Allgemeine Zeitung. Nr. 67. Augsburg, 7. März 1840.ähnlich den römischen Municipien, auszubilden, so würden die fruchtbaren und bevölkerten Oasen im Flußgebiet des Oxus, die berühmten Namen Buchara, Samarkand und Balch wieder eine Stelle in dem erweiterten System der commerciellen und politischen Verhältnisse Europa's einnehmen. Folgt man den Straßen, die der russische Handel sich bisher eröffnet hatte, so gelangt man von Astrachan auf doppeltem Wege nach Chiwa, zur See nach dem Mangischlakischen Landungsplatz Sartasch, zu Lande über den Saratschinskischen Kosakenposten am Uralfluß. Von dem Landungsplatz wird die Entfernung auf 70 deutsche Meilen angegeben, von dem Vorposten auf 100. Hier bezeichnen Dämme von behauenen Steinen, Trümmer alter Paläste und Festungen und die Sagen räuberischer Nomaden von Dschingis Chan den unter dem Nogaischen bekannten uralten Hordenweg. An einem versandeten Arm des Oxus liegt das weite Gemäuer einer längst zertrümmerten Stadt Urgantschi, welche die Engländer veranlaßt zu haben scheint, noch in ihren neuesten Nachrichten Chiwa mit dem Namen Orgonge zu belegen. Von hier soll der Oxus ehedem seinen Lauf ins kaspische Meer genommen haben, bis die Chiwenser ihn der Sage nach in den Aral ableiteten, um sich durch eine Wüste gegen die Plünderungen des seeräuberischen Kosakenanführers Stenka Rasin zu schützen. Chiwa, der Hauptort der Oase, die unter dem Namen Chowaresm in den Jahrbüchern der Geschichte genannt wird, liegt an den Canälen, die, aus dem Oxus abgeleitet, Fruchtgärten und Ackerfelder bewässern. Hier, wie in Persien und Afghanistan, herrscht ein erobernder Stamm über die unter dem Namen Tadschiken bekannten persisch-arabischen Bewohner der Städte, ein Verhältniß, wie das der Normannen zu den Sachsen, der Lombarden zu den Römern. Eins der Thore, welches nach der truchmenischen Wüste führt, bleibt immer verschlossen. Von einem Thurm erspäht man den Feind. Der Sklavenmarkt ist gefüllt. Wie bei diesen Zeichen verschwindender Cultur und einer auf 200,000 Seelen geschätzten Bevölkerung jährlich im März auf 2000 Kamelen ein einträglicher Handel mit den umliegenden Gegenden, mit Astrachan und Orenburg geführt werden könne, erklärt sich nur durch das früher erwähnte Verhältniß der Usbeken und Tadschiken. Von Orenburg nach Chiwa gibt es ebenfalls mehrere Wege. Der kürzeste führte zwischen dem kaspischen Meer und dem Aral hindurch. Er beträgt etwa 100 deutsche Meilen. Nur Chiwenser auf unbeladenen Pferden pflegen ihn einzuschlagen. Beladene Kamele gehen in Karawanen auf einem Umweg von 30 Meilen am östlichen Ufer des Aral durch das Gebiet der Karakalpaken. *) Unterwegs tauschen die Chiwenser für einen großen Theil ihrer Waaren Schafe ein, die sie sich in Orenburg mit Ducaten und solchen Waaren bezahlen lassen, wofür sie bei ihren Nachbarn, den Bucharen, feinere Stoffe zur Kleidung der Frauen erhalten können. Schon auf diesem Umwege über Chiwa zeigt sich ein Verhältniß Rußlands zu Buchara, einem großen Mittelpunkt des Handels, dessen fleißige Kaufleute mit Kabul und Kaschmir, mit Kaschgar, Kokan und Taschkend, mit Persien, China und Rußland in ausgebreiteter Verbindung stehen. Die Bevölkerung der Stadt wird auf 80,000 Einwohner angegeben. Hier befinden sich berühmte Schulen mohammedanischer Gottesgelahrtheit, die vorzüglich von den sunnitischen Moslemin des tatarischen Sprachstammes, ja auch von Afghanen besucht werden, während selbst der handeltreibende Tadschik Buchara's des Arabischen, der gelehrten Sprache des Orients, nicht unkundig ist. Schah Heider von Buchara, der in den