Allgemeine Zeitung. Nr. 67. Augsburg, 7. März 1840.Deutschland. München, 5 März. Heute wurde der Kammer der Abgeordneten durch den k. Minister des Innern, Hrn. v. Abel, ein Gesetzesentwurf in Vorlage gebracht, welcher die Vollendung des Bibliothek- und Archivgebäudes dahier betrifft. Es hat sich nämlich ergeben, daß der zu München geführte Bibliothek-Neubau in der ihm nach den Gesetzen von 1831 und 1834 gegebenen Ausdehnung den für die Erfüllung seines Zwecks erforderlichen Raum durchaus nicht darbietet. Daher sagt der Gesetzesentwurf: "Der für die zweckmäßige Aufstellung der Hof- und Staatsbibliothek und des Reichsarchives begonnene Neubau soll durch Herstellung des Mittelbaues und des hintern Flügels vollendet werden. Die für diesen Ausbau zu verwendende Summe wird mit Einschluß der Einrichtungskosten auf den unüberschreitbaren Maximalbetrag von 650,000 fl. festgesetzt, und ist aus den Erübrigungen der dritten Finanzperiode zu entnehmen. Die Verrechnung der hievon bereits verausgabten Summe wird genehmigt." - Weiterhin wurde Daniel Ritter, Gutsbesitzer von Sembach in der Pfalz, als Ersatzmann des verstorbenen Abg. Fitting einberufen. Dann erstatteten die HH. Bestelmeyer, Fischer, Frhr. v. Fraunhofen und Frhr. v. Schäzler als Mitglieder des vierten Ausschusses, und zwar der erste den Hauptvortrag, die folgenden aber die Specialvorträge über die Verwaltung der Staatsschuldentilgungsanstalt in den Jahren 1835 bis 1838. Wir werden das Nähere bei der demnächst erfolgenden Berathung mittheilen. - Den übrigen Theil der Sitzung füllte die allgemeine Discussion über den Gesetzesentwurf, den Schutz des Eigenthums an Werken der Litteratur und Kunst gegen Nachbildung, Veröffentlichung und Nachdruck betreffend. Die Abg. Frhr. v. Freiberg, Enke, Frhr. v. Fuchs, Bestelmeyer, Haas, Frhr. v. Thon-Dittmer, Meyer und Dr. Schwindl, welche sich über diesen Entwur äußerten, waren im Allgemeinen über die Nothwendigkeit und Nützlichkeit desselben einig, nur wurden von einigen Seiten her schon jetzt Amendements angekündigt. Wir kommen darauf zurück. Dresden. (Beschluß des Berichts der außerordentlichen Deputation der zweiten Kammer in Betreff der hannover'schen Frage.) In Betreff der Proclamation vom 10 Sept. 1839 und der darin veröffentlichten Entscheidung des Bundestages ist zunächst zu bemerken, daß gegen das Recht der hannover'schen Regierung, diese Entscheidung überhaupt bekannt zu machen, mehrfache Zweifel erhoben worden sind, weil, wie bereits erwähnt worden, die Beschlüsse der Bundesversammlung nur dann zur Oeffentlichkeit gelangen, wenn diese bei bestimmten Gegenständen ausdrücklich ausgesprochen wird - eine Voraussetzung, welche in dem vorliegenden Falle nicht stattfindet. Allein jene Entscheidung ist nun einmal, gleichviel ob mit Recht oder Unrecht, von der hannover'schen Regierung der Oeffentlichkeit übergeben und von ihr auf eine Weise ausgelegt worden, welche für diejenigen, denen die Erhaltung eines gesetzlichen Rechtszustandes in Deutschland am Herzen liegt, im höchsten Grade beunruhigend ist. Sie nimmt nämlich an, daß damit diejenige Grundlage des im Königreich Hannover bestehenden öffentlichen Rechts eine Anerkennung gefunden habe, welche von ihr selbst als die allein gültige erklärt worden ist. Allerdings spricht die Bundesversammlung die Erwartung aus, daß der König von Hannover geneigt seyn werde, mit den dermaligen Ständen über das Verfassungswerk eine, den Rechten der Krone und der Stände entsprechende Vereinbarung zu treffen, und es kann