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Allgemeine Zeitung. Nr. 67. Augsburg, 7. März 1840.

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Jaxartes oder Amu und Sir Daria ist der Handel den räuberischen Anfällen der Kirgiskaisaken, besonders von der mittlern und kleineren Horde ausgesetzt. Obschon sie gewöhnlich Geiseln nach Orenburg schicken, sind sie kaum dem Namen nach von Rußland abhängig. Für den Raub pflegen sich die Russen durch die Heerden eines verwandten Stammes zu entschädigen. Wie indeß der Ersatz nicht den Räubern selbst genommen wird, so sind es gewöhnlich auch nicht die Beraubten, die ihn erhalten. Es würde vielleicht möglich seyn, durch nachhaltige Uebermacht diesen Angriffen für immer ein Ende zu machen, wenn nicht die zunehmende Wichtigkeit des Handels mit diesen Nomaden selbst sie gefahrloser bezähmte. Außer Pferden, Ochsen und Kamelen trieben sie schon zu Anfang des Jahrhunderts jährlich 3 bis 400,000 Schafe nach Orenburg, wofür sie Geräth, Waffen, Kleidung und Schmuck eintauschen.

Die folgende Uebersicht des Handels an dieser Gränze im Jahr 1802 wird durch Bezeichnung der Hauptgegenstände desselben den Verkehr mit Chiwa, Buchhara und Taschkend von dem mit den Kirgisen hinreichend unterscheiden.

Einfuhr 2,440,256 Rbl., wovon rohe und verarbeitete Baumwolle für 1,518,549, lebendiges Vieh für 675,062 Rbl.

Ausfuhr 1,360,846, worunter für 425,492 Rbl. Pelzwerk und 352,031 Rbl. Juften.

Im Jahr 1805 betrug die Einfuhr 3,169,936, Ausfuhr 1,180,984 Rbl. Daß seitdem die Ausfuhr nicht in demselben Verhältniß zugenommen, wie dieß bei der Einfuhr der Fall gewesen zu seyn scheint, muß der Erlaubniß zugeschrieben werden, holländische Ducaten auszuführen. Seitdem werden russische Producte ihren hauptsächlichen Absatz mehr unter den Kirgisen, als den Bucharen, gefunden haben. Zu einer vollständigen Uebersicht dieses Handelswegs gehörte allerdings auch die Schifffahrt zwischen Mangischlak und Astrachan, die im Zunehmen ist, falls es nicht zu schwer würde, in den Astrachanischen Handelslisten den persischen Verkehr von dem chiwensischen Transit nach Buchara zu unterscheiden.

Der Versuch, die Wassersysteme des Aral, des Oxus und Jaxartes zur Schifffahrt zu benutzen, scheint bisher wenigstens für den Handel keinen Erfolg gehabt zu haben. Fast nirgend finden sich zum Schiffbau taugliche Waldungen. Zwar beschiffte Nadir Schah mit 1000 Barken von Termed bis Tschardju den mittlern Oxus, und Schifferkähne finden sich am Ausfluß der Ströme in den Lagunen des Aral, aber von der sibirischen Seite her sah sich der Staatsrath Kirilow genöthigt, das Holz zu einem Schiff stückweise von Orenburg an den Aral zu bringen, und noch immer hat Morawin, der im Jahr 1741 die Ostküste dieses Steppenmeers befuhr, keinen Nachahmer gefunden. Es ist im höchsten Grade wahrscheinlich, daß der Lauf der Flüsse in den Sandebenen, in die ihr Gewässer sich durch den Seitendruck verliert, vielfache Veränderungen erlebt, ja es gränzt an Gewißheit, daß der Oxus sich ehedem, vielleicht noch im 17ten Jahrhundert, in das kaspische Meer ergoß. An seinem Ausfluß befand sich ein mächtiges Emporium, wohin schon zu des Pompejus Zeiten der Handel vom Phasis durch Baktrien und die serische Seiden-Karawane nach Europa ihren Weg nahm. Gerade hier in 39° 15' nördl. Br. am balchanischen Meerbusen fand Bruce zu Peters des Großen Zeit im Jahr 1723 den gelegensten Ort zur Gründung einer russischen Handelscolonie, die jetzt nicht bloß mit Astrachan, sondern auch mit Salian am Ausfluß des Kur in Verbindung zu setzen wäre.

