Allgemeine Zeitung. Nr. 65. Augsburg, 5. März 1840.auf der Gleichheit vor dem Gesetz und die administrative auf der Gleichheit der Ansprüche. Daneben bewegen sich noch zwei anorganische, die sich zwar auch für organisirt halten, aber in den übrigen Organismus nicht eingreifen, und selbst kein Organismus sind, weil sie, gegen die Natur einer so gegliederten Gesellschaft, auf dem Privilegium ruhen: die gesetzgebende Gewalt, welche auf dem Privilegium des Wahlgesetzes, und die Gewalt der Intelligenz, welche auf den Privilegien der universite imperiale und auf der verwerflichsten aller Steuern ruht, die mit jährlich 4 Millionen den höheren Unterricht belastet, um die unteren Classen von ihm abzuhalten, oder in die Seminarien der Bischöfe zu treiben. Diese Privilegien haben beiden genannten Gewalten das Starke ihrer demokratischen Furchtbarkeit nehmen sollen, haben sie aber beide verwildert und zur Quelle der Verlegenheiten des gegen seine Folgen ankämpfenden Princips der Demokratie gemacht. Was also bliebe für die Monarchie hier übrig, als der Purpurmantel, d. h. ein größeres Maaß von Glanz und Reichthum, durch welches der Bürgerkönig über die andern Bürger gestellt ist? Auch schien Se. Maj. Ludwig Philipp diese Lage in ihren wesentlichen Bedingungen wohl zu kennen. Der ganze altbourbonische Hof mit seinem Großjägermeister, Obristcerimonienmeister und andern zahllosen Meistern, Chargen, Würden und Ehren blieb abgethan, und der "König der Franzosen" war nur von seinen Adjutanten umgeben. Seine Kinder wurden in den königlichen Collegien mit den Söhnen der übrigen Bürger unterrichtet. Seine Tafel war wie die der Grandes Seigneurs de la bourgeoisie der Chaussee d'Antin eingerichtet und geführt, nur prächtiger und zahlreicher, gleich diesen jeder Notabilität geöffnet, und nach ihr hielten und halten sich die Gäste bei dem König wie im Salon jedes andern Hotel, während die Königin, in gleicher Einfachheit, mit ihren Töchtern und ihrer Schwägerin im Zimmer daneben mit weiblichen Arbeiten oder mit Lecture beschäftigt und den Gästen oder den Besuchen zugänglich war, die der König nach der Tafel empfing. In allem dem ist gegenüber der Lage von Frankreich und seiner Gesinnung ein richtiger Tact für das Nothwendige und Geziemende, nicht ohne Würde und selbst nicht ohne Größe. Aber woher nun die Apanagen, die Dotationen, die Witthumgelder für den Fall des Todes? In jenem Zustande der Dinge und der Ansichten ist der Bürgerkönig wie in seiner Stellung in der Gesellschaft, so in den Pflichten gegen seine Kinder allein der erste der Hausväter, und der Bürger, der ihn auf den Thron gehoben hat, der ihn in keinem andern Lichte sieht und sehen will, als in dem des hochgestellten und reichen Familienvaters, verlangt, daß der erste Hausvater des Reichs, wenn er Kinder ausheirathet, eben so verfahren soll, wie der letzte seines Reichs verfährt. Er soll sich nicht an die Cassen Anderer wenden, sondern soll sich in seinem eigenen Hauswesen umthun, sparen oder erwerben, so daß er, wenn die Hochzeit kommt, die Ausstattung aus dem Seinigen bestreiten kann, oder im Nothfall borgen, wenn er Credit hat und die Zinsen mit der Rückzahlung bestreiten kann, zumal, das glaubt man wenigstens, er nicht nur der höchste, sondern auch der reichste der französischen Hausväter ist. Man beruft sich vergeblich auf die "Charte verite", welche Dotationen begehrt, im Fall die Civilliste nicht zureicht; denn dieser Passus derselben ist an sich eine Anomalie und ein Verstoß gegen die eben bezeichnete Meinung, dazu aber ist er eine Unmöglichkeit, weil die Unzureichendheit der Civilliste nie und in keinem Fall