nicht geläugnet werden, daß der Ausdruck "dermalige Stände" eine verschiedene Auslegung zuläßt. Es können darunter eben so gut die von der hannover'schen Regierung factisch zusammenberufenen, als die nach dem Staatsgrundgesetze von 1833 rechtlich bestehenden Stände verstanden werden. Aber man kann unmöglich annehmen, daß die Bundesversammlung gegen den klaren Inhalt des Art. 56 der Wiener Schlußacte habe entscheiden und eine verfassungswidrig zusammenberufene Ständeversammlung für berechtigt erklären wollen, eine in anerkannter Wirksamkeit bestandene Verfassung, wie das Staatsgrundgesetz von 1833 - nach welchem die Stände, ohne den geringsten Widerspruch von irgend einer Seite, fünfmal versammelt gewesen sind, Steuern bewilligt und Gesetze verabschiedet haben - auf gültige Weise abzuändern. Sehr erfreulich war es der Deputation, auf ihre Anfrage von dem königl. Hrn. Commissär zu vernehmen, "wie er nicht in Abrede stellen könne, daß weder die von dem König von Hannover mittelst Proclamation vom 10 Sept. 1839 bewirkte Veröffentlichung des Bundesbeschlusses überhaupt, noch auch die darin dem letztern gegebene Auslegung in der Absicht der diesseitigen Regierung gelegen habe." Daher dürfte wohl der Hoffnung Raum zu geben seyn, daß die hannover'sche Regierung dem von ihr bekannt gemachten Bundesbeschluß eine unrichtige Auslegung gegeben habe. Jedenfalls ist es dringend zu wünschen, daß eine baldige authentische Erklärung desselben die gerechte Unruhe beschwichtige, welche jene Proclamation in ganz Deutschland verbreitet hat. Eben so wenig wird nach diesem Vorgange der allgemeine und dringende Wunsch auf baldigste und ungeschmälerte Wiederherstellung der frühern Oeffentlichkeit der Bundestagsprotokolle, wie solche in der vorläufigen Geschäftsordnung vom 14 Nov. 1816 bestimmt worden war, einer nähern Motivirung bedürfen. Wird der Schleier des Geheimnisses von einzelnen Bundesregierungen selbst gelüftet, ist derselbe überhaupt nicht so dicht, daß nicht mehr oder minder glaubwürdige Nachrichten dennoch Zugang ins Publicum finden, so wird durch dessen officielles Festhalten wesentlich nichts gewonnen, im Gegentheil die öffentliche Meinung irre geleitet, ein auf Halbwissen beruhendes, daher oft einseitiges Urtheil hervorgerufen, und falsche Auslegung der Verhandlungen und Beschlüsse der hohen Bundesversammlung befördert. - Blicken wir nun auf die Folgen, welche die bisherige Behandlung der hannover'schen Verfassungsangelegenheit herbeizuführen geeignet ist, so können wir uns nicht verhehlen, daß der Grund des Bestehens aller Verfassungen Deutschlands dadurch erschüttert worden ist. Es bedarf fortan nur eines absoluten Willens, vielleicht bloß eines vielvermögenden Ministers, und mit Aufhebung der Verfassung, mit Auflösung der durch dieselbe geschaffenen Ständeversammlung fällt zugleich die Möglichkeit weg, die Wiederherstellung der erstern auf dem Wege Rechtens zu verlangen. Denn Niemand ist vorhanden, der denselben mit Erfolg betreten könnte. Durch den von der hohen Bundesversammlung ausgesprochenen Grundsatz, daß weder Corporationen noch Privatpersonen über die Aufhebung der bestehenden Landesverfassung Beschwerde führen können, ist jeder Kläger beseitigt. Diese Lage ist gefährlich, sie kann nicht von Dauer seyn. Rückblicke auf die ältere und neuere Geschichte geben dringende Veranlassung zu ernsten Erwägungen. Daß die Herrschaft des Rechtes unter allen Verhältnissen gesichert bleibe, erheischt das wohlverstandene Interesse von ganz Deutschland. Achtung