durch zwei andere Linienschiffe im mittelländischen Meer ersetzt werden. Auch dem Admiral Lalande ist mit dem letzten Dampfboot gemeldet worden, daß die Linienschiffe, welche nach Toulon segelten, um sich dort zu verproviantiren, nach der Levante zurückkehren sollen; überdieß sollen auch drei Linienschiffe der Reserveescadre in Toulon die Escadre Lalande verstärken, so daß dieselbe im künftigen Frühjahr 12 Linienschiffe zählen wird. – Admiral Stopford wird auf dem Dampfboot Rhadamanthus in den nächsten Tagen nach Malta abreisen; während seiner Abwesenheit übernimmt ein Contre-Admiral das Commando der brittischen Flotte. – Zwischen den französischen und englischen Admiralen herrscht fortwährend die gleiche Kälte.

Belgien.

Das Commerce belge enthält die etwas wunderliche und nicht sehr glaubliche Nachricht, daß der Zweck, weßhalb sich Hr. Ouvrard in Madrid aufhalte, darin bestehe, den Ankauf der Philippinen für Rechnung Belgiens zu bewerkstelligen.

Schweiz.

Der Kanton Luzern scheint auch einem Umschwunge seiner Politik entgegen zu gehen. Es hat das für die Schweiz um so größere Bedeutung, als Luzern ein vorörtlicher Stand ist. Seit langem wurde die wahre eidgenössische Stellung Luzerns von den dortigen Führern weder eingesehen noch gewahrt. Die dortigen Radicalen träumten von viel zu weit reichenden Planen, als daß sie die nahe Wirklichkeit hätten scharf ins Auge fassen können. Luzern ist historisch der katholische Vorort der Schweiz. An ihn schloßen sich früher die katholische Stände vorzugsweise an, in ihm Schutz suchend für ihre confessionellen Interessen, und hinwieder durch ihren Zusammenhang ihm Ansehen und Einfluß verschaffend. Statt diese durch Geschichte und Bedürfnisse angewiesene Stellung festzuhalten, entfremdeten sich die Luzernischen Führer die katholischen Stände, erzeugten sie bei der katholischen Bevölkerung Mißtrauen, lehnten sich selber auch in confessionellen Dingen an die reformirten und paritätischen Stände. So kam es, daß die katholischen Bergkantone sich lieber noch an das reformirte, aber billigere Zürich hielten, als an den katholischen Vorort, mit dem sie früher so eng verbunden gewesen waren. Auch von einer andern Seite war die Luzernische Politik völlig verkehrt. Von jeher rivalisirten in der Schweiz Zürich und Bern. Der alte Wettstreit der Städte ist auf die Kantone übergegangen. Um diese Stände vornehmlich gruppiren sich die übrigen. Das Bewußtseyn einer gewissen materiellen und geistigen Ueberlegenheit wird da gehoben durch die vorörtliche Stellung beider. Da ist es nun offenbar wieder Luzerns Aufgabe, dazwischen zu treten, die Gegensätze zu vermitteln und auszugleichen, und durch seine Unterstützung und Zustimmung da, wo entweder Zürich oder Bern das Gerechte oder Billige oder Heilsame will, den Ausschlag zu geben. Gewiß eine – dieses Standes würdige – für die Eidgenossenschaft bedeutungsvolle Aufgabe. Aber wer zu viel an eine einheitliche Schweiz dachte, die nicht ist, dem entging die kantonale und föderale Stellung Luzerns, die vorhanden ist. Der eine Fehler rächt sich bereits. Die eigene katholische Bevölkerung des Kantons Luzern steht der Regierung sehr gespannt gegenüber. Die berorstehende Verfassungsrevision wird wahrscheinlich benutzt werden, um große Personalveränderungen in den leitenden Behörden durchzusetzen. Die Regierung wird genöthigt werden, in Zukunft den Glauben des Volkes besser zu beachten. In einem gut geschriebenen Büchlein hat ihr der dortige Staatsschreiber Siegwart Müller den Untergang der irreligiös-radicalen Herrschaft angekündigt. Auf der Landschaft wächst der Anhang und Einfluß des Großrathes Leu fortwährend. Die Gesinnung der entschiedenen Volksmehrheit ist auf dieser Seite. Nicht daß sie nicht herrschend werde, steht zu besorgen, wohl aber, daß hinterher durch den Umschwung Uebertreibungen der entgegengesetzten Farbe aufkommen. – Uebertreibungen, welche in Zürich glücklich vermieden wurden. Die Stadt Luzern, statt mit der Landschaft getreulich und auf gleichem Boden zusammen zu wirken, ist zwar den Radicalen auch nicht hold, aber steift sich auf unhaltbare Privilegien in der Repräsentation, und geräth so in Opposition zu der Landschaft. Beide sind arm an gebildeten tüchtigen Geschäftsmännern. Die wenigen, welche sich finden, halten eher zu der radicalen Partei. Die Furcht und der Abscheu vor den Radicalen treibt die Massen den Jesuiten in die offenen Arme. Hier kann einzig noch ein rasches entschiedenes Hinzutreten theils der Stadt, theils aller Gemäßigten, nicht völlig dem radicalen Geiste anheim Gefallenen zu der Bewegung vor Abwegen wahren, welche in der Zukunft neue Stürme veranlassen müßten.

