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Allgemeine Zeitung. Nr. 61. Augsburg, 1. März 1840.

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Aegypten.

Die dem Pascha von den vier Mächten unter dem Vorsitz Oesterreichs gemachten Vorschläge: nicht weniger denn ganz Syrien der Türkei als Belohnung für seine Bemühungen und Thaten und für die Mäßigkeit, die er nach dem Siege von Nisib zeigte, abzutreten, haben das Schicksal gehabt, das jeder mit leichter Mühe voraussehen konnte. Mehemed Ali will lieber kämpfend untergehen als sich solchen Bedingungen unterwerfen. Die Kriegsrüstungen werden daher auf das eifrigste fortgesetzt, und viele Kanonen und Munition nach Syrien, vor Allem nach Acre geschickt, da man jetzt dort und nicht in Aegypten den Angriff von den vier coalisirten feindlichen Mächten erwartet. Wer den Gang der letzten europäischen Ereignisse mit einigermaßen aufmerksamem Auge betrachtete, wird an einen energischen Entschluß der Mächte, welcher die Lösung der obschwebenden Fragen auf die Spitze des Degens stellte und von dem letzten Kanonenschuß abhängig machte, wenig glauben. Unter solchen Umständen freilich könnte die Türkei, ehe diese Händel zu Ende gebracht würden, sich selbst auflösen, und Mehemed Ali darüber sterben, woraus dann neue Complicationen hervorgehen und neue diplomatische Interventionen entstehen würden. Wie dem auch sey, Mehemed Ali bereitet sich nicht nur auf eine energische Vertheidigung vor, er gibt auch zu verstehen, daß er vielleicht in kurzem selbst der Angreifer seyn dürfte. Seine Klage, die er jetzt jeden, der sich ihm nähert, hören läßt, seinen Sohn nicht auf Konstantinopel haben vorrücken zu lassen, als er die türkische Armee auseinander gesprengt hatte, bereiten darauf vor, und sein ihm eignes Glück bringt es mit sich, daß die Gelegenheit dazu, ungeachtet der langen Zeit, die in unnützen Intriguen verstrich, noch immer nicht vorbei ist. Anatolien, wie die ganze Türkei, ist in dem verwirrtesten Zustand, überall fühlt man die Gefahr, die der Religion droht, und überall ist man bereit für diese sein Letztes einzusetzen. Die Türken erwarten nichts mehr von Konstantinopel, der Sultan ist in geistiger Hinsicht ein unmündiges Kind und die Regentschaft ohne alles Vertrauen des Volks; es ist nur noch Mehemed Ali, auf den die Gläubigen ihre letzte Hoffnung setzen. Sollte daher dieser von den christlichen Mächten in seinen muselmännischen Ländern angegriffen werden, und er sich, wie es bis jetzt immer noch den vollen Anschein hat, kräftig vertheidigen wollen, so wird er nicht nur die Sympathie der muselmännischen Bevölkerung, sondern auch alle ihre Kräfte, die er unzweifelhaft anwenden wird, ganz zu seiner Disposition haben. Welcher Punkt übrigens von den vier Mächten ausersehen ist, von dem aus die militärischen Operationen gegen Mehemed Ali beginnen würden, ist hier nicht bekannt, aber wo man auch landen wird, sey es in Anatolien, sey es in Syrien, man wird einen kräftigen Widerstand finden, dem sich das für europäische Truppen sehr ungesunde und im Sommer sehr heiße Klima Syriens als gefährlicher Alliirter zugesellen wird. - Aus Arabien wollen noch immer keine Nachrichten ankommen, welche die Einnahme Sana's bestätigen, dagegen erfährt man, daß sich die arabischen Stämme in der Umgegend Adens zu einem neuen Angriff vorbereiten, der aber bei der nun vollendeten Befestigung dieses von Natur schon sehr festen Ortes wohl eben so fehlschlagen wird, als der, den sie vor vier Monaten unternahmen. - Aus Abyssinien ist der Missionär Hr. Isenberg zurückgekommen; er war in Schoa und wird nach Europa gehen, wie man aus Kairo schreibt. - Aus