Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 61. Augsburg, 1. März 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

ehrenwerth, die Combination aber, welche Hrn. Guizot zur Staatsgewalt zurückgeführt haben würde, als völlig unmöglich. Im Ganzen will man nichts mehr von den Männern hören, die sich im Dienste der persönlichen Regierung compromittirt haben, mögen sie nun das Apanagegesetz vorgelegt, oder für die Dotation gestimmt haben. Die öffentliche Stimme läßt sich hauptsächlich gegen die Doctrinäre, wegen ihrer häufigen Meinungswechsel vernehmen. Das Tagsereigniß ist aber die Spaltung der 221. Einige möchten noch einmal Hrn. v. Mole den Doctrinären beigesellen; die Andern möchten sich gern dem Hrn. Thiers zuwenden. Auf morgen ist eine Versammlung bei Hrn. Jacqueminot angesagt; die Anhänger der Doctrinäre werden dabei erscheinen; sie zählen noch 50 bis 60, aber ihre Gegner sind stärker. Uebrigens hat die ministerielle Krise noch keine weitern Fortschritte gemacht. Außer dem widerstehenden Hrn. v. Broglie hat Niemand Vollmachten von dem König erhalten. Man wartet ohne Zweifel, bis die im Innern der Parteien vorgehende Gährung zu Ende komme; wenn man bloß zusieht, so hält man vielleicht in einem solchen Fall den Gang der Ereignisse auf.

(Presse.) Der Messager meldet diesen Abend spät, er glaube zu wissen, daß Niemand die Mission zur Bildung eines Cabinets erhalten habe. Der Messager ist falsch berichtet. Der gestern von dem König berufene Herzog v. Broglie hat ihm allerdings seinen festen Entschluß ausgedrückt, an keiner ministeriellen Combination Theil zu nehmen; er hat aber beigesetzt, daß er nicht zweifle, in Einem Cabinet Hrn. Thiers und Hrn. Guizot zusammenbringen zu können, den erstern für die auswärtigen Angelegenheiten, den zweiten für das Innere; ferner Hrn. Thiers mit Hrn. Dufaure auszusöhnen, und den Marschall Soult zu bestimmen, sich mit der Conseilpräsidentschaft, mit oder ohne das Kriegsportefeuille, zu begnügen. Hr. v. Broglie hat die Tuilerien mit Vollmachten des Königs verlassen. Diese Angaben sind so richtig, daß wir keinen Widerspruch gegen dieselben von Seite des Hrn. v. Broglie fürchten dürfen. Wir müssen beisetzen, daß er sich sogleich zum Marschall Soult begab, der ihm aber sagen ließ, daß seine Gesundheit ihm nicht gestatte, ihn zu empfangen. Der Herzog v. Broglie ist heute nicht glücklicher gewesen, und hatte bis um 5 Uhr Hrn. Soult noch nicht sprechen können. Es ist sonach nicht sehr wahrscheinlich, daß Hrn. v. Broglie die von ihm übernommene Mission gelinge; sie ward ihm nun aber einmal anvertraut, er hat sie übernommen und noch nicht aufgegeben. Die einflußreichen Mitglieder unter den 221 und fast alle seine Freunde haben dem Hrn. Thiers offen erklärt, daß er sie als Opponenten gegen jedes Cabinet sehen würde, worin sich Doctrinäre befinden sollten.

Das Journal des Debats meldet, gleich der Presse, daß Hr. v. Broglie mit der Erklärung, unwiderruflich entschlossen zu seyn, nicht in das Ministerium zu treten, die Mission angenommen habe, thätig zur Bildung eines Cabinets beizutragen und zu suchen, die Hindernisse zu entfernen, welche noch mehrere politische Personen von einander trennen.

Die Sitzung der Deputirtenkammer am 24 Febr. war von geringem Interesse. Man votirte ohne Erörterung die der Wittwe des Obristen Combes zugedachte Pension von 2000 Fr. mit 244 weißen gegen 45 schwarze Kugeln.

[irrelevantes Material] Hr. Thiers versicherte am 25 Febr. im Conferenzsaale der Deputirtenkammer, daß ihm noch keine bestimmten Anträge gemacht worden seyen. Uebrigens erklärte er, daß er geneigt sey, alle ihm möglichen Concessionen zu machen, um der gegenwärtigen Krise ein Ziel zu stecken.