Kriegen mit Persern und Afghanen 100,000 Pferde ins Feld stellen konnte, gibt selbst täglich in den Schulen Unterricht. Von der russischen Gränzfestung Troizk, wo oft Karawanen von 1000 bis 1500 vorzüglich mit roher und verarbeiteter Baumwolle beladenen Kamelen aus Buchara eintreffen, legt man den Weg dahin zu Pferde in 32, auf Kamelen in 49 Tagereisen zurück. Bis an den nördlichsten der drei Arme, in di der Jaxartes (Sir Daria) sich schon weit von seinem Ausfluß in das große Steppenmeer des Aral theilt, auf dem längsten Theil des Weges, scheint man nur selten an Futter Mangel zu leiden. Wo das Quellwasser fehlt, findet man es in geringer Tiefe unter dem Sande. Von dem Janga Daria indeß, dem südlichsten Arm des Jaxartes, bis an die ersten bucharischen Wohnungen, die acht Meilen von der Stadt entfernt sind, zwölf Tagereisen der Kamele, führt der Weg durch sandige Ebenen über die Anhöhen, wo die spärliche Weide verdorrt, die bittern Brunnen in weiten Zwischenräumen versiegen, und nur der im Frühling schmelzende Schnee den Durst der Karawanen einigermaßen zu stillen vermag. Südlich von dem Steppenlande der kleinen Kirgisenhorde, die von den Quellen des Irtisch an der Gränze des chinesischen Türkistan bis Omsk und von da längs der Orenburgischen Linie umherschweift, liegt von der Bucharei durch einen Gebirgszug getrennt Taschkend und Chodschan, das unter dem Namen Fergana bekanntere Kukan, wo die beinahe verlassenen Trümmer der alten Stadt Turkistan und die reinste tatarische Mundart den ursprünglichen Wohnsitz des türkischen Volksstammes bezeichnet, der die schönsten Länder der Erde, die Wiege der Cultur Europa's, seiner Botmäßigkeit unterworfen. Auf dem ersten Theil des Weges, der von Jamüschewsk am Irtisch hieher führt, wo das Gebirge sich allmählich in der Steppe verliert, versengt die Sonnenhitze Gras und Dornengebüsch, trocknet Quellen und Seen aus. Der Kirgise und sein Vieh trinkt ohne Nachtheil das bittre Wasser der Brunnen. Doch finden sich an den Bergabhängen hin und wieder Quellen und Wiesengras, Bauholz in den Wäldern, ja an den Ufern der Nura anfangender Getreidebau und künstliche Bewässerung des Ackers unter den Kirgisen. Südlich vom Gebirge kommt man indeß 25 Meilen weit durch die wasserleere von Dornen und Wermuth bewachsene Ebene Bitpuk. Der Weg vom Irtisch bis Taschkend am obern Jaxartes, den die Wüste Karakum bis an seinen Ausfluß in das Steppenmeer verfolgt, beträgt 110 deutsche Meilen. Von der Höhe des Gebirges Karatan übersieht man die dem Chan von Taschkend unterworfene Oase. Die Stadt, die in einem Bazar und ausgedehnten Wasserleitungen noch Spuren früherer Größe zeigt, ist durch die Kriege mit den Kirgisen und dem das linke Ufer des Jaxartes beherrschenden Chan von Kukan bis zu einer Bevölkerung von etwa 40,000 Seelen herabgesunken. Der Heerbann, den auch unterworfene Kirgisen verstärken, soll 30,000 Mann betragen. Nur kleine Karawanen unterhalten einen oft unterbrochenen Verkehr zwischen Taschkend und Rußland. Aus den von den Engländern in Indien eingezogenen Erkundigungen sollte man indeß schließen, daß russische Kaufleute aus diesen Gegenden bis in das Gebiet der tibetanischen Flüsse nach Kaschgar und Jarken europäische Waaren gebracht haben. Auf allen diesen Wegen nach den Oasen des Oxus und *) Aus obigen Umständen, so wie aus den wenigen sehr dunkeln officiellen Nachrichten erhellt, daß das Corps Perowski's nicht, wie kürzlich die Redaction der Preußischen Staatszeitung vermuthete, zwischen den beiden Seen, sondern ostwärts vom Aral auf dem längern Wege nach Chiwa marschirt.