Fassen wir die durch den Handel erlangte oberflächliche Kenntniß der Verhältnisse Rußlands zu diesen Gegenden in Bezug auf kriegerische Unternehmungen zusammen, so zeigt es sich, daß nur das planmäßigste Fortschreiten hier einen Erfolg versprechen kann. Das Schicksal des Tscherkessenfürsten Alexander Bekkewitsch, der auf Peters des Großen Befehl den versandeten Lauf des Oxus aufsuchen sollte, und der durch den Verrath der Chiwenser in der Wüste umkam, ist ein warnendes Beispiel für alle Unternehmungen, denen die gehörige Grundlage fehlt. Nur durch eine Kette von Kreposten, die in größeren zu Emporien ausgebildeten Ansiedlungen ihren Stützpunkt fänden, so wie die Linien des Ural, des Tobol und des Irtisch in Astrachan und Orenburg, könnten nach und nach diese Gegenden vom Norden aus der rohen Uebermacht der Nomadenstämme entrissen werden. Als die Stelle einer solchen Ansiedlung bezeichnete Abulghair Chan im Jahr 1750 den Russen in Orenburg die Ruinen einer alten Colonie der handeltreibenden Sarten am Ausfluß des Jaxartes, der von da bis Taschkend schiffbar ist. In Taschkend, wo unmächtige Regenten schon oft russiche Unterstützung erbeten, wo der macedonische Alexander schon durch feste Plätze die Hirtenvölker der Steppe zu bändigen suchte, am Eingang Fergana's und der Pässe in das Gebirgsland, hat die Natur einer zweiten Niederlassung am Jaxartes ihre Stelle angewiesen. Vielleicht wäre diese Oase auf einem Umwege durch die Gebirgsgegend leichter zu erreichen, als auf der kürzesten Straße durch die Wüste Bitpak. Erst wenn Taschkend, die erneuerte Sarten-Colonie am Ausfluß des Jaxartes und ein mit Chiwa in Verbindung stehendes Emporium im balchanischen Busen des kaspischen Meeres sich wechselseitig unterstützten, würden die fruchtbaren Oasen des Oxusthals, Samarkand, Buchara und Balch, russischem Einfluß auf die Dauer zugänglich werden. Dann erst würde Rußlands sibirisches Interesse mit dem indischen Englands in wirkliche Berührung treten, und die einzige continentale Operationslinie gegen Indien, die durch Afghanistan führt, bedroht werden. Wenn Balch gefallen, wenn Herat, die Hauptstadt Chorasans, von der hyrkanischen Küste des kaspischen Meeres aus erobert, wenn die Pässe durch den Paropamisus besetzt, dann wäre es Zeit für die Engländer in Indien, ihren Einfluß an den Höfen von Kabul und Teheran zu benutzen, an den Uebergängen des Indus zu Attok und Mirpor, das Pentschab, den fruchtbaren Gau der fünf Flüsse, von Delhi aus, und Gudschurat, die verwundbarste Stelle ihrer Besitzungen, von Bombay aus zu vertheidigen. Es ist wahrscheinlich, daß es ihnen leichter seyn würde, Kabul und Kandahar, als den Russen Balch und Herat zu erreichen, und wenn wirklich einmal kriegerische Spannung europäische Heereskräfte auf der Eroberungsstraße Alexanders, Mahmuds, Timurs und Nadirschahs einander entgegenstellen sollte, so würde Zahl und Kriegskunst des Heers der Compagnie den Ausgang einer entscheidenden Schlacht wenigstens zweifelhaft machen.

