Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 57. Augsburg, 26. Februar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

hatte entschuldigen lassen. Die übrigen achtzehn wählten einstimmig den vormaligen Justizrath v. Bothmer, jetzigen zweiten Beamten beim königlichen Amte Rethem. Dieser hier sehr geachtete Mann war bekanntlich zu derjenigen Commission berufen, welche im Junius 1837 die Rechtsgültigkeit des Staatsgrundgesetzes von 1833 prüfen sollte, und stimmte damals für die Rechtsgültigkeit desselben. - Der Curator der Universität leitete als königl. Wahlcommissär die Wahl. - Die Stadt Göttingen kann wegen Mangels eines Wahlmanns noch nicht wählen, das Beispiel der Universität wird aber in jeder Beziehung von Einfluß auf sie seyn.

Türkei.

Der Streit über das Gesetzgebungsrecht in Ehesachen zwischen Kirche und Staat dehnt sich nun auch auf den Orient aus. Die Pforte ist berufen hierhin einzugreifen. Es ließ nämlich der hiesige griechische Patriarch sich einfallen, gewisse gesetzwidrige Vorgänge in Jonien, in Folge deren einige griechische Geistliche auf Zante und Corfu die Zulässigkeit gemischter Ehen unter Christen verschiedener Confessionen an Bedingungen knüpften, die durch kein geschriebenes Gesetz, durch keine Observanz gerechtfertigt werden, zu benützen, um das Benehmen dieser Geistlichen gut zu heißen und so eine feindselige Haltung gegen die jonische Regierung anzunehmen. Lord Ponsonby dringt auf Absetzung des Patriarchen. Dagegen nimmt sich Hr. v. Butenieff sehr warm des letztern an, und versucht das Mögliche, um die Sache zu schlichten. Die Pforte soll seit einigen Wochen eine große Verstimmung gegen den Patriarchen nähren, so daß seine Destitution längst ausgesprochen wäre, falls man hier ungehindert nach eigenen Ansichten hätte handeln können. - Fürst Michael Obrenowitsch verläßt dieser Tage Konstantinopel. Er wurde von der Pforte mit einer Auszeichnung behandelt, die zur Genüge beweist, daß sie mit ängstlicher Sorgfalt sich seiner Anhänglichkeit zu versichern strebt. Der Fürst wurde zum Muschir erhoben, und ihm der Titel "Hoheit" verliehen.

Der Großwessier ist in rascher Convalescenz begriffen; man hofft, daß er binnen kurzem seine hohen Functionen wieder antreten werde. - Die größte Unruhe und Ungewißheit herrscht hier hinsichtlich der Resultate der Londoner Unterhandlungen. Lord Ponsonby hat keine geringe Aufgabe, die Besorgnisse der Pforte zu beschwichtigen und ihren sinkenden Muth aufrecht zu halten. Offenbar nimmt die Verwickelung von Tag zu Tag zu. Die Expedition der Russen nach Khiwa und der Eindruck, den dieses Unternehmen in London und in Indien hervorbringen mußte, die Befehle, die an die anglo-indischen Truppen ergingen, am rechten Ufer des Indus stehen zu bleiben, die Zwistigkeiten, die sich zwischen Großbritannien und China ergeben haben, und die dem englischen Handel zum Abbruch, dem russischen hingegen zum Vortheil gereichen müssen, der Fanatismus der griechischen Kirche, der selbst in Jonien sich regt, und Ponsonby und Butenieff zu manchen diplomatischen Schritten in den letzten Tagen Veranlassung gaben, die Nachrichten, die man aus Athen über die Untersuchung der Umtriebe der orthodoxen Hetärie und über ihre Ergebnisse fortwährend erhält, das auffallende Bestreben des russischen Botschafters, das Vertrauen und die Zuneigung des hier anwesenden Fürsten von Serbien zu gewinnen, die geschwächten Verhältnisse der Pforte zur Moldau und Wallachei, die beständige Gährung in den albanesischen und in den Gebirgsländern der Herzogewina, die