ähnlich den römischen Municipien, auszubilden, so würden die fruchtbaren und bevölkerten Oasen im Flußgebiet des Oxus, die berühmten Namen Buchara, Samarkand und Balch wieder eine Stelle in dem erweiterten System der commerciellen und politischen Verhältnisse Europa's einnehmen. Folgt man den Straßen, die der russische Handel sich bisher eröffnet hatte, so gelangt man von Astrachan auf doppeltem Wege nach Chiwa, zur See nach dem Mangischlakischen Landungsplatz Sartasch, zu Lande über den Saratschinskischen Kosakenposten am Uralfluß. Von dem Landungsplatz wird die Entfernung auf 70 deutsche Meilen angegeben, von dem Vorposten auf 100. Hier bezeichnen Dämme von behauenen Steinen, Trümmer alter Paläste und Festungen und die Sagen räuberischer Nomaden von Dschingis Chan den unter dem Nogaischen bekannten uralten Hordenweg. An einem versandeten Arm des Oxus liegt das weite Gemäuer einer längst zertrümmerten Stadt Urgantschi, welche die Engländer veranlaßt zu haben scheint, noch in ihren neuesten Nachrichten Chiwa mit dem Namen Orgonge zu belegen. Von hier soll der Oxus ehedem seinen Lauf ins kaspische Meer genommen haben, bis die Chiwenser ihn der Sage nach in den Aral ableiteten, um sich durch eine Wüste gegen die Plünderungen des seeräuberischen Kosakenanführers Stenka Rasin zu schützen. Chiwa, der Hauptort der Oase, die unter dem Namen Chowaresm in den Jahrbüchern der Geschichte genannt wird, liegt an den Canälen, die, aus dem Oxus abgeleitet, Fruchtgärten und Ackerfelder bewässern. Hier, wie in Persien und Afghanistan, herrscht ein erobernder Stamm über die unter dem Namen Tadschiken bekannten persisch-arabischen Bewohner der Städte, ein Verhältniß, wie das der Normannen zu den Sachsen, der Lombarden zu den Römern. Eins der Thore, welches nach der truchmenischen Wüste führt, bleibt immer verschlossen. Von einem Thurm erspäht man den Feind. Der Sklavenmarkt ist gefüllt. Wie bei diesen Zeichen verschwindender Cultur und einer auf 200,000 Seelen geschätzten Bevölkerung jährlich im März auf 2000 Kamelen ein einträglicher Handel mit den umliegenden Gegenden, mit Astrachan und Orenburg geführt werden könne, erklärt sich nur durch das früher erwähnte Verhältniß der Usbeken und Tadschiken. Von Orenburg nach Chiwa gibt es ebenfalls mehrere Wege. Der kürzeste führte zwischen dem kaspischen Meer und dem Aral hindurch. Er beträgt etwa 100 deutsche Meilen. Nur Chiwenser auf unbeladenen Pferden pflegen ihn einzuschlagen. Beladene Kamele gehen in Karawanen auf einem Umweg von 30 Meilen am östlichen Ufer des Aral durch das Gebiet der Karakalpaken. *) Unterwegs tauschen die Chiwenser für einen großen Theil ihrer Waaren Schafe ein, die sie sich in Orenburg mit Ducaten und solchen Waaren bezahlen lassen, wofür sie bei ihren Nachbarn, den Bucharen, feinere Stoffe zur Kleidung der Frauen erhalten können. Schon auf diesem Umwege über Chiwa zeigt sich ein Verhältniß Rußlands zu Buchara, einem großen Mittelpunkt des Handels, dessen fleißige Kaufleute mit Kabul und Kaschmir, mit Kaschgar, Kokan und Taschkend, mit Persien, China und Rußland in ausgebreiteter Verbindung stehen. Die Bevölkerung der Stadt wird auf 80,000 Einwohner angegeben. Hier befinden sich berühmte Schulen mohammedanischer Gottesgelahrtheit, die vorzüglich von den sunnitischen Moslemin des tatarischen Sprachstammes, ja auch von Afghanen besucht werden, während selbst der handeltreibende Tadschik Buchara's des Arabischen, der gelehrten Sprache des Orients, nicht unkundig ist. Schah Heider von Buchara, der in den Kriegen mit Persern und