Allgemeine Zeitung. Nr. 62. Augsburg, 2. März 1840.erachtet! Es haftet aber eine Art traditioneller Schmach in diesen Dingen auf uns; wir Deutschen haben nur zu lange unter den Völkern die Rolle des Knaben spielen müssen, der an Ludwig des Vierzehnten Hof dem Dauphin beigegeben ward und die Schläge ausbaden mußte, die sein erlauchter Spielgenoß verschuldet. Selbst die hochherzige, unterrichtete, aber etwas scheue Stimme, die unlängst in Ihren Blättern den Orient und die französischen Kammerdebatten besprach, findet den Ton meiner Erwiederung etwas ungemessen, inmitten der kreißenden Weltbewegung meint sie werde die Berufung auf Gott, das Centrum der Geschichte, in welchem die Völker ihren Halt und Ursprung haben, zu nichts führen. Das wissen wir denn freilich auch, daß der Gott der Geschichte nicht der Nationalgott eines einzelnen Volkes ist, und daß der Himmel sicherlich nicht für uns einstehen wird, wenn wir uns selbst verlassen. Gegenüber jedoch der eroberungssüchtigen Turbulenz, womit unsere leichtfertigen Nachbarn ernste Völkerfragen behandeln, gegenüber ferner der verständigen Dialektik, die mit seiner Hand die Probleme des Tages stellt und wendet, und deren Erwägungen ein hoher Werth für die Diagnose des nächsten politischen Moments nicht abgesprochen werden soll, gegenüber diesen verschiedenen Standpunkten nimmt auch eine dritte Weltanschauung sich ihr Recht, diejenige nämlich, die da glaubt, daß Geschichte nicht eigentlich gemacht werde, sondern aus der Unmittelbarkeit der Völker entspringe, und die daher nicht müde wird, von Zeit zu Zeit an die ewigen Grundlagen, an die sittlichen Prämissen des historischen Processes zu erinnern. Will man solche Erwägungen allegorische Verirrungen nennen, so geben wir zu bedenken, daß Tausende in den Tagen unserer Erniedrigung von 1806 bis 1813 eben nur in solchen sogenannten Allegorien den Muth und den Glauben gefunden, durch die allein eine Wiedergeburt möglich geworden. Ihr Pariser Correspondent * in der Beilage vom 12 Februar sucht, indem er jedoch die gerechte Empfindlichkeit des gekränkten Nationalgefühls anerkennt, mit leiser Ironie der Sache den Anschein zu geben, als sey sie eben viel Lärm um nichts, eine grundlose Debatte. Wir Deutschen, meint er, seyen von der Eroberungssucht der Franzosen so verfolgt, daß wir dieselbe wie in einem Anfalle von Gespensterfurcht überall hervortreten sähen, und in der unbedeutendsten Rede eine wirkliche Gefahr erkennen. Hinterher ist Ihr Correspondent denn freilich doch zu dem Geständniß genöthigt, daß Thiers nur deßhalb von der Rheingränze gesprochen, weil er als Licht und Schatten seines Vortrags einiges volksthümlichen Nachhalles bedurft hätte, weil er die Solidarität, die enge Gemeinschaft habe nachweisen wollen, die zwischen ihm, seinen Grundsätzen und Frankreich bestehe! Widerlegt nicht der letzte Satz den ersten? Da wir die Herzen und Nieren nicht durchschauen, so können wir freilich die persönlichsten Ansichten der HH. Thiers und Lamartine nicht kennen; dagegen können wir aus persönlicher Anschauung die Thatsache verbürgen, daß in den Massen zum mindesten des französischen Nordens unverhohlen die Hoffnung einer dereinstigen Wiedereinverleibung Belgiens und des Rheines lebt. Und eben daß Thiers es für räthlich gefunden hat, diese Saite anklingen zu lassen, das ist uns, was immer auch des Redners geheimste Ueberzeugung seyn mag, ein ernstes Zeugniß mehr für die Macht, mit der jener Gedanke im volksthümlichen Bewußtseyn Frankreichs