nachweisbar ist, indem der Bourgeois und Citoyen den Rechnungen, die man ihm vorlegt, seinen Spruch ntgegenhält: "mit Vielem hält man Haus, mit wenig kommt man aus", und im Fall er sich dessen nicht besinnt, von irgend einem weiland Vicomte oder Tribun an ihn und seine Folgen erinnert wird. Ist was wir gezeigt haben, die wahre Lage des durch die Revolution zu reinem Bürgerthum umgestalteten Frankreichs und des von aller traditionellen Beithat dort entkleideten Bürgerkönigthums, so war eigentlich das durch diese Lage Gebotene, also das Naturgemäße, daß der Herzog von Orleans, als er den Thron bestieg, sein Vermögen bei sich behielt und aus ihm nach wie vor sein Haus führte, auch seine Kinder aus ihm als König eben so ausstattete, wie er sie aus ihm als Herzog von Orleans würde ausgestattet haben, und es schien ein Verkennen seiner Lage, als er sich gleichsam aus seinem Vermögen herausstellte, um es seinen Kindern noch bei seinen Lebzeiten zuzuschlagen und sich nur die Nutznießung vorzubehalten, dazu aber seinen Thronfolger vom Erbe ausschloß, und so das oberste Paar des neuen Staats für ihren Unterhalt an die Bewilligung des Staats anwies. Dadurch ist auf diesem Punkte Alles verschoben, der Sinn der Bewegung, der man den Thron verdankt, durch die Vorliebe alter Traditionen bedeckt und die Kette der Verlegenheiten geschmiedet worden, die nun ein Glied nach dem andern enthüllt. Hielt der König der Franzosen als le plus grand seigneur de la bourgeoisie sein Haus und seine Familie ebenso, wie er sie als Herzog von Orleans gehalten hatte, so war er in der Bedingungen seiner Lage, war in ihnen vollkommen frei und unabhängig. Allerdings war auch bei diesen die Idee einer Civilliste und selbst ihr Bedürfniß nicht ausgeschlossen. Sie war, nachdem man das Königthum seiner traditionellen Würde und ererbten Ansprüche entkleidet, der Gehalt des Staatsoberhaupts, und nahm er sie an, so konnte dieses nur den Sinn und die Bedeutung haben, daß er als König nach außen, d. i. gegen die Bürger wie gegen die Mächte durch Glanz, durch Freigebigkeit, durch Unterstützungen und Belohnungen mehr Aufwand zu machen habe, denn als Herzog von Orleans. Da er hier für den Staat, für die Ehre und Würde, wie für den Vortheil von Frankreich eintrat, war er an die Cassen des Reichs gewiesen und hatte ein Recht an sie. Das Mißverstehen des ihm gemachten, des von ihm angenommenen, des in wesentlichen Theilen von ihm so wohl begriffenen Verhältnisses, die Beimischung altmonarchischer und traditioneller Ansprüche zu den Ansprüchen Frankreichs an den Chef seiner öffentlichen Angelegenheiten, und die Mißgriffe, zu welchen das alles geführt hat, die Behandlung der Privatdomäne, die Ausschließung des Thronfolgers von ihr, die Vermischung der Privatdomäne und der Civilliste, der über das Maaß von beiden gehende Aufwand für übrigens große und rühmliche Unternehmungen, zu welchen die Concurrenz der Kammer gesucht wurde, die Aussteuer der Königin der Belgier mit einer Million, die Dotirung des Herzogs von Orleans und seiner Gemahlin, die für den Herzog von Nemours erst als Apanage, dann als Donation versuchte Anmuthung an die öffentlichen Cassen - das ist die Eine große Verlegenheit des neuen Königthums und die Quelle der Täuschungen, der Bekümmernisse, des Verdrusses und der Thränen, in die es nicht ohne wahre Theilnahme aller Wohlgesinnten versunken ist. Denn was hier gefehlt und falsch gegriffen wurde, das kam offenbar nicht aus unlautern Absichten. Nur Leidenschaft und Verblendung wagt zu behaupten, daß der König Ludwig Philipp einen andern als einen edelmüthigen und großherzigen Gebrauch von seinem Gelde gemacht