Vorstehender Aufsatz wurde, wie der Schluß zeigt, vor der Expedition Lord Keane's nach Afghanistan geschrieben, und war größtentheils aus authentischen Berichten und Erkundigungen entstanden. In dem gegenwärtigen Augenblick, wo von Orenburg aus eine Expedition nach Chiwa unternommen wird, und eine zweite über das kaspische Meer über Astrabad durch persisches Gebiet sehr wahrscheinlich und zur Sicherung des Erfolgs unumgänglich nothwendig ist, wo die Engländer ihre natürliche Gränzlinie, den Indus und Himalaja, erreicht haben, und ihre äußersten Vorposten nur auf 100 deutsche Meilen von Chiwa zu Bamian und Kulm stehen, dürften die hier gelieferten Beiträge zur Kenntniß Mittelasiens nicht ohne Interesse seyn. Zur Erläuterung dient am besten die vortreffliche Karte,

Jaxartes oder Amu und Sir Daria ist der Handel den räuberischen Anfällen der Kirgiskaisaken, besonders von der mittlern und kleineren Horde ausgesetzt. Obschon sie gewöhnlich Geiseln nach Orenburg schicken, sind sie kaum dem Namen nach von Rußland abhängig. Für den Raub pflegen sich die Russen durch die Heerden eines verwandten Stammes zu entschädigen. Wie indeß der Ersatz nicht den Räubern selbst genommen wird, so sind es gewöhnlich auch nicht die Beraubten, die ihn erhalten. Es würde vielleicht möglich seyn, durch nachhaltige Uebermacht diesen Angriffen für immer ein Ende zu machen, wenn nicht die zunehmende Wichtigkeit des Handels mit diesen Nomaden selbst sie gefahrloser bezähmte. Außer Pferden, Ochsen und Kamelen trieben sie schon zu Anfang des Jahrhunderts jährlich 3 bis 400,000 Schafe nach Orenburg, wofür sie Geräth, Waffen, Kleidung und Schmuck eintauschen.

Die folgende Uebersicht des Handels an dieser Gränze im Jahr 1802 wird durch Bezeichnung der Hauptgegenstände desselben den Verkehr mit Chiwa, Buchhara und Taschkend von dem mit den Kirgisen hinreichend unterscheiden.

Einfuhr 2,440,256 Rbl., wovon rohe und verarbeitete Baumwolle für 1,518,549, lebendiges Vieh für 675,062 Rbl.

Ausfuhr 1,360,846, worunter für 425,492 Rbl. Pelzwerk und 352,031 Rbl. Juften.

Im Jahr 1805 betrug die Einfuhr 3,169,936, Ausfuhr 1,180,984 Rbl. Daß seitdem die Ausfuhr nicht in demselben Verhältniß zugenommen, wie dieß bei der Einfuhr der Fall gewesen zu seyn scheint, muß der Erlaubniß zugeschrieben werden, holländische Ducaten auszuführen. Seitdem werden russische Producte ihren hauptsächlichen Absatz mehr unter den Kirgisen, als den Bucharen, gefunden haben. Zu einer vollständigen Uebersicht dieses Handelswegs gehörte allerdings auch die Schifffahrt zwischen Mangischlak und Astrachan, die im Zunehmen ist, falls es nicht zu schwer würde, in den Astrachanischen Handelslisten den persischen Verkehr von dem chiwensischen Transit nach Buchara zu unterscheiden.