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[0406/0006] schlecht in St. Petersburg angerechnet werden, wo man ihn mit Recht der Doppelsinnigkeit beschuldigen kann, während wir, wo nicht mit Lord Palmerston, doch mit dem brittischen Cabinet nur enger verbunden werden. Hiernach kann einstweilen der Erfolg berechnet werden, den die versuchten Conferenzen in London gehabt haben – ein Erfolg, der den Frieden nur mehr befestigen wird. _ Toulon, 12 Febr. Die so eben eingetroffenen Dampfboote, Cocyte und Chimère, bringen uns Nachrichten aus Algier bis zum 8 Febr. Abd-El-Kader soll in Person vor Belida eingetroffen seyn, und dem Bey von Miliana neue Truppen, die er aus den arabischen Stämmen gezogen, zugeführt haben. Die Belagerung von Belida hat wieder begonnen. Die Artillerie des Emirs warf gegen dreißig Haubitzen in die Stadt, welche einige Verheerungen anrichteten. Die Araber formirten auch einige Batterien gegen die Mauern; aber Obrist Changarnier nahm die vom Feind occupirte Position ein, und bemächtigte sich, wie man sagt, einer Kanone. Der Marschall Valée läßt alle verfügbaren Truppen nach Duera und Buffarik aufbrechen, und wird, sobald die Witterung wieder günstig geworden, an der Spitze einer Colonne von 4 bis 5000 Mann gegen den Feind marschiren. Die ganze Cavallerie ist nach Duera auf dem Wege; eben dahin sind auch die Tirailleurs von Vincennes aufgebrochen, ein neugebildetes Corps vortrefflicher Schützen. Der Marschall will sich mit eigenen Augen überzeugen, welchen Erfolg das erste Zusammentreffen dieser Schützen mit dem Feind haben wird. – Ein aus Oran eingetroffenes Kauffahrteischiff meldet, daß in dieser Provinz sehr ernste Gefechte vorgefallen sind, und daß der Obrist des 2ten Regiments der Chasseurs d'Afrique getödtet worden ist. Es fehlen noch die näheren Details hierüber. _ Toulon 13 Febr. Mit dem heute eingetroffenen Dampfboot aus der Levante sind uns folgende Nachrichten aus Vurla vom 30 Jan. zugekommen: „Alle Vorgänge – schreibt man uns – deuten auf neue Verwickelungen der orientalischen Frage hin. Einerseits erfahren wir, daß der Pascha von Aegypten seine Armee in Syrien bereit hält, um beim ersten Signal gegen Konstantinopel zu marschiren; andrerseits hat auch der Admiral Stopford, im Augenblick, als er mit den Linienschiffen Prinzessin Charlotte und Benbow nach Malta zu segeln im Begriffe war, durch das Dampfboot Gorgone Befehl erhalten, sein Escadre vollzählig in der Bay von Vurla zurückzuhalten. Obige Linienschiffe kehrten demnach wieder auf ihren Ankerplatz zurück, und nach Malta ging der Befehl an die Linienschiffe Asia, Ganges und Bellerophon ab, baldigst wieder nach Vurla unter Segel zu gehen. Die Linienschiffe Rodney und Vanguard werden nach England segeln, aber unverzüglich durch zwei andere Linienschiffe im mittelländischen Meer ersetzt werden. Auch dem Admiral Lalande ist mit dem letzten Dampfboot gemeldet worden, daß die Linienschiffe, welche nach Toulon segelten, um sich dort zu verproviantiren, nach der Levante zurückkehren sollen; überdieß sollen auch drei Linienschiffe der Reserveescadre in Toulon die Escadre Lalande verstärken, so daß dieselbe im künftigen Frühjahr 12 Linienschiffe zählen wird. – Admiral Stopford wird auf dem Dampfboot Rhadamanthus in den nächsten Tagen nach Malta abreisen; während seiner Abwesenheit übernimmt ein Contre-Admiral das Commando der brittischen Flotte. – Zwischen den französischen und englischen Admiralen herrscht fortwährend die gleiche Kälte. Belgien. Das Commerce belge enthält die etwas wunderliche und nicht sehr glaubliche Nachricht, daß der Zweck, weßhalb sich Hr. Ouvrard in Madrid aufhalte, darin bestehe, den Ankauf der Philippinen für Rechnung Belgiens zu bewerkstelligen. Schweiz. _ Zürich, 16 Febr. Der Kanton Luzern scheint auch einem Umschwunge seiner