dem Sennaar nichts Neues. - In Syrien sind einige Pestfälle vorgekommen; man fürchtet für Jerusalem während des Aufenthalts der Pilger daselbst, und hat daher mehrere Aerzte dorthin geschickt. - An der Armirung von Acre wird mit großem Eifer gearbeitet. Soliman Pascha, obgleich in Saida sich bei seiner Familie aufhaltend, kommt häufig nach Acre, um mit dem polnischen Obristen Schulz, der schon seit sechs Jahren im Dienst des Pascha's steht, die Arbeiten daselbst zu leiten. Es stehen gegen 10,000 Mann dort; wahrscheinlich wird man einen bedeutenden Theil der Armee Ibrahims längs der Küste vertheilen. Auch in Jerusalem garnisonirt jetzt ein Regiment. Die Cavallerie Ibrahims ist jedoch, wie er selbst, an der Nordgränze. - Ueber Kurschid Pascha hört man gar nichts, ein Zeichen wenigstens, daß er seine militärischen Bewegungen eingestellt hat. Daß er aus den in Arabien geworbenen Truppen reguläres Militär gebildet habe, wie mehrere Berichte besagten, gehört zu den vielen Irrthümern, die über das, was in Arabien vorgeht, verbreitet worden sind. Es war für alle diejenigen, welche die Araber kennen, höchst unwahrscheinlich, und hat sich seitdem als falsch bewiesen. - In Alexandria zeigt das Directorium der Quarantäne immer noch Pestfälle an, woran aber das Publicum immer noch nicht glauben will. Noch sind nicht alle frühern Employes der Quarantäne wieder angestellt worden; ist dieß erst der Fall, so werden auch wohl die Pestfälle aufhören, da, wie ich Ihnen schon schrieb, die Furcht vor dieser Seuche die Quarantäne wieder einsetzte und hiermit einen Theil der dabei Angestellten. Statt der Pest haben wir dagegen dieses Jahr ungemein viele Fieber gehabt, die beinahe epidemisch grassirten. Sie waren jedoch nicht tödtlich, wenigstens sind nur sehr wenige Fälle von solcher Bösartigkeit derselben vorgekommen. Im Uebrigen ist der Gesundheitszustand Alexandria's sehr befriedigend.

Aegypten.

Die dem Pascha von den vier Mächten unter dem Vorsitz Oesterreichs gemachten Vorschläge: nicht weniger denn ganz Syrien der Türkei als Belohnung für seine Bemühungen und Thaten und für die Mäßigkeit, die er nach dem Siege von Nisib zeigte, abzutreten, haben das Schicksal gehabt, das jeder mit leichter Mühe voraussehen konnte. Mehemed Ali will lieber kämpfend untergehen als sich solchen Bedingungen unterwerfen. Die Kriegsrüstungen werden daher auf das eifrigste fortgesetzt, und viele Kanonen und Munition nach Syrien, vor Allem nach Acre geschickt, da man jetzt dort und nicht in Aegypten den Angriff von den vier coalisirten feindlichen Mächten erwartet. Wer den Gang der letzten europäischen Ereignisse mit einigermaßen aufmerksamem Auge betrachtete, wird an einen energischen Entschluß der Mächte, welcher die Lösung der obschwebenden Fragen auf die Spitze des Degens stellte und von dem letzten Kanonenschuß abhängig machte, wenig glauben. Unter solchen Umständen freilich könnte die Türkei, ehe diese Händel zu Ende gebracht würden, sich selbst auflösen, und Mehemed Ali darüber sterben, woraus dann neue Complicationen hervorgehen und neue diplomatische Interventionen entstehen würden. Wie dem auch sey, Mehemed Ali bereitet sich nicht nur auf eine energische Vertheidigung vor, er gibt auch zu verstehen, daß er vielleicht in kurzem selbst der Angreifer seyn dürfte. Seine Klage, die er jetzt jeden, der sich ihm nähert, hören läßt, seinen Sohn nicht auf Konstantinopel haben vorrücken zu lassen, als er die türkische Armee auseinander gesprengt hatte, bereiten darauf vor, und sein ihm eignes Glück bringt es mit sich, daß die Gelegenheit dazu, ungeachtet der langen Zeit, die in unnützen Intriguen verstrich, noch