Der Versuch, die Wassersysteme des Aral, des Oxus und Jaxartes zur Schifffahrt zu benutzen, scheint bisher wenigstens für den Handel keinen Erfolg gehabt zu haben. Fast nirgend finden sich zum Schiffbau taugliche Waldungen. Zwar beschiffte Nadir Schah mit 1000 Barken von Termed bis Tschardju den mittlern Oxus, und Schifferkähne finden sich am Ausfluß der Ströme in den Lagunen des Aral, aber von der sibirischen Seite her sah sich der Staatsrath Kirilow genöthigt, das Holz zu einem Schiff stückweise von Orenburg an den Aral zu bringen, und noch immer hat Morawin, der im Jahr 1741 die Ostküste dieses Steppenmeers befuhr, keinen Nachahmer gefunden. Es ist im höchsten Grade wahrscheinlich, daß der Lauf der Flüsse in den Sandebenen, in die ihr Gewässer sich durch den Seitendruck verliert, vielfache Veränderungen erlebt, ja es gränzt an Gewißheit, daß der Oxus sich ehedem, vielleicht noch im 17ten Jahrhundert, in das kaspische Meer ergoß. An seinem Ausfluß befand sich ein mächtiges Emporium, wohin schon zu des Pompejus Zeiten der Handel vom Phasis durch Baktrien und die serische Seiden-Karawane nach Europa ihren Weg nahm. Gerade hier in 39° 15' nördl. Br. am balchanischen Meerbusen fand Bruce zu Peters des Großen Zeit im Jahr 1723 den gelegensten Ort zur Gründung einer russischen Handelscolonie, die jetzt nicht bloß mit Astrachan, sondern auch mit Salian am Ausfluß des Kur in Verbindung zu setzen wäre.

Fassen wir die durch den Handel erlangte oberflächliche Kenntniß der Verhältnisse Rußlands zu diesen Gegenden in Bezug auf kriegerische Unternehmungen zusammen, so zeigt es sich, daß nur das planmäßigste Fortschreiten hier einen Erfolg versprechen kann. Das Schicksal des Tscherkessenfürsten Alexander Bekkewitsch, der auf Peters des Großen Befehl den versandeten Lauf des Oxus aufsuchen sollte, und der durch den Verrath der Chiwenser in der Wüste umkam, ist ein warnendes Beispiel für alle Unternehmungen, denen die gehörige Grundlage fehlt. Nur durch eine Kette von Kreposten, die in größeren zu Emporien ausgebildeten Ansiedlungen ihren Stützpunkt fänden, so wie die Linien des Ural, des Tobol und des Irtisch in Astrachan und Orenburg, könnten nach und nach diese Gegenden vom Norden aus der rohen Uebermacht der Nomadenstämme entrissen werden. Als die Stelle einer solchen Ansiedlung bezeichnete Abulghair Chan im Jahr 1750 den Russen in Orenburg die Ruinen einer alten Colonie der handeltreibenden Sarten am Ausfluß des Jaxartes, der von da bis Taschkend schiffbar ist. In Taschkend, wo unmächtige Regenten schon oft russiche Unterstützung erbeten, wo der macedonische Alexander schon durch feste Plätze die Hirtenvölker der Steppe zu bändigen suchte, am Eingang Fergana's und der Pässe in das Gebirgsland, hat die Natur einer zweiten Niederlassung am Jaxartes ihre Stelle angewiesen. Vielleicht wäre diese Oase auf einem Umwege durch die Gebirgsgegend leichter zu erreichen, als auf der kürzesten Straße durch die Wüste Bitpak. Erst wenn Taschkend, die erneuerte Sarten-Colonie am Ausfluß des Jaxartes und ein mit Chiwa in Verbindung stehendes Emporium im balchanischen Busen des kaspischen Meeres sich wechselseitig unterstützten, würden die fruchtbaren Oasen des Oxusthals, Samarkand, Buchara und Balch, russischem Einfluß auf die Dauer zugänglich werden. Dann erst würde Rußlands sibirisches Interesse mit dem indischen Englands in wirkliche Berührung treten, und die einzige continentale Operationslinie gegen Indien, die durch Afghanistan führt, bedroht werden. Wenn Balch gefallen, wenn Herat, die Hauptstadt Chorasans, von der hyrkanischen Küste des kaspischen Meeres aus erobert, wenn die Pässe durch den Paropamisus besetzt, dann wäre es Zeit für die Engländer in Indien, ihren Einfluß an den Höfen von Kabul und Teheran zu benutzen, an den Uebergängen des Indus zu Attok und Mirpor, das Pentschab, den fruchtbaren Gau der fünf Flüsse, von Delhi aus, und Gudschurat, die verwundbarste Stelle ihrer Besitzungen, von Bombay aus zu vertheidigen. Es ist wahrscheinlich, daß es ihnen leichter seyn würde, Kabul und Kandahar, als den Russen Balch und Herat zu erreichen, und wenn wirklich einmal kriegerische Spannung europäische Heereskräfte auf der Eroberungsstraße Alexanders, Mahmuds, Timurs und Nadirschahs einander entgegenstellen sollte, so würde Zahl und Kriegskunst des Heers der Compagnie den Ausgang einer entscheidenden Schlacht wenigstens zweifelhaft machen.