Politik entgegen zu gehen. Es hat das für die Schweiz um so größere Bedeutung, als Luzern ein vorörtlicher Stand ist. Seit langem wurde die wahre eidgenössische Stellung Luzerns von den dortigen Führern weder eingesehen noch gewahrt. Die dortigen Radicalen träumten von viel zu weit reichenden Planen, als daß sie die nahe Wirklichkeit hätten scharf ins Auge fassen können. Luzern ist historisch der katholische Vorort der Schweiz. An ihn schloßen sich früher die katholische Stände vorzugsweise an, in ihm Schutz suchend für ihre confessionellen Interessen, und hinwieder durch ihren Zusammenhang ihm Ansehen und Einfluß verschaffend. Statt diese durch Geschichte und Bedürfnisse angewiesene Stellung festzuhalten, entfremdeten sich die Luzernischen Führer die katholischen Stände, erzeugten sie bei der katholischen Bevölkerung Mißtrauen, lehnten sich selber auch in confessionellen Dingen an die reformirten und paritätischen Stände. So kam es, daß die katholischen Bergkantone sich lieber noch an das reformirte, aber billigere Zürich hielten, als an den katholischen Vorort, mit dem sie früher so eng verbunden gewesen waren. Auch von einer andern Seite war die Luzernische Politik völlig verkehrt. Von jeher rivalisirten in der Schweiz Zürich und Bern. Der alte Wettstreit der Städte ist auf die Kantone übergegangen. Um diese Stände vornehmlich gruppiren sich die übrigen. Das Bewußtseyn einer gewissen materiellen und geistigen Ueberlegenheit wird da gehoben durch die vorörtliche Stellung beider. Da ist es nun offenbar wieder Luzerns Aufgabe, dazwischen zu treten, die Gegensätze zu vermitteln und auszugleichen, und durch seine Unterstützung und Zustimmung da, wo entweder Zürich oder Bern das Gerechte oder Billige oder Heilsame will, den Ausschlag zu geben. Gewiß eine – dieses Standes würdige – für die Eidgenossenschaft bedeutungsvolle Aufgabe. Aber wer zu viel an eine einheitliche Schweiz dachte, die nicht ist, dem entging die kantonale und föderale Stellung Luzerns, die vorhanden ist. Der eine Fehler rächt sich bereits. Die eigene katholische Bevölkerung des Kantons Luzern steht der Regierung sehr gespannt gegenüber. Die berorstehende Verfassungsrevision wird wahrscheinlich benutzt werden, um große Personalveränderungen in den leitenden Behörden durchzusetzen. Die Regierung wird genöthigt werden, in Zukunft den Glauben des Volkes besser zu beachten. In einem gut geschriebenen Büchlein hat ihr der dortige Staatsschreiber Siegwart Müller den Untergang der irreligiös-radicalen Herrschaft angekündigt. Auf der Landschaft wächst der Anhang und Einfluß des Großrathes Leu fortwährend. Die Gesinnung der entschiedenen Volksmehrheit ist auf dieser Seite. Nicht daß sie nicht herrschend werde, steht zu besorgen, wohl aber, daß hinterher durch den Umschwung Uebertreibungen der entgegengesetzten Farbe aufkommen. – Uebertreibungen, welche in Zürich glücklich vermieden wurden. Die Stadt Luzern, statt mit der Landschaft getreulich und auf gleichem Boden zusammen zu wirken, ist zwar den Radicalen auch nicht hold, aber steift sich auf unhaltbare Privilegien in der Repräsentation, und geräth so in Opposition zu der Landschaft. Beide sind arm an gebildeten tüchtigen Geschäftsmännern. Die wenigen, welche sich finden, halten eher zu der radicalen Partei. Die Furcht und der Abscheu vor den Radicalen treibt die Massen den Jesuiten in die offenen Arme. Hier kann einzig noch ein rasches entschiedenes Hinzutreten theils der Stadt, theils aller Gemäßigten, nicht völlig dem radicalen Geiste anheim Gefallenen zu der Bewegung vor Abwegen wahren, welche in der Zukunft neue Stürme veranlassen müßten.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 51. Augsburg, 20. Februar 1840, S. 0406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_051_18400220/6>, abgerufen am 02.05.2024.