für das Gesetz war von jeher eine der schönsten Tugenden des deutschen Nationalcharakters, den nichts so sehr verwundet als die Unmöglichkeit, für erlittenes Unrecht Genugthuung suchen zu können. Als noch das deutsche Reich bestand, war es die Aufgabe der Reichsgerichte, welche sie in vielen Fällen würdig gelöst haben, gegen die Eingriffe deutscher Regierungen in wohlerworbene Rechte einen wirksamen Schutz Deutschland. München, 5 März. Heute wurde der Kammer der Abgeordneten durch den k. Minister des Innern, Hrn. v. Abel, ein Gesetzesentwurf in Vorlage gebracht, welcher die Vollendung des Bibliothek- und Archivgebäudes dahier betrifft. Es hat sich nämlich ergeben, daß der zu München geführte Bibliothek-Neubau in der ihm nach den Gesetzen von 1831 und 1834 gegebenen Ausdehnung den für die Erfüllung seines Zwecks erforderlichen Raum durchaus nicht darbietet. Daher sagt der Gesetzesentwurf: „Der für die zweckmäßige Aufstellung der Hof- und Staatsbibliothek und des Reichsarchives begonnene Neubau soll durch Herstellung des Mittelbaues und des hintern Flügels vollendet werden. Die für diesen Ausbau zu verwendende Summe wird mit Einschluß der Einrichtungskosten auf den unüberschreitbaren Maximalbetrag von 650,000 fl. festgesetzt, und ist aus den Erübrigungen der dritten Finanzperiode zu entnehmen. Die Verrechnung der hievon bereits verausgabten Summe wird genehmigt.“ – Weiterhin wurde Daniel Ritter, Gutsbesitzer von Sembach in der Pfalz, als Ersatzmann des verstorbenen Abg. Fitting einberufen. Dann erstatteten die HH. Bestelmeyer, Fischer, Frhr. v. Fraunhofen und Frhr. v. Schäzler als Mitglieder des vierten Ausschusses, und zwar der erste den Hauptvortrag, die folgenden aber die Specialvorträge über die Verwaltung der Staatsschuldentilgungsanstalt in den Jahren 1835 bis 1838. Wir werden das Nähere bei der demnächst erfolgenden Berathung mittheilen. – Den übrigen Theil der Sitzung füllte die allgemeine Discussion über den Gesetzesentwurf, den Schutz des Eigenthums an Werken der Litteratur und Kunst gegen Nachbildung, Veröffentlichung und Nachdruck betreffend. Die Abg. Frhr. v. Freiberg, Enke, Frhr. v. Fuchs, Bestelmeyer, Haas, Frhr. v. Thon-Dittmer, Meyer und Dr. Schwindl, welche sich über diesen Entwur äußerten, waren im Allgemeinen über die Nothwendigkeit und Nützlichkeit desselben einig, nur wurden von einigen Seiten her schon jetzt Amendements angekündigt. Wir kommen darauf zurück. Dresden. (Beschluß des Berichts der außerordentlichen Deputation der zweiten Kammer in Betreff der hannover'schen Frage.) In Betreff der Proclamation vom 10 Sept. 1839 und der darin veröffentlichten Entscheidung des Bundestages ist zunächst zu bemerken, daß gegen das Recht der hannover'schen Regierung, diese Entscheidung überhaupt bekannt zu machen, mehrfache Zweifel erhoben worden sind, weil, wie bereits erwähnt worden, die Beschlüsse der Bundesversammlung nur dann zur Oeffentlichkeit gelangen, wenn diese bei bestimmten Gegenständen ausdrücklich ausgesprochen wird – eine Voraussetzung, welche in dem vorliegenden Falle nicht stattfindet. Allein jene Entscheidung ist nun einmal, gleichviel ob mit Recht oder Unrecht, von der hannover'schen Regierung der Oeffentlichkeit übergeben und von ihr auf eine Weise ausgelegt worden, welche für diejenigen, denen die Erhaltung eines gesetzlichen Rechtszustandes in Deutschland am Herzen liegt, im höchsten Grade beunruhigend ist. Sie nimmt nämlich an, daß damit diejenige Grundlage des im Königreich Hannover bestehenden