Aufregung der Gemüther in Epirus, Thessalien, Macedonien - alles dieß zusammengefaßt erfüllt die Pforte mit Besorgnissen, indem sie den mächtigen Riß in den Interessen gewahrt, und läßt die türkischen Machthaber eine aufrichtige Verbindung Englands und Rußlands als höchst unwahrscheinlich betrachten. Auf der andern Seite können sie durchaus nicht absehen, wie in dem Falle, daß sich die Londoner Conferenzen zerschlagen sollten und Hr. v. Brunnow wieder unverrichteter Dinge nach dem Continent zurückzukehren genöthigt wäre, eine Verständigung Großbritanniens mit Frankreich bewirkt werden könne. Frankreich will dem Vicekönig sein gegenwärtiges factisches Besitzthum sichern, und nach dem Gange seiner Politik zu urtheilen, ist kaum anzunehmen, daß es zu bedeutenden Concessionen für die Pforte sich herbeilassen werde; England will den Pascha bis hinter die ägyptisch-syrischen Gränzen zurückdrängen und glaubt, daß das Zugeständniß des Paschaliks von Acre für Mehemed Ali das Höchste sey, was man ihm gewähren könne. Ohne die Weltinteressen, die sich an diese Frage knüpfen, und die sich hinsichtlich Frankreichs und Englands nie werden vereinigen lassen, weist schon die materielle Frage an sich auf die mächtige Divergenz hin, die in dieser Rücksicht obwaltet. Dazu kommen noch die Besorgniß erregenden Rüstungen Frankreichs, die feindselige, entschlossene Stellung, die Mehemed Ali einnimmt, um die gegründeten Besorgnisse der Pforte zu steigern, so daß man sich billig verwundern muß, wenn diese den Kopf nicht verliert und zu dem verzweifeltsten aller Mittel greift, dem der directen Unterhandlungen mit dem ägyptischen Pascha. Ich stehe nicht an, eine solche Auskunft für eine verzweifelte anzusehen, denn man würde in einem solchen Falle erleben, daß die Pforte Alles preisgäbe, in der irrthümlichen Erwartung, so aus dem ungewissen, bedrohlichen Zustande treten zu können. Es dürfte dieser Moment nicht mehr so ferne seyn, als man gemeiniglich wähnt; tritt er aber ein, so wird man die traurige Ueberzeugung gewinnen, daß die Folgen eines directen Arrangements mit dem Pascha das größte Verderben über das ottomanische Reich bringen werden. - Man hatte noch bis gestern mit Sicherheit darauf gezählt, daß die Marseiller Post Nachrichten von dem Fortgange, vielleicht von in London erlangten Resultaten bringen werde; die Post ist angekommen, brachte aber nicht das Geringste darüber mit. Der unerträgliche Zustand der Ungewißheit dauert mithin fort, und obwohl man anfängt, die früher gehegten Hoffnungen aufzugeben, so sehnt man sich doch nach baldiger Lösung der Zweifel, in denen man sich befangen sieht. - Aus Alexandrien nichts Neues. - Der Internuntius gab am Montag seinen zweiten Ball, der glänzender als der erste war. Außer dem diplomatischen Corps erschienen dabei sämmtliche türkische Minister.

Nicht ohne Befremden hat man hier einen von der Allgemeinen Zeitung (vom 12 v. M.) wiedergegebenen Artikel des Marseiller Semaphore gelesen, worin erzählt wurde: "daß der Orden des Nischan Iftichar dem Bajazzo des Circus, Monsieur Soulier, von dem Sultan, als ein Zeichen der Anerkennung für das Vergnügen, verliehen worden, das ihm seine Leistungen gewährten." Zuvörderst ist zu bemerken, daß Hr. Soulier nicht der Bajazzo, sondern der Director der hier befindlichen Kunstreitertruppe ist; dann ist ihm nicht das Nischani Iftichar, sondern ein von diesem Orden ganz verschiedenes Ehrenzeichen von dem Sultan verliehen worden, und zwar aus dem Grunde, weil er Sr. Hoh. Unterricht in der Reitkunst ertheilt hatte.

Ostindien.