habe. Das Fehlen kam aus der Schwierigkeit, mit der man auch in einfachen Verhältnissen sich von alten Meinungen, von unklaren Vorstellungen und von dem Haften an dem Verlornen ganz auf der Gleichheit vor dem Gesetz und die administrative auf der Gleichheit der Ansprüche. Daneben bewegen sich noch zwei anorganische, die sich zwar auch für organisirt halten, aber in den übrigen Organismus nicht eingreifen, und selbst kein Organismus sind, weil sie, gegen die Natur einer so gegliederten Gesellschaft, auf dem Privilegium ruhen: die gesetzgebende Gewalt, welche auf dem Privilegium des Wahlgesetzes, und die Gewalt der Intelligenz, welche auf den Privilegien der université imperiale und auf der verwerflichsten aller Steuern ruht, die mit jährlich 4 Millionen den höheren Unterricht belastet, um die unteren Classen von ihm abzuhalten, oder in die Seminarien der Bischöfe zu treiben. Diese Privilegien haben beiden genannten Gewalten das Starke ihrer demokratischen Furchtbarkeit nehmen sollen, haben sie aber beide verwildert und zur Quelle der Verlegenheiten des gegen seine Folgen ankämpfenden Princips der Demokratie gemacht. Was also bliebe für die Monarchie hier übrig, als der Purpurmantel, d. h. ein größeres Maaß von Glanz und Reichthum, durch welches der Bürgerkönig über die andern Bürger gestellt ist? Auch schien Se. Maj. Ludwig Philipp diese Lage in ihren wesentlichen Bedingungen wohl zu kennen. Der ganze altbourbonische Hof mit seinem Großjägermeister, Obristcerimonienmeister und andern zahllosen Meistern, Chargen, Würden und Ehren blieb abgethan, und der „König der Franzosen“ war nur von seinen Adjutanten umgeben. Seine Kinder wurden in den königlichen Collegien mit den Söhnen der übrigen Bürger unterrichtet. Seine Tafel war wie die der Grandes Seigneurs de la bourgeoisie der Chaussée d'Antin eingerichtet und geführt, nur prächtiger und zahlreicher, gleich diesen jeder Notabilität geöffnet, und nach ihr hielten und halten sich die Gäste bei dem König wie im Salon jedes andern Hotel, während die Königin, in gleicher Einfachheit, mit ihren Töchtern und ihrer Schwägerin im Zimmer daneben mit weiblichen Arbeiten oder mit Lecture beschäftigt und den Gästen oder den Besuchen zugänglich war, die der König nach der Tafel empfing. In allem dem ist gegenüber der Lage von Frankreich und seiner Gesinnung ein richtiger Tact für das Nothwendige und Geziemende, nicht ohne Würde und selbst nicht ohne Größe. Aber woher nun die Apanagen, die Dotationen, die Witthumgelder für den Fall des Todes? In jenem Zustande der Dinge und der Ansichten ist der Bürgerkönig wie in seiner Stellung in der Gesellschaft, so in den Pflichten gegen seine Kinder allein der erste der Hausväter, und der Bürger, der ihn auf den Thron gehoben hat, der ihn in keinem andern Lichte sieht und sehen will, als in dem des hochgestellten und reichen Familienvaters, verlangt, daß der erste Hausvater des Reichs, wenn er Kinder ausheirathet, eben so verfahren soll, wie der letzte seines Reichs verfährt. Er soll sich nicht an die Cassen Anderer wenden, sondern soll sich in seinem eigenen Hauswesen umthun, sparen oder erwerben, so daß er, wenn die Hochzeit kommt, die Ausstattung aus dem Seinigen bestreiten kann, oder im Nothfall borgen, wenn er Credit hat und die Zinsen mit der Rückzahlung bestreiten kann, zumal, das glaubt man wenigstens, er nicht nur der höchste, sondern auch der reichste der französischen Hausväter ist. Man beruft sich vergeblich auf die „Charte vérité“, welche Dotationen begehrt, im Fall die Civilliste nicht zureicht; denn dieser Passus derselben ist an sich eine Anomalie und ein Verstoß gegen die