Afghanen 100,000 Pferde ins Feld stellen konnte, gibt selbst täglich in den Schulen Unterricht. Von der russischen Gränzfestung Troizk, wo oft Karawanen von 1000 bis 1500 vorzüglich mit roher und verarbeiteter Baumwolle beladenen Kamelen aus Buchara eintreffen, legt man den Weg dahin zu Pferde in 32, auf Kamelen in 49 Tagereisen zurück. Bis an den nördlichsten der drei Arme, in di der Jaxartes (Sir Daria) sich schon weit von seinem Ausfluß in das große Steppenmeer des Aral theilt, auf dem längsten Theil des Weges, scheint man nur selten an Futter Mangel zu leiden. Wo das Quellwasser fehlt, findet man es in geringer Tiefe unter dem Sande. Von dem Janga Daria indeß, dem südlichsten Arm des Jaxartes, bis an die ersten bucharischen Wohnungen, die acht Meilen von der Stadt entfernt sind, zwölf Tagereisen der Kamele, führt der Weg durch sandige Ebenen über die Anhöhen, wo die spärliche Weide verdorrt, die bittern Brunnen in weiten Zwischenräumen versiegen, und nur der im Frühling schmelzende Schnee den Durst der Karawanen einigermaßen zu stillen vermag. Südlich von dem Steppenlande der kleinen Kirgisenhorde, die von den Quellen des Irtisch an der Gränze des chinesischen Türkistan bis Omsk und von da längs der Orenburgischen Linie umherschweift, liegt von der Bucharei durch einen Gebirgszug getrennt Taschkend und Chodschan, das unter dem Namen Fergana bekanntere Kukan, wo die beinahe verlassenen Trümmer der alten Stadt Turkistan und die reinste tatarische Mundart den ursprünglichen Wohnsitz des türkischen Volksstammes bezeichnet, der die schönsten Länder der Erde, die Wiege der Cultur Europa's, seiner Botmäßigkeit unterworfen. Auf dem ersten Theil des Weges, der von Jamüschewsk am Irtisch hieher führt, wo das Gebirge sich allmählich in der Steppe verliert, versengt die Sonnenhitze Gras und Dornengebüsch, trocknet Quellen und Seen aus. Der Kirgise und sein Vieh trinkt ohne Nachtheil das bittre Wasser der Brunnen. Doch finden sich an den Bergabhängen hin und wieder Quellen und Wiesengras, Bauholz in den Wäldern, ja an den Ufern der Nura anfangender Getreidebau und künstliche Bewässerung des Ackers unter den Kirgisen. Südlich vom Gebirge kommt man indeß 25 Meilen weit durch die wasserleere von Dornen und Wermuth bewachsene Ebene Bitpuk. Der Weg vom Irtisch bis Taschkend am obern Jaxartes, den die Wüste Karakum bis an seinen Ausfluß in das Steppenmeer verfolgt, beträgt 110 deutsche Meilen. Von der Höhe des Gebirges Karatan übersieht man die dem Chan von Taschkend unterworfene Oase. Die Stadt, die in einem Bazar und ausgedehnten Wasserleitungen noch Spuren früherer Größe zeigt, ist durch die Kriege mit den Kirgisen und dem das linke Ufer des Jaxartes beherrschenden Chan von Kukan bis zu einer Bevölkerung von etwa 40,000 Seelen herabgesunken. Der Heerbann, den auch unterworfene Kirgisen verstärken, soll 30,000 Mann betragen. Nur kleine Karawanen unterhalten einen oft unterbrochenen Verkehr zwischen Taschkend und Rußland. Aus den von den Engländern in Indien eingezogenen Erkundigungen sollte man indeß schließen, daß russische Kaufleute aus diesen Gegenden bis in das Gebiet der tibetanischen Flüsse nach Kaschgar und Jarken europäische Waaren gebracht haben. Auf allen diesen Wegen nach den Oasen des Oxus und *) Aus obigen Umständen, so wie aus den wenigen sehr dunkeln officiellen Nachrichten erhellt, daß das Corps Perowski's nicht, wie kürzlich die Redaction der Preußischen Staatszeitung vermuthete, zwischen den beiden Seen, sondern ostwärts vom Aral auf dem längern Wege nach Chiwa marschirt.
