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Allgemeine Zeitung. Nr. 56. Augsburg, 25. Februar 1840.

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den Käufern inländische Waaren von geringerer Qualität um theurere Preise liefern.

Vieles, so fährt Serristori fort, bleibt dem Gouvernement noch zu thun übrig, sowohl für die materielle als für die moralische Verbesserung des Volks, welches zu den ungebildetsten von ganz Italien gehört. Als höchst ungünstig muß in dieser Beziehung jede Centralisation der Geschäfte in Neapel angesehen werden; ein Blick auf die Karte zeigt für das Königreich Neapel den ganzen Nachtheil eines solchen Systems. Viel kann dagegen durch Eröffnung eines Freihafens am adriatischen Meer geschehen, doch müßten damit den Individuen aller Nationen, jedes Cultus und jedes Standes, reelle Erleichterungen gewährt werden, wie dieß in Livorno und in neuerer Zeit in Triest und Odessa der Fall war. Für die Hauptstraßen ist viel, weniger für die Provincial- und noch weniger für die Communalstraßen geschehen. So braucht z. B. ein Brief von Palermo nach Neapel im Sommer sieben Tage auf einem Wege von 385 Miglien; es kommen also nur 55 Miglien auf den Tag. Von Otranto nach Neapel ist ein Brief bei einer Entfernung von 282 Miglien fünf Tage unterwegs, während ein Brief von London nach Florenz über Paris, Turin und Genua nur zehn Tage, ja oft nur neun braucht, und 975 Miglien, täglich also 97 1/2 und bisweilen 108 2/9 Miglien macht. Briefe von Wien nach Florenz über Trient und Mantua brauchen auf einem Wege von 497 Miglien sieben Tage.

Eine Quelle bedeutenden Reichthums könnte für das Land eine wohl geordnete Benutzung der Bergwerke werden, woran man bisher noch nicht gedacht hat. Auch ist dieß nur zu erreichen, wenn einige Inländer in fremde Bergwerke gesandt werden. Daß in dem Königreich beider Sicilien Eisen, Kupfer, Blei u. s. w. gewonnen werden kann, bezweifelt Niemand; aber wo sind die Leute, welche wissen, wie jenseits der Berge gegraben und gegossen wird? Daneben wären Sparcassen, Primärschulen, Kinderasyle und solche Anstalten zu errichten, in denen die für Gewerbe und Industrie nöthigen Kenntnisse erlangt werden können und, als eine nicht unbedeutende Quelle menschlichen Elends, das Lotto ganz und gar abzuschaffen.

Es fehlt im Königreich Neapel an einem geometrischen Kataster, nach welchem die Abgaben von Ländereien auf gerechte Weise taxirt werden könnten. Das Areal wird deßhalb verschieden angegeben, zu 24,971 und zu 23,106 neapolitanischen Quadratmeilen. Die Ebene Puliens, il tavoliere genannt, eine der größten von ganz Italien, ist Staatseigenthum; ihre Oberfläche wird zu 74 neapolitanischen Quadratmeilen geschätzt. Vergleicht man zwei Epochen, das Jahr 1548 und 1825, unter einander, so ergibt sich in den Strecken, welche in einem Zeitraum von dreihundert Jahren für den Anbau gewonnen wurden, kein wesentlicher Unterschied. Nach Abzug der Administrationskosten liefert diese Ebene dem Fiscus jährlich 400,000 neapolitanische Ducaten. *)*) Durch die gänzliche Veräußerung dieses ungeheuren Besitzes wird allein für den Fiscus, für öffentliche und Privat-Interessen gesorgt seyn.