öffentlichen Rechts eine Anerkennung gefunden habe, welche von ihr selbst als die allein gültige erklärt worden ist. Allerdings spricht die Bundesversammlung die Erwartung aus, daß der König von Hannover geneigt seyn werde, mit den dermaligen Ständen über das Verfassungswerk eine, den Rechten der Krone und der Stände entsprechende Vereinbarung zu treffen, und es kann nicht geläugnet werden, daß der Ausdruck „dermalige Stände“ eine verschiedene Auslegung zuläßt. Es können darunter eben so gut die von der hannover'schen Regierung factisch zusammenberufenen, als die nach dem Staatsgrundgesetze von 1833 rechtlich bestehenden Stände verstanden werden. Aber man kann unmöglich annehmen, daß die Bundesversammlung gegen den klaren Inhalt des Art. 56 der Wiener Schlußacte habe entscheiden und eine verfassungswidrig zusammenberufene Ständeversammlung für berechtigt erklären wollen, eine in anerkannter Wirksamkeit bestandene Verfassung, wie das Staatsgrundgesetz von 1833 – nach welchem die Stände, ohne den geringsten Widerspruch von irgend einer Seite, fünfmal versammelt gewesen sind, Steuern bewilligt und Gesetze verabschiedet haben – auf gültige Weise abzuändern. Sehr erfreulich war es der Deputation, auf ihre Anfrage von dem königl. Hrn. Commissär zu vernehmen, „wie er nicht in Abrede stellen könne, daß weder die von dem König von Hannover mittelst Proclamation vom 10 Sept. 1839 bewirkte Veröffentlichung des Bundesbeschlusses überhaupt, noch auch die darin dem letztern gegebene Auslegung in der Absicht der diesseitigen Regierung gelegen habe.“ Daher dürfte wohl der Hoffnung Raum zu geben seyn, daß die hannover'sche Regierung dem von ihr bekannt gemachten Bundesbeschluß eine unrichtige Auslegung gegeben habe. Jedenfalls ist es dringend zu wünschen, daß eine baldige authentische Erklärung desselben die gerechte Unruhe beschwichtige, welche jene Proclamation in ganz Deutschland verbreitet hat. Eben so wenig wird nach diesem Vorgange der allgemeine und dringende Wunsch auf baldigste und ungeschmälerte Wiederherstellung der frühern Oeffentlichkeit der Bundestagsprotokolle, wie solche in der vorläufigen Geschäftsordnung vom 14 Nov. 1816 bestimmt worden war, einer nähern Motivirung bedürfen. Wird der Schleier des Geheimnisses von einzelnen Bundesregierungen selbst gelüftet, ist derselbe überhaupt nicht so dicht, daß nicht mehr oder minder glaubwürdige Nachrichten dennoch Zugang ins Publicum finden, so wird durch dessen officielles Festhalten wesentlich nichts gewonnen, im Gegentheil die öffentliche Meinung irre geleitet, ein auf Halbwissen beruhendes, daher oft einseitiges Urtheil hervorgerufen, und falsche Auslegung der Verhandlungen und Beschlüsse der hohen Bundesversammlung befördert. – Blicken wir nun auf die Folgen, welche die bisherige Behandlung der hannover'schen Verfassungsangelegenheit herbeizuführen geeignet ist, so können wir uns nicht verhehlen, daß der Grund des Bestehens aller Verfassungen Deutschlands dadurch erschüttert worden ist. Es bedarf fortan nur eines absoluten Willens, vielleicht bloß eines vielvermögenden Ministers, und mit Aufhebung der Verfassung, mit Auflösung der durch dieselbe geschaffenen Ständeversammlung fällt zugleich die Möglichkeit weg, die Wiederherstellung der erstern auf dem Wege Rechtens zu verlangen. Denn Niemand ist vorhanden, der denselben mit Erfolg betreten könnte. Durch den von der hohen Bundesversammlung ausgesprochenen Grundsatz, daß weder Corporationen noch Privatpersonen über die Aufhebung der bestehenden