immer nicht vorbei ist. Anatolien, wie die ganze Türkei, ist in dem verwirrtesten Zustand, überall fühlt man die Gefahr, die der Religion droht, und überall ist man bereit für diese sein Letztes einzusetzen. Die Türken erwarten nichts mehr von Konstantinopel, der Sultan ist in geistiger Hinsicht ein unmündiges Kind und die Regentschaft ohne alles Vertrauen des Volks; es ist nur noch Mehemed Ali, auf den die Gläubigen ihre letzte Hoffnung setzen. Sollte daher dieser von den christlichen Mächten in seinen muselmännischen Ländern angegriffen werden, und er sich, wie es bis jetzt immer noch den vollen Anschein hat, kräftig vertheidigen wollen, so wird er nicht nur die Sympathie der muselmännischen Bevölkerung, sondern auch alle ihre Kräfte, die er unzweifelhaft anwenden wird, ganz zu seiner Disposition haben. Welcher Punkt übrigens von den vier Mächten ausersehen ist, von dem aus die militärischen Operationen gegen Mehemed Ali beginnen würden, ist hier nicht bekannt, aber wo man auch landen wird, sey es in Anatolien, sey es in Syrien, man wird einen kräftigen Widerstand finden, dem sich das für europäische Truppen sehr ungesunde und im Sommer sehr heiße Klima Syriens als gefährlicher Alliirter zugesellen wird. – Aus Arabien wollen noch immer keine Nachrichten ankommen, welche die Einnahme Sana's bestätigen, dagegen erfährt man, daß sich die arabischen Stämme in der Umgegend Adens zu einem neuen Angriff vorbereiten, der aber bei der nun vollendeten Befestigung dieses von Natur schon sehr festen Ortes wohl eben so fehlschlagen wird, als der, den sie vor vier Monaten unternahmen. – Aus Abyssinien ist der Missionär Hr. Isenberg zurückgekommen; er war in Schoa und wird nach Europa gehen, wie man aus Kairo schreibt. – Aus dem Sennaar nichts Neues. – In Syrien sind einige Pestfälle vorgekommen; man fürchtet für Jerusalem während des Aufenthalts der Pilger daselbst, und hat daher mehrere Aerzte dorthin geschickt. – An der Armirung von Acre wird mit großem Eifer gearbeitet. Soliman Pascha, obgleich in Saida sich bei seiner Familie aufhaltend, kommt häufig nach Acre, um mit dem polnischen Obristen Schulz, der schon seit sechs Jahren im Dienst des Pascha's steht, die Arbeiten daselbst zu leiten. Es stehen gegen 10,000 Mann dort; wahrscheinlich wird man einen bedeutenden Theil der Armee Ibrahims längs der Küste vertheilen. Auch in Jerusalem garnisonirt jetzt ein Regiment. Die Cavallerie Ibrahims ist jedoch, wie er selbst, an der Nordgränze. – Ueber Kurschid Pascha hört man gar nichts, ein Zeichen wenigstens, daß er seine militärischen Bewegungen eingestellt hat. Daß er aus den in Arabien geworbenen Truppen reguläres Militär gebildet habe, wie mehrere Berichte besagten, gehört zu den vielen Irrthümern, die über das, was in Arabien vorgeht, verbreitet worden sind. Es war für alle diejenigen, welche die Araber kennen, höchst unwahrscheinlich, und hat sich seitdem als falsch bewiesen. – In Alexandria zeigt das Directorium der Quarantäne immer noch Pestfälle an, woran aber das Publicum immer noch nicht glauben will. Noch sind nicht alle frühern Employés der Quarantäne wieder angestellt worden; ist dieß erst der Fall, so werden auch wohl die Pestfälle aufhören, da, wie ich Ihnen schon schrieb, die Furcht vor dieser Seuche die Quarantäne wieder einsetzte und hiermit einen Theil der dabei Angestellten. Statt der Pest haben wir dagegen dieses Jahr ungemein viele Fieber gehabt, die beinahe epidemisch grassirten. Sie waren jedoch nicht tödtlich, wenigstens sind nur sehr wenige Fälle von solcher Bösartigkeit derselben vorgekommen. Im Uebrigen ist der Gesundheitszustand Alexandria's sehr befriedigend.