Vorstehender Aufsatz wurde, wie der Schluß zeigt, vor der Expedition Lord Keane's nach Afghanistan geschrieben, und war größtentheils aus authentischen Berichten und Erkundigungen entstanden. In dem gegenwärtigen Augenblick, wo von Orenburg aus eine Expedition nach Chiwa unternommen wird, und eine zweite über das kaspische Meer über Astrabad durch persisches Gebiet sehr wahrscheinlich und zur Sicherung des Erfolgs unumgänglich nothwendig ist, wo die Engländer ihre natürliche Gränzlinie, den Indus und Himalaja, erreicht haben, und ihre äußersten Vorposten nur auf 100 deutsche Meilen von Chiwa zu Bamian und Kulm stehen, dürften die hier gelieferten Beiträge zur Kenntniß Mittelasiens nicht ohne Interesse seyn. Zur Erläuterung dient am besten die vortreffliche Karte,

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Jaxartes oder Amu und Sir Daria ist der Handel den räuberischen Anfällen der Kirgiskaisaken, besonders von der mittlern und kleineren Horde ausgesetzt. Obschon sie gewöhnlich Geiseln nach Orenburg schicken, sind sie kaum dem Namen nach von Rußland abhängig. Für den Raub pflegen sich die Russen durch die Heerden eines verwandten Stammes zu entschädigen. Wie indeß der Ersatz nicht den Räubern selbst genommen wird, so sind es gewöhnlich auch nicht die Beraubten, die ihn erhalten. Es würde vielleicht möglich seyn, durch nachhaltige Uebermacht diesen Angriffen für immer ein Ende zu machen, wenn nicht die zunehmende Wichtigkeit des Handels mit diesen Nomaden selbst sie gefahrloser bezähmte. Außer Pferden, Ochsen und Kamelen trieben sie schon zu Anfang des Jahrhunderts jährlich 3 bis 400,000 Schafe nach Orenburg, wofür sie Geräth, Waffen, Kleidung und Schmuck eintauschen.</p><lb/>
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[0532/0012] Jaxartes oder Amu und Sir Daria ist der Handel den räuberischen Anfällen der Kirgiskaisaken, besonders von der mittlern und kleineren Horde ausgesetzt. Obschon sie gewöhnlich Geiseln nach Orenburg schicken, sind sie kaum dem Namen nach von Rußland abhängig. Für den Raub pflegen sich die Russen durch die Heerden eines verwandten Stammes zu entschädigen. Wie indeß der Ersatz nicht den Räubern selbst genommen wird, so sind es gewöhnlich auch nicht die Beraubten, die ihn erhalten. Es würde vielleicht möglich seyn, durch nachhaltige Uebermacht diesen Angriffen für immer ein Ende zu machen, wenn nicht die zunehmende Wichtigkeit des Handels mit diesen Nomaden selbst sie gefahrloser bezähmte. Außer Pferden, Ochsen und Kamelen trieben sie schon zu Anfang des Jahrhunderts jährlich 3 bis 400,000 Schafe nach Orenburg, wofür sie Geräth, Waffen, Kleidung und Schmuck eintauschen. Die folgende Uebersicht des Handels an dieser Gränze im Jahr 1802 wird durch Bezeichnung der Hauptgegenstände desselben den Verkehr mit Chiwa, Buchhara und Taschkend von dem mit den Kirgisen hinreichend unterscheiden. Einfuhr 2,440,256 Rbl., wovon rohe und verarbeitete Baumwolle für 1,518,549, lebendiges Vieh für 675,062 Rbl. Ausfuhr 1,360,846, worunter für 425,492 Rbl. Pelzwerk