Landesverfassung Beschwerde führen können, ist jeder Kläger beseitigt. Diese Lage ist gefährlich, sie kann nicht von Dauer seyn. Rückblicke auf die ältere und neuere Geschichte geben dringende Veranlassung zu ernsten Erwägungen. Daß die Herrschaft des Rechtes unter allen Verhältnissen gesichert bleibe, erheischt das wohlverstandene Interesse von ganz Deutschland. Achtung für das Gesetz war von jeher eine der schönsten Tugenden des deutschen Nationalcharakters, den nichts so sehr verwundet als die Unmöglichkeit, für erlittenes Unrecht Genugthuung suchen zu können. Als noch das deutsche Reich bestand, war es die Aufgabe der Reichsgerichte, welche sie in vielen Fällen würdig gelöst haben, gegen die Eingriffe deutscher Regierungen in wohlerworbene Rechte einen wirksamen Schutz <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0006" n="0534"/> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Deutschland.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#b">München,</hi> 5 März.</dateline> <p> Heute wurde der Kammer der Abgeordneten durch den k. Minister des Innern, Hrn. v. Abel, ein Gesetzesentwurf in Vorlage gebracht, welcher die Vollendung des Bibliothek- und Archivgebäudes dahier betrifft. Es hat sich nämlich ergeben, daß der zu München geführte Bibliothek-Neubau in der ihm nach den Gesetzen von 1831 und 1834 gegebenen Ausdehnung den für die Erfüllung seines Zwecks erforderlichen Raum durchaus nicht darbietet. Daher sagt der Gesetzesentwurf: „Der für die zweckmäßige Aufstellung der Hof- und Staatsbibliothek und des Reichsarchives begonnene Neubau soll durch Herstellung des Mittelbaues und des hintern Flügels vollendet werden. Die für diesen Ausbau zu verwendende Summe wird mit Einschluß der Einrichtungskosten auf den unüberschreitbaren Maximalbetrag von 650,000 fl. festgesetzt, und ist aus den Erübrigungen der dritten Finanzperiode zu entnehmen. Die Verrechnung der hievon bereits verausgabten Summe wird genehmigt.“ – Weiterhin wurde Daniel Ritter, Gutsbesitzer von Sembach in der Pfalz, als Ersatzmann des verstorbenen Abg. Fitting einberufen. Dann erstatteten die HH. Bestelmeyer, Fischer, Frhr. v. Fraunhofen und Frhr. v. Schäzler als Mitglieder des vierten Ausschusses, und zwar der erste den Hauptvortrag, die folgenden aber die Specialvorträge über die Verwaltung der Staatsschuldentilgungsanstalt in den Jahren 1835 bis 1838. Wir werden das Nähere bei der demnächst erfolgenden Berathung mittheilen. – Den übrigen Theil der Sitzung füllte die allgemeine Discussion über den Gesetzesentwurf, den Schutz des Eigenthums an Werken der Litteratur und Kunst gegen Nachbildung, Veröffentlichung und Nachdruck betreffend. Die Abg. Frhr. v. Freiberg, Enke, Frhr. v. Fuchs, Bestelmeyer, Haas, Frhr. v. Thon-Dittmer, Meyer und Dr. Schwindl, welche sich über diesen Entwur äußerten, waren im Allgemeinen über die Nothwendigkeit und Nützlichkeit desselben einig, nur wurden von einigen Seiten her schon jetzt Amendements angekündigt. 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Allein jene Entscheidung ist nun einmal, gleichviel ob mit Recht oder Unrecht, von der hannover'schen Regierung der Oeffentlichkeit übergeben und von ihr auf eine Weise ausgelegt worden, welche für diejenigen, denen die Erhaltung eines gesetzlichen Rechtszustandes in Deutschland am Herzen liegt, im höchsten Grade beunruhigend ist. Sie nimmt nämlich an, daß damit diejenige Grundlage des im Königreich Hannover bestehenden öffentlichen Rechts eine Anerkennung gefunden habe, welche von ihr selbst als die allein gültige erklärt worden ist. Allerdings spricht die Bundesversammlung die Erwartung aus, daß der König von Hannover geneigt seyn werde, mit den <hi rendition="#g">dermaligen</hi> Ständen über das Verfassungswerk eine, den Rechten der Krone und der Stände entsprechende Vereinbarung zu treffen, und es kann nicht geläugnet werden, daß der Ausdruck „dermalige Stände“ eine verschiedene Auslegung zuläßt. 