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Unter solchen Umständen freilich könnte die Türkei, ehe diese Händel zu Ende gebracht würden, sich selbst auflösen, und Mehemed Ali darüber sterben, woraus dann neue Complicationen hervorgehen und neue diplomatische Interventionen entstehen würden. Wie dem auch sey, Mehemed Ali bereitet sich nicht nur auf eine energische Vertheidigung vor, er gibt auch zu verstehen, daß er vielleicht in kurzem selbst der Angreifer seyn dürfte. Seine Klage, die er jetzt jeden, der sich ihm nähert, hören läßt, seinen Sohn nicht auf Konstantinopel haben vorrücken zu lassen, als er die türkische Armee auseinander gesprengt hatte, bereiten darauf vor, und sein ihm eignes Glück bringt es mit sich, daß die Gelegenheit dazu, ungeachtet der langen Zeit, die in unnützen Intriguen verstrich, noch immer nicht vorbei ist. Anatolien, wie die ganze Türkei, ist in dem verwirrtesten Zustand, überall fühlt man die Gefahr, die der Religion droht, und überall ist man bereit für diese sein Letztes einzusetzen. Die Türken erwarten nichts mehr von Konstantinopel, der Sultan ist in geistiger Hinsicht ein unmündiges Kind und die Regentschaft ohne alles Vertrauen des Volks; es ist nur noch Mehemed Ali, auf den die Gläubigen ihre letzte Hoffnung setzen. Sollte daher dieser von den christlichen Mächten in seinen muselmännischen Ländern angegriffen werden, und er sich, wie es bis jetzt immer noch den vollen Anschein hat, kräftig vertheidigen wollen, so wird er nicht nur die Sympathie der muselmännischen Bevölkerung, sondern auch alle ihre Kräfte, die er unzweifelhaft anwenden wird, ganz zu seiner Disposition haben. Welcher Punkt übrigens von den vier Mächten ausersehen ist, von dem aus die militärischen Operationen gegen Mehemed Ali beginnen würden, ist hier nicht bekannt, aber wo man auch landen wird, sey es in Anatolien, sey es in Syrien, man wird einen kräftigen Widerstand finden, dem sich das für europäische Truppen sehr ungesunde und im Sommer sehr heiße Klima Syriens als gefährlicher Alliirter zugesellen wird. &#x2013; Aus Arabien wollen noch immer keine Nachrichten ankommen, welche die Einnahme Sana's bestätigen, dagegen erfährt man, daß sich die arabischen Stämme in der Umgegend Adens zu einem neuen Angriff vorbereiten, der aber bei der nun vollendeten Befestigung dieses von Natur schon sehr festen Ortes wohl eben so fehlschlagen wird, als der, den sie vor vier Monaten unternahmen. &#x2013; Aus Abyssinien ist der Missionär Hr. Isenberg zurückgekommen; er war in Schoa und wird nach Europa gehen, wie man aus Kairo schreibt. &#x2013; Aus dem Sennaar nichts Neues. &#x2013; In Syrien sind einige Pestfälle vorgekommen; man fürchtet für Jerusalem während des Aufenthalts der Pilger daselbst, und hat daher mehrere Aerzte dorthin geschickt. &#x2013; An der Armirung von Acre wird mit großem Eifer gearbeitet. Soliman Pascha, obgleich in Saida sich bei seiner Familie aufhaltend, kommt häufig nach Acre, um mit dem polnischen Obristen Schulz, der schon seit sechs Jahren im Dienst des Pascha's steht, die Arbeiten daselbst zu leiten. Es stehen gegen 10,000 Mann dort; wahrscheinlich wird man einen bedeutenden Theil der Armee Ibrahims längs der Küste vertheilen. Auch in Jerusalem garnisonirt jetzt ein Regiment. Die Cavallerie Ibrahims ist jedoch, wie er selbst, an der Nordgränze. &#x2013; Ueber Kurschid Pascha