[irrelevantes Material] Die Pairskammer nahm am 25 Febr. das Gesetz über Declassirung einiger Theile von königlichen Heerstraßen mit 110 weißen gegen 5 schwarze Kugeln an. Das Gesetz über Handelstribunale ward mit 104 weißen gegen 3 schwarze Kugeln angenommen. Hr. Dreux-Breze drückt den Wunsch aus, daß man alle Discussionen aussetzen möchte, bis ein neues Ministerium vorhanden sey. So sey es wenigstens Sitte gewesen, als man noch unter dem Princip der königlichen Erblichkeit gelebt habe (Murren), warum sollte es jetzt nicht so seyn, wo man, er wolle, um die Empfindlichkeit nicht zu verletzen, nicht sagen unter der Volkssouveränetät, aber doch unter der parlamentarischen Allmacht lebe? Der Redner erwähnte dann mehrere Mißbräuche des Ministeriums, namentlich mit der Ehrenlegion, und wünscht, daß sich diese nicht wieder erneuern. Hr. Teste antwortet ihm, es handle sich nicht von Volkssouveränetät, obgleich man das Glück habe, unter dem Princip der königlichen Erblichkeit zu leben. Uebrigens hebe die Entlassung der Minister deren Verantwortlichkeit nicht auf. Nach einigem weitern kurzen Redewechsel berichtet Hr. Felix Faure über Petitionen.

(Revue de Paris.) Mit Recht erzählte man von der Zuversicht, mit welcher der König und seine Familie den parlamentarischen Debatten über die Dotationsfrage entgegensah. Gewiß konnten sie nicht ahnen, daß mit einem einzigen stillschweigenden Votum Alles verworfen werde, daß das Ministerium das constitutionelle Verlangen der Krone zurückweisen lassen würde, ohne zuvor gehört worden zu seyn. Niemand wird erstaunen, wenn unter solchen Umständen das leicht bewegte Gemüth der Königin lebhaft erschüttert wurde. Man versichert, daß der Herzog von Aumale seiner Mutter um den Hals gefallen sey, um ihre Thränen zu trocknen, und gerufen habe: "man nehme von meinem Vermögen die 500,000 Fr. zur Ausstattung meines Bruders! Ich werde immer noch reich genug seyn." Dieser Bruder, für welchen der Herzog von Aumale eine so edelmüthige Regung zeigte, mochte vielleicht gehofft haben, daß in der Kammer sich wenigstens eine Stimme erheben würde, um zu erinnern, daß er bei der Belagerung und der Einnahme von Constantine unter den französischen Soldaten nicht der letzte gewesen.

Man liest im österreischen Beobachter: "Da Hr. Guizot zur Vertretung der französischen Interessen in London berufen ist, und zwar in einem Augenblicke, wo die orientalische Frage den Mittelpunkt aller diplomatischen Verhandlungen bildet, so dürfte es nicht unpassend seyn, kurz an die Stellung zu erinnern, welche er in Bezug hierauf den verschiedenen Mächten in seiner Rede vom 3 Jul. v. J. zuwies. Die Aufrechthaltung des europäischen Gleichgewichts und das mit ihr aufs engste verknüpfte Fortbestehen der Türkei bildet, seiner Ansicht nach, eine Lebensfrage für England. Rußland habe zwar ein entgegengesetztes Interesse, aber hier liege die Bürgschaft im Charakter des Kaisers Nikolaus; nur wenn die Türkei sich im Zustande gänzlicher Auflösung befände, würde Rußland Vergrößerungsplane nähren. Oesterreichs Interesse sey, Konstantinopel in die Hände keiner rivalisirenden Macht gerathen zu lassen, und somit sey es ebenfalls zur Aufrechthaltung des Gleichgewichts verpflichtet. Frankreich aber habe sich den vollendeten Thatsachen zu unterwerfen. Dieß sind die Hauptgedanken, welche Hr. Guizot bei Gelegenheit der Bewilligung des außerordentlichen Credits von 10 Millionen für die Seerüstungen ausgesprochen hat."