Ueber die Bevölkerung des Königreichs sind die verschiedenartigsten Angaben im Umlauf; man darf sich darüber nicht wundern, da selbst die Berichte der Regierungen in dieser Beziehung von einander abweichen. Ueber die Bevölkerung vor der französischen Herrschaft ist man schlechterdings ohne alle authentische Nachricht, ja selbst von den zehn Jahren, die diese bestand, ist uns nur die Bevölkerung von 1813, und diese auch nicht einmal genau bekannt. Später fehlt wieder das Jahr 1821, vermuthlich weil die damaligen Unruhen Angaben dieser Art unmöglich machten. Nach einer officiellen Mittheilung stand die Bevölkerung in einem Zeitraum von sechs Jahren also:
1820 5,207,373 Seelen,
1822 5,370,463 Seelen,
1823 5,436,433 Seelen,
1824 5,512,379 Seelen,
1825 5,599,802 Seelen,
1826 5,661,624 Seelen

Die Zahl von 6 Millionen ward zum erstenmal im Jahr 1834 erreicht, das eine Bevölkerung von 6,002,022 Seelen zählte; das Jahr 1835 hatte 6,098,385 Seelen, 1836 6,111,642, 1837 6,089,288. Während des Jahres 1838 fiel sie durch die Cholera auf 6,021,284 Individuen. In einem Zeitraum von siebenzehn Jahren nahm sie um 881,915 Köpfe zu, was auf jedes Hundert 16,95 und für das Durchschnittsjahr 51,877 gibt (1820-1837).

Unter den 6,002,022 Individuen des Jahres 1834 waren Unverehelichte männlichen Geschlechts 1,697,909, weiblichen 1,634,465, Verehelichte 2,215,834, Verwittwete männlichen Geschlechts 168,562, weiblichen 285,242, Kinder zu vierzehn Jahren 983,871, zu zwölf 943,760, Erwachsene männlichen Geschlechts 2,001,419, weiblichen 2,072,966, Militärpflichtige von 19-25 Jahren 478,480; Besitzer 993,864, Künstler, Gelehrte und wer sonst den freien Künsten lebt 75,094, Priester 27,144, Mönche 11,680, Nonnen 9773, Landleute 1,824,043, Handwerker und Gesinde 340,672, Fischer und Matrosen 54,110, Arme männlichen Geschlechts 95,859, weiblichen 112,761.

Durch das Concordat von 1818 wurden die 131 Diöcesen, welche nach dem Concordat von 1741 bestanden, auf 109 festgesetzt, von denen jetzt 86 als wirkliche angegeben sind. Als das Minimum jährlicher Einkünfte ward den Bischöfen die Summe von 3000 neapolitanischen Ducaten bestimmt, zugleich wurden die Gesetze der mano morta für aufgehoben erklärt, und den Kirchen somit der Ankauf von liegenden Gründen freigegeben. An Rom sollten jährlich 12,000 Ducaten aus den Einkünften der Bischöfe entrichtet werden. Die Zahl der Klöster, welche im Jahr 1807 und 1809 aufgehoben wurden, belief sich auf 219; das Vermögen, welches dem Staat dadurch zufloß, wird auf 150 Millionen Ducaten geschätzt. Nur die Bettlerorden, denen man keine Pensionen anweisen wollte, und einige Nonnenklöster, die Besitz hatten, ließ man bestehen; letztern nahm man die Güter, und wies ihnen dafür jährlich eine Summe Geldes an. Die Zahl der Klöster, welche seit dem Jahr 1818 neu errichtet wurden, läßt sich nicht genau angeben. Im Ganzen hat das Königreich 20 Erzbisthümer und 66 Bisthümer. Der weltliche und geistliche Clerus zählte im

Jahr 1806Priester 47,000,Mönche 25,000Nonnen 26,000. 1831" 27,622," 11,838," 10,299. 1834" 27,144," 11,680," 9,773. 1837" 26,304," 11,394," 9,512.

Es heißt, daß im Jahr 1799 eine Anzahl von 100,000 Individuen im Dienst der Kirche stand, deren jährliche Einkünfte sich auf 9 Millionen Ducaten belaufen haben sollen. Unirte Griechen befinden sich im Königreich gegen 75,000. Die Auswanderungen dieser albanesischen Griechen begannen schon mit dem Jahr 1453, und dauerten fort bis zu 1738; sie ließen sich besonders in den Abruzzen und in Calabrien nieder, wo sie ihre Nationaltracht und ihre Sprache zum größten Theil beibehielten, und dem Ritus der orientalischen Kirche, mit Anerkennung des Papstes, treu blieben. Ihre Priester können sich verehelichen, doch werden für die kirchlichen Functionen unverehelichte Geistliche vorgezogen. Die Zahl der in der Stadt Neapel ansässigen katholischen Griechen beläuft sich auf 400

*) Der neapolitanische Ducaten beträgt etwa 2 Gulden Augs. C.

den Käufern inländische Waaren von geringerer Qualität um theurere Preise liefern.

Vieles, so fährt Serristori fort, bleibt dem Gouvernement noch zu thun übrig, sowohl für die materielle als für die moralische Verbesserung des Volks, welches zu den ungebildetsten von ganz Italien gehört. Als höchst ungünstig muß in dieser Beziehung jede Centralisation der Geschäfte in Neapel angesehen werden; ein Blick auf die Karte zeigt für das Königreich Neapel den ganzen Nachtheil eines solchen Systems. Viel kann dagegen durch Eröffnung eines Freihafens am adriatischen Meer geschehen, doch müßten damit den Individuen aller Nationen, jedes Cultus und jedes Standes, reelle Erleichterungen gewährt werden, wie dieß in Livorno und in neuerer Zeit in Triest und Odessa der Fall war. Für die Hauptstraßen ist viel, weniger für die Provincial- und noch weniger für die Communalstraßen geschehen. So braucht z. B. ein Brief von Palermo nach Neapel im Sommer sieben Tage auf einem Wege von 385 Miglien; es kommen also nur 55 Miglien auf den Tag. Von Otranto nach Neapel ist ein Brief bei einer Entfernung von 282 Miglien fünf Tage unterwegs, während ein Brief von London nach Florenz über Paris, Turin und Genua nur zehn Tage, ja oft nur neun braucht, und 975 Miglien, täglich also 97 1/2 und bisweilen 108 2/9 Miglien macht. Briefe von Wien nach Florenz über Trient und Mantua brauchen auf einem Wege von 497 Miglien sieben Tage.

Eine Quelle bedeutenden Reichthums könnte für das Land eine wohl geordnete Benutzung der Bergwerke werden, woran man bisher noch nicht gedacht hat. Auch ist dieß nur zu erreichen, wenn einige Inländer in fremde Bergwerke gesandt werden. Daß in dem Königreich beider Sicilien Eisen, Kupfer, Blei u. s. w. gewonnen werden kann, bezweifelt Niemand; aber wo sind die Leute, welche wissen, wie jenseits der Berge gegraben und gegossen wird? Daneben wären Sparcassen, Primärschulen, Kinderasyle und solche Anstalten zu errichten, in denen die für Gewerbe und Industrie nöthigen Kenntnisse erlangt werden können und, als eine nicht unbedeutende Quelle menschlichen Elends, das Lotto ganz und gar abzuschaffen.

Es fehlt im Königreich Neapel an einem geometrischen Kataster, nach welchem die Abgaben von Ländereien auf gerechte Weise taxirt werden könnten. Das Areal wird deßhalb verschieden angegeben, zu 24,971 und zu 23,106 neapolitanischen Quadratmeilen. Die Ebene Puliens, il tavoliere genannt, eine der größten von ganz Italien, ist Staatseigenthum; ihre Oberfläche wird zu 74 neapolitanischen Quadratmeilen geschätzt. Vergleicht man zwei Epochen, das Jahr 1548 und 1825, unter einander, so ergibt sich in den Strecken, welche in einem Zeitraum von dreihundert Jahren für den Anbau gewonnen wurden, kein wesentlicher Unterschied. Nach Abzug der Administrationskosten liefert diese Ebene dem Fiscus jährlich 400,000 neapolitanische Ducaten. *)*) Durch die gänzliche Veräußerung dieses ungeheuren Besitzes wird allein für den Fiscus, für öffentliche und Privat-Interessen gesorgt seyn.