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An einem versandeten Arm des Oxus liegt das weite Gemäuer einer längst zertrümmerten Stadt Urgantschi, welche die Engländer veranlaßt zu haben scheint, noch in ihren neuesten Nachrichten Chiwa mit dem Namen Orgonge zu belegen. Von hier soll der Oxus ehedem seinen Lauf ins kaspische Meer genommen haben, bis die Chiwenser ihn der Sage nach in den Aral ableiteten, um sich durch eine Wüste gegen die Plünderungen des seeräuberischen Kosakenanführers Stenka Rasin zu schützen.</p><lb/> <p>Chiwa, der Hauptort der Oase, die unter dem Namen Chowaresm in den Jahrbüchern der Geschichte genannt wird, liegt an den Canälen, die, aus dem Oxus abgeleitet, Fruchtgärten und Ackerfelder bewässern. Hier, wie in Persien und Afghanistan, herrscht ein erobernder Stamm über die unter dem Namen Tadschiken bekannten persisch-arabischen Bewohner der Städte, ein Verhältniß, wie das der Normannen zu den Sachsen, der Lombarden zu den Römern. Eins der Thore, welches nach der truchmenischen Wüste führt, bleibt immer verschlossen. Von einem Thurm erspäht man den Feind. Der Sklavenmarkt ist gefüllt. Wie bei diesen Zeichen verschwindender Cultur und einer auf 200,000 Seelen geschätzten Bevölkerung jährlich im März auf 2000 Kamelen ein einträglicher Handel mit den umliegenden Gegenden, mit Astrachan und Orenburg geführt werden könne, erklärt sich nur durch das früher erwähnte Verhältniß der Usbeken und Tadschiken.</p><lb/> <p>Von Orenburg nach Chiwa gibt es ebenfalls mehrere Wege. Der kürzeste führte zwischen dem kaspischen Meer und dem Aral hindurch. Er beträgt etwa 100 deutsche Meilen. Nur Chiwenser auf unbeladenen Pferden pflegen ihn einzuschlagen. Beladene Kamele gehen in Karawanen auf einem Umweg von 30 Meilen am östlichen Ufer des Aral durch das Gebiet der Karakalpaken. <note place="foot" n="*)"> Aus obigen Umständen, so wie aus den wenigen sehr dunkeln officiellen Nachrichten erhellt, daß das Corps Perowski's nicht, wie kürzlich die Redaction der Preußischen Staatszeitung vermuthete, zwischen den beiden Seen, sondern ostwärts vom Aral auf dem längern Wege nach Chiwa marschirt.</note> Unterwegs tauschen die Chiwenser für einen großen Theil ihrer Waaren Schafe ein, die sie sich in Orenburg mit Ducaten und solchen Waaren bezahlen lassen, wofür sie bei ihren Nachbarn, den Bucharen, feinere Stoffe zur Kleidung der Frauen erhalten können.</p><lb/> <p>Schon auf diesem Umwege über Chiwa zeigt sich ein Verhältniß Rußlands zu Buchara, einem großen Mittelpunkt des Handels, dessen fleißige Kaufleute mit Kabul und Kaschmir, mit Kaschgar, Kokan und Taschkend, mit Persien, China und Rußland in ausgebreiteter Verbindung stehen. Die Bevölkerung der Stadt wird auf 80,000 Einwohner angegeben. Hier befinden sich berühmte Schulen mohammedanischer Gottesgelahrtheit, die vorzüglich von den sunnitischen Moslemin des tatarischen Sprachstammes, ja auch von Afghanen besucht werden, während selbst der handeltreibende Tadschik Buchara's des Arabischen, der gelehrten Sprache des Orients, nicht unkundig ist. Schah Heider von Buchara, der in den Kriegen mit Persern und Afghanen 100,000 Pferde ins Feld stellen konnte, gibt selbst täglich in den Schulen Unterricht.