Wurzel geschlagen. - Wir theilen die Ansicht Ihres Pariser Correspondenten * in der Beilage vom 17 Februar, daß wir Deutschen durch falsche Ausländerei das Unsrige gethan, jenen Gedanken zu erwecken und zu begründen, müssen aber jenem Correspondenten bemerken, daß er den Einfluß französischen Geistes in Deutschland unendlich überschätzt, wenn er sogar schon von einer "moralischen Abhängigkeit" spricht, in die wir gerathen seyn sollen. Dem Himmel sey Dank, noch haben deutsche Wissenschaft und Kunst, die stolzen Freistätten unsres Geistes, sich ihren eigenthümlich hohen Gang, ihre keusche Würde erhalten, und wie viel fremde Richtungen sich auch der weltbürgerliche Sinn unsres Volkes einbilden mag, so kann doch nur einem kurzsichtigen Auge die ungeheuere Kluft entgehen, die sich in der ganzen Welt- und Naturanschauung beider Nachbarn findet. Französische Melodramen und Romane werden diese Kluft am wenigsten ausfüllen; sie haben in Deutschland ein Publicum der Bühne, der Leihbibliothek, das ist wahr, eben so wahr jedoch, daß es unter den gesund Gebildeten nur Ein Urtheil über den Werth dieser Dinge gibt und daß die Nation aufs entschiedenste eine Verwechselung ihrer selbst mit jenem Infusorienaufguß der Gesellschaft zurückweisen muß. Der ernste Glaube an die schöpferische Herrlichkeit und sittliche Kraft unseres Volkes, die Ueberzeugung, daß auch bei uns, wo es sich um ein großes Interesse nationaler Existenz und Ehre handle, die derzeitige Apathie wieder dem schönen Enthusiasmus von 1813 werde weichen müssen, endlich ein Blick auf unsere Heeresverfassung, die so gelenk und schlagfertig ist, wie Deutschland sich einer ähnlichen in früheren Tagen niemals erfreut, das sind die gewichtigen Voraussetzungen, auf die gestützt der Correspondent des antiken "Ihr wollt unsre Waffen, kommt und holt sie" seine stolze Zuversicht gründet. Uebrigens gehören auch wir nicht zu den Optimisten, wir sagen nicht, die Atmosphäre sey leicht und lichthell, da sie schwül ist und trübe. Es schweben augenblicklich Fragen von außerordentlichem Ernst in Deutschland, confessionelle und constitutionelle Zerwürfnisse; seit lange wird sich kein denkender Vaterlandsfreund verhehlt haben, wie viel Stoff in ihnen liegt zu ernster Betrachtung und tiefer Bekümmerniß..... Welche hohe Bedeutung diese Verwickelungen indeß auch in ihrer eigenen Sphäre ansprechen können, das ist klar, daß sie nach der politischen Seite hin aufgehen müssen als untergeordnete Momente in dem einen Gedanken der Nationalität, der ersten und letzten Lebensfrage eines Volkes. Um diesen Einen Gedanken wie um ein heiliges Symbol müssen wir uns stärker, stolzer, inniger zusammenthun, abwartend sodann, was die Zeit an Verhängnissen reifen mag, in der Ruhe unseres Rechtes. Peragit tranquilla potestas, quod violenta nequit. Die flamändische Sprache in Belgien. Die Kölner Ztg. schreibt über die mehrerwähnte bedeutungsvolle Reaction des flamändischen (deutschen) Elements gegen das französische, aus Belgien vom 13 Febr.: "Die flamändische Bittschriftenbewegung greift immer mehr um sich. In Gent haben Bürgermeister und Rath die Bittschrift unterzeichnet. Ronsse hat die seinige bereits der Repräsentantenkammer eingeschickt. Zu Lier, in der Landschaft Antwerpen, haben die Gemeinderäthe zuerst unterschrieben, und ihr Beispiel hat gleich Nachahmer gefunden. In derselben Landschaft haben auch die Gemeinden Hoogstraeten, Moll, Gheel, Westerloo, Herenthals u. s. w. der Bewegung sich angeschlossen. In einer