eben bezeichnete Meinung, dazu aber ist er eine Unmöglichkeit, weil die Unzureichendheit der Civilliste nie und in keinem Fall nachweisbar ist, indem der Bourgeois und Citoyen den Rechnungen, die man ihm vorlegt, seinen Spruch ntgegenhält: „mit Vielem hält man Haus, mit wenig kommt man aus“, und im Fall er sich dessen nicht besinnt, von irgend einem weiland Vicomte oder Tribun an ihn und seine Folgen erinnert wird. Ist was wir gezeigt haben, die wahre Lage des durch die Revolution zu reinem Bürgerthum umgestalteten Frankreichs und des von aller traditionellen Beithat dort entkleideten Bürgerkönigthums, so war eigentlich das durch diese Lage Gebotene, also das Naturgemäße, daß der Herzog von Orleans, als er den Thron bestieg, sein Vermögen bei sich behielt und aus ihm nach wie vor sein Haus führte, auch seine Kinder aus ihm als König eben so ausstattete, wie er sie aus ihm als Herzog von Orleans würde ausgestattet haben, und es schien ein Verkennen seiner Lage, als er sich gleichsam aus seinem Vermögen herausstellte, um es seinen Kindern noch bei seinen Lebzeiten zuzuschlagen und sich nur die Nutznießung vorzubehalten, dazu aber seinen Thronfolger vom Erbe ausschloß, und so das oberste Paar des neuen Staats für ihren Unterhalt an die Bewilligung des Staats anwies. Dadurch ist auf diesem Punkte Alles verschoben, der Sinn der Bewegung, der man den Thron verdankt, durch die Vorliebe alter Traditionen bedeckt und die Kette der Verlegenheiten geschmiedet worden, die nun ein Glied nach dem andern enthüllt. Hielt der König der Franzosen als le plus grand seigneur de la bourgeoisie sein Haus und seine Familie ebenso, wie er sie als Herzog von Orleans gehalten hatte, so war er in der Bedingungen seiner Lage, war in ihnen vollkommen frei und unabhängig. Allerdings war auch bei diesen die Idee einer Civilliste und selbst ihr Bedürfniß nicht ausgeschlossen. Sie war, nachdem man das Königthum seiner traditionellen Würde und ererbten Ansprüche entkleidet, der Gehalt des Staatsoberhaupts, und nahm er sie an, so konnte dieses nur den Sinn und die Bedeutung haben, daß er als König nach außen, d. i. gegen die Bürger wie gegen die Mächte durch Glanz, durch Freigebigkeit, durch Unterstützungen und Belohnungen mehr Aufwand zu machen habe, denn als Herzog von Orleans. Da er hier für den Staat, für die Ehre und Würde, wie für den Vortheil von Frankreich eintrat, war er an die Cassen des Reichs gewiesen und hatte ein Recht an sie. Das Mißverstehen des ihm gemachten, des von ihm angenommenen, des in wesentlichen Theilen von ihm so wohl begriffenen Verhältnisses, die Beimischung altmonarchischer und traditioneller Ansprüche zu den Ansprüchen Frankreichs an den Chef seiner öffentlichen Angelegenheiten, und die Mißgriffe, zu welchen das alles geführt hat, die Behandlung der Privatdomäne, die Ausschließung des Thronfolgers von ihr, die Vermischung der Privatdomäne und der Civilliste, der über das Maaß von beiden gehende Aufwand für übrigens große und rühmliche Unternehmungen, zu welchen die Concurrenz der Kammer gesucht wurde, die Aussteuer der Königin der Belgier mit einer Million, die Dotirung des Herzogs von Orleans und seiner Gemahlin, die für den Herzog von Nemours erst als Apanage, dann als Donation versuchte Anmuthung an die öffentlichen Cassen – das ist die Eine große Verlegenheit des neuen Königthums und die Quelle der Täuschungen, der Bekümmernisse, des Verdrusses und der Thränen, in die es nicht ohne wahre Theilnahme aller Wohlgesinnten versunken ist. Denn was hier gefehlt und falsch gegriffen wurde, das kam offenbar nicht aus unlautern Absichten. Nur Leidenschaft und Verblendung wagt zu behaupten, daß der König Ludwig Philipp einen andern als einen edelmüthigen und großherzigen Gebrauch von seinem Gelde gemacht habe. Das Fehlen kam aus der Schwierigkeit, mit der man auch in einfachen Verhältnissen sich von alten Meinungen, von unklaren Vorstellungen und von dem Haften an dem Verlornen ganz <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0012" n="0516"/> auf der Gleichheit vor dem Gesetz und die administrative auf der Gleichheit der Ansprüche. 