(Courrier francais.) Wir sind im Stande zu versichern, daß die französische Regierung von einer in London zwischen England und Rußland unterzeichneten partiellen Convention

ehrenwerth, die Combination aber, welche Hrn. Guizot zur Staatsgewalt zurückgeführt haben würde, als völlig unmöglich. Im Ganzen will man nichts mehr von den Männern hören, die sich im Dienste der persönlichen Regierung compromittirt haben, mögen sie nun das Apanagegesetz vorgelegt, oder für die Dotation gestimmt haben. Die öffentliche Stimme läßt sich hauptsächlich gegen die Doctrinäre, wegen ihrer häufigen Meinungswechsel vernehmen. Das Tagsereigniß ist aber die Spaltung der 221. Einige möchten noch einmal Hrn. v. Molé den Doctrinären beigesellen; die Andern möchten sich gern dem Hrn. Thiers zuwenden. Auf morgen ist eine Versammlung bei Hrn. Jacqueminot angesagt; die Anhänger der Doctrinäre werden dabei erscheinen; sie zählen noch 50 bis 60, aber ihre Gegner sind stärker. Uebrigens hat die ministerielle Krise noch keine weitern Fortschritte gemacht. Außer dem widerstehenden Hrn. v. Broglie hat Niemand Vollmachten von dem König erhalten. Man wartet ohne Zweifel, bis die im Innern der Parteien vorgehende Gährung zu Ende komme; wenn man bloß zusieht, so hält man vielleicht in einem solchen Fall den Gang der Ereignisse auf.

(Presse.) Der Messager meldet diesen Abend spät, er glaube zu wissen, daß Niemand die Mission zur Bildung eines Cabinets erhalten habe. Der Messager ist falsch berichtet. Der gestern von dem König berufene Herzog v. Broglie hat ihm allerdings seinen festen Entschluß ausgedrückt, an keiner ministeriellen Combination Theil zu nehmen; er hat aber beigesetzt, daß er nicht zweifle, in Einem Cabinet Hrn. Thiers und Hrn. Guizot zusammenbringen zu können, den erstern für die auswärtigen Angelegenheiten, den zweiten für das Innere; ferner Hrn. Thiers mit Hrn. Dufaure auszusöhnen, und den Marschall Soult zu bestimmen, sich mit der Conseilpräsidentschaft, mit oder ohne das Kriegsportefeuille, zu begnügen. Hr. v. Broglie hat die Tuilerien mit Vollmachten des Königs verlassen. Diese Angaben sind so richtig, daß wir keinen Widerspruch gegen dieselben von Seite des Hrn. v. Broglie fürchten dürfen. Wir müssen beisetzen, daß er sich sogleich zum Marschall Soult begab, der ihm aber sagen ließ, daß seine Gesundheit ihm nicht gestatte, ihn zu empfangen. Der Herzog v. Broglie ist heute nicht glücklicher gewesen, und hatte bis um 5 Uhr Hrn. Soult noch nicht sprechen können. Es ist sonach nicht sehr wahrscheinlich, daß Hrn. v. Broglie die von ihm übernommene Mission gelinge; sie ward ihm nun aber einmal anvertraut, er hat sie übernommen und noch nicht aufgegeben. Die einflußreichen Mitglieder unter den 221 und fast alle seine Freunde haben dem Hrn. Thiers offen erklärt, daß er sie als Opponenten gegen jedes Cabinet sehen würde, worin sich Doctrinäre befinden sollten.

Das Journal des Débats meldet, gleich der Presse, daß Hr. v. Broglie mit der Erklärung, unwiderruflich entschlossen zu seyn, nicht in das Ministerium zu treten, die Mission angenommen habe, thätig zur Bildung eines Cabinets beizutragen und zu suchen, die Hindernisse zu entfernen, welche noch mehrere politische Personen von einander trennen.

Die Sitzung der Deputirtenkammer am 24 Febr. war von geringem Interesse. Man votirte ohne Erörterung die der Wittwe des Obristen Combes zugedachte Pension von 2000 Fr. mit 244 weißen gegen 45 schwarze Kugeln.

[irrelevantes Material] Hr. Thiers versicherte am 25 Febr. im Conferenzsaale der Deputirtenkammer, daß ihm noch keine bestimmten Anträge gemacht worden seyen. Uebrigens erklärte er, daß er geneigt sey, alle ihm möglichen Concessionen zu machen, um der gegenwärtigen Krise ein Ziel zu stecken.

[irrelevantes Material] Die Pairskammer nahm am 25 Febr. das Gesetz über Declassirung einiger Theile von königlichen Heerstraßen mit 110 weißen gegen 5 schwarze Kugeln an. Das Gesetz über Handelstribunale ward mit 104 weißen gegen 3 schwarze Kugeln angenommen. Hr. Dreux-Brézé drückt den Wunsch aus, daß man alle Discussionen aussetzen möchte, bis ein neues Ministerium vorhanden sey. So sey es wenigstens Sitte gewesen, als man noch unter dem Princip der königlichen Erblichkeit gelebt habe (Murren), warum sollte es jetzt nicht so seyn, wo man, er wolle, um die Empfindlichkeit nicht zu verletzen, nicht sagen unter der Volkssouveränetät, aber doch unter der parlamentarischen Allmacht lebe? Der Redner erwähnte dann mehrere Mißbräuche des Ministeriums, namentlich mit der Ehrenlegion, und wünscht, daß sich diese nicht wieder erneuern. Hr. Teste antwortet ihm, es handle sich nicht von Volkssouveränetät, obgleich man das Glück habe, unter dem Princip der königlichen Erblichkeit zu leben. Uebrigens hebe die Entlassung der Minister deren Verantwortlichkeit nicht auf. Nach einigem weitern kurzen Redewechsel berichtet Hr. Felix Faure über Petitionen.

(Revue de Paris.) Mit Recht erzählte man von der Zuversicht, mit welcher der König und seine Familie den parlamentarischen Debatten über die Dotationsfrage entgegensah. Gewiß konnten sie nicht ahnen, daß mit einem einzigen stillschweigenden Votum Alles verworfen werde, daß das Ministerium das constitutionelle Verlangen der Krone zurückweisen lassen würde, ohne zuvor gehört worden zu seyn. Niemand wird erstaunen, wenn unter solchen Umständen das leicht bewegte Gemüth der Königin lebhaft erschüttert wurde. Man versichert, daß der Herzog von Aumale seiner Mutter um den Hals gefallen sey, um ihre Thränen zu trocknen, und gerufen habe: „man nehme von meinem Vermögen die 500,000 Fr. zur Ausstattung meines Bruders! Ich werde immer noch reich genug seyn.“ Dieser Bruder, für welchen der Herzog von Aumale eine so edelmüthige Regung zeigte, mochte vielleicht gehofft haben, daß in der Kammer sich wenigstens eine Stimme erheben würde, um zu erinnern, daß er bei der Belagerung und der Einnahme von Constantine unter den französischen Soldaten nicht der letzte gewesen.

Man liest im österreischen Beobachter: „Da Hr. Guizot zur Vertretung der französischen Interessen in London berufen ist, und zwar in einem Augenblicke, wo die orientalische Frage den Mittelpunkt aller diplomatischen Verhandlungen bildet, so dürfte es nicht unpassend seyn, kurz an die Stellung zu erinnern, welche er in Bezug hierauf den verschiedenen Mächten in seiner Rede vom 3 Jul. v. J. zuwies. Die Aufrechthaltung des europäischen Gleichgewichts und das mit ihr aufs engste verknüpfte Fortbestehen der Türkei bildet, seiner Ansicht nach, eine Lebensfrage für England. Rußland habe zwar ein entgegengesetztes Interesse, aber hier liege die Bürgschaft im Charakter des Kaisers Nikolaus; nur wenn die Türkei sich im Zustande gänzlicher Auflösung befände, würde Rußland Vergrößerungsplane nähren. Oesterreichs Interesse sey, Konstantinopel in die Hände keiner rivalisirenden Macht gerathen zu lassen, und somit sey es ebenfalls zur Aufrechthaltung des Gleichgewichts verpflichtet. Frankreich aber habe sich den vollendeten Thatsachen zu unterwerfen. Dieß sind die Hauptgedanken, welche Hr. Guizot bei Gelegenheit der Bewilligung des außerordentlichen Credits von 10 Millionen für die Seerüstungen ausgesprochen hat.“

(Courrier français.) Wir sind im Stande zu versichern, daß die französische Regierung von einer in London zwischen England und Rußland unterzeichneten partiellen Convention

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <p><pb facs="#f0004" n="0484"/>
ehrenwerth, die Combination aber, welche Hrn. Guizot zur Staatsgewalt zurückgeführt haben würde, als völlig unmöglich. Im Ganzen will man nichts mehr von den Männern hören, die sich im Dienste der persönlichen Regierung compromittirt haben, mögen sie nun das Apanagegesetz vorgelegt, oder für die Dotation gestimmt haben. Die öffentliche Stimme läßt sich hauptsächlich gegen die Doctrinäre, wegen ihrer häufigen Meinungswechsel vernehmen. Das Tagsereigniß ist aber die Spaltung der 221. Einige möchten noch einmal Hrn. v. Molé den Doctrinären beigesellen; die Andern möchten sich gern dem Hrn. Thiers zuwenden. Auf morgen ist eine Versammlung bei Hrn. Jacqueminot angesagt; die Anhänger der Doctrinäre werden dabei erscheinen; sie zählen noch 50 bis 60, aber ihre Gegner sind stärker. Uebrigens hat die ministerielle Krise noch keine weitern Fortschritte gemacht. Außer dem widerstehenden Hrn. v. Broglie hat Niemand Vollmachten von dem König erhalten. Man wartet ohne Zweifel, bis die im Innern der Parteien vorgehende Gährung zu Ende komme; wenn man bloß zusieht, so hält man vielleicht in einem solchen Fall den Gang der Ereignisse auf.</p><lb/>
          <p>(<hi rendition="#g">Presse</hi>.) Der Messager meldet diesen Abend spät, er glaube zu wissen, daß Niemand die Mission zur Bildung eines Cabinets erhalten habe. Der Messager ist falsch berichtet. Der gestern von dem König berufene Herzog v. Broglie hat ihm allerdings seinen festen Entschluß ausgedrückt, an keiner ministeriellen Combination Theil zu nehmen; er hat aber beigesetzt, daß er nicht zweifle, in Einem Cabinet Hrn. Thiers und Hrn. Guizot zusammenbringen zu können, den erstern für die auswärtigen Angelegenheiten, den zweiten für das Innere; ferner Hrn. Thiers mit Hrn. Dufaure auszusöhnen, und den Marschall Soult zu bestimmen, sich mit der Conseilpräsidentschaft, mit oder ohne das Kriegsportefeuille, zu begnügen. Hr. v. Broglie hat die Tuilerien mit Vollmachten des Königs verlassen. Diese Angaben sind so richtig, daß wir keinen Widerspruch gegen dieselben von Seite des Hrn. v. Broglie fürchten dürfen. Wir müssen beisetzen, daß er sich sogleich zum Marschall Soult begab, der ihm aber sagen ließ, daß seine Gesundheit ihm nicht gestatte, ihn zu empfangen. Der Herzog v. Broglie ist heute nicht glücklicher gewesen, und hatte bis um 5 Uhr Hrn. Soult noch nicht sprechen können. Es ist sonach nicht sehr wahrscheinlich, daß Hrn. v. Broglie die von ihm übernommene Mission gelinge; sie ward ihm nun aber einmal anvertraut, er hat sie übernommen und noch nicht aufgegeben. Die einflußreichen Mitglieder unter den 221 und fast alle seine Freunde haben dem Hrn. Thiers offen erklärt, daß er sie als Opponenten gegen jedes Cabinet sehen würde, worin sich Doctrinäre befinden sollten.</p><lb/>
          <p>Das <hi rendition="#g">Journal des Débats</hi> meldet, gleich der <hi rendition="#g">Presse</hi>, daß Hr. v. Broglie mit der Erklärung, unwiderruflich entschlossen zu seyn, nicht in das Ministerium zu treten, die Mission angenommen habe, thätig zur Bildung eines Cabinets beizutragen und zu suchen, die Hindernisse zu entfernen, welche noch mehrere politische Personen von einander trennen.</p><lb/>
          <p>Die Sitzung der <hi rendition="#g">Deputirtenkammer</hi> am 24 Febr. war von geringem Interesse. Man votirte ohne Erörterung die der Wittwe des Obristen Combes zugedachte Pension von 2000 Fr. mit 244 weißen gegen 45 schwarze Kugeln.</p><lb/>
          <p><bibl><gap reason="insignificant"/></bibl> Hr. <hi rendition="#g">Thiers</hi> versicherte am 25 Febr. im Conferenzsaale der Deputirtenkammer, daß ihm noch keine bestimmten Anträge gemacht worden seyen. Uebrigens erklärte er, daß er geneigt sey, alle ihm möglichen Concessionen zu machen, um der gegenwärtigen Krise ein Ziel zu stecken.</p><lb/>
          <p><bibl><gap reason="insignificant"/></bibl> Die <hi rendition="#g">Pairskammer</hi> nahm am 25 Febr. das Gesetz über Declassirung einiger Theile von königlichen Heerstraßen mit 110 weißen gegen 5 schwarze Kugeln an. Das Gesetz über Handelstribunale ward mit 104 weißen gegen 3 schwarze Kugeln angenommen. Hr. <hi rendition="#g">Dreux</hi>-<hi rendition="#g">Brézé</hi> drückt den Wunsch aus, daß man alle Discussionen aussetzen möchte, bis ein neues Ministerium vorhanden sey. So sey es wenigstens Sitte gewesen, als man noch unter dem Princip der königlichen Erblichkeit gelebt habe (Murren), warum sollte es jetzt nicht so seyn, wo man, er wolle, um die Empfindlichkeit nicht zu verletzen, nicht sagen unter der Volkssouveränetät, aber doch unter der parlamentarischen Allmacht lebe? Der Redner erwähnte dann mehrere Mißbräuche des Ministeriums, namentlich mit der Ehrenlegion, und wünscht, daß sich diese nicht wieder erneuern. Hr. <hi rendition="#g">Teste</hi> antwortet ihm, es handle sich nicht von Volkssouveränetät, obgleich man das Glück habe, unter dem Princip der königlichen Erblichkeit zu leben. Uebrigens hebe die Entlassung der Minister deren Verantwortlichkeit nicht auf. Nach einigem weitern kurzen Redewechsel berichtet Hr. Felix Faure über Petitionen.</p><lb/>
          <p>(<hi rendition="#g">Revue de Paris</hi>.) Mit Recht erzählte man von der Zuversicht, mit welcher der König und seine Familie den parlamentarischen Debatten über die Dotationsfrage entgegensah. Gewiß konnten sie nicht ahnen, daß mit einem einzigen stillschweigenden Votum Alles verworfen werde, daß das Ministerium das constitutionelle Verlangen der Krone zurückweisen lassen würde, ohne zuvor gehört worden zu seyn. Niemand wird erstaunen, wenn unter solchen Umständen das leicht bewegte Gemüth der Königin lebhaft erschüttert wurde. Man versichert, daß der Herzog von Aumale seiner Mutter um den Hals gefallen sey, um ihre Thränen zu trocknen, und gerufen habe: &#x201E;man nehme von meinem Vermögen die 500,000 Fr. zur Ausstattung meines Bruders! Ich werde immer noch reich genug seyn.&#x201C; Dieser Bruder, für welchen der Herzog von Aumale eine so edelmüthige Regung zeigte, mochte vielleicht gehofft haben, daß in der Kammer sich wenigstens <hi rendition="#g">eine</hi> Stimme erheben würde, um zu erinnern, daß er bei der Belagerung und der Einnahme von Constantine unter den französischen Soldaten nicht der letzte gewesen.</p><lb/>
          <p>Man liest im <hi rendition="#g">österreischen Beobachter</hi>: &#x201E;Da Hr. Guizot zur Vertretung der französischen Interessen in London berufen ist, und zwar in einem Augenblicke, wo die orientalische Frage den Mittelpunkt aller diplomatischen Verhandlungen bildet, so dürfte es nicht unpassend seyn, kurz an die Stellung zu erinnern, welche er in Bezug hierauf den verschiedenen Mächten in seiner Rede vom 3 Jul. v. J. zuwies. Die Aufrechthaltung des europäischen Gleichgewichts und das mit ihr aufs engste verknüpfte Fortbestehen der Türkei bildet, seiner Ansicht nach, eine Lebensfrage für England. Rußland habe zwar ein entgegengesetztes Interesse, aber hier liege die Bürgschaft im Charakter des Kaisers Nikolaus; nur wenn die Türkei sich im Zustande gänzlicher Auflösung befände, würde Rußland Vergrößerungsplane nähren. Oesterreichs Interesse sey, Konstantinopel in die Hände keiner rivalisirenden Macht gerathen zu lassen, und somit sey es ebenfalls zur Aufrechthaltung des Gleichgewichts verpflichtet. Frankreich aber habe sich den vollendeten Thatsachen zu unterwerfen. Dieß sind die Hauptgedanken, welche Hr. Guizot bei Gelegenheit der Bewilligung des außerordentlichen Credits von 10 Millionen für die Seerüstungen ausgesprochen hat.&#x201C;</p><lb/>
          <p>(<hi rendition="#g">Courrier français</hi>.) Wir sind im Stande zu versichern, daß die französische Regierung von einer in London zwischen England und Rußland unterzeichneten partiellen Convention<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0484/0004] ehrenwerth, die Combination aber, welche Hrn. Guizot zur Staatsgewalt zurückgeführt haben würde, als völlig unmöglich. Im Ganzen will man nichts mehr von den Männern hören, die sich im Dienste der persönlichen Regierung compromittirt haben, mögen sie nun das Apanagegesetz vorgelegt, oder für die Dotation gestimmt haben. Die öffentliche Stimme läßt sich hauptsächlich gegen die Doctrinäre, wegen ihrer häufigen Meinungswechsel vernehmen. Das Tagsereigniß ist aber die Spaltung der 221. Einige möchten noch einmal Hrn. v. Molé den Doctrinären beigesellen; die Andern möchten sich gern dem Hrn. Thiers zuwenden. Auf morgen ist eine Versammlung bei Hrn. Jacqueminot angesagt; die Anhänger der Doctrinäre werden dabei erscheinen; sie zählen noch 50 bis 60, aber ihre Gegner sind stärker. Uebrigens hat die ministerielle Krise noch keine weitern Fortschritte gemacht. Außer dem widerstehenden Hrn. v. Broglie hat Niemand Vollmachten von dem König erhalten. Man wartet ohne Zweifel, bis die im Innern der Parteien vorgehende Gährung zu Ende komme; wenn man bloß zusieht, so hält man vielleicht in einem solchen Fall den Gang der Ereignisse auf. (Presse.) Der Messager meldet diesen Abend spät, er glaube zu wissen, daß Niemand die Mission zur Bildung eines Cabinets erhalten habe. Der Messager ist falsch berichtet. Der gestern von dem König berufene Herzog v. Broglie hat ihm allerdings seinen festen Entschluß ausgedrückt, an keiner ministeriellen Combination Theil zu nehmen; er hat aber beigesetzt, daß er nicht zweifle, in Einem Cabinet Hrn. Thiers und Hrn. Guizot zusammenbringen zu können, den erstern für die auswärtigen Angelegenheiten, den zweiten für das Innere; ferner Hrn. Thiers mit Hrn. Dufaure auszusöhnen, und den Marschall Soult zu bestimmen, sich mit der Conseilpräsidentschaft, mit oder ohne das Kriegsportefeuille, zu begnügen. Hr. v. Broglie hat die Tuilerien mit Vollmachten des Königs verlassen. Diese Angaben sind so richtig, daß wir keinen Widerspruch gegen dieselben von Seite des Hrn. v. Broglie fürchten dürfen. Wir müssen beisetzen, daß er sich sogleich zum Marschall Soult begab, der ihm aber sagen ließ, daß seine Gesundheit ihm nicht gestatte, ihn zu empfangen. Der Herzog v. Broglie ist heute nicht glücklicher gewesen, und hatte bis um 5 Uhr Hrn. Soult noch nicht sprechen können. Es ist sonach nicht sehr wahrscheinlich, daß Hrn. v. Broglie die von ihm übernommene Mission gelinge; sie ward ihm nun aber einmal anvertraut, er hat sie übernommen und noch nicht aufgegeben. Die einflußreichen Mitglieder unter den 221 und fast alle seine Freunde haben dem Hrn. Thiers offen erklärt, daß er sie als Opponenten gegen jedes Cabinet sehen würde, worin sich Doctrinäre befinden sollten. Das Journal des Débats meldet, gleich der Presse, daß Hr. v. Broglie mit der Erklärung, unwiderruflich entschlossen zu seyn, nicht in das Ministerium zu treten, die Mission angenommen habe, thätig zur Bildung eines Cabinets beizutragen und zu suchen, die Hindernisse zu entfernen, welche noch mehrere politische Personen von einander trennen. Die Sitzung der Deputirtenkammer am 24 Febr. war von geringem Interesse. Man votirte ohne Erörterung die der Wittwe des Obristen Combes zugedachte Pension von 2000 Fr. mit 244 weißen gegen 45 schwarze Kugeln. _ Hr. Thiers versicherte am 25 Febr. im Conferenzsaale der Deputirtenkammer, daß ihm noch keine bestimmten Anträge gemacht worden seyen. Uebrigens erklärte er, daß er geneigt sey, alle ihm möglichen Concessionen zu machen, um der gegenwärtigen Krise ein Ziel zu stecken. _ Die Pairskammer nahm am 25 Febr. das Gesetz über Declassirung einiger Theile von königlichen Heerstraßen mit 110 weißen gegen 5 schwarze Kugeln an. Das Gesetz über Handelstribunale ward mit 104 weißen gegen 3 schwarze Kugeln angenommen. Hr. Dreux-Brézé drückt den Wunsch aus, daß man alle Discussionen aussetzen möchte, bis ein neues Ministerium vorhanden sey. So sey es wenigstens Sitte gewesen, als man noch unter dem Princip der königlichen Erblichkeit gelebt habe (Murren), warum sollte es jetzt nicht so seyn, wo man, er wolle, um die Empfindlichkeit nicht zu verletzen, nicht sagen unter der Volkssouveränetät, aber doch unter der parlamentarischen Allmacht lebe? Der Redner erwähnte dann mehrere Mißbräuche des Ministeriums, namentlich mit der Ehrenlegion, und wünscht, daß sich diese nicht wieder erneuern. Hr. Teste antwortet ihm, es handle sich nicht von Volkssouveränetät, obgleich man das Glück habe, unter dem Princip der königlichen Erblichkeit zu leben. Uebrigens hebe die Entlassung der Minister deren Verantwortlichkeit nicht auf. Nach einigem weitern kurzen Redewechsel berichtet Hr. Felix Faure über Petitionen. (Revue de Paris.) Mit Recht erzählte man von der Zuversicht, mit welcher der König und seine Familie den parlamentarischen Debatten über die Dotationsfrage entgegensah. Gewiß konnten sie nicht ahnen, daß mit einem einzigen stillschweigenden Votum Alles verworfen werde, daß das Ministerium das constitutionelle Verlangen der Krone zurückweisen lassen würde, ohne zuvor gehört worden zu seyn. Niemand wird erstaunen, wenn unter solchen Umständen das leicht bewegte Gemüth der Königin lebhaft erschüttert wurde. Man versichert, daß der Herzog von Aumale seiner Mutter um den Hals gefallen sey, um ihre Thränen zu trocknen, und gerufen habe: „man nehme von meinem Vermögen die 500,000 Fr. zur Ausstattung meines Bruders! Ich werde immer noch reich genug seyn.“ Dieser Bruder, für welchen der Herzog von Aumale eine so edelmüthige Regung zeigte, mochte vielleicht gehofft haben, daß in der Kammer sich wenigstens eine Stimme erheben würde, um zu erinnern, daß er bei der Belagerung und der Einnahme von Constantine unter den französischen Soldaten nicht der letzte gewesen. Man liest im österreischen Beobachter: „Da Hr. Guizot zur Vertretung der französischen Interessen in London berufen ist, und zwar in einem Augenblicke, wo die orientalische Frage den Mittelpunkt aller diplomatischen Verhandlungen bildet, so dürfte es nicht unpassend seyn, kurz an die Stellung zu erinnern, welche er in Bezug hierauf den verschiedenen Mächten in seiner Rede vom 3 Jul. v. J. zuwies. Die Aufrechthaltung des europäischen Gleichgewichts und das mit ihr aufs engste verknüpfte Fortbestehen der Türkei bildet, seiner Ansicht nach, eine Lebensfrage für England. Rußland habe zwar ein entgegengesetztes Interesse, aber hier liege die Bürgschaft im Charakter des Kaisers Nikolaus; nur wenn die Türkei sich im Zustande gänzlicher Auflösung befände, würde Rußland Vergrößerungsplane nähren. Oesterreichs Interesse sey, Konstantinopel in die Hände keiner rivalisirenden Macht gerathen zu lassen, und somit sey es ebenfalls zur Aufrechthaltung des Gleichgewichts verpflichtet. Frankreich aber habe sich den vollendeten Thatsachen zu unterwerfen. Dieß sind die Hauptgedanken, welche Hr. Guizot bei Gelegenheit der Bewilligung des außerordentlichen Credits von 10 Millionen für die Seerüstungen ausgesprochen hat.“ (Courrier français.) Wir sind im Stande zu versichern, daß die französische Regierung von einer in London zwischen England und Rußland unterzeichneten partiellen Convention

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_061_18400301
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_061_18400301/4
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 61. Augsburg, 1. März 1840, S. 0484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_061_18400301/4>, abgerufen am 02.05.2024.