Die Eroberung von Kelat ist ein Ereigniß von großer Wichtigkeit, theils wegen ihrer directen

hatte entschuldigen lassen. Die übrigen achtzehn wählten einstimmig den vormaligen Justizrath v. Bothmer, jetzigen zweiten Beamten beim königlichen Amte Rethem. Dieser hier sehr geachtete Mann war bekanntlich zu derjenigen Commission berufen, welche im Junius 1837 die Rechtsgültigkeit des Staatsgrundgesetzes von 1833 prüfen sollte, und stimmte damals für die Rechtsgültigkeit desselben. – Der Curator der Universität leitete als königl. Wahlcommissär die Wahl. – Die Stadt Göttingen kann wegen Mangels eines Wahlmanns noch nicht wählen, das Beispiel der Universität wird aber in jeder Beziehung von Einfluß auf sie seyn.

Türkei.

Der Streit über das Gesetzgebungsrecht in Ehesachen zwischen Kirche und Staat dehnt sich nun auch auf den Orient aus. Die Pforte ist berufen hierhin einzugreifen. Es ließ nämlich der hiesige griechische Patriarch sich einfallen, gewisse gesetzwidrige Vorgänge in Jonien, in Folge deren einige griechische Geistliche auf Zante und Corfu die Zulässigkeit gemischter Ehen unter Christen verschiedener Confessionen an Bedingungen knüpften, die durch kein geschriebenes Gesetz, durch keine Observanz gerechtfertigt werden, zu benützen, um das Benehmen dieser Geistlichen gut zu heißen und so eine feindselige Haltung gegen die jonische Regierung anzunehmen. Lord Ponsonby dringt auf Absetzung des Patriarchen. Dagegen nimmt sich Hr. v. Butenieff sehr warm des letztern an, und versucht das Mögliche, um die Sache zu schlichten. Die Pforte soll seit einigen Wochen eine große Verstimmung gegen den Patriarchen nähren, so daß seine Destitution längst ausgesprochen wäre, falls man hier ungehindert nach eigenen Ansichten hätte handeln können. – Fürst Michael Obrenowitsch verläßt dieser Tage Konstantinopel. Er wurde von der Pforte mit einer Auszeichnung behandelt, die zur Genüge beweist, daß sie mit ängstlicher Sorgfalt sich seiner Anhänglichkeit zu versichern strebt. Der Fürst wurde zum Muschir erhoben, und ihm der Titel „Hoheit“ verliehen.

Der Großwessier ist in rascher Convalescenz begriffen; man hofft, daß er binnen kurzem seine hohen Functionen wieder antreten werde. – Die größte Unruhe und Ungewißheit herrscht hier hinsichtlich der Resultate der Londoner Unterhandlungen. Lord Ponsonby hat keine geringe Aufgabe, die Besorgnisse der Pforte zu beschwichtigen und ihren sinkenden Muth aufrecht zu halten. Offenbar nimmt die Verwickelung von Tag zu Tag zu. Die Expedition der Russen nach Khiwa und der Eindruck, den dieses Unternehmen in London und in Indien hervorbringen mußte, die Befehle, die an die anglo-indischen Truppen ergingen, am rechten Ufer des Indus stehen zu bleiben, die Zwistigkeiten, die sich zwischen Großbritannien und China ergeben haben, und die dem englischen Handel zum Abbruch, dem russischen hingegen zum Vortheil gereichen müssen, der Fanatismus der griechischen Kirche, der selbst in Jonien sich regt, und Ponsonby und Butenieff zu manchen diplomatischen Schritten in den letzten Tagen Veranlassung gaben, die Nachrichten, die man aus Athen über die Untersuchung der Umtriebe der orthodoxen Hetärie und über ihre Ergebnisse fortwährend erhält, das auffallende Bestreben des russischen Botschafters, das Vertrauen und die Zuneigung des hier anwesenden Fürsten von Serbien zu gewinnen, die geschwächten Verhältnisse der Pforte zur Moldau und Wallachei, die beständige Gährung in den albanesischen und in den Gebirgsländern der Herzogewina, die Aufregung der Gemüther