</p><lb/> <p>Von der russischen Gränzfestung Troizk, wo oft Karawanen von 1000 bis 1500 vorzüglich mit roher und verarbeiteter Baumwolle beladenen Kamelen aus Buchara eintreffen, legt man den Weg dahin zu Pferde in 32, auf Kamelen in 49 Tagereisen zurück. Bis an den nördlichsten der drei Arme, in di der Jaxartes (Sir Daria) sich schon weit von seinem Ausfluß in das große Steppenmeer des Aral theilt, auf dem längsten Theil des Weges, scheint man nur selten an Futter Mangel zu leiden. Wo das Quellwasser fehlt, findet man es in geringer Tiefe unter dem Sande. Von dem Janga Daria indeß, dem südlichsten Arm des Jaxartes, bis an die ersten bucharischen Wohnungen, die acht Meilen von der Stadt entfernt sind, zwölf Tagereisen der Kamele, führt der Weg durch sandige Ebenen über die Anhöhen, wo die spärliche Weide verdorrt, die bittern Brunnen in weiten Zwischenräumen versiegen, und nur der im Frühling schmelzende Schnee den Durst der Karawanen einigermaßen zu stillen vermag.</p><lb/> <p>Südlich von dem Steppenlande der kleinen Kirgisenhorde, die von den Quellen des Irtisch an der Gränze des chinesischen Türkistan bis Omsk und von da längs der Orenburgischen Linie umherschweift, liegt von der Bucharei durch einen Gebirgszug getrennt Taschkend und Chodschan, das unter dem Namen Fergana bekanntere Kukan, wo die beinahe verlassenen Trümmer der alten Stadt Turkistan und die reinste tatarische Mundart den ursprünglichen Wohnsitz des türkischen Volksstammes bezeichnet, der die schönsten Länder der Erde, die Wiege der Cultur Europa's, seiner Botmäßigkeit unterworfen.</p><lb/> <p>Auf dem ersten Theil des Weges, der von Jamüschewsk am Irtisch hieher führt, wo das Gebirge sich allmählich in der Steppe verliert, versengt die Sonnenhitze Gras und Dornengebüsch, trocknet Quellen und Seen aus. Der Kirgise und sein Vieh trinkt ohne Nachtheil das bittre Wasser der Brunnen. Doch finden sich an den Bergabhängen hin und wieder Quellen und Wiesengras, Bauholz in den Wäldern, ja an den Ufern der Nura anfangender Getreidebau und künstliche Bewässerung des Ackers unter den Kirgisen. Südlich vom Gebirge kommt man indeß 25 Meilen weit durch die wasserleere von Dornen und Wermuth bewachsene Ebene Bitpuk. Der Weg vom Irtisch bis Taschkend am obern Jaxartes, den die Wüste Karakum bis an seinen Ausfluß in das Steppenmeer verfolgt, beträgt 110 deutsche Meilen. Von der Höhe des Gebirges Karatan übersieht man die dem Chan von Taschkend unterworfene Oase. Die Stadt, die in einem Bazar und ausgedehnten Wasserleitungen noch Spuren früherer Größe zeigt, ist durch die Kriege mit den Kirgisen und dem das linke Ufer des Jaxartes beherrschenden Chan von Kukan bis zu einer Bevölkerung von etwa 40,000 Seelen herabgesunken. Der Heerbann, den auch unterworfene Kirgisen verstärken, soll 30,000 Mann betragen. Nur kleine Karawanen unterhalten einen oft unterbrochenen Verkehr zwischen Taschkend und Rußland. Aus den von den Engländern in Indien eingezogenen Erkundigungen sollte man indeß schließen, daß russische Kaufleute aus diesen Gegenden bis in das Gebiet der tibetanischen Flüsse nach Kaschgar und Jarken europäische Waaren gebracht haben.</p><lb/> <p>Auf allen diesen Wegen nach den Oasen des Oxus und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0531/0011]
ähnlich den römischen Municipien, auszubilden, so würden die fruchtbaren und bevölkerten Oasen im Flußgebiet des Oxus, die berühmten Namen Buchara, Samarkand und Balch wieder eine Stelle in dem erweiterten System der commerciellen und politischen Verhältnisse Europa's einnehmen.