hört man gar nichts, ein Zeichen wenigstens, daß er seine militärischen Bewegungen eingestellt hat. Daß er aus den in Arabien geworbenen Truppen reguläres Militär gebildet habe, wie mehrere Berichte besagten, gehört zu den vielen Irrthümern, die über das, was in Arabien vorgeht, verbreitet worden sind. Es war für alle diejenigen, welche die Araber kennen, höchst unwahrscheinlich, und hat sich seitdem als falsch bewiesen. &#x2013; In Alexandria zeigt das Directorium der Quarantäne immer noch Pestfälle an, woran aber das Publicum immer noch nicht glauben will. Noch sind nicht alle frühern Employés der Quarantäne wieder angestellt worden; ist dieß erst der Fall, so werden auch wohl die Pestfälle aufhören, da, wie ich Ihnen schon schrieb, die Furcht vor dieser Seuche die Quarantäne wieder einsetzte und hiermit einen Theil der dabei Angestellten. Statt der Pest haben wir dagegen dieses Jahr ungemein viele Fieber gehabt, die beinahe epidemisch grassirten. Sie waren jedoch nicht tödtlich, wenigstens sind nur sehr wenige Fälle von solcher Bösartigkeit derselben vorgekommen. 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[0488/0008] Aegypten. Alexandria, 6 Febr. Die dem Pascha von den vier Mächten unter dem Vorsitz Oesterreichs gemachten Vorschläge: nicht weniger denn ganz Syrien der Türkei als Belohnung für seine Bemühungen und Thaten und für die Mäßigkeit, die er nach dem Siege von Nisib zeigte, abzutreten, haben das Schicksal gehabt, das jeder mit leichter Mühe voraussehen konnte. Mehemed Ali will lieber kämpfend untergehen als sich solchen Bedingungen unterwerfen. Die Kriegsrüstungen werden daher auf das eifrigste fortgesetzt, und viele Kanonen und Munition nach Syrien, vor Allem nach Acre geschickt, da man jetzt dort und nicht in Aegypten den Angriff von den vier coalisirten feindlichen Mächten erwartet. Wer den Gang der letzten europäischen Ereignisse mit einigermaßen aufmerksamem Auge betrachtete, wird an einen energischen Entschluß der Mächte, welcher die Lösung der obschwebenden Fragen auf die Spitze des Degens stellte und von dem letzten Kanonenschuß abhängig machte, wenig glauben. Unter solchen Umständen freilich könnte die Türkei, ehe diese Händel zu Ende gebracht würden, sich selbst auflösen, und Mehemed Ali darüber sterben, woraus dann neue Complicationen hervorgehen und neue diplomatische Interventionen entstehen würden. Wie dem auch sey, Mehemed Ali bereitet sich nicht nur auf eine energische Vertheidigung vor, er gibt auch zu verstehen, daß er vielleicht in kurzem selbst der Angreifer seyn dürfte. Seine Klage, die er jetzt jeden, der sich ihm nähert, hören läßt, seinen Sohn nicht auf Konstantinopel haben vorrücken zu lassen, als er die türkische Armee auseinander gesprengt hatte, bereiten darauf vor, und sein ihm eignes Glück bringt es mit sich, daß die Gelegenheit dazu, ungeachtet der langen Zeit, die in unnützen Intriguen verstrich, noch immer nicht vorbei ist. Anatolien, wie die ganze Türkei, ist in dem verwirrtesten Zustand, überall fühlt man die Gefahr, die der Religion droht, und überall ist man bereit für diese sein Letztes einzusetzen. Die Türken erwarten nichts mehr von Konstantinopel, der Sultan ist in geistiger Hinsicht ein unmündiges Kind und die Regentschaft ohne alles Vertrauen des Volks; es ist nur noch Mehemed Ali, auf den die Gläubigen ihre letzte Hoffnung setzen. Sollte daher dieser von den christlichen Mächten in seinen muselmännischen Ländern angegriffen werden, und er sich, wie es bis jetzt immer noch den vollen Anschein hat, kräftig vertheidigen wollen, so wird er nicht nur die Sympathie der muselmännischen Bevölkerung, sondern auch alle ihre Kräfte, die er unzweifelhaft anwenden wird, ganz zu seiner Disposition haben. Welcher Punkt übrigens von den vier Mächten ausersehen ist, von dem aus die militärischen Operationen gegen Mehemed Ali beginnen würden, ist hier nicht bekannt, aber wo man auch landen wird, sey es in Anatolien, sey es in Syrien, man wird einen kräftigen Widerstand finden, dem sich das für europäische Truppen sehr ungesunde und im Sommer sehr heiße Klima Syriens als gefährlicher Alliirter zugesellen wird. – Aus Arabien wollen noch immer keine Nachrichten ankommen, welche die Einnahme Sana's bestätigen, dagegen erfährt man, daß sich die arabischen Stämme in der Umgegend Adens zu einem neuen Angriff vorbereiten, der aber bei der nun vollendeten Befestigung dieses von Natur schon sehr festen Ortes wohl eben so fehlschlagen wird, als der, den sie vor vier Monaten unternahmen. – Aus Abyssinien ist der Missionär Hr. Isenberg zurückgekommen; er war in Schoa und wird nach Europa gehen, wie man aus Kairo schreibt. – Aus dem Sennaar nichts Neues. – In Syrien sind einige Pestfälle vorgekommen; man fürchtet für Jerusalem während des Aufenthalts der Pilger daselbst, und hat daher mehrere Aerzte dorthin geschickt. – An der Armirung von Acre wird mit großem Eifer gearbeitet. Soliman Pascha, obgleich in Saida sich bei seiner Familie aufhaltend, kommt häufig nach Acre, um mit dem polnischen Obristen Schulz, der schon seit sechs Jahren im Dienst des Pascha's steht, die Arbeiten daselbst zu leiten. Es stehen gegen 10,000 Mann dort; wahrscheinlich wird man einen bedeutenden Theil der Armee Ibrahims längs der Küste vertheilen. Auch in Jerusalem garnisonirt jetzt ein Regiment. Die Cavallerie Ibrahims ist jedoch, wie er selbst, an der Nordgränze. – Ueber Kurschid Pascha hört man gar nichts, ein Zeichen wenigstens, daß er seine militärischen Bewegungen eingestellt hat. Daß er aus den in Arabien geworbenen Truppen reguläres Militär gebildet habe, wie mehrere Berichte besagten, gehört zu den vielen Irrthümern, die über das, was in Arabien vorgeht, verbreitet worden sind. Es war für alle diejenigen, welche die Araber kennen, höchst unwahrscheinlich, und hat sich seitdem als falsch bewiesen. – In Alexandria zeigt das Directorium der Quarantäne immer noch Pestfälle an, woran aber das Publicum immer noch nicht glauben will. Noch sind nicht alle frühern Employés der Quarantäne wieder angestellt worden; ist dieß erst der Fall, so werden auch wohl die Pestfälle aufhören, da, wie ich Ihnen schon schrieb, die Furcht vor dieser Seuche die Quarantäne wieder einsetzte und hiermit einen Theil der dabei Angestellten. Statt der Pest haben wir dagegen dieses Jahr ungemein viele Fieber gehabt, die beinahe epidemisch grassirten. Sie waren jedoch nicht tödtlich, wenigstens sind nur sehr wenige Fälle von solcher Bösartigkeit derselben vorgekommen. Im Uebrigen ist der Gesundheitszustand Alexandria's sehr befriedigend.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 61. Augsburg, 1. März 1840, S. 0488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_061_18400301/8>, abgerufen am 02.05.2024.