in Epirus, Thessalien, Macedonien – alles dieß zusammengefaßt erfüllt die Pforte mit Besorgnissen, indem sie den mächtigen Riß in den Interessen gewahrt, und läßt die türkischen Machthaber eine aufrichtige Verbindung Englands und Rußlands als höchst unwahrscheinlich betrachten. Auf der andern Seite können sie durchaus nicht absehen, wie in dem Falle, daß sich die Londoner Conferenzen zerschlagen sollten und Hr. v. Brunnow wieder unverrichteter Dinge nach dem Continent zurückzukehren genöthigt wäre, eine Verständigung Großbritanniens mit Frankreich bewirkt werden könne. Frankreich will dem Vicekönig sein gegenwärtiges factisches Besitzthum sichern, und nach dem Gange seiner Politik zu urtheilen, ist kaum anzunehmen, daß es zu bedeutenden Concessionen für die Pforte sich herbeilassen werde; England will den Pascha bis hinter die ägyptisch-syrischen Gränzen zurückdrängen und glaubt, daß das Zugeständniß des Paschaliks von Acre für Mehemed Ali das Höchste sey, was man ihm gewähren könne. Ohne die Weltinteressen, die sich an diese Frage knüpfen, und die sich hinsichtlich Frankreichs und Englands nie werden vereinigen lassen, weist schon die materielle Frage an sich auf die mächtige Divergenz hin, die in dieser Rücksicht obwaltet. Dazu kommen noch die Besorgniß erregenden Rüstungen Frankreichs, die feindselige, entschlossene Stellung, die Mehemed Ali einnimmt, um die gegründeten Besorgnisse der Pforte zu steigern, so daß man sich billig verwundern muß, wenn diese den Kopf nicht verliert und zu dem verzweifeltsten aller Mittel greift, dem der directen Unterhandlungen mit dem ägyptischen Pascha. Ich stehe nicht an, eine solche Auskunft für eine verzweifelte anzusehen, denn man würde in einem solchen Falle erleben, daß die Pforte Alles preisgäbe, in der irrthümlichen Erwartung, so aus dem ungewissen, bedrohlichen Zustande treten zu können. Es dürfte dieser Moment nicht mehr so ferne seyn, als man gemeiniglich wähnt; tritt er aber ein, so wird man die traurige Ueberzeugung gewinnen, daß die Folgen eines directen Arrangements mit dem Pascha das größte Verderben über das ottomanische Reich bringen werden. – Man hatte noch bis gestern mit Sicherheit darauf gezählt, daß die Marseiller Post Nachrichten von dem Fortgange, vielleicht von in London erlangten Resultaten bringen werde; die Post ist angekommen, brachte aber nicht das Geringste darüber mit. Der unerträgliche Zustand der Ungewißheit dauert mithin fort, und obwohl man anfängt, die früher gehegten Hoffnungen aufzugeben, so sehnt man sich doch nach baldiger Lösung der Zweifel, in denen man sich befangen sieht. – Aus Alexandrien nichts Neues. – Der Internuntius gab am Montag seinen zweiten Ball, der glänzender als der erste war. Außer dem diplomatischen Corps erschienen dabei sämmtliche türkische Minister.

Nicht ohne Befremden hat man hier einen von der Allgemeinen Zeitung (vom 12 v. M.) wiedergegebenen Artikel des Marseiller Semaphore gelesen, worin erzählt wurde: „daß der Orden des Nischan Iftichar dem Bajazzo des Circus, Monsieur Soulier, von dem Sultan, als ein Zeichen der Anerkennung für das Vergnügen, verliehen worden, das ihm seine Leistungen gewährten.“ Zuvörderst ist zu bemerken, daß Hr. Soulier nicht der Bajazzo, sondern der Director der hier befindlichen Kunstreitertruppe ist; dann ist ihm nicht das Nischani Iftichar, sondern ein von diesem Orden ganz verschiedenes Ehrenzeichen von dem Sultan verliehen worden, und zwar aus dem Grunde, weil er Sr. Hoh. Unterricht in der Reitkunst ertheilt hatte.

Ostindien.