Folgt man den Straßen, die der russische Handel sich bisher eröffnet hatte, so gelangt man von Astrachan auf doppeltem Wege nach Chiwa, zur See nach dem Mangischlakischen Landungsplatz Sartasch, zu Lande über den Saratschinskischen Kosakenposten am Uralfluß. Von dem Landungsplatz wird die Entfernung auf 70 deutsche Meilen angegeben, von dem Vorposten auf 100. Hier bezeichnen Dämme von behauenen Steinen, Trümmer alter Paläste und Festungen und die Sagen räuberischer Nomaden von Dschingis Chan den unter dem Nogaischen bekannten uralten Hordenweg. An einem versandeten Arm des Oxus liegt das weite Gemäuer einer längst zertrümmerten Stadt Urgantschi, welche die Engländer veranlaßt zu haben scheint, noch in ihren neuesten Nachrichten Chiwa mit dem Namen Orgonge zu belegen. Von hier soll der Oxus ehedem seinen Lauf ins kaspische Meer genommen haben, bis die Chiwenser ihn der Sage nach in den Aral ableiteten, um sich durch eine Wüste gegen die Plünderungen des seeräuberischen Kosakenanführers Stenka Rasin zu schützen.
Chiwa, der Hauptort der Oase, die unter dem Namen Chowaresm in den Jahrbüchern der Geschichte genannt wird, liegt an den Canälen, die, aus dem Oxus abgeleitet, Fruchtgärten und Ackerfelder bewässern. Hier, wie in Persien und Afghanistan, herrscht ein erobernder Stamm über die unter dem Namen Tadschiken bekannten persisch-arabischen Bewohner der Städte, ein Verhältniß, wie das der Normannen zu den Sachsen, der Lombarden zu den Römern. Eins der Thore, welches nach der truchmenischen Wüste führt, bleibt immer verschlossen. Von einem Thurm erspäht man den Feind. Der Sklavenmarkt ist gefüllt. Wie bei diesen Zeichen verschwindender Cultur und einer auf 200,000 Seelen geschätzten Bevölkerung jährlich im März auf 2000 Kamelen ein einträglicher Handel mit den umliegenden Gegenden, mit Astrachan und Orenburg geführt werden könne, erklärt sich nur durch das früher erwähnte Verhältniß der Usbeken und Tadschiken.
Von Orenburg nach Chiwa gibt es ebenfalls mehrere Wege. Der kürzeste führte zwischen dem kaspischen Meer und dem Aral hindurch. Er beträgt etwa 100 deutsche Meilen. Nur Chiwenser auf unbeladenen Pferden pflegen ihn einzuschlagen. Beladene Kamele gehen in Karawanen auf einem Umweg von 30 Meilen am östlichen Ufer des Aral durch das Gebiet der Karakalpaken. *) Unterwegs tauschen die Chiwenser für einen großen Theil ihrer Waaren Schafe ein, die sie sich in Orenburg mit Ducaten und solchen Waaren bezahlen lassen, wofür sie bei ihren Nachbarn, den Bucharen, feinere Stoffe zur Kleidung der Frauen erhalten können.
Schon auf diesem Umwege über Chiwa zeigt sich ein Verhältniß Rußlands zu Buchara, einem großen Mittelpunkt des Handels, dessen fleißige Kaufleute mit Kabul und Kaschmir, mit Kaschgar, Kokan und Taschkend, mit Persien, China und Rußland in ausgebreiteter Verbindung stehen. Die Bevölkerung der Stadt wird auf 80,000 Einwohner angegeben. Hier befinden sich berühmte Schulen mohammedanischer Gottesgelahrtheit, die vorzüglich von den sunnitischen Moslemin des tatarischen Sprachstammes, ja auch von Afghanen besucht werden, während selbst der handeltreibende Tadschik Buchara's des Arabischen, der gelehrten Sprache des Orients, nicht unkundig ist. Schah Heider von Buchara, der in den Kriegen mit Persern und Afghanen 100,000 Pferde ins Feld stellen konnte, gibt selbst täglich in den Schulen Unterricht.