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Was also bliebe für die Monarchie hier übrig, als der Purpurmantel, d. h. ein größeres Maaß von Glanz und Reichthum, durch welches der Bürgerkönig über die andern Bürger gestellt ist? Auch schien Se. Maj. Ludwig Philipp diese Lage in ihren wesentlichen Bedingungen wohl zu kennen. Der ganze altbourbonische Hof mit seinem Großjägermeister, Obristcerimonienmeister und andern zahllosen Meistern, Chargen, Würden und Ehren blieb abgethan, und der „König der Franzosen“ war nur von seinen Adjutanten umgeben. Seine Kinder wurden in den königlichen Collegien mit den Söhnen der übrigen Bürger unterrichtet. Seine Tafel war wie die der Grandes Seigneurs de la bourgeoisie der Chaussée d'Antin eingerichtet und geführt, nur prächtiger und zahlreicher, gleich diesen jeder Notabilität geöffnet, und nach ihr hielten und halten sich die Gäste bei dem König wie im Salon jedes andern Hotel, während die Königin, in gleicher Einfachheit, mit ihren Töchtern und ihrer Schwägerin im Zimmer daneben mit weiblichen Arbeiten oder mit Lecture beschäftigt und den Gästen oder den Besuchen zugänglich war, die der König nach der Tafel empfing. In allem dem ist gegenüber der Lage von Frankreich und seiner Gesinnung ein richtiger Tact für das Nothwendige und Geziemende, nicht ohne Würde und selbst nicht ohne Größe. Aber woher nun die Apanagen, die Dotationen, die Witthumgelder für den Fall des Todes? In jenem Zustande der Dinge und der Ansichten ist der Bürgerkönig wie in seiner Stellung in der Gesellschaft, so in den Pflichten gegen seine Kinder allein der erste der Hausväter, und der Bürger, der ihn auf den Thron gehoben hat, der ihn in keinem andern Lichte sieht und sehen will, als in dem des hochgestellten und reichen Familienvaters, verlangt, daß der erste Hausvater des Reichs, wenn er Kinder ausheirathet, eben so verfahren soll, wie der letzte seines Reichs verfährt. Er soll sich nicht an die Cassen Anderer wenden, sondern soll sich in seinem eigenen Hauswesen umthun, sparen oder erwerben, so daß er, wenn die Hochzeit kommt, die Ausstattung aus dem Seinigen bestreiten kann, oder im Nothfall borgen, wenn er Credit hat und die Zinsen mit der Rückzahlung bestreiten kann, zumal, das glaubt man wenigstens, er nicht nur der höchste, sondern auch der reichste der französischen Hausväter ist. Man beruft sich vergeblich auf die „Charte vérité“, welche Dotationen begehrt, im Fall die Civilliste nicht zureicht; denn dieser Passus derselben ist an sich eine Anomalie und ein Verstoß gegen die eben bezeichnete Meinung, dazu aber ist er eine Unmöglichkeit, weil die Unzureichendheit der Civilliste <hi rendition="#g">nie</hi> und in keinem Fall nachweisbar ist, indem der Bourgeois und Citoyen den Rechnungen, die man ihm vorlegt, seinen Spruch ntgegenhält: „mit Vielem hält man Haus, mit wenig kommt man aus“, und im Fall er sich dessen nicht besinnt, von irgend einem weiland Vicomte oder Tribun an ihn und seine Folgen erinnert wird.