und 352,031 Rbl. Juften. Im Jahr 1805 betrug die Einfuhr 3,169,936, Ausfuhr 1,180,984 Rbl. Daß seitdem die Ausfuhr nicht in demselben Verhältniß zugenommen, wie dieß bei der Einfuhr der Fall gewesen zu seyn scheint, muß der Erlaubniß zugeschrieben werden, holländische Ducaten auszuführen. Seitdem werden russische Producte ihren hauptsächlichen Absatz mehr unter den Kirgisen, als den Bucharen, gefunden haben. Zu einer vollständigen Uebersicht dieses Handelswegs gehörte allerdings auch die Schifffahrt zwischen Mangischlak und Astrachan, die im Zunehmen ist, falls es nicht zu schwer würde, in den Astrachanischen Handelslisten den persischen Verkehr von dem chiwensischen Transit nach Buchara zu unterscheiden. Der Versuch, die Wassersysteme des Aral, des Oxus und Jaxartes zur Schifffahrt zu benutzen, scheint bisher wenigstens für den Handel keinen Erfolg gehabt zu haben. Fast nirgend finden sich zum Schiffbau taugliche Waldungen. Zwar beschiffte Nadir Schah mit 1000 Barken von Termed bis Tschardju den mittlern Oxus, und Schifferkähne finden sich am Ausfluß der Ströme in den Lagunen des Aral, aber von der sibirischen Seite her sah sich der Staatsrath Kirilow genöthigt, das Holz zu einem Schiff stückweise von Orenburg an den Aral zu bringen, und noch immer hat Morawin, der im Jahr 1741 die Ostküste dieses Steppenmeers befuhr, keinen Nachahmer gefunden. Es ist im höchsten Grade wahrscheinlich, daß der Lauf der Flüsse in den Sandebenen, in die ihr Gewässer sich durch den Seitendruck verliert, vielfache Veränderungen erlebt, ja es gränzt an Gewißheit, daß der Oxus sich ehedem, vielleicht noch im 17ten Jahrhundert, in das kaspische Meer ergoß. An seinem Ausfluß befand sich ein mächtiges Emporium, wohin schon zu des Pompejus Zeiten der Handel vom Phasis durch Baktrien und die serische Seiden-Karawane nach Europa ihren Weg nahm. Gerade hier in 39° 15' nördl. Br. am balchanischen Meerbusen fand Bruce zu Peters des Großen Zeit im Jahr 1723 den gelegensten Ort zur Gründung einer russischen Handelscolonie, die jetzt nicht bloß mit Astrachan, sondern auch mit Salian am Ausfluß des Kur in Verbindung zu setzen wäre. Fassen wir die durch den Handel erlangte oberflächliche Kenntniß der Verhältnisse Rußlands zu diesen Gegenden in Bezug auf kriegerische Unternehmungen zusammen, so zeigt es sich, daß nur das planmäßigste Fortschreiten hier einen Erfolg versprechen kann. Das Schicksal des Tscherkessenfürsten Alexander Bekkewitsch, der auf Peters des Großen Befehl den versandeten Lauf des Oxus aufsuchen sollte, und der durch den Verrath der Chiwenser in der Wüste umkam, ist ein warnendes Beispiel für alle Unternehmungen, denen die gehörige Grundlage fehlt. Nur durch eine Kette von Kreposten, die in größeren zu Emporien ausgebildeten Ansiedlungen ihren Stützpunkt fänden, so wie die Linien des Ural, des Tobol und des Irtisch in Astrachan und Orenburg, könnten nach und nach diese Gegenden vom Norden aus der rohen Uebermacht der Nomadenstämme entrissen werden. Als die Stelle einer solchen Ansiedlung bezeichnete