Von der russischen Gränzfestung Troizk, wo oft Karawanen von 1000 bis 1500 vorzüglich mit roher und verarbeiteter Baumwolle beladenen Kamelen aus Buchara eintreffen, legt man den Weg dahin zu Pferde in 32, auf Kamelen in 49 Tagereisen zurück. Bis an den nördlichsten der drei Arme, in di der Jaxartes (Sir Daria) sich schon weit von seinem Ausfluß in das große Steppenmeer des Aral theilt, auf dem längsten Theil des Weges, scheint man nur selten an Futter Mangel zu leiden. Wo das Quellwasser fehlt, findet man es in geringer Tiefe unter dem Sande. Von dem Janga Daria indeß, dem südlichsten Arm des Jaxartes, bis an die ersten bucharischen Wohnungen, die acht Meilen von der Stadt entfernt sind, zwölf Tagereisen der Kamele, führt der Weg durch sandige Ebenen über die Anhöhen, wo die spärliche Weide verdorrt, die bittern Brunnen in weiten Zwischenräumen versiegen, und nur der im Frühling schmelzende Schnee den Durst der Karawanen einigermaßen zu stillen vermag.
Südlich von dem Steppenlande der kleinen Kirgisenhorde, die von den Quellen des Irtisch an der Gränze des chinesischen Türkistan bis Omsk und von da längs der Orenburgischen Linie umherschweift, liegt von der Bucharei durch einen Gebirgszug getrennt Taschkend und Chodschan, das unter dem Namen Fergana bekanntere Kukan, wo die beinahe verlassenen Trümmer der alten Stadt Turkistan und die reinste tatarische Mundart den ursprünglichen Wohnsitz des türkischen Volksstammes bezeichnet, der die schönsten Länder der Erde, die Wiege der Cultur Europa's, seiner Botmäßigkeit unterworfen.
Auf dem ersten Theil des Weges, der von Jamüschewsk am Irtisch hieher führt, wo das Gebirge sich allmählich in der Steppe verliert, versengt die Sonnenhitze Gras und Dornengebüsch, trocknet Quellen und Seen aus. Der Kirgise und sein Vieh trinkt ohne Nachtheil das bittre Wasser der Brunnen. Doch finden sich an den Bergabhängen hin und wieder Quellen und Wiesengras, Bauholz in den Wäldern, ja an den Ufern der Nura anfangender Getreidebau und künstliche Bewässerung des Ackers unter den Kirgisen. Südlich vom Gebirge kommt man indeß 25 Meilen weit durch die wasserleere von Dornen und Wermuth bewachsene Ebene Bitpuk. Der Weg vom Irtisch bis Taschkend am obern Jaxartes, den die Wüste Karakum bis an seinen Ausfluß in das Steppenmeer verfolgt, beträgt 110 deutsche Meilen. Von der Höhe des Gebirges Karatan übersieht man die dem Chan von Taschkend unterworfene Oase. Die Stadt, die in einem Bazar und ausgedehnten Wasserleitungen noch Spuren früherer Größe zeigt, ist durch die Kriege mit den Kirgisen und dem das linke Ufer des Jaxartes beherrschenden Chan von Kukan bis zu einer Bevölkerung von etwa 40,000 Seelen herabgesunken. Der Heerbann, den auch unterworfene Kirgisen verstärken, soll 30,000 Mann betragen. Nur kleine Karawanen unterhalten einen oft unterbrochenen Verkehr zwischen Taschkend und Rußland. Aus den von den Engländern in Indien eingezogenen Erkundigungen sollte man indeß schließen, daß russische Kaufleute aus diesen Gegenden bis in das Gebiet der tibetanischen Flüsse nach Kaschgar und Jarken europäische Waaren gebracht haben.
Auf allen diesen Wegen nach den Oasen des Oxus und
*) Aus obigen Umständen, so wie aus den wenigen sehr dunkeln officiellen Nachrichten erhellt, daß das Corps Perowski's nicht, wie kürzlich die Redaction der Preußischen Staatszeitung vermuthete, zwischen den beiden Seen, sondern ostwärts vom Aral auf dem längern Wege nach Chiwa marschirt.
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