Die Eroberung von Kelat ist ein Ereigniß von großer Wichtigkeit, theils wegen ihrer directen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <p><pb facs="#f0007" n="0455"/>
hatte entschuldigen lassen. Die übrigen achtzehn wählten <hi rendition="#g">einstimmig</hi> den vormaligen Justizrath v. <hi rendition="#g">Bothmer</hi>, jetzigen zweiten Beamten beim königlichen Amte Rethem. Dieser hier sehr geachtete Mann war bekanntlich zu derjenigen Commission berufen, welche im Junius 1837 die Rechtsgültigkeit des Staatsgrundgesetzes von 1833 prüfen sollte, und stimmte damals für die Rechtsgültigkeit desselben. &#x2013; Der Curator der Universität leitete als königl. Wahlcommissär die Wahl. &#x2013; Die Stadt Göttingen kann wegen Mangels eines Wahlmanns noch nicht wählen, das Beispiel der Universität wird aber in jeder Beziehung von Einfluß auf sie seyn.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Türkei.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Konstantinopel,</hi> 5 Febr.</dateline>
          <p> Der Streit über das Gesetzgebungsrecht in Ehesachen zwischen Kirche und Staat dehnt sich nun auch auf den Orient aus. Die Pforte ist berufen hierhin einzugreifen. Es ließ nämlich der hiesige griechische Patriarch sich einfallen, gewisse gesetzwidrige Vorgänge in Jonien, in Folge deren einige griechische Geistliche auf Zante und Corfu die Zulässigkeit gemischter Ehen unter Christen verschiedener Confessionen an Bedingungen knüpften, die durch kein geschriebenes Gesetz, durch keine Observanz gerechtfertigt werden, zu benützen, um das Benehmen dieser Geistlichen gut zu heißen und so eine feindselige Haltung gegen die jonische Regierung anzunehmen. Lord Ponsonby dringt auf Absetzung des Patriarchen. Dagegen nimmt sich Hr. v. Butenieff sehr warm des letztern an, und versucht das Mögliche, um die Sache zu schlichten. Die Pforte soll seit einigen Wochen eine große Verstimmung gegen den Patriarchen nähren, so daß seine Destitution längst ausgesprochen wäre, falls man hier ungehindert nach eigenen Ansichten hätte handeln können. &#x2013; Fürst Michael Obrenowitsch verläßt dieser Tage Konstantinopel. Er wurde von der Pforte mit einer Auszeichnung behandelt, die zur Genüge beweist, daß sie mit ängstlicher Sorgfalt sich seiner Anhänglichkeit zu versichern strebt. Der Fürst wurde zum Muschir erhoben, und ihm der Titel &#x201E;Hoheit&#x201C; verliehen.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Konstantinopel,</hi> 5 Febr.</dateline>
          <p> Der Großwessier ist in rascher Convalescenz begriffen; man hofft, daß er binnen kurzem seine hohen Functionen wieder antreten werde. &#x2013; Die größte Unruhe und Ungewißheit herrscht hier hinsichtlich der Resultate der Londoner Unterhandlungen. Lord Ponsonby hat keine geringe Aufgabe, die Besorgnisse der Pforte zu beschwichtigen und ihren sinkenden Muth aufrecht zu halten. Offenbar nimmt die Verwickelung von Tag zu Tag zu. Die Expedition der Russen nach Khiwa und der Eindruck, den dieses Unternehmen in London und in Indien hervorbringen mußte, die Befehle, die an die anglo-indischen Truppen ergingen, am rechten Ufer des Indus stehen zu bleiben, die Zwistigkeiten, die sich zwischen Großbritannien und China ergeben haben, und die dem englischen Handel zum Abbruch, dem russischen hingegen zum Vortheil gereichen müssen, der Fanatismus der griechischen Kirche, der selbst in Jonien sich regt, und Ponsonby und Butenieff zu manchen diplomatischen Schritten in den letzten Tagen Veranlassung gaben, die Nachrichten, die man aus Athen über die Untersuchung der Umtriebe der orthodoxen Hetärie und über ihre Ergebnisse fortwährend erhält, das auffallende Bestreben des russischen Botschafters, das Vertrauen und die Zuneigung des hier anwesenden Fürsten von Serbien zu gewinnen, die geschwächten Verhältnisse der Pforte zur Moldau und Wallachei, die beständige Gährung in den albanesischen und in den Gebirgsländern der Herzogewina, die Aufregung der Gemüther in Epirus, Thessalien, Macedonien &#x2013; alles dieß zusammengefaßt erfüllt die Pforte mit Besorgnissen, indem sie den mächtigen Riß in den Interessen gewahrt, und läßt die türkischen Machthaber eine aufrichtige Verbindung Englands und Rußlands als höchst unwahrscheinlich betrachten. Auf der andern Seite können sie durchaus nicht absehen, wie in dem Falle, daß sich die Londoner Conferenzen zerschlagen sollten und Hr. v. Brunnow wieder unverrichteter Dinge nach dem Continent zurückzukehren genöthigt wäre, eine Verständigung Großbritanniens mit Frankreich bewirkt werden könne. Frankreich will dem Vicekönig sein gegenwärtiges factisches Besitzthum sichern, und nach dem Gange seiner Politik zu urtheilen, ist kaum anzunehmen, daß es zu bedeutenden Concessionen für die Pforte sich herbeilassen werde; England will den Pascha bis hinter die ägyptisch-syrischen Gränzen zurückdrängen und glaubt, daß das Zugeständniß des Paschaliks von Acre für Mehemed Ali das Höchste sey, was man ihm gewähren könne. Ohne die Weltinteressen, die sich an diese Frage knüpfen, und die sich hinsichtlich Frankreichs und Englands nie werden vereinigen lassen, weist schon die materielle Frage an sich auf die mächtige Divergenz hin, die in dieser Rücksicht obwaltet. Dazu kommen noch die Besorgniß erregenden Rüstungen Frankreichs, die feindselige, entschlossene Stellung, die Mehemed Ali einnimmt, um die gegründeten Besorgnisse der Pforte zu steigern, so daß man sich billig verwundern muß, wenn diese den Kopf nicht verliert und zu dem verzweifeltsten aller Mittel greift, dem der directen Unterhandlungen mit dem ägyptischen Pascha. Ich stehe nicht an, eine solche Auskunft für eine verzweifelte anzusehen, denn man würde in einem solchen Falle erleben, daß die Pforte Alles preisgäbe, in der irrthümlichen Erwartung, so aus dem ungewissen, bedrohlichen Zustande treten zu können. Es dürfte dieser Moment nicht mehr so ferne seyn, als man gemeiniglich wähnt; tritt er aber ein, so wird man die traurige Ueberzeugung gewinnen, daß die Folgen eines directen Arrangements mit dem Pascha das größte Verderben über das ottomanische Reich bringen werden. &#x2013; Man hatte noch bis gestern mit Sicherheit darauf gezählt, daß die Marseiller Post Nachrichten von dem Fortgange, vielleicht von in London erlangten Resultaten bringen werde; die Post ist angekommen, brachte aber nicht das Geringste darüber mit. Der unerträgliche Zustand der Ungewißheit dauert mithin fort, und obwohl man anfängt, die früher gehegten Hoffnungen aufzugeben, so sehnt man sich doch nach baldiger Lösung der Zweifel, in denen man sich befangen sieht. &#x2013; Aus Alexandrien nichts Neues. &#x2013; Der Internuntius gab am Montag seinen zweiten Ball, der glänzender als der erste war. Außer dem diplomatischen Corps erschienen dabei sämmtliche türkische Minister.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Konstantinopel,</hi> 5 Febr.</dateline>
          <p> Nicht ohne Befremden hat man hier einen von der Allgemeinen Zeitung (vom 12 v. M.) wiedergegebenen Artikel des Marseiller <hi rendition="#g">Semaphore</hi> gelesen, worin erzählt wurde: &#x201E;daß der <hi rendition="#g">Orden des Nischan Iftichar</hi> dem <hi rendition="#g">Bajazzo</hi> des Circus, <hi rendition="#g">Monsieur Soulier</hi>, von dem Sultan, als ein Zeichen der Anerkennung für das Vergnügen, verliehen worden, das ihm seine Leistungen gewährten.&#x201C; Zuvörderst ist zu bemerken, daß Hr. <hi rendition="#g">Soulier</hi> nicht der <hi rendition="#g">Bajazzo</hi>, sondern der <hi rendition="#g">Director</hi> der hier befindlichen Kunstreitertruppe ist; dann ist ihm nicht das Nischani Iftichar, sondern ein von diesem <hi rendition="#g">Orden</hi> ganz verschiedenes <hi rendition="#g">Ehrenzeichen</hi> von dem Sultan verliehen worden, und zwar aus dem Grunde, weil er Sr. Hoh. Unterricht in der Reitkunst ertheilt hatte.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Ostindien.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Bombay,</hi> 27 Dec.</dateline>
          <p> Die Eroberung von Kelat ist ein Ereigniß von großer Wichtigkeit, theils wegen ihrer directen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0455/0007] hatte entschuldigen lassen. Die übrigen achtzehn wählten einstimmig den vormaligen Justizrath v. Bothmer, jetzigen zweiten Beamten beim königlichen Amte Rethem. Dieser hier sehr geachtete Mann war bekanntlich zu derjenigen Commission berufen, welche im Junius 1837 die Rechtsgültigkeit des Staatsgrundgesetzes von 1833 prüfen sollte, und stimmte damals für die Rechtsgültigkeit desselben. – Der Curator der Universität leitete als königl. Wahlcommissär die Wahl. – Die Stadt Göttingen kann wegen Mangels eines Wahlmanns noch nicht wählen, das Beispiel der Universität wird aber in jeder Beziehung von Einfluß auf sie seyn. Türkei. _ Konstantinopel, 5 Febr. Der Streit über das Gesetzgebungsrecht in Ehesachen zwischen Kirche und Staat dehnt sich nun auch auf den Orient aus. Die Pforte ist berufen hierhin einzugreifen. Es ließ nämlich der hiesige griechische Patriarch sich einfallen, gewisse gesetzwidrige Vorgänge in Jonien, in Folge deren einige griechische Geistliche auf Zante und Corfu die Zulässigkeit gemischter Ehen unter Christen verschiedener Confessionen an Bedingungen knüpften, die durch kein geschriebenes Gesetz, durch keine Observanz gerechtfertigt werden, zu benützen, um das Benehmen dieser Geistlichen gut zu heißen und so eine feindselige Haltung gegen die jonische Regierung anzunehmen. Lord Ponsonby dringt auf Absetzung des Patriarchen. Dagegen nimmt sich Hr. v. Butenieff sehr warm des letztern an, und versucht das Mögliche, um die Sache zu schlichten. Die Pforte soll seit einigen Wochen eine große Verstimmung gegen den Patriarchen nähren, so daß seine Destitution längst ausgesprochen wäre, falls man hier ungehindert nach eigenen Ansichten hätte handeln können. – Fürst Michael Obrenowitsch verläßt dieser Tage Konstantinopel. Er wurde von der Pforte mit einer Auszeichnung behandelt, die zur Genüge beweist, daß sie mit ängstlicher Sorgfalt sich seiner Anhänglichkeit zu versichern strebt. Der Fürst wurde zum Muschir erhoben, und ihm der Titel „Hoheit“ verliehen. _ Konstantinopel, 5 Febr. Der Großwessier ist in rascher Convalescenz begriffen; man hofft, daß er binnen kurzem seine hohen Functionen wieder antreten werde. – Die größte Unruhe und Ungewißheit herrscht hier hinsichtlich der Resultate der Londoner Unterhandlungen. Lord Ponsonby hat keine geringe Aufgabe, die Besorgnisse der Pforte zu beschwichtigen und ihren sinkenden Muth aufrecht zu halten. Offenbar nimmt die Verwickelung von Tag zu Tag zu. Die Expedition der Russen nach Khiwa und der Eindruck, den dieses Unternehmen in London und in Indien hervorbringen mußte, die Befehle, die an die anglo-indischen Truppen ergingen, am rechten Ufer des Indus stehen zu bleiben, die Zwistigkeiten, die sich zwischen Großbritannien und China ergeben haben, und die dem englischen Handel zum Abbruch, dem russischen hingegen zum Vortheil gereichen müssen, der Fanatismus der griechischen Kirche, der selbst in Jonien sich regt, und Ponsonby und Butenieff zu manchen diplomatischen Schritten in den letzten Tagen Veranlassung gaben, die Nachrichten, die man aus Athen über die Untersuchung der Umtriebe der orthodoxen Hetärie und über ihre Ergebnisse fortwährend erhält, das auffallende Bestreben des russischen Botschafters, das Vertrauen und die Zuneigung des hier anwesenden Fürsten von Serbien zu gewinnen, die geschwächten Verhältnisse der Pforte zur Moldau und Wallachei, die beständige Gährung in den albanesischen und in den Gebirgsländern der Herzogewina, die Aufregung der Gemüther in Epirus, Thessalien, Macedonien – alles dieß zusammengefaßt erfüllt die