Allgemeine Zeitung. Nr. 54. Augsburg, 23. Februar 1840.So wird der deutschen Baronin Lehzen, die bekanntlich den Tories längst ein Dorn im Auge ist, eine Harangue in den Mund gelegt, worin sie über die Herabsetzung der Apanage von 50,000 auf 30,000 Pf. (dirty thousand) "Donner und Blitz" flucht. Ein Provincialblatt gibt zu verstehen, eine hohe Person sey bereits ein Freund von Crockford's. Das M. Chronicle entgegnet treffend, wenn dieß der Fall wäre, dann würden die klugen Tories die 50,000 Pf. gewiß votirt haben. - Unter den Provincialstädten zeichnete sich Dublin durch eine prachtvolle Beleuchtung am 10 Februar aus. An einigen Häusern sah man Transparente mit politischen Beziehungen: z. B. O'Connell auf den Knieen vor der Königin, die dem irischen Patrioten einen Lorbeerkranz aufsetzt, oder O'Connell mit einer Rolle in der Hand, worauf geschrieben stand: "Unsere liebe kleine Königin! Möge Sie und Irland von der Toryfaction befreit bleiben!" (Advertiser.) Die jetzige Krankheit des Herzogs v. Wellington rührt leider von einem Schlagfluß her; es ist der zweite Anfall, den der greise Herzog erlitten. London, 14 Febr. Hier ist eine Art von Bonapartischem Congreß, dessen Extravaganzen an die Zeiten der ersten Auswanderung von 1791 erinnern. Joseph und Jerome Napoleon und ihre beiden Neffen Ludwig Napoleon und Lucian Murat sind, wie sich leicht denken läßt, die ersten Personen dieses Congresses, der offen und ganz ohne Scheu den Umsturz der Regierung Ludwig Philipps und die Wiedereinsetzung der kaiserlichen Regierung in Frankreich complottirt. Die Brüder des Kaisers betrachten ihren Neffen nicht mehr als einen Usurpator, sie haben zu seinen Gunsten ihre Ansprüche auf den kaiserlichen Thron von Frankreich aufgegeben. Sie anerkennen ihren Neffen Louis als Kaiser der Franzosen! Man will ihn mit der Prinzessin Mathilde, Tochter Jerome's, vermählen. Man will - so weit ist man bereits in Gedanken - den Senat und alle großen Institutionen des Kaiserreichs herstellen. Die Oheime und Neffen des Kaisers sollen Großwürdenträger mit beträchtlichen Dotationen werden. Selbst das Ministerium soll in den Träumen dieser Leute schon zusammengesetzt seyn, und man nennt unter dessen Mitgliedern den Marschall Clauzel, Hrn. Mauguin, den Herzog von Padua (Arrighi), und den Grafen v. Mosbourg. Man schmeichelt sich sogar, Hrn. Thiers als einen mit der gegenwärtigen Regierung Unzufriedenen, und als einen Bewunderer des kaiserlichen Systems zu gewinnen. General Montholon sey zum Generallieutenant und ersten Adjutanten des Kaisers, die Obristen Vaudrey und Brice zu Marechaux de Camp, Adjutanten des Kaisers u. s. w. ernannt. Madame Regnault de St. Jean d'Angely soll Ehrendame der Kaiserin werden, und zu Palastdamen seyen die beiden Damen Thayer, wovon die eine die Tochter des Generals Bertrand und die andere die Tochter des Herzogs von Padua ist, bestimmt. Ich will nicht weiter gehen, denn ich würde zehn Seiten brauchen, um Ihnen die Liste aller von dem Kaiser Louis gemachten Ernennungen mitzutheilen. Die Bewegung soll in Frankreich auf mehreren Punkten zugleich und namentlich in Metz und Lyon ausbrechen. Alle Verschwornen rühmen sich laut, von Außen unterstützt zu seyn, obschon hieran stark zu zweifeln ist, so ist doch gewiß, daß ihnen Geld im Ueberfluß zuströmt, ohne daß man wüßte, woher es ihnen zukommt. Andrerseits ist der thätigste Agent dieses sonderbaren Complots ein gewisser Bacciochi, der kürzlich zwei Reisen nach dem Continent gemacht, und wie er prahlt, mit Hrn. v. B. Conferenzen gehabt hat. Er gibt sich als mit Instructionen und Vollmachten... versehen aus. Sieht man alle diese Leute beisammen, so glaubt man wahrhaftig in einem Tollhause zu seyn. Gleichwohl zeigen