</p><lb/> <p>Ist was wir gezeigt haben, die wahre Lage des durch die Revolution zu reinem Bürgerthum umgestalteten Frankreichs und des von aller traditionellen Beithat dort entkleideten Bürgerkönigthums, so war eigentlich das durch diese Lage Gebotene, also das Naturgemäße, daß der Herzog von Orleans, als er den Thron bestieg, sein Vermögen bei sich behielt und aus ihm nach wie vor sein Haus führte, auch seine Kinder aus ihm als König eben so ausstattete, wie er sie aus ihm als Herzog von Orleans würde ausgestattet haben, und es schien ein Verkennen seiner Lage, als er sich gleichsam aus seinem Vermögen herausstellte, um es seinen Kindern noch bei seinen Lebzeiten zuzuschlagen und sich nur die Nutznießung vorzubehalten, dazu aber seinen Thronfolger vom Erbe ausschloß, und so das oberste Paar des neuen Staats für ihren Unterhalt an die Bewilligung des Staats anwies. Dadurch ist auf diesem Punkte Alles verschoben, der Sinn der Bewegung, der man den Thron verdankt, durch die Vorliebe alter Traditionen bedeckt und die Kette der Verlegenheiten geschmiedet worden, die nun ein Glied nach dem andern enthüllt. Hielt der König der Franzosen als le plus grand seigneur de la bourgeoisie sein Haus und seine Familie ebenso, wie er sie als Herzog von Orleans gehalten hatte, so war er in der Bedingungen seiner Lage, war in ihnen vollkommen frei und unabhängig. Allerdings war auch bei diesen die Idee einer Civilliste und selbst ihr Bedürfniß nicht ausgeschlossen. Sie war, nachdem man das Königthum seiner traditionellen Würde und ererbten Ansprüche entkleidet, der Gehalt des Staatsoberhaupts, und nahm er sie an, so konnte dieses nur den Sinn und die Bedeutung haben, daß er als König nach außen, d. i. gegen die Bürger wie gegen die Mächte durch Glanz, durch Freigebigkeit, durch Unterstützungen und Belohnungen mehr Aufwand zu machen habe, denn als Herzog von Orleans. Da er hier für den Staat, für die Ehre und Würde, wie für den Vortheil von Frankreich eintrat, war er an die Cassen des Reichs gewiesen und hatte ein Recht an sie. Das Mißverstehen des ihm gemachten, des von ihm angenommenen, des in wesentlichen Theilen von ihm so wohl begriffenen Verhältnisses, die Beimischung altmonarchischer und traditioneller Ansprüche zu den Ansprüchen Frankreichs an den Chef seiner öffentlichen Angelegenheiten, und die Mißgriffe, zu welchen das alles geführt hat, die Behandlung der Privatdomäne, die Ausschließung des Thronfolgers von ihr, die Vermischung der Privatdomäne und der Civilliste, der über das Maaß von beiden gehende Aufwand für übrigens große und rühmliche Unternehmungen, zu welchen die Concurrenz der Kammer gesucht wurde, die Aussteuer der Königin der Belgier mit einer Million, die Dotirung des Herzogs von Orleans und seiner Gemahlin, die für den Herzog von Nemours erst als Apanage, dann als Donation versuchte Anmuthung an die öffentlichen Cassen – das ist die Eine große Verlegenheit des neuen Königthums und die Quelle der Täuschungen, der Bekümmernisse, des Verdrusses und der Thränen, in die es nicht ohne wahre Theilnahme aller Wohlgesinnten versunken ist. Denn was hier gefehlt und falsch gegriffen wurde, das kam offenbar nicht aus unlautern Absichten. Nur Leidenschaft und Verblendung wagt zu behaupten, daß der König Ludwig Philipp einen andern als einen edelmüthigen und großherzigen Gebrauch von seinem Gelde gemacht habe. Das Fehlen kam aus der Schwierigkeit, mit der man auch in einfachen Verhältnissen sich von alten Meinungen, von unklaren Vorstellungen und von dem Haften an dem Verlornen ganz<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0516/0012]