kleinen Gemeinde bei Gent, die allein 58 Unterzeichner lieferte, bemerkte einer der letztern auf die Bittschrift: "Sieben zu dem Gemeinderathe gehörende Männer, der Gemeindeschreiber, der Gemeindeeinnehmer, die Feldwächter, die Armenmeister und auch die Steuerausschläger sind bei uns sämmtlich der französischen erachtet! Es haftet aber eine Art traditioneller Schmach in diesen Dingen auf uns; wir Deutschen haben nur zu lange unter den Völkern die Rolle des Knaben spielen müssen, der an Ludwig des Vierzehnten Hof dem Dauphin beigegeben ward und die Schläge ausbaden mußte, die sein erlauchter Spielgenoß verschuldet. Selbst die hochherzige, unterrichtete, aber etwas scheue Stimme, die unlängst in Ihren Blättern den Orient und die französischen Kammerdebatten besprach, findet den Ton meiner Erwiederung etwas ungemessen, inmitten der kreißenden Weltbewegung meint sie werde die Berufung auf Gott, das Centrum der Geschichte, in welchem die Völker ihren Halt und Ursprung haben, zu nichts führen. Das wissen wir denn freilich auch, daß der Gott der Geschichte nicht der Nationalgott eines einzelnen Volkes ist, und daß der Himmel sicherlich nicht für uns einstehen wird, wenn wir uns selbst verlassen. Gegenüber jedoch der eroberungssüchtigen Turbulenz, womit unsere leichtfertigen Nachbarn ernste Völkerfragen behandeln, gegenüber ferner der verständigen Dialektik, die mit seiner Hand die Probleme des Tages stellt und wendet, und deren Erwägungen ein hoher Werth für die Diagnose des nächsten politischen Moments nicht abgesprochen werden soll, gegenüber diesen verschiedenen Standpunkten nimmt auch eine dritte Weltanschauung sich ihr Recht, diejenige nämlich, die da glaubt, daß Geschichte nicht eigentlich gemacht werde, sondern aus der Unmittelbarkeit der Völker entspringe, und die daher nicht müde wird, von Zeit zu Zeit an die ewigen Grundlagen, an die sittlichen Prämissen des historischen Processes zu erinnern. Will man solche Erwägungen allegorische Verirrungen nennen, so geben wir zu bedenken, daß Tausende in den Tagen unserer Erniedrigung von 1806 bis 1813 eben nur in solchen sogenannten Allegorien den Muth und den Glauben gefunden, durch die allein eine Wiedergeburt möglich geworden. Ihr Pariser Correspondent * in der Beilage vom 12 Februar sucht, indem er jedoch die gerechte Empfindlichkeit des gekränkten Nationalgefühls anerkennt, mit leiser Ironie der Sache den Anschein zu geben, als sey sie eben viel Lärm um nichts, eine grundlose Debatte. Wir Deutschen, meint er, seyen von der Eroberungssucht der Franzosen so verfolgt, daß wir dieselbe wie in einem Anfalle von Gespensterfurcht überall hervortreten sähen, und in der unbedeutendsten Rede eine wirkliche Gefahr erkennen. Hinterher ist Ihr Correspondent denn freilich doch zu dem Geständniß genöthigt, daß Thiers nur deßhalb von der Rheingränze gesprochen, weil er als Licht und Schatten seines Vortrags einiges volksthümlichen Nachhalles bedurft hätte, weil er die Solidarität, die enge Gemeinschaft habe nachweisen wollen, die zwischen ihm, seinen Grundsätzen und Frankreich bestehe! Widerlegt nicht der letzte Satz den ersten? Da wir die Herzen und Nieren nicht durchschauen, so können wir freilich die persönlichsten Ansichten der HH. Thiers und Lamartine nicht kennen; dagegen können wir aus persönlicher Anschauung die Thatsache verbürgen, daß in den Massen zum mindesten des französischen Nordens unverhohlen die Hoffnung einer dereinstigen Wiedereinverleibung Belgiens und des Rheines