Abulghair Chan im Jahr 1750 den Russen in Orenburg die Ruinen einer alten Colonie der handeltreibenden Sarten am Ausfluß des Jaxartes, der von da bis Taschkend schiffbar ist. In Taschkend, wo unmächtige Regenten schon oft russiche Unterstützung erbeten, wo der macedonische Alexander schon durch feste Plätze die Hirtenvölker der Steppe zu bändigen suchte, am Eingang Fergana's und der Pässe in das Gebirgsland, hat die Natur einer zweiten Niederlassung am Jaxartes ihre Stelle angewiesen. Vielleicht wäre diese Oase auf einem Umwege durch die Gebirgsgegend leichter zu erreichen, als auf der kürzesten Straße durch die Wüste Bitpak. Erst wenn Taschkend, die erneuerte Sarten-Colonie am Ausfluß des Jaxartes und ein mit Chiwa in Verbindung stehendes Emporium im balchanischen Busen des kaspischen Meeres sich wechselseitig unterstützten, würden die fruchtbaren Oasen des Oxusthals, Samarkand, Buchara und Balch, russischem Einfluß auf die Dauer zugänglich werden. Dann erst würde Rußlands sibirisches Interesse mit dem indischen Englands in wirkliche Berührung treten, und die einzige continentale Operationslinie gegen Indien, die durch Afghanistan führt, bedroht werden. Wenn Balch gefallen, wenn Herat, die Hauptstadt Chorasans, von der hyrkanischen Küste des kaspischen Meeres aus erobert, wenn die Pässe durch den Paropamisus besetzt, dann wäre es Zeit für die Engländer in Indien, ihren Einfluß an den Höfen von Kabul und Teheran zu benutzen, an den Uebergängen des Indus zu Attok und Mirpor, das Pentschab, den fruchtbaren Gau der fünf Flüsse, von Delhi aus, und Gudschurat, die verwundbarste Stelle ihrer Besitzungen, von Bombay aus zu vertheidigen. Es ist wahrscheinlich, daß es ihnen leichter seyn würde, Kabul und Kandahar, als den Russen Balch und Herat zu erreichen, und wenn wirklich einmal kriegerische Spannung europäische Heereskräfte auf der Eroberungsstraße Alexanders, Mahmuds, Timurs und Nadirschahs einander entgegenstellen sollte, so würde Zahl und Kriegskunst des Heers der Compagnie den Ausgang einer entscheidenden Schlacht wenigstens zweifelhaft machen. Vorstehender Aufsatz wurde, wie der Schluß zeigt, vor der Expedition Lord Keane's nach Afghanistan geschrieben, und war größtentheils aus authentischen Berichten und Erkundigungen entstanden. In dem gegenwärtigen Augenblick, wo von Orenburg aus eine Expedition nach Chiwa unternommen wird, und eine zweite über das kaspische Meer über Astrabad durch persisches Gebiet sehr wahrscheinlich und zur Sicherung des Erfolgs unumgänglich nothwendig ist, wo die Engländer ihre natürliche Gränzlinie, den Indus und Himalaja, erreicht haben, und ihre äußersten Vorposten nur auf 100 deutsche Meilen von Chiwa zu Bamian und Kulm stehen, dürften die hier gelieferten Beiträge zur Kenntniß Mittelasiens nicht ohne Interesse seyn. Zur Erläuterung dient am besten die vortreffliche Karte,

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 67. Augsburg, 7. März 1840, S. 0532. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_067_18400307/12>, abgerufen am 29.04.2024.