sie so viele Entschlossenheit und Vertrauen in ihre thörichten Entwürfe, daß man sich versucht fühlt, einige Unruhe darüber zu fassen. Man sieht zwar recht gut ein, daß sie ihren Zweck nicht erreichen werden, sie können aber doch bei der gegenwärtigen Stimmung der Gemüther in Frankreich vorübergehend große Verwirrungen anrichten, die zum Vortheil anderer Mächte ausschlagen dürften. Frankreich. Paris, 18 Febr. (Journal des Debats.) Die Herzoge von Orleans und Nemours sind in der vergangenen Nacht nach Compiegne abgereist. Von dort werden beide Prinzen, wie man sagt, nach Brüssel sich begeben. (Aus unserer heutigen Brüsseler Correspondenz ist ersichtlich, daß die Prinzessin Victoria von Coburg daselbst eingetroffen ist.) Der Trauergottesdienst für den Marschall Maison ward am 18 Febr. in der Cappelle des Invalidenhotels gehalten. Die irdischen Reste wurden nach dem östlichen Kirchhof gebracht. Der Zug bestand aus einer großen Zahl Pairs und Deputirten, Generalen n. s. w. Das Militär eröffnete den Zug. Der Herzog v. Aumale war an der Spitze seines Bataillons. Ein langer Zug von Kutschen, worunter man vier vom Hofe bemerkte, folgten dem Sarge. Sodann kamen die Artillerie und die Cavallerieschwadronen. Der Zug ging über alle Boulevards. * In der Sitzung der Deputirtenkammer am 18 Febr. war die Erörterung des Vorschlags des Hrn. Vivien, das Votum der Gesetzesentwürfe, die zu keiner Reclamation Anlaß gaben, von dem Scrutin zu dispensiren, an der Tagesordnung. Hr. Monier de la Sizerane sprach gegen den Vorschlag. Das beste Mittel, Zeit zu gewinnen, sey, zur gehörigen Zeit sich in der Kammer einzufinden. Die HH. Mimault und Auguis erklären sich ebenfalls gegen den Antrag, der dann im Scrutin mit 211 schwarzen gegen 100 weiße Kugeln verworfen wird. Die Akademie der Wissenschaften hat am 17 Febr. an die in der Section der allgemeinen Physik durch das Hinscheiden des Hrn. Dulong erledigte Stelle Hrn. Bobinet, Professor des k. Collegiums St. Louis, zum Mitglied erwählt. Der den Moniteur seit so vielen Jahren leitende Hr. Sauvo tritt von der Redaction dieses amtlichen Journals ab, und erhält an Hrn. Grün, einem Elsäßer, einen Nachfolger. (Constitutionnel.) Man versichert uns, Marschall Soult habe, nach Empfang der Note, welche Rußland gewöhnlich alljährlich in Betreff des auf Polen bezüglichen Paragraphen in den beiden Adressen überreichen läßt, dem Hrn. v. Medem die versöhnendsten Erläuterungen gegeben, und dabei die Sympathien des Landes als etwas, was nichts zu bedeuten habe, behandelt. Man sey in sehr guter Stimmung auseinander gegangen. Der Herzog v. Dalmatien habe aber in den Salons und dem Publicum eine nationellere Sprache geführt. Er habe zu verstehen gegeben, oder geben lassen, daß er dem Hrn. v. Medem tüchtig geantwortet habe. Dienstfertige Freunde sollen diese Gerüchte der russischen Botschaft mitgetheilt haben, worauf dann neue Erklärungen stattgefunden hätten. Das St. Petersburger Cabinet ist durch vertraute Depeschen von allen diesen Dingen in Kenntniß gesetzt, und man darf annehmen, daß Hr. v. Pahlen nicht so bald auf seinen Posten zurückkehren wird, wenn nicht gar Hr. v. Medem eine Abberufung erhält. Das diplomatische Corps soll Partei für Hrn. v. Medem genommen haben. Man begreift, daß fremde Botschafter nicht dulden können, daß Depeschen, die sie auf die Aeußerungen des Marschalls Soult abfertigen zu können glauben, am folgenden So wird der deutschen Baronin Lehzen, die bekanntlich den Tories längst ein Dorn im Auge ist, eine Harangue in den Mund gelegt, worin sie über die Herabsetzung der Apanage von 50,000 auf 30,000 Pf. (dirty thousand) „Donner und Blitz“ flucht. Ein Provincialblatt gibt zu verstehen, eine hohe Person sey bereits ein