auf der Gleichheit vor dem Gesetz und die administrative auf der Gleichheit der Ansprüche. Daneben bewegen sich noch zwei anorganische, die sich zwar auch für organisirt halten, aber in den übrigen Organismus nicht eingreifen, und selbst kein Organismus sind, weil sie, gegen die Natur einer so gegliederten Gesellschaft, auf dem Privilegium ruhen: die gesetzgebende Gewalt, welche auf dem Privilegium des Wahlgesetzes, und die Gewalt der Intelligenz, welche auf den Privilegien der université imperiale und auf der verwerflichsten aller Steuern ruht, die mit jährlich 4 Millionen den höheren Unterricht belastet, um die unteren Classen von ihm abzuhalten, oder in die Seminarien der Bischöfe zu treiben. Diese Privilegien haben beiden genannten Gewalten das Starke ihrer demokratischen Furchtbarkeit nehmen sollen, haben sie aber beide verwildert und zur Quelle der Verlegenheiten des gegen seine Folgen ankämpfenden Princips der Demokratie gemacht. Was also bliebe für die Monarchie hier übrig, als der Purpurmantel, d. h. ein größeres Maaß von Glanz und Reichthum, durch welches der Bürgerkönig über die andern Bürger gestellt ist? Auch schien Se. Maj. Ludwig Philipp diese Lage in ihren wesentlichen Bedingungen wohl zu kennen. Der ganze altbourbonische Hof mit seinem Großjägermeister, Obristcerimonienmeister und andern zahllosen Meistern, Chargen, Würden und Ehren blieb abgethan, und der „König der Franzosen“ war nur von seinen Adjutanten umgeben. Seine Kinder wurden in den königlichen Collegien mit den Söhnen der übrigen Bürger unterrichtet. Seine Tafel war wie die der Grandes Seigneurs de la bourgeoisie der Chaussée d'Antin eingerichtet und geführt, nur prächtiger und zahlreicher, gleich diesen jeder Notabilität geöffnet, und nach ihr hielten und halten sich die Gäste bei dem König wie im Salon jedes andern Hotel, während die Königin, in gleicher Einfachheit, mit ihren Töchtern und ihrer Schwägerin im Zimmer daneben mit weiblichen Arbeiten oder mit Lecture beschäftigt und den Gästen oder den Besuchen zugänglich war, die der König nach der Tafel empfing. In allem dem ist gegenüber der Lage von Frankreich und seiner Gesinnung ein richtiger Tact für das Nothwendige und Geziemende, nicht ohne Würde und selbst nicht ohne Größe. Aber woher nun die Apanagen, die Dotationen, die Witthumgelder für den Fall des Todes? In jenem Zustande der Dinge und der Ansichten ist der Bürgerkönig wie in seiner Stellung in der Gesellschaft, so in den Pflichten gegen seine Kinder allein der erste der Hausväter, und der Bürger, der ihn auf den Thron gehoben hat, der ihn in keinem andern Lichte sieht und sehen will, als in dem des hochgestellten und reichen Familienvaters, verlangt, daß der erste Hausvater des Reichs, wenn er Kinder ausheirathet, eben so verfahren soll, wie der letzte seines Reichs verfährt. Er soll sich nicht an die Cassen Anderer wenden, sondern soll sich in seinem eigenen Hauswesen umthun, sparen oder erwerben, so daß er, wenn die Hochzeit kommt, die Ausstattung aus dem Seinigen bestreiten kann, oder im Nothfall borgen, wenn er Credit hat und die Zinsen mit der Rückzahlung bestreiten kann, zumal, das glaubt man wenigstens, er nicht nur der höchste, sondern auch der reichste der französischen Hausväter ist. Man beruft sich vergeblich auf die „Charte vérité“, welche Dotationen begehrt, im Fall die Civilliste nicht zureicht; denn dieser Passus derselben ist an sich eine Anomalie und ein Verstoß gegen die eben bezeichnete Meinung, dazu aber ist er eine Unmöglichkeit, weil die Unzureichendheit der Civilliste nie und in keinem Fall nachweisbar ist, indem der Bourgeois und Citoyen den Rechnungen, die man ihm vorlegt, seinen Spruch ntgegenhält: „mit Vielem hält man Haus, mit wenig kommt man aus“, und im Fall er sich dessen nicht besinnt, von irgend einem weiland Vicomte oder Tribun an ihn und seine Folgen erinnert wird.