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Eben so wenig wird nach diesem Vorgange der allgemeine und dringende Wunsch auf baldigste und ungeschmälerte Wiederherstellung der frühern Oeffentlichkeit der Bundestagsprotokolle, wie solche in der vorläufigen Geschäftsordnung vom 14 Nov. 1816 bestimmt worden war, einer nähern Motivirung bedürfen. Wird der Schleier des Geheimnisses von einzelnen Bundesregierungen selbst gelüftet, ist derselbe überhaupt nicht so dicht, daß nicht mehr oder minder glaubwürdige Nachrichten dennoch Zugang ins Publicum finden, so wird durch dessen officielles Festhalten wesentlich nichts gewonnen, im Gegentheil die öffentliche Meinung irre geleitet, ein auf Halbwissen beruhendes, daher oft einseitiges Urtheil hervorgerufen, und falsche Auslegung der Verhandlungen und Beschlüsse der hohen Bundesversammlung befördert. – Blicken wir nun auf die Folgen, welche die bisherige Behandlung der hannover'schen Verfassungsangelegenheit herbeizuführen geeignet ist, so können wir uns nicht verhehlen, daß der Grund des Bestehens aller Verfassungen Deutschlands dadurch erschüttert worden ist. Es bedarf fortan nur eines absoluten Willens, vielleicht bloß eines vielvermögenden Ministers, und mit Aufhebung der Verfassung, mit Auflösung der durch dieselbe geschaffenen Ständeversammlung fällt zugleich die Möglichkeit weg, die Wiederherstellung der erstern auf dem Wege Rechtens zu verlangen. Denn Niemand ist vorhanden, der denselben mit Erfolg betreten könnte. Durch den von der hohen Bundesversammlung ausgesprochenen Grundsatz, daß weder Corporationen noch Privatpersonen über die Aufhebung der bestehenden Landesverfassung Beschwerde führen können, ist jeder Kläger beseitigt. Diese Lage ist gefährlich, sie kann nicht von Dauer seyn. Rückblicke auf die ältere und neuere Geschichte geben dringende Veranlassung zu ernsten Erwägungen. Daß die Herrschaft des Rechtes unter allen Verhältnissen gesichert bleibe, erheischt das wohlverstandene Interesse von ganz Deutschland. Achtung für das Gesetz war von jeher eine der schönsten Tugenden des deutschen Nationalcharakters, den nichts so sehr verwundet als die Unmöglichkeit, für erlittenes Unrecht Genugthuung suchen zu können. Als noch das deutsche Reich bestand, war es die Aufgabe der Reichsgerichte, welche sie in vielen Fällen würdig gelöst haben, gegen die Eingriffe deutscher Regierungen in wohlerworbene Rechte einen wirksamen Schutz<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0534/0006]
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München, 5 März. Heute wurde der Kammer der Abgeordneten durch den k. Minister des Innern, Hrn. v. Abel, ein Gesetzesentwurf in Vorlage gebracht, welcher die Vollendung des Bibliothek- und Archivgebäudes dahier betrifft. Es hat sich nämlich ergeben, daß der zu München geführte Bibliothek-Neubau in der ihm nach den Gesetzen von 1831 und 1834 gegebenen Ausdehnung den für die Erfüllung seines Zwecks erforderlichen Raum durchaus nicht darbietet. Daher sagt der Gesetzesentwurf: „Der für die zweckmäßige Aufstellung der Hof- und Staatsbibliothek und des Reichsarchives begonnene Neubau soll durch Herstellung des Mittelbaues und des hintern Flügels vollendet werden. Die für diesen Ausbau zu verwendende Summe wird mit Einschluß der Einrichtungskosten auf den unüberschreitbaren Maximalbetrag von 650,000 fl. festgesetzt, und ist aus den Erübrigungen der dritten Finanzperiode zu entnehmen. Die Verrechnung der hievon bereits verausgabten Summe wird genehmigt.