Pforte mit Besorgnissen, indem sie den mächtigen Riß in den Interessen gewahrt, und läßt die türkischen Machthaber eine aufrichtige Verbindung Englands und Rußlands als höchst unwahrscheinlich betrachten. Auf der andern Seite können sie durchaus nicht absehen, wie in dem Falle, daß sich die Londoner Conferenzen zerschlagen sollten und Hr. v. Brunnow wieder unverrichteter Dinge nach dem Continent zurückzukehren genöthigt wäre, eine Verständigung Großbritanniens mit Frankreich bewirkt werden könne. Frankreich will dem Vicekönig sein gegenwärtiges factisches Besitzthum sichern, und nach dem Gange seiner Politik zu urtheilen, ist kaum anzunehmen, daß es zu bedeutenden Concessionen für die Pforte sich herbeilassen werde; England will den Pascha bis hinter die ägyptisch-syrischen Gränzen zurückdrängen und glaubt, daß das Zugeständniß des Paschaliks von Acre für Mehemed Ali das Höchste sey, was man ihm gewähren könne. Ohne die Weltinteressen, die sich an diese Frage knüpfen, und die sich hinsichtlich Frankreichs und Englands nie werden vereinigen lassen, weist schon die materielle Frage an sich auf die mächtige Divergenz hin, die in dieser Rücksicht obwaltet. Dazu kommen noch die Besorgniß erregenden Rüstungen Frankreichs, die feindselige, entschlossene Stellung, die Mehemed Ali einnimmt, um die gegründeten Besorgnisse der Pforte zu steigern, so daß man sich billig verwundern muß, wenn diese den Kopf nicht verliert und zu dem verzweifeltsten aller Mittel greift, dem der directen Unterhandlungen mit dem ägyptischen Pascha. Ich stehe nicht an, eine solche Auskunft für eine verzweifelte anzusehen, denn man würde in einem solchen Falle erleben, daß die Pforte Alles preisgäbe, in der irrthümlichen Erwartung, so aus dem ungewissen, bedrohlichen Zustande treten zu können. Es dürfte dieser Moment nicht mehr so ferne seyn, als man gemeiniglich wähnt; tritt er aber ein, so wird man die traurige Ueberzeugung gewinnen, daß die Folgen eines directen Arrangements mit dem Pascha das größte Verderben über das ottomanische Reich bringen werden. – Man hatte noch bis gestern mit Sicherheit darauf gezählt, daß die Marseiller Post Nachrichten von dem Fortgange, vielleicht von in London erlangten Resultaten bringen werde; die Post ist angekommen, brachte aber nicht das Geringste darüber mit. Der unerträgliche Zustand der Ungewißheit dauert mithin fort, und obwohl man anfängt, die früher gehegten Hoffnungen aufzugeben, so sehnt man sich doch nach baldiger Lösung der Zweifel, in denen man sich befangen sieht. – Aus Alexandrien nichts Neues. – Der Internuntius gab am Montag seinen zweiten Ball, der glänzender als der erste war. Außer dem diplomatischen Corps erschienen dabei sämmtliche türkische Minister. _ Konstantinopel, 5 Febr. Nicht ohne Befremden hat man hier einen von der Allgemeinen Zeitung (vom 12 v. M.) wiedergegebenen Artikel des Marseiller Semaphore gelesen, worin erzählt wurde: „daß der Orden des Nischan Iftichar dem Bajazzo des Circus, Monsieur Soulier, von dem Sultan, als ein Zeichen der Anerkennung für das Vergnügen, verliehen worden, das ihm seine Leistungen gewährten.“ Zuvörderst ist zu bemerken, daß Hr. Soulier nicht der Bajazzo, sondern der Director der hier befindlichen Kunstreitertruppe ist; dann ist ihm nicht das Nischani Iftichar, sondern ein von diesem Orden ganz verschiedenes Ehrenzeichen von dem Sultan verliehen worden, und zwar aus dem Grunde, weil er Sr. Hoh. Unterricht in der Reitkunst ertheilt hatte. Ostindien. _ Bombay, 27 Dec. Die Eroberung von Kelat ist ein Ereigniß von großer Wichtigkeit, theils wegen ihrer directen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_057_18400226
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_057_18400226/7
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 57. Augsburg, 26. Februar 1840, S. 0455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_057_18400226/7>, abgerufen am 21.11.2024.