Freund von Crockford's. Das M. Chronicle entgegnet treffend, wenn dieß der Fall wäre, dann würden die klugen Tories die 50,000 Pf. gewiß votirt haben. – Unter den Provincialstädten zeichnete sich Dublin durch eine prachtvolle Beleuchtung am 10 Februar aus. An einigen Häusern sah man Transparente mit politischen Beziehungen: z. B. O'Connell auf den Knieen vor der Königin, die dem irischen Patrioten einen Lorbeerkranz aufsetzt, oder O'Connell mit einer Rolle in der Hand, worauf geschrieben stand: „Unsere liebe kleine Königin! Möge Sie und Irland von der Toryfaction befreit bleiben!“ (Advertiser.) Die jetzige Krankheit des Herzogs v. Wellington rührt leider von einem Schlagfluß her; es ist der zweite Anfall, den der greise Herzog erlitten. London, 14 Febr. Hier ist eine Art von Bonapartischem Congreß, dessen Extravaganzen an die Zeiten der ersten Auswanderung von 1791 erinnern. Joseph und Jerome Napoleon und ihre beiden Neffen Ludwig Napoleon und Lucian Murat sind, wie sich leicht denken läßt, die ersten Personen dieses Congresses, der offen und ganz ohne Scheu den Umsturz der Regierung Ludwig Philipps und die Wiedereinsetzung der kaiserlichen Regierung in Frankreich complottirt. Die Brüder des Kaisers betrachten ihren Neffen nicht mehr als einen Usurpator, sie haben zu seinen Gunsten ihre Ansprüche auf den kaiserlichen Thron von Frankreich aufgegeben. Sie anerkennen ihren Neffen Louis als Kaiser der Franzosen! Man will ihn mit der Prinzessin Mathilde, Tochter Jerome's, vermählen. Man will – so weit ist man bereits in Gedanken – den Senat und alle großen Institutionen des Kaiserreichs herstellen. Die Oheime und Neffen des Kaisers sollen Großwürdenträger mit beträchtlichen Dotationen werden. Selbst das Ministerium soll in den Träumen dieser Leute schon zusammengesetzt seyn, und man nennt unter dessen Mitgliedern den Marschall Clauzel, Hrn. Mauguin, den Herzog von Padua (Arrighi), und den Grafen v. Mosbourg. Man schmeichelt sich sogar, Hrn. Thiers als einen mit der gegenwärtigen Regierung Unzufriedenen, und als einen Bewunderer des kaiserlichen Systems zu gewinnen. General Montholon sey zum Generallieutenant und ersten Adjutanten des Kaisers, die Obristen Vaudrey und Brice zu Marechaux de Camp, Adjutanten des Kaisers u. s. w. ernannt. Madame Regnault de St. Jean d'Angely soll Ehrendame der Kaiserin werden, und zu Palastdamen seyen die beiden Damen Thayer, wovon die eine die Tochter des Generals Bertrand und die andere die Tochter des Herzogs von Padua ist, bestimmt. Ich will nicht weiter gehen, denn ich würde zehn Seiten brauchen, um Ihnen die Liste aller von dem Kaiser Louis gemachten Ernennungen mitzutheilen. Die Bewegung soll in Frankreich auf mehreren Punkten zugleich und namentlich in Metz und Lyon ausbrechen. Alle Verschwornen rühmen sich laut, von Außen unterstützt zu seyn, obschon hieran stark zu zweifeln ist, so ist doch gewiß, daß ihnen Geld im Ueberfluß zuströmt, ohne daß man wüßte, woher es ihnen zukommt. Andrerseits ist der thätigste Agent dieses sonderbaren Complots ein gewisser Bacciochi, der kürzlich zwei Reisen nach dem Continent gemacht, und wie er prahlt, mit Hrn. v. B. Conferenzen gehabt hat. Er gibt sich als mit Instructionen und Vollmachten... versehen aus. Sieht man alle diese Leute beisammen, so glaubt man wahrhaftig in einem Tollhause zu seyn. Gleichwohl zeigen sie so viele Entschlossenheit und Vertrauen in ihre thörichten Entwürfe, daß man sich versucht fühlt, einige Unruhe darüber zu fassen. Man sieht zwar recht gut ein, daß sie ihren Zweck nicht erreichen werden, sie können aber doch bei der gegenwärtigen Stimmung der Gemüther in Frankreich vorübergehend große Verwirrungen anrichten, die zum Vortheil anderer Mächte ausschlagen dürften. Frankreich. Paris, 18 Febr. (Journal des Débats.) Die Herzoge von Orleans und Nemours sind in der vergangenen Nacht nach Compiegne abgereist. Von dort werden beide Prinzen, wie man sagt, nach Brüssel sich begeben. (Aus unserer heutigen Brüsseler Correspondenz ist ersichtlich, daß die Prinzessin Victoria von Coburg daselbst eingetroffen ist.) Der Trauergottesdienst für den Marschall Maison ward am 18 Febr. in der Cappelle des Invalidenhotels gehalten. Die irdischen Reste wurden nach dem östlichen Kirchhof gebracht. Der Zug bestand aus einer großen Zahl Pairs und Deputirten, Generalen n. s. w. Das Militär eröffnete den Zug. Der Herzog v. Aumale war an der Spitze seines Bataillons. Ein langer Zug von Kutschen, worunter man vier vom Hofe bemerkte, folgten dem Sarge. Sodann kamen die Artillerie und die Cavallerieschwadronen. Der Zug ging über alle Boulevards. * In der Sitzung der Deputirtenkammer am 18 Febr. war die Erörterung des Vorschlags des Hrn. Vivien, das Votum der Gesetzesentwürfe, die zu keiner Reclamation Anlaß gaben, von dem Scrutin zu dispensiren, an der Tagesordnung. Hr. Monier de la Sizerane sprach gegen den Vorschlag. Das beste Mittel, Zeit zu gewinnen, sey, zur gehörigen Zeit sich in der Kammer einzufinden. Die HH. Mimault und Auguis erklären sich ebenfalls gegen den Antrag, der dann im Scrutin mit 211 schwarzen gegen 100 weiße Kugeln verworfen wird. Die Akademie der Wissenschaften hat am 17 Febr. an die in der Section der allgemeinen Physik durch das Hinscheiden des Hrn. Dulong erledigte Stelle Hrn. Bobinet, Professor des k. Collegiums St. Louis, zum Mitglied erwählt. Der den Moniteur seit so vielen Jahren leitende Hr. Sauvo tritt von der Redaction dieses amtlichen Journals ab, und erhält an Hrn. Grün, einem Elsäßer, einen Nachfolger. (Constitutionnel.) Man versichert uns, Marschall Soult habe, nach Empfang der Note, welche Rußland gewöhnlich alljährlich in Betreff des auf Polen bezüglichen Paragraphen in den beiden Adressen überreichen läßt, dem Hrn. v. Medem die versöhnendsten Erläuterungen gegeben, und dabei die Sympathien des Landes als etwas, was nichts zu bedeuten habe, behandelt. Man sey in sehr guter Stimmung auseinander gegangen. Der Herzog v. Dalmatien habe aber in den Salons und dem Publicum eine nationellere Sprache geführt. Er habe zu verstehen gegeben, oder geben lassen, daß er dem Hrn. v. Medem tüchtig geantwortet habe. Dienstfertige Freunde sollen diese Gerüchte der russischen Botschaft mitgetheilt haben, worauf dann neue Erklärungen stattgefunden hätten. Das St. Petersburger Cabinet ist durch vertraute Depeschen von allen diesen Dingen in Kenntniß gesetzt, und man darf annehmen, daß Hr. v. Pahlen nicht so bald auf seinen Posten zurückkehren wird, wenn nicht gar Hr. v. Medem eine Abberufung erhält. Das diplomatische Corps soll Partei für Hrn. v. Medem genommen haben. Man begreift, daß fremde Botschafter nicht dulden können, daß Depeschen, die sie auf die Aeußerungen des Marschalls Soult abfertigen zu können glauben, am folgenden <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0003" n="0427"/> So wird der deutschen Baronin Lehzen, die bekanntlich den Tories längst ein Dorn im Auge ist, eine Harangue in den Mund gelegt, worin sie über die Herabsetzung der Apanage von 50,000 auf 30,000 Pf. (dirty thousand) „Donner und Blitz“ flucht. Ein Provincialblatt gibt zu verstehen, eine hohe Person sey bereits ein Freund von Crockford's. Das M. <hi rendition="#g">Chronicle</hi> entgegnet treffend, wenn dieß der Fall wäre, dann würden die klugen Tories die 50,000 Pf. gewiß votirt haben. – Unter den Provincialstädten zeichnete sich Dublin durch eine prachtvolle Beleuchtung am 10 Februar aus. An einigen Häusern sah man Transparente mit politischen Beziehungen: z. B. O'Connell auf den Knieen vor der Königin, die dem irischen Patrioten einen Lorbeerkranz aufsetzt, oder O'Connell mit einer Rolle in der Hand, worauf geschrieben stand: „Unsere liebe kleine Königin! Möge Sie und Irland von der Toryfaction befreit bleiben!“</p><lb/> <p>(<hi rendition="#g">Advertiser</hi>.) Die jetzige Krankheit des Herzogs v. Wellington rührt leider von einem Schlagfluß her; es ist der zweite Anfall, den der greise Herzog erlitten.</p><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <byline> <docAuthor> <gap reason="insignificant"/> </docAuthor> </byline> <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 14 Febr.</dateline> <p> Hier ist eine Art von Bonapartischem Congreß, dessen Extravaganzen an die Zeiten der ersten Auswanderung von 1791 erinnern. 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Mauguin, den Herzog von Padua (Arrighi), und den Grafen v. Mosbourg. Man schmeichelt sich sogar, Hrn. Thiers als einen mit der gegenwärtigen Regierung Unzufriedenen, und als einen Bewunderer des kaiserlichen Systems zu gewinnen. General Montholon sey zum Generallieutenant und ersten Adjutanten des Kaisers, die Obristen Vaudrey und Brice zu Marechaux de Camp, Adjutanten des Kaisers u. s. w. ernannt. Madame Regnault de St. Jean d'Angely soll Ehrendame der Kaiserin werden, und zu Palastdamen seyen die beiden Damen Thayer, wovon die eine die Tochter des Generals Bertrand und die andere die Tochter des Herzogs von Padua ist, bestimmt. Ich will nicht weiter gehen, denn ich würde zehn Seiten brauchen, um Ihnen die Liste aller von dem Kaiser Louis gemachten Ernennungen mitzutheilen. Die Bewegung soll in Frankreich auf mehreren Punkten zugleich und namentlich in Metz und Lyon ausbrechen. Alle Verschwornen rühmen sich laut, von Außen unterstützt zu seyn, obschon hieran stark zu zweifeln ist, so ist doch gewiß, daß ihnen Geld im Ueberfluß zuströmt, ohne daß man wüßte, woher es ihnen zukommt. Andrerseits ist der thätigste Agent dieses sonderbaren Complots ein gewisser Bacciochi, der kürzlich zwei Reisen nach dem Continent gemacht, und wie er prahlt, mit Hrn. v. B. Conferenzen gehabt hat. Er gibt sich als mit Instructionen und Vollmachten... versehen aus. Sieht man alle diese Leute beisammen, so glaubt man wahrhaftig in einem Tollhause zu seyn. Gleichwohl zeigen sie so viele Entschlossenheit und Vertrauen in ihre thörichten Entwürfe, daß man sich versucht fühlt, einige Unruhe darüber zu fassen. 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Man sey in sehr guter Stimmung auseinander gegangen. Der Herzog v. Dalmatien habe aber in den Salons und dem Publicum eine nationellere Sprache geführt. Er habe zu verstehen gegeben, oder geben lassen, daß er dem Hrn. v. Medem tüchtig geantwortet habe. Dienstfertige Freunde sollen diese Gerüchte der russischen Botschaft mitgetheilt haben, worauf dann neue Erklärungen stattgefunden hätten. Das St. Petersburger Cabinet ist durch vertraute Depeschen von allen diesen Dingen in Kenntniß gesetzt, und man darf annehmen, daß Hr. v. Pahlen nicht so bald auf seinen Posten zurückkehren wird, wenn nicht gar Hr. v. Medem eine Abberufung erhält. Das diplomatische Corps soll Partei für Hrn. v. Medem genommen haben. Man begreift, daß fremde Botschafter nicht dulden können, daß Depeschen, die sie auf die Aeußerungen des Marschalls Soult abfertigen zu können glauben, am folgenden<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0427/0003]
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(Advertiser.) Die jetzige Krankheit des Herzogs v. Wellington rührt leider von einem Schlagfluß her; es ist der zweite Anfall, den der greise Herzog erlitten.