“ – Weiterhin wurde Daniel Ritter, Gutsbesitzer von Sembach in der Pfalz, als Ersatzmann des verstorbenen Abg. Fitting einberufen. Dann erstatteten die HH. Bestelmeyer, Fischer, Frhr. v. Fraunhofen und Frhr. v. Schäzler als Mitglieder des vierten Ausschusses, und zwar der erste den Hauptvortrag, die folgenden aber die Specialvorträge über die Verwaltung der Staatsschuldentilgungsanstalt in den Jahren 1835 bis 1838. Wir werden das Nähere bei der demnächst erfolgenden Berathung mittheilen. – Den übrigen Theil der Sitzung füllte die allgemeine Discussion über den Gesetzesentwurf, den Schutz des Eigenthums an Werken der Litteratur und Kunst gegen Nachbildung, Veröffentlichung und Nachdruck betreffend. Die Abg. Frhr. v. Freiberg, Enke, Frhr. v. Fuchs, Bestelmeyer, Haas, Frhr. v. Thon-Dittmer, Meyer und Dr. Schwindl, welche sich über diesen Entwur äußerten, waren im Allgemeinen über die Nothwendigkeit und Nützlichkeit desselben einig, nur wurden von einigen Seiten her schon jetzt Amendements angekündigt. Wir kommen darauf zurück.
Dresden. (Beschluß des Berichts der außerordentlichen Deputation der zweiten Kammer in Betreff der hannover'schen Frage.) In Betreff der Proclamation vom 10 Sept. 1839 und der darin veröffentlichten Entscheidung des Bundestages ist zunächst zu bemerken, daß gegen das Recht der hannover'schen Regierung, diese Entscheidung überhaupt bekannt zu machen, mehrfache Zweifel erhoben worden sind, weil, wie bereits erwähnt worden, die Beschlüsse der Bundesversammlung nur dann zur Oeffentlichkeit gelangen, wenn diese bei bestimmten Gegenständen ausdrücklich ausgesprochen wird – eine Voraussetzung, welche in dem vorliegenden Falle nicht stattfindet. Allein jene Entscheidung ist nun einmal, gleichviel ob mit Recht oder Unrecht, von der hannover'schen Regierung der Oeffentlichkeit übergeben und von ihr auf eine Weise ausgelegt worden, welche für diejenigen, denen die Erhaltung eines gesetzlichen Rechtszustandes in Deutschland am Herzen liegt, im höchsten Grade beunruhigend ist. Sie nimmt nämlich an, daß damit diejenige Grundlage des im Königreich Hannover bestehenden öffentlichen Rechts eine Anerkennung gefunden habe, welche von ihr selbst als die allein gültige erklärt worden ist. Allerdings spricht die Bundesversammlung die Erwartung aus, daß der König von Hannover geneigt seyn werde, mit den dermaligen Ständen über das Verfassungswerk eine, den Rechten der Krone und der Stände entsprechende Vereinbarung zu treffen, und es kann nicht geläugnet werden, daß der Ausdruck „dermalige Stände“ eine verschiedene Auslegung zuläßt. Es können darunter eben so gut die von der hannover'schen Regierung factisch zusammenberufenen, als die nach dem Staatsgrundgesetze von 1833 rechtlich bestehenden Stände verstanden werden. Aber man kann unmöglich annehmen, daß die Bundesversammlung gegen den klaren Inhalt des Art. 56 der Wiener Schlußacte habe entscheiden und eine verfassungswidrig zusammenberufene Ständeversammlung für berechtigt erklären wollen, eine in anerkannter Wirksamkeit bestandene Verfassung, wie das Staatsgrundgesetