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Allgemeine Zeitung. Nr. 61. Augsburg, 1. März 1840.

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Rußland und China.

Es ist ein höchst ergötzliches, den Geist des neunzehnten Jahrhunderts charakterisirendes Schauspiel, zu sehen, wie man sich in England auf alle nur erdenkliche Weise bemüht, in dem gegen China begonnenen Kampfe den Schein zu retten, wie man sinnet und forschet, unter dem Deckmantel der Tugend und Gerechtigkeit die süßen Früchte des Lasters zu pflücken. Bald versage der Kaiser zu Peking, bloß aus selbstsüchtigen Zwecken, seinen Unterthanen das Vergnügen, im Opiumrausch ihren eigenen und des Reiches Untergang zu fördern; es sey ja früher das Opium, fügt man lügnerischer Weise hinzu, in Canton so offen ausgeschifft und verkauft worden, wie das Zinn von Cornwallis und die Manufacturen von Liverpool und Manchester; bald sollen die Russen die strengen Maaßregeln des kaiserlichen Generalcommissärs Lin hervorgerufen haben; die Russen hätten ja, wie weltbekannt, ein Collegium zu Peking! Wer könnte jetzt noch daran zweifeln, daß ein Abgeordneter des Czar im Nuyko oder Cabinet des Himmelssohnes sitze und im Geheimen alle Angelegenheiten der Blume der Mitte leite! "Ja, ihr Herren," ruft der sonst so umsichtige Atlas vom 16 Februar l. J. aus, nachdem er diese so wichtige Entdeckung gemacht hatte, "ja, ihr Herren, ihr könnt wohlfeilen Kaufes eurer kränklichen Sentimentalität auf Kosten Indiens und der fernen Kaufleute Großbritanniens die Zügel schießen lassen. Aber alle diejenigen, welche keine Heuchler und Fanatiker, alle diejenigen, die noch ihres gesunden Verstandes Meister sind, wissen, daß dieses Opiumfieber ein augenscheinlicher Kunstgriff ist, um eine eu e russische Intrigue zu bemänteln. Es will nämlich diese nach allen Seiten um sich greifende unersättliche Macht an der Schwelle unserer indischen Besitzungen festen Fuß fassen, um hier bei der nächsten Gelegenheit dem eisernen Koloß Großbritanniens die thönernen Füße entzwei zu schlagen. Doch Muth gefaßt, wir werden uns durch alle diese satanischen Lug- und Trugkünste durchwinden. Die Krisis ist gekommen; der chinesische Drache lerne zittern vor dem Leoparden Großbritanniens. Es müssen uns in Zukunft die Chinesen mehr fürchten, als sie jetzt Rußland fürchten. Ist dieß geschehen, dann sollen die Portugiesen Macao räumen; die Portugiesen, welche ihres schmachvollen Benehmens wegen längst schon alle ihre Besitzungen verwirkt haben. Daß wir den Eingang der Tigermündung, daß wir die Höhen, welche sie beherrschen, besetzen, versteht sich von selbst! Was aber den Opiumhandel selbst betrifft, so werden wir officiellerweise weder etwas dafür, noch dagegen thun. Ein Fahrzeug, mit einem halben Duzend Kanonen versehen, kann ja zum Trotz der ganzen Kriegsmarine des Mittelreiches seine Ladung, wann und wohin immer es will, verführen. Sehet doch zu, gerade jetzt, wo unsere Kaufleute solche große Verluste erleiden, strömen den Opiumschmugglern Reichthümer über Reichthümer entgegen."

Die kaufmännische Habsucht, die, mögen die Folgen seyn, welche immer sie wollen, nur handeln und Geld gewinnen will, gibt sich zu deutlich kund in dem letzten Satze des weltstützenden Atlas, als daß wir es für nöthig erachteten, auf den schon bis zum Ueberdrusse besprochenen Opiumhandel, so wie auf die in dieser Beziehung erlassenen Gesetze der überaus reinen Dynastie nochmals zurückzukommen. Aber die Behauptung der englischen Blätter, daß Rußland das Feuer der Zwietracht zwischen England und China angeschürt habe - diese Behauptung, welche bereits in deutschen Blättern einen vielfachen Wiederhall gefunden hat - verdient es, näher beleuchtet und zur Steuer der Wahrheit in ihrer ganzen Gehaltlosigkeit dargestellt zu werden.

Die auf Abenteuer und Beute ausziehenden Kosaken, die Zobelfänger und sibirischen Schatzgräber erstaunten nicht wenigals sie in der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts jenseits des Amur und am Ononflusse eine regelmäßige intelligente Regierung entdeckten, welche es verstand, vermittelst tapferer, mit dem Feuergewehre versehener Truppen die Raub- und Eroberungssucht der fremden nordischen Gäste in die alten Schranken zurückzuweisen. Die Kosakenhäuptlinge errichteten nun mehrere Ostroge und Castelle oder warfen sich in die von Dauren und andern Tungusenstämmen gegen die übermächtigen Mandschu auferbauten Befestigungen, um sich hier gegen die in zahlreichen Haufen heranrückenden Chinesen zu schützen. Albasin, nach einem hier residirenden daurischen Fürsten Albasa benannt, ward von dem kühnen Abenteurer Jerofei Chabarow zur Hauptniederlassung der Russen in diesen Gegenden auserkoren. Von dieser Veste sollten die weitern Unternehmungen ausgehen gegen die Stromgebiete des mittlern und untern Amur. Albasin, von den Chinesen Jaksa genannt, war auf dem nördlichen Ufer des Flusses gelegen, unfern des Bächleins Emur, bei den Russen Albasicha geheißen, welches sich in den Amur mündet. Dieser Ort, so wie alle andern östlich des Argun gelegenen Lande wurden in dem Frieden von Nertschinsk (geschlossen am 27 Aug. 1689) den Chinesen überlassen, welche alsbald die russischen Colonisten dieser Gegenden, zu welchen natürlich die neue Regierung kein Vertrauen haben konnte, nach Peking verpflanzten. Dasselbe Loos hatte früher schon alle in den verschiedenen Ostrogs gemachten Gefangenen getroffen. Es ward nun eine Gränzlinie gezogen zwischen den zwei Reichen längs des Laufes der Gerbitsi und der nördlichen Abdachung der Hing-ngan-Kette. Es ward in diesem Friedensschlusse den Russen erlaubt - so heißt es in den officiellen statistischen Werken der Chinesen - jährlich einmal nach Peking zu kommen, sowohl des Handels wegen als auch um den schuldigen Tribut zu entrichten. Man war glücklich genug, sich bei den Unterhandlungen, da weder die Russen des Chinesischen, noch die Chinesen des Russischen kundig waren, der Hülfe der gelehrten Väter des Jesuitenordens bedienen zu können. Um aber für die Zukunft immer eine Anzahl Sprachkundiger bereit zu haben, ward dem weißen Chan - so heißt der Czar bei den Tataren - gestattet, eine bestimmte Anzahl junger Russen nach Peking zu senden, welche in dem kaiserlichen Collegium erzogen und in der Sprache des Mittelreiches Unterricht erhalten sollten. Sie mögen hier - so denkt und spricht der in seiner Culturform versteinerte Chinese - ihre Barbarei ablegen und durch die weisen Vorschriften des Jao und Schun neugeboren werden. Vielleicht daß sie nach ihrer Heimkehr ihre wilden Landsleute zur beseligenden Lehre der blumigen Mitte bekehren möchten! - Da man in China keine Ahnung hat von dem religiösen Fanatismus, so ward den Russen überdieß auf ihre Bitte, durch den neuen Vertrag vom 14 Junius 1728, alsbald gestattet, für die nach Peking abgeführten griechischen Christen, wie für die russischen Zöglinge im kaiserlichen Collegium eigene Geistliche zu bestellen. Es wurden aber der chinesischen Regierung diese jährlich wiederkehrenden Gäste aus mannichfachen Ursachen bald zur Last, und

Rußland und China.

Es ist ein höchst ergötzliches, den Geist des neunzehnten Jahrhunderts charakterisirendes Schauspiel, zu sehen, wie man sich in England auf alle nur erdenkliche Weise bemüht, in dem gegen China begonnenen Kampfe den Schein zu retten, wie man sinnet und forschet, unter dem Deckmantel der Tugend und Gerechtigkeit die süßen Früchte des Lasters zu pflücken. Bald versage der Kaiser zu Peking, bloß aus selbstsüchtigen Zwecken, seinen Unterthanen das Vergnügen, im Opiumrausch ihren eigenen und des Reiches Untergang zu fördern; es sey ja früher das Opium, fügt man lügnerischer Weise hinzu, in Canton so offen ausgeschifft und verkauft worden, wie das Zinn von Cornwallis und die Manufacturen von Liverpool und Manchester; bald sollen die Russen die strengen Maaßregeln des kaiserlichen Generalcommissärs Lin hervorgerufen haben; die Russen hätten ja, wie weltbekannt, ein Collegium zu Peking! Wer könnte jetzt noch daran zweifeln, daß ein Abgeordneter des Czar im Nuyko oder Cabinet des Himmelssohnes sitze und im Geheimen alle Angelegenheiten der Blume der Mitte leite! „Ja, ihr Herren,“ ruft der sonst so umsichtige Atlas vom 16 Februar l. J. aus, nachdem er diese so wichtige Entdeckung gemacht hatte, „ja, ihr Herren, ihr könnt wohlfeilen Kaufes eurer kränklichen Sentimentalität auf Kosten Indiens und der fernen Kaufleute Großbritanniens die Zügel schießen lassen. Aber alle diejenigen, welche keine Heuchler und Fanatiker, alle diejenigen, die noch ihres gesunden Verstandes Meister sind, wissen, daß dieses Opiumfieber ein augenscheinlicher Kunstgriff ist, um eine eu e russische Intrigue zu bemänteln. Es will nämlich diese nach allen Seiten um sich greifende unersättliche Macht an der Schwelle unserer indischen Besitzungen festen Fuß fassen, um hier bei der nächsten Gelegenheit dem eisernen Koloß Großbritanniens die thönernen Füße entzwei zu schlagen. Doch Muth gefaßt, wir werden uns durch alle diese satanischen Lug- und Trugkünste durchwinden. Die Krisis ist gekommen; der chinesische Drache lerne zittern vor dem Leoparden Großbritanniens. Es müssen uns in Zukunft die Chinesen mehr fürchten, als sie jetzt Rußland fürchten. Ist dieß geschehen, dann sollen die Portugiesen Macao räumen; die Portugiesen, welche ihres schmachvollen Benehmens wegen längst schon alle ihre Besitzungen verwirkt haben. Daß wir den Eingang der Tigermündung, daß wir die Höhen, welche sie beherrschen, besetzen, versteht sich von selbst! Was aber den Opiumhandel selbst betrifft, so werden wir officiellerweise weder etwas dafür, noch dagegen thun. Ein Fahrzeug, mit einem halben Duzend Kanonen versehen, kann ja zum Trotz der ganzen Kriegsmarine des Mittelreiches seine Ladung, wann und wohin immer es will, verführen. Sehet doch zu, gerade jetzt, wo unsere Kaufleute solche große Verluste erleiden, strömen den Opiumschmugglern Reichthümer über Reichthümer entgegen.“

Die kaufmännische Habsucht, die, mögen die Folgen seyn, welche immer sie wollen, nur handeln und Geld gewinnen will, gibt sich zu deutlich kund in dem letzten Satze des weltstützenden Atlas, als daß wir es für nöthig erachteten, auf den schon bis zum Ueberdrusse besprochenen Opiumhandel, so wie auf die in dieser Beziehung erlassenen Gesetze der überaus reinen Dynastie nochmals zurückzukommen. Aber die Behauptung der englischen Blätter, daß Rußland das Feuer der Zwietracht zwischen England und China angeschürt habe – diese Behauptung, welche bereits in deutschen Blättern einen vielfachen Wiederhall gefunden hat – verdient es, näher beleuchtet und zur Steuer der Wahrheit in ihrer ganzen Gehaltlosigkeit dargestellt zu werden.

Die auf Abenteuer und Beute ausziehenden Kosaken, die Zobelfänger und sibirischen Schatzgräber erstaunten nicht wenigals sie in der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts jenseits des Amur und am Ononflusse eine regelmäßige intelligente Regierung entdeckten, welche es verstand, vermittelst tapferer, mit dem Feuergewehre versehener Truppen die Raub- und Eroberungssucht der fremden nordischen Gäste in die alten Schranken zurückzuweisen. Die Kosakenhäuptlinge errichteten nun mehrere Ostroge und Castelle oder warfen sich in die von Dauren und andern Tungusenstämmen gegen die übermächtigen Mandschu auferbauten Befestigungen, um sich hier gegen die in zahlreichen Haufen heranrückenden Chinesen zu schützen. Albasin, nach einem hier residirenden daurischen Fürsten Albasa benannt, ward von dem kühnen Abenteurer Jerofei Chabarow zur Hauptniederlassung der Russen in diesen Gegenden auserkoren. Von dieser Veste sollten die weitern Unternehmungen ausgehen gegen die Stromgebiete des mittlern und untern Amur. Albasin, von den Chinesen Jaksa genannt, war auf dem nördlichen Ufer des Flusses gelegen, unfern des Bächleins Emur, bei den Russen Albasicha geheißen, welches sich in den Amur mündet. Dieser Ort, so wie alle andern östlich des Argun gelegenen Lande wurden in dem Frieden von Nertschinsk (geschlossen am 27 Aug. 1689) den Chinesen überlassen, welche alsbald die russischen Colonisten dieser Gegenden, zu welchen natürlich die neue Regierung kein Vertrauen haben konnte, nach Peking verpflanzten. Dasselbe Loos hatte früher schon alle in den verschiedenen Ostrogs gemachten Gefangenen getroffen. Es ward nun eine Gränzlinie gezogen zwischen den zwei Reichen längs des Laufes der Gerbitsi und der nördlichen Abdachung der Hing-ngan-Kette. Es ward in diesem Friedensschlusse den Russen erlaubt – so heißt es in den officiellen statistischen Werken der Chinesen – jährlich einmal nach Peking zu kommen, sowohl des Handels wegen als auch um den schuldigen Tribut zu entrichten. Man war glücklich genug, sich bei den Unterhandlungen, da weder die Russen des Chinesischen, noch die Chinesen des Russischen kundig waren, der Hülfe der gelehrten Väter des Jesuitenordens bedienen zu können. Um aber für die Zukunft immer eine Anzahl Sprachkundiger bereit zu haben, ward dem weißen Chan – so heißt der Czar bei den Tataren – gestattet, eine bestimmte Anzahl junger Russen nach Peking zu senden, welche in dem kaiserlichen Collegium erzogen und in der Sprache des Mittelreiches Unterricht erhalten sollten. Sie mögen hier – so denkt und spricht der in seiner Culturform versteinerte Chinese – ihre Barbarei ablegen und durch die weisen Vorschriften des Jao und Schun neugeboren werden. Vielleicht daß sie nach ihrer Heimkehr ihre wilden Landsleute zur beseligenden Lehre der blumigen Mitte bekehren möchten! – Da man in China keine Ahnung hat von dem religiösen Fanatismus, so ward den Russen überdieß auf ihre Bitte, durch den neuen Vertrag vom 14 Junius 1728, alsbald gestattet, für die nach Peking abgeführten griechischen Christen, wie für die russischen Zöglinge im kaiserlichen Collegium eigene Geistliche zu bestellen. Es wurden aber der chinesischen Regierung diese jährlich wiederkehrenden Gäste aus mannichfachen Ursachen bald zur Last, und

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[0481/0009] Rußland und China. Es ist ein höchst ergötzliches, den Geist des neunzehnten Jahrhunderts charakterisirendes Schauspiel, zu sehen, wie man sich in England auf alle nur erdenkliche Weise bemüht, in dem gegen China begonnenen Kampfe den Schein zu retten, wie man sinnet und forschet, unter dem Deckmantel der Tugend und Gerechtigkeit die süßen Früchte des Lasters zu pflücken. Bald versage der Kaiser zu Peking, bloß aus selbstsüchtigen Zwecken, seinen Unterthanen das Vergnügen, im Opiumrausch ihren eigenen und des Reiches Untergang zu fördern; es sey ja früher das Opium, fügt man lügnerischer Weise hinzu, in Canton so offen ausgeschifft und verkauft worden, wie das Zinn von Cornwallis und die Manufacturen von Liverpool und Manchester; bald sollen die Russen die strengen Maaßregeln des kaiserlichen Generalcommissärs Lin hervorgerufen haben; die Russen hätten ja, wie weltbekannt, ein Collegium zu Peking! Wer könnte jetzt noch daran zweifeln, daß ein Abgeordneter des Czar im Nuyko oder Cabinet des Himmelssohnes sitze und im Geheimen alle Angelegenheiten der Blume der Mitte leite! „Ja, ihr Herren,“ ruft der sonst so umsichtige Atlas vom 16 Februar l. J. aus, nachdem er diese so wichtige Entdeckung gemacht hatte, „ja, ihr Herren, ihr könnt wohlfeilen Kaufes eurer kränklichen Sentimentalität auf Kosten Indiens und der fernen Kaufleute Großbritanniens die Zügel schießen lassen. Aber alle diejenigen, welche keine Heuchler und Fanatiker, alle diejenigen, die noch ihres gesunden Verstandes Meister sind, wissen, daß dieses Opiumfieber ein augenscheinlicher Kunstgriff ist, um eine eu e russische Intrigue zu bemänteln. Es will nämlich diese nach allen Seiten um sich greifende unersättliche Macht an der Schwelle unserer indischen Besitzungen festen Fuß fassen, um hier bei der nächsten Gelegenheit dem eisernen Koloß Großbritanniens die thönernen Füße entzwei zu schlagen. Doch Muth gefaßt, wir werden uns durch alle diese satanischen Lug- und Trugkünste durchwinden. Die Krisis ist gekommen; der chinesische Drache lerne zittern vor dem Leoparden Großbritanniens. Es müssen uns in Zukunft die Chinesen mehr fürchten, als sie jetzt Rußland fürchten. Ist dieß geschehen, dann sollen die Portugiesen Macao räumen; die Portugiesen, welche ihres schmachvollen Benehmens wegen längst schon alle ihre Besitzungen verwirkt haben. Daß wir den Eingang der Tigermündung, daß wir die Höhen, welche sie beherrschen, besetzen, versteht sich von selbst! Was aber den Opiumhandel selbst betrifft, so werden wir officiellerweise weder etwas dafür, noch dagegen thun. Ein Fahrzeug, mit einem halben Duzend Kanonen versehen, kann ja zum Trotz der ganzen Kriegsmarine des Mittelreiches seine Ladung, wann und wohin immer es will, verführen. Sehet doch zu, gerade jetzt, wo unsere Kaufleute solche große Verluste erleiden, strömen den Opiumschmugglern Reichthümer über Reichthümer entgegen.“ Die kaufmännische Habsucht, die, mögen die Folgen seyn, welche immer sie wollen, nur handeln und Geld gewinnen will, gibt sich zu deutlich kund in dem letzten Satze des weltstützenden Atlas, als daß wir es für nöthig erachteten, auf den schon bis zum Ueberdrusse besprochenen Opiumhandel, so wie auf die in dieser Beziehung erlassenen Gesetze der überaus reinen Dynastie nochmals zurückzukommen. Aber die Behauptung der englischen Blätter, daß Rußland das Feuer der Zwietracht zwischen England und China angeschürt habe – diese Behauptung, welche bereits in deutschen Blättern einen vielfachen Wiederhall gefunden hat – verdient es, näher beleuchtet und zur Steuer der Wahrheit in ihrer ganzen Gehaltlosigkeit dargestellt zu werden. Die auf Abenteuer und Beute ausziehenden Kosaken, die Zobelfänger und sibirischen Schatzgräber erstaunten nicht wenigals sie in der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts jenseits des Amur und am Ononflusse eine regelmäßige intelligente Regierung entdeckten, welche es verstand, vermittelst tapferer, mit dem Feuergewehre versehener Truppen die Raub- und Eroberungssucht der fremden nordischen Gäste in die alten Schranken zurückzuweisen. Die Kosakenhäuptlinge errichteten nun mehrere Ostroge und Castelle oder warfen sich in die von Dauren und andern Tungusenstämmen gegen die übermächtigen Mandschu auferbauten Befestigungen, um sich hier gegen die in zahlreichen Haufen heranrückenden Chinesen zu schützen. Albasin, nach einem hier residirenden daurischen Fürsten Albasa benannt, ward von dem kühnen Abenteurer Jerofei Chabarow zur Hauptniederlassung der Russen in diesen Gegenden auserkoren. Von dieser Veste sollten die weitern Unternehmungen ausgehen gegen die Stromgebiete des mittlern und untern Amur. Albasin, von den Chinesen Jaksa genannt, war auf dem nördlichen Ufer des Flusses gelegen, unfern des Bächleins Emur, bei den Russen Albasicha geheißen, welches sich in den Amur mündet. Dieser Ort, so wie alle andern östlich des Argun gelegenen Lande wurden in dem Frieden von Nertschinsk (geschlossen am 27 Aug. 1689) den Chinesen überlassen, welche alsbald die russischen Colonisten dieser Gegenden, zu welchen natürlich die neue Regierung kein Vertrauen haben konnte, nach Peking verpflanzten. Dasselbe Loos hatte früher schon alle in den verschiedenen Ostrogs gemachten Gefangenen getroffen. Es ward nun eine Gränzlinie gezogen zwischen den zwei Reichen längs des Laufes der Gerbitsi und der nördlichen Abdachung der Hing-ngan-Kette. Es ward in diesem Friedensschlusse den Russen erlaubt – so heißt es in den officiellen statistischen Werken der Chinesen – jährlich einmal nach Peking zu kommen, sowohl des Handels wegen als auch um den schuldigen Tribut zu entrichten. Man war glücklich genug, sich bei den Unterhandlungen, da weder die Russen des Chinesischen, noch die Chinesen des Russischen kundig waren, der Hülfe der gelehrten Väter des Jesuitenordens bedienen zu können. Um aber für die Zukunft immer eine Anzahl Sprachkundiger bereit zu haben, ward dem weißen Chan – so heißt der Czar bei den Tataren – gestattet, eine bestimmte Anzahl junger Russen nach Peking zu senden, welche in dem kaiserlichen Collegium erzogen und in der Sprache des Mittelreiches Unterricht erhalten sollten. Sie mögen hier – so denkt und spricht der in seiner Culturform versteinerte Chinese – ihre Barbarei ablegen und durch die weisen Vorschriften des Jao und Schun neugeboren werden. Vielleicht daß sie nach ihrer Heimkehr ihre wilden Landsleute zur beseligenden Lehre der blumigen Mitte bekehren möchten! – Da man in China keine Ahnung hat von dem religiösen Fanatismus, so ward den Russen überdieß auf ihre Bitte, durch den neuen Vertrag vom 14 Junius 1728, alsbald gestattet, für die nach Peking abgeführten griechischen Christen, wie für die russischen Zöglinge im kaiserlichen Collegium eigene Geistliche zu bestellen. Es wurden aber der chinesischen Regierung diese jährlich wiederkehrenden Gäste aus mannichfachen Ursachen bald zur Last, und

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 61. Augsburg, 1. März 1840, S. 0481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_061_18400301/9>, abgerufen am 03.12.2024.