_ London, 14 Febr. Hier ist eine Art von Bonapartischem Congreß, dessen Extravaganzen an die Zeiten der ersten Auswanderung von 1791 erinnern. Joseph und Jerome Napoleon und ihre beiden Neffen Ludwig Napoleon und Lucian Murat sind, wie sich leicht denken läßt, die ersten Personen dieses Congresses, der offen und ganz ohne Scheu den Umsturz der Regierung Ludwig Philipps und die Wiedereinsetzung der kaiserlichen Regierung in Frankreich complottirt. Die Brüder des Kaisers betrachten ihren Neffen nicht mehr als einen Usurpator, sie haben zu seinen Gunsten ihre Ansprüche auf den kaiserlichen Thron von Frankreich aufgegeben. Sie anerkennen ihren Neffen Louis als Kaiser der Franzosen! Man will ihn mit der Prinzessin Mathilde, Tochter Jerome's, vermählen. Man will – so weit ist man bereits in Gedanken – den Senat und alle großen Institutionen des Kaiserreichs herstellen. Die Oheime und Neffen des Kaisers sollen Großwürdenträger mit beträchtlichen Dotationen werden. Selbst das Ministerium soll in den Träumen dieser Leute schon zusammengesetzt seyn, und man nennt unter dessen Mitgliedern den Marschall Clauzel, Hrn. Mauguin, den Herzog von Padua (Arrighi), und den Grafen v. Mosbourg. Man schmeichelt sich sogar, Hrn. Thiers als einen mit der gegenwärtigen Regierung Unzufriedenen, und als einen Bewunderer des kaiserlichen Systems zu gewinnen. General Montholon sey zum Generallieutenant und ersten Adjutanten des Kaisers, die Obristen Vaudrey und Brice zu Marechaux de Camp, Adjutanten des Kaisers u. s. w. ernannt. Madame Regnault de St. Jean d'Angely soll Ehrendame der Kaiserin werden, und zu Palastdamen seyen die beiden Damen Thayer, wovon die eine die Tochter des Generals Bertrand und die andere die Tochter des Herzogs von Padua ist, bestimmt. Ich will nicht weiter gehen, denn ich würde zehn Seiten brauchen, um Ihnen die Liste aller von dem Kaiser Louis gemachten Ernennungen mitzutheilen. Die Bewegung soll in Frankreich auf mehreren Punkten zugleich und namentlich in Metz und Lyon ausbrechen. Alle Verschwornen rühmen sich laut, von Außen unterstützt zu seyn, obschon hieran stark zu zweifeln ist, so ist doch gewiß, daß ihnen Geld im Ueberfluß zuströmt, ohne daß man wüßte, woher es ihnen zukommt. Andrerseits ist der thätigste Agent dieses sonderbaren Complots ein gewisser Bacciochi, der kürzlich zwei Reisen nach dem Continent gemacht, und wie er prahlt, mit Hrn. v. B. Conferenzen gehabt hat. Er gibt sich als mit Instructionen und Vollmachten... versehen aus. Sieht man alle diese Leute beisammen, so glaubt man wahrhaftig in einem Tollhause zu seyn. Gleichwohl zeigen sie so viele Entschlossenheit und Vertrauen in ihre thörichten Entwürfe, daß man sich versucht fühlt, einige Unruhe darüber zu fassen. Man sieht zwar recht gut ein, daß sie ihren Zweck nicht erreichen werden, sie können aber doch bei der gegenwärtigen Stimmung der Gemüther in Frankreich vorübergehend große Verwirrungen anrichten, die zum Vortheil anderer Mächte ausschlagen dürften.