Ist was wir gezeigt haben, die wahre Lage des durch die Revolution zu reinem Bürgerthum umgestalteten Frankreichs und des von aller traditionellen Beithat dort entkleideten Bürgerkönigthums, so war eigentlich das durch diese Lage Gebotene, also das Naturgemäße, daß der Herzog von Orleans, als er den Thron bestieg, sein Vermögen bei sich behielt und aus ihm nach wie vor sein Haus führte, auch seine Kinder aus ihm als König eben so ausstattete, wie er sie aus ihm als Herzog von Orleans würde ausgestattet haben, und es schien ein Verkennen seiner Lage, als er sich gleichsam aus seinem Vermögen herausstellte, um es seinen Kindern noch bei seinen Lebzeiten zuzuschlagen und sich nur die Nutznießung vorzubehalten, dazu aber seinen Thronfolger vom Erbe ausschloß, und so das oberste Paar des neuen Staats für ihren Unterhalt an die Bewilligung des Staats anwies. Dadurch ist auf diesem Punkte Alles verschoben, der Sinn der Bewegung, der man den Thron verdankt, durch die Vorliebe alter Traditionen bedeckt und die Kette der Verlegenheiten geschmiedet worden, die nun ein Glied nach dem andern enthüllt. Hielt der König der Franzosen als le plus grand seigneur de la bourgeoisie sein Haus und seine Familie ebenso, wie er sie als Herzog von Orleans gehalten hatte, so war er in der Bedingungen seiner Lage, war in ihnen vollkommen frei und unabhängig. Allerdings war auch bei diesen die Idee einer Civilliste und selbst ihr Bedürfniß nicht ausgeschlossen. Sie war, nachdem man das Königthum seiner traditionellen Würde und ererbten Ansprüche entkleidet, der Gehalt des Staatsoberhaupts, und nahm er sie an, so konnte dieses nur den Sinn und die Bedeutung haben, daß er als König nach außen, d. i. gegen die Bürger wie gegen die Mächte durch Glanz, durch Freigebigkeit, durch Unterstützungen und Belohnungen mehr Aufwand zu machen habe, denn als Herzog von Orleans. Da er hier für den Staat, für die Ehre und Würde, wie für den Vortheil von Frankreich eintrat, war er an die Cassen des Reichs gewiesen und hatte ein Recht an sie. Das Mißverstehen des ihm gemachten, des von ihm angenommenen, des in wesentlichen Theilen von ihm so wohl begriffenen Verhältnisses, die Beimischung altmonarchischer und traditioneller Ansprüche zu den Ansprüchen Frankreichs an den Chef seiner öffentlichen Angelegenheiten, und die Mißgriffe, zu welchen das alles geführt hat, die Behandlung der Privatdomäne, die Ausschließung des Thronfolgers von ihr, die Vermischung der Privatdomäne und der Civilliste, der über das Maaß von beiden gehende Aufwand für übrigens große und rühmliche Unternehmungen, zu welchen die Concurrenz der Kammer gesucht wurde, die Aussteuer der Königin der Belgier mit einer Million, die Dotirung des Herzogs von Orleans und seiner Gemahlin, die für den Herzog von Nemours erst als Apanage, dann als Donation versuchte Anmuthung an die öffentlichen Cassen – das ist die Eine große Verlegenheit des neuen Königthums und die Quelle der Täuschungen, der Bekümmernisse, des Verdrusses und der Thränen, in die es nicht ohne wahre Theilnahme aller Wohlgesinnten versunken ist. Denn was hier gefehlt und falsch gegriffen wurde, das kam offenbar nicht aus unlautern Absichten. Nur Leidenschaft und Verblendung wagt zu behaupten, daß der König Ludwig Philipp einen andern als einen edelmüthigen und großherzigen Gebrauch von seinem Gelde gemacht habe. Das Fehlen kam aus der Schwierigkeit, mit der man auch in einfachen Verhältnissen sich von alten Meinungen, von unklaren Vorstellungen und von dem Haften an dem Verlornen ganz
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