Ueber die Bevölkerung des Königreichs sind die verschiedenartigsten Angaben im Umlauf; man darf sich darüber nicht wundern, da selbst die Berichte der Regierungen in dieser Beziehung von einander abweichen. Ueber die Bevölkerung vor der französischen Herrschaft ist man schlechterdings ohne alle authentische Nachricht, ja selbst von den zehn Jahren, die diese bestand, ist uns nur die Bevölkerung von 1813, und diese auch nicht einmal genau bekannt. Später fehlt wieder das Jahr 1821, vermuthlich weil die damaligen Unruhen Angaben dieser Art unmöglich machten. Nach einer officiellen Mittheilung stand die Bevölkerung in einem Zeitraum von sechs Jahren also:
1820 5,207,373 Seelen,
1822 5,370,463 Seelen,
1823 5,436,433 Seelen,
1824 5,512,379 Seelen,
1825 5,599,802 Seelen,
1826 5,661,624 Seelen

Die Zahl von 6 Millionen ward zum erstenmal im Jahr 1834 erreicht, das eine Bevölkerung von 6,002,022 Seelen zählte; das Jahr 1835 hatte 6,098,385 Seelen, 1836 6,111,642, 1837 6,089,288. Während des Jahres 1838 fiel sie durch die Cholera auf 6,021,284 Individuen. In einem Zeitraum von siebenzehn Jahren nahm sie um 881,915 Köpfe zu, was auf jedes Hundert 16,95 und für das Durchschnittsjahr 51,877 gibt (1820-1837).

Unter den 6,002,022 Individuen des Jahres 1834 waren Unverehelichte männlichen Geschlechts 1,697,909, weiblichen 1,634,465, Verehelichte 2,215,834, Verwittwete männlichen Geschlechts 168,562, weiblichen 285,242, Kinder zu vierzehn Jahren 983,871, zu zwölf 943,760, Erwachsene männlichen Geschlechts 2,001,419, weiblichen 2,072,966, Militärpflichtige von 19-25 Jahren 478,480; Besitzer 993,864, Künstler, Gelehrte und wer sonst den freien Künsten lebt 75,094, Priester 27,144, Mönche 11,680, Nonnen 9773, Landleute 1,824,043, Handwerker und Gesinde 340,672, Fischer und Matrosen 54,110, Arme männlichen Geschlechts 95,859, weiblichen 112,761.

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Jahr 1806Priester 47,000,Mönche 25,000Nonnen 26,000. 1831〃 27,622,〃 11,838,〃 10,299. 1834〃 27,144,〃 11,680,〃 9,773. 1837〃 26,304,〃 11,394,〃 9,512.

Es heißt, daß im Jahr 1799 eine Anzahl von 100,000 Individuen im Dienst der Kirche stand, deren jährliche Einkünfte sich auf 9 Millionen Ducaten belaufen haben sollen. Unirte Griechen befinden sich im Königreich gegen 75,000. Die Auswanderungen dieser albanesischen Griechen begannen schon mit dem Jahr 1453, und dauerten fort bis zu 1738; sie ließen sich besonders in den Abruzzen und in Calabrien nieder, wo sie ihre Nationaltracht und ihre Sprache zum größten Theil beibehielten, und dem Ritus der orientalischen Kirche, mit Anerkennung des Papstes, treu blieben. Ihre Priester können sich verehelichen, doch werden für die kirchlichen Functionen unverehelichte Geistliche vorgezogen. Die Zahl der in der Stadt Neapel ansässigen katholischen Griechen beläuft sich auf 400

*) Der neapolitanische Ducaten beträgt etwa 2 Gulden Augs. C.
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[0445/0013] den Käufern inländische Waaren von geringerer Qualität um theurere Preise liefern. Vieles, so fährt Serristori fort, bleibt dem Gouvernement noch zu thun übrig, sowohl für die materielle als für die moralische Verbesserung des Volks, welches zu den ungebildetsten von ganz Italien gehört. Als höchst ungünstig muß in dieser Beziehung jede Centralisation der Geschäfte in Neapel angesehen werden; ein Blick auf die Karte zeigt für das Königreich Neapel den ganzen Nachtheil eines solchen Systems. Viel kann dagegen durch Eröffnung eines Freihafens am adriatischen Meer geschehen, doch müßten damit den Individuen aller Nationen, jedes Cultus und jedes Standes, reelle Erleichterungen gewährt werden, wie dieß in Livorno und in neuerer Zeit in Triest und Odessa der Fall war. Für die Hauptstraßen ist viel, weniger für die Provincial- und noch weniger für die Communalstraßen geschehen. So braucht z. B. ein Brief von Palermo nach Neapel im Sommer sieben Tage auf einem Wege von 385 Miglien; es kommen also nur 55 Miglien auf den Tag. Von Otranto nach Neapel ist ein Brief bei einer Entfernung von 282 Miglien fünf Tage unterwegs, während ein Brief von London nach Florenz über Paris, Turin und Genua nur zehn Tage, ja oft nur neun braucht, und 975 Miglien, täglich also 97 1/2 und bisweilen 108 2/9 Miglien macht. Briefe von Wien nach Florenz über Trient und Mantua brauchen auf einem Wege von 497 Miglien sieben Tage. Eine Quelle bedeutenden Reichthums könnte für das Land eine wohl geordnete Benutzung der Bergwerke werden, woran man bisher noch nicht gedacht hat. Auch ist dieß nur zu erreichen, wenn einige Inländer in fremde Bergwerke gesandt werden. Daß in dem Königreich beider Sicilien Eisen, Kupfer, Blei u. s. w. gewonnen werden kann, bezweifelt Niemand; aber wo sind die Leute, welche wissen, wie jenseits der Berge gegraben und gegossen wird? 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Nach Abzug der Administrationskosten liefert diese Ebene dem Fiscus jährlich 400,000 neapolitanische Ducaten. *) *) Durch die gänzliche Veräußerung dieses ungeheuren Besitzes wird allein für den Fiscus, für öffentliche und Privat-Interessen gesorgt seyn. Ueber die Bevölkerung des Königreichs sind die verschiedenartigsten Angaben im Umlauf; man darf sich darüber nicht wundern, da selbst die Berichte der Regierungen in dieser Beziehung von einander abweichen. Ueber die Bevölkerung vor der französischen Herrschaft ist man schlechterdings ohne alle authentische Nachricht, ja selbst von den zehn Jahren, die diese bestand, ist uns nur die Bevölkerung von 1813, und diese auch nicht einmal genau bekannt. Später fehlt wieder das Jahr 1821, vermuthlich weil die damaligen Unruhen Angaben dieser Art unmöglich machten. Nach einer officiellen Mittheilung stand die Bevölkerung in einem Zeitraum von sechs Jahren also: 1820 5,207,373 Seelen, 1822 5,370,463 Seelen, 1823 5,436,433 Seelen, 1824 5,512,379 Seelen, 1825 5,599,802 Seelen, 1826 5,661,624 Seelen Die Zahl von 6 Millionen ward zum erstenmal im Jahr 1834 erreicht, das eine Bevölkerung von 6,002,022 Seelen zählte; das Jahr 1835 hatte 6,098,385 Seelen, 1836 6,111,642, 1837 6,089,288. Während des Jahres 1838 fiel sie durch die Cholera auf 6,021,284 Individuen. In einem Zeitraum von siebenzehn Jahren nahm sie um 881,915 Köpfe zu, was auf jedes Hundert 16,95 und für das Durchschnittsjahr 51,877 gibt (1820-1837). Unter den 6,002,022 Individuen des Jahres 1834 waren Unverehelichte männlichen Geschlechts 1,697,909, weiblichen 1,634,465, Verehelichte 2,215,834, Verwittwete männlichen Geschlechts 168,562, weiblichen 285,242, Kinder zu vierzehn Jahren 983,871, zu zwölf 943,760, Erwachsene männlichen Geschlechts 2,001,419, weiblichen 2,072,966, Militärpflichtige von 19-25 Jahren 478,480; Besitzer 993,864, Künstler, Gelehrte und wer sonst den freien Künsten lebt 75,094, Priester 27,144, Mönche 11,680, Nonnen 9773, Landleute 1,824,043, Handwerker und Gesinde 340,672, Fischer und Matrosen 54,110, Arme männlichen Geschlechts 95,859, weiblichen 112,761. Durch das Concordat von 1818 wurden die 131 Diöcesen, welche nach dem Concordat von 1741 bestanden, auf 109 festgesetzt, von denen jetzt 86 als wirkliche angegeben sind. Als das Minimum jährlicher Einkünfte ward den Bischöfen die Summe von 3000 neapolitanischen Ducaten bestimmt, zugleich wurden die Gesetze der mano morta für aufgehoben erklärt, und den Kirchen somit der Ankauf von liegenden Gründen freigegeben. An Rom sollten jährlich 12,000 Ducaten aus den Einkünften der Bischöfe entrichtet werden. Die Zahl der Klöster, welche im Jahr 1807 und 1809 aufgehoben wurden, belief sich auf 219; das Vermögen, welches dem Staat dadurch zufloß, wird auf 150 Millionen Ducaten geschätzt. Nur die Bettlerorden, denen man keine Pensionen anweisen wollte, und einige Nonnenklöster, die Besitz hatten, ließ man bestehen; letztern nahm man die Güter, und wies ihnen dafür jährlich eine Summe Geldes an. Die Zahl der Klöster, welche seit dem Jahr 1818 neu errichtet wurden, läßt sich nicht genau angeben. Im Ganzen hat das Königreich 20 Erzbisthümer und 66 Bisthümer. Der weltliche und geistliche Clerus zählte im Jahr 1806 Priester 47,000, Mönche 25,000 Nonnen 26,000. 1831 〃 27,622, 〃 11,838, 〃 10,299. 1834 〃 27,144, 〃 11,680, 〃 9,773. 1837 〃 26,304, 〃 11,394, 〃 9,512. Es heißt, daß im Jahr 1799 eine Anzahl von 100,000 Individuen im Dienst der Kirche stand, deren jährliche Einkünfte sich auf 9 Millionen Ducaten belaufen haben sollen. Unirte Griechen befinden sich im Königreich gegen 75,000. Die Auswanderungen dieser albanesischen Griechen begannen schon mit dem Jahr 1453, und dauerten fort bis zu 1738; sie ließen sich besonders in den Abruzzen und in Calabrien nieder, wo sie ihre Nationaltracht und ihre Sprache zum größten Theil beibehielten, und dem Ritus der orientalischen Kirche, mit Anerkennung des Papstes, treu blieben. Ihre Priester können sich verehelichen, doch werden für die kirchlichen Functionen unverehelichte Geistliche vorgezogen. Die Zahl der in der Stadt Neapel ansässigen katholischen Griechen beläuft sich auf 400 *) Der neapolitanische Ducaten beträgt etwa 2 Gulden Augs. C.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 56. Augsburg, 25. Februar 1840, S. 0445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_056_18400225/13>, abgerufen am 21.11.2024.