Frankreich.
_ Paris, 18 Febr.
(Journal des Débats.) Die Herzoge von Orleans und Nemours sind in der vergangenen Nacht nach Compiegne abgereist. Von dort werden beide Prinzen, wie man sagt, nach Brüssel sich begeben. (Aus unserer heutigen Brüsseler Correspondenz ist ersichtlich, daß die Prinzessin Victoria von Coburg daselbst eingetroffen ist.)
Der Trauergottesdienst für den Marschall Maison ward am 18 Febr. in der Cappelle des Invalidenhotels gehalten. Die irdischen Reste wurden nach dem östlichen Kirchhof gebracht. Der Zug bestand aus einer großen Zahl Pairs und Deputirten, Generalen n. s. w. Das Militär eröffnete den Zug. Der Herzog v. Aumale war an der Spitze seines Bataillons. Ein langer Zug von Kutschen, worunter man vier vom Hofe bemerkte, folgten dem Sarge. Sodann kamen die Artillerie und die Cavallerieschwadronen. Der Zug ging über alle Boulevards.
* In der Sitzung der Deputirtenkammer am 18 Febr. war die Erörterung des Vorschlags des Hrn. Vivien, das Votum der Gesetzesentwürfe, die zu keiner Reclamation Anlaß gaben, von dem Scrutin zu dispensiren, an der Tagesordnung. Hr. Monier de la Sizerane sprach gegen den Vorschlag. Das beste Mittel, Zeit zu gewinnen, sey, zur gehörigen Zeit sich in der Kammer einzufinden. Die HH. Mimault und Auguis erklären sich ebenfalls gegen den Antrag, der dann im Scrutin mit 211 schwarzen gegen 100 weiße Kugeln verworfen wird.
Die Akademie der Wissenschaften hat am 17 Febr. an die in der Section der allgemeinen Physik durch das Hinscheiden des Hrn. Dulong erledigte Stelle Hrn. Bobinet, Professor des k. Collegiums St. Louis, zum Mitglied erwählt.
Der den Moniteur seit so vielen Jahren leitende Hr. Sauvo tritt von der Redaction dieses amtlichen Journals ab, und erhält an Hrn. Grün, einem Elsäßer, einen Nachfolger.
(Constitutionnel.) Man versichert uns, Marschall Soult habe, nach Empfang der Note, welche Rußland gewöhnlich alljährlich in Betreff des auf Polen bezüglichen Paragraphen in den beiden Adressen überreichen läßt, dem Hrn. v. Medem die versöhnendsten Erläuterungen gegeben, und dabei die Sympathien des Landes als etwas, was nichts zu bedeuten habe, behandelt. Man sey in sehr guter Stimmung auseinander gegangen. Der Herzog v. Dalmatien habe aber in den Salons und dem Publicum eine nationellere Sprache geführt. Er habe zu verstehen gegeben, oder geben lassen, daß er dem Hrn. v. Medem tüchtig geantwortet habe. Dienstfertige Freunde sollen diese Gerüchte der russischen Botschaft mitgetheilt haben, worauf dann neue Erklärungen stattgefunden hätten. Das St. Petersburger Cabinet ist durch vertraute Depeschen von allen diesen Dingen in Kenntniß gesetzt, und man darf annehmen, daß Hr. v. Pahlen nicht so bald auf seinen Posten zurückkehren wird, wenn nicht gar Hr. v. Medem eine Abberufung erhält. Das diplomatische Corps soll Partei für Hrn. v. Medem genommen haben. Man begreift, daß fremde Botschafter nicht dulden können, daß Depeschen, die sie auf die Aeußerungen des Marschalls Soult abfertigen zu können glauben, am folgenden
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