lebt. Und eben daß Thiers es für räthlich gefunden hat, diese Saite anklingen zu lassen, das ist uns, was immer auch des Redners geheimste Ueberzeugung seyn mag, ein ernstes Zeugniß mehr für die Macht, mit der jener Gedanke im volksthümlichen Bewußtseyn Frankreichs Wurzel geschlagen. – Wir theilen die Ansicht Ihres Pariser Correspondenten * in der Beilage vom 17 Februar, daß wir Deutschen durch falsche Ausländerei das Unsrige gethan, jenen Gedanken zu erwecken und zu begründen, müssen aber jenem Correspondenten bemerken, daß er den Einfluß französischen Geistes in Deutschland unendlich überschätzt, wenn er sogar schon von einer „moralischen Abhängigkeit“ spricht, in die wir gerathen seyn sollen. Dem Himmel sey Dank, noch haben deutsche Wissenschaft und Kunst, die stolzen Freistätten unsres Geistes, sich ihren eigenthümlich hohen Gang, ihre keusche Würde erhalten, und wie viel fremde Richtungen sich auch der weltbürgerliche Sinn unsres Volkes einbilden mag, so kann doch nur einem kurzsichtigen Auge die ungeheuere Kluft entgehen, die sich in der ganzen Welt- und Naturanschauung beider Nachbarn findet. Französische Melodramen und Romane werden diese Kluft am wenigsten ausfüllen; sie haben in Deutschland ein Publicum der Bühne, der Leihbibliothek, das ist wahr, eben so wahr jedoch, daß es unter den gesund Gebildeten nur Ein Urtheil über den Werth dieser Dinge gibt und daß die Nation aufs entschiedenste eine Verwechselung ihrer selbst mit jenem Infusorienaufguß der Gesellschaft zurückweisen muß. Der ernste Glaube an die schöpferische Herrlichkeit und sittliche Kraft unseres Volkes, die Ueberzeugung, daß auch bei uns, wo es sich um ein großes Interesse nationaler Existenz und Ehre handle, die derzeitige Apathie wieder dem schönen Enthusiasmus von 1813 werde weichen müssen, endlich ein Blick auf unsere Heeresverfassung, die so gelenk und schlagfertig ist, wie Deutschland sich einer ähnlichen in früheren Tagen niemals erfreut, das sind die gewichtigen Voraussetzungen, auf die gestützt der Correspondent des antiken „Ihr wollt unsre Waffen, kommt und holt sie“ seine stolze Zuversicht gründet. Uebrigens gehören auch wir nicht zu den Optimisten, wir sagen nicht, die Atmosphäre sey leicht und lichthell, da sie schwül ist und trübe. Es schweben augenblicklich Fragen von außerordentlichem Ernst in Deutschland, confessionelle und constitutionelle Zerwürfnisse; seit lange wird sich kein denkender Vaterlandsfreund verhehlt haben, wie viel Stoff in ihnen liegt zu ernster Betrachtung und tiefer Bekümmerniß..... Welche hohe Bedeutung diese Verwickelungen indeß auch in ihrer eigenen Sphäre ansprechen können, das ist klar, daß sie nach der politischen Seite hin aufgehen müssen als untergeordnete Momente in dem einen Gedanken der Nationalität, der ersten und letzten Lebensfrage eines Volkes. Um diesen Einen Gedanken wie um ein heiliges Symbol müssen wir uns stärker, stolzer, inniger zusammenthun, abwartend sodann, was die Zeit an Verhängnissen reifen mag, in der Ruhe unseres Rechtes. Peragit tranquilla potestas, quod violenta nequit. Die flamändische Sprache in Belgien. Die Kölner Ztg. schreibt über die mehrerwähnte bedeutungsvolle Reaction des flamändischen (deutschen) Elements gegen das französische, aus Belgien vom 13 Febr.: „Die flamändische Bittschriftenbewegung greift immer mehr um sich. In Gent haben Bürgermeister und Rath die Bittschrift unterzeichnet. Ronsse hat die seinige bereits der Repräsentantenkammer eingeschickt. Zu Lier, in der Landschaft Antwerpen, haben die Gemeinderäthe zuerst unterschrieben, und ihr Beispiel hat gleich Nachahmer gefunden. In derselben Landschaft haben auch die Gemeinden Hoogstraeten, Moll, Gheel, Westerloo, Herenthals u. s. w. der Bewegung sich angeschlossen. In einer kleinen Gemeinde bei Gent, die allein 58 Unterzeichner lieferte, bemerkte einer der letztern auf die Bittschrift: „Sieben zu dem Gemeinderathe gehörende Männer, der Gemeindeschreiber, der Gemeindeeinnehmer, die Feldwächter, die Armenmeister und auch die Steuerausschläger sind bei uns sämmtlich der französischen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0010" n="0490"/> erachtet! Es haftet aber eine Art traditioneller Schmach in diesen Dingen auf uns; wir Deutschen haben nur zu lange unter den Völkern die Rolle des Knaben spielen müssen, der an Ludwig des Vierzehnten Hof dem Dauphin beigegeben ward und die Schläge ausbaden mußte, die sein erlauchter Spielgenoß verschuldet. 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Will man solche Erwägungen allegorische Verirrungen nennen, so geben wir zu bedenken, daß Tausende in den Tagen unserer Erniedrigung von 1806 bis 1813 eben nur in solchen sogenannten Allegorien den Muth und den Glauben gefunden, durch die allein eine Wiedergeburt möglich geworden. Ihr Pariser Correspondent * in der Beilage vom 12 Februar sucht, indem er jedoch die gerechte Empfindlichkeit des gekränkten Nationalgefühls anerkennt, mit leiser Ironie der Sache den Anschein zu geben, als sey sie eben viel Lärm um nichts, eine grundlose Debatte. Wir Deutschen, meint er, seyen von der Eroberungssucht der Franzosen so verfolgt, daß wir dieselbe wie in einem Anfalle von Gespensterfurcht überall hervortreten sähen, und in der unbedeutendsten Rede eine wirkliche Gefahr erkennen. 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Dem Himmel sey Dank, noch haben deutsche Wissenschaft und Kunst, die stolzen Freistätten unsres Geistes, sich ihren eigenthümlich hohen Gang, ihre keusche Würde erhalten, und wie viel fremde Richtungen sich auch der weltbürgerliche Sinn unsres Volkes einbilden mag, so kann doch nur einem kurzsichtigen Auge die ungeheuere Kluft entgehen, die sich in der ganzen Welt- und Naturanschauung beider Nachbarn findet. Französische Melodramen und Romane werden diese Kluft am wenigsten ausfüllen; sie haben in Deutschland ein Publicum der Bühne, der Leihbibliothek, das ist wahr, eben so wahr jedoch, daß es unter den gesund Gebildeten nur Ein Urtheil über den Werth dieser Dinge gibt und daß die Nation aufs entschiedenste eine Verwechselung ihrer selbst mit jenem Infusorienaufguß der Gesellschaft zurückweisen muß. 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Gegenüber jedoch der eroberungssüchtigen Turbulenz, womit unsere leichtfertigen Nachbarn ernste Völkerfragen behandeln, gegenüber ferner der verständigen Dialektik, die mit seiner Hand die Probleme des Tages stellt und wendet, und deren Erwägungen ein hoher Werth für die Diagnose des nächsten politischen Moments nicht abgesprochen werden soll, gegenüber diesen verschiedenen Standpunkten nimmt auch eine dritte Weltanschauung sich ihr Recht, diejenige nämlich, die da glaubt, daß Geschichte nicht eigentlich gemacht werde, sondern aus der Unmittelbarkeit der Völker entspringe, und die daher nicht müde wird, von Zeit zu Zeit an die ewigen Grundlagen, an die sittlichen Prämissen des historischen Processes zu erinnern. Will man solche Erwägungen allegorische Verirrungen nennen, so geben wir zu bedenken, daß Tausende in den Tagen unserer Erniedrigung von 1806 bis 1813 eben nur in solchen sogenannten Allegorien den Muth und den Glauben gefunden, durch die allein eine Wiedergeburt möglich geworden. Ihr Pariser Correspondent * in der Beilage vom 12 Februar sucht, indem er jedoch die gerechte Empfindlichkeit des gekränkten Nationalgefühls anerkennt, mit leiser Ironie der Sache den Anschein zu geben, als sey sie eben viel Lärm um nichts, eine grundlose Debatte. Wir Deutschen, meint er, seyen von der Eroberungssucht der Franzosen so verfolgt, daß wir dieselbe wie in einem Anfalle von Gespensterfurcht überall hervortreten sähen, und in der unbedeutendsten Rede eine wirkliche Gefahr erkennen. 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Der ernste Glaube an die schöpferische Herrlichkeit und sittliche Kraft unseres Volkes, die Ueberzeugung, daß auch bei uns, wo es sich um ein großes Interesse nationaler Existenz und Ehre handle, die derzeitige Apathie wieder dem schönen Enthusiasmus von 1813 werde weichen müssen, endlich ein Blick auf unsere Heeresverfassung, die so gelenk und schlagfertig ist, wie Deutschland sich einer ähnlichen in früheren Tagen niemals erfreut, das sind die gewichtigen Voraussetzungen, auf die gestützt der Correspondent des antiken „Ihr wollt unsre Waffen, kommt und holt sie“ seine stolze Zuversicht gründet. Uebrigens gehören auch wir nicht zu den Optimisten, wir sagen nicht, die Atmosphäre sey leicht und lichthell, da sie schwül ist und trübe. Es schweben augenblicklich Fragen von außerordentlichem Ernst in Deutschland, confessionelle und constitutionelle Zerwürfnisse; seit lange wird sich kein denkender Vaterlandsfreund verhehlt haben, wie viel Stoff in ihnen liegt zu ernster Betrachtung und tiefer Bekümmerniß..... Welche hohe Bedeutung diese Verwickelungen indeß auch in ihrer eigenen Sphäre ansprechen können, das ist klar, daß sie nach der politischen Seite hin aufgehen müssen als untergeordnete Momente in dem einen Gedanken der Nationalität, der ersten und letzten Lebensfrage eines Volkes. Um diesen Einen Gedanken wie um ein heiliges Symbol müssen wir uns stärker, stolzer, inniger zusammenthun, abwartend sodann, was die Zeit an Verhängnissen reifen mag, in der Ruhe unseres Rechtes. Peragit tranquilla potestas, quod violenta nequit.
Die flamändische Sprache in Belgien.
Die Kölner Ztg. schreibt über die mehrerwähnte bedeutungsvolle Reaction des flamändischen (deutschen) Elements gegen das französische, aus Belgien vom 13 Febr.: „Die flamändische Bittschriftenbewegung greift immer mehr um sich. In Gent haben Bürgermeister und Rath die Bittschrift unterzeichnet. Ronsse hat die seinige bereits der Repräsentantenkammer eingeschickt. Zu Lier, in der Landschaft Antwerpen, haben die Gemeinderäthe zuerst unterschrieben, und ihr Beispiel hat gleich Nachahmer gefunden. In derselben Landschaft haben auch die Gemeinden Hoogstraeten, Moll, Gheel, Westerloo, Herenthals u. s. w. der Bewegung sich angeschlossen. In einer kleinen Gemeinde bei Gent, die allein 58 Unterzeichner lieferte, bemerkte einer der letztern auf die Bittschrift: „Sieben zu dem Gemeinderathe gehörende Männer, der Gemeindeschreiber, der Gemeindeeinnehmer, die Feldwächter, die Armenmeister und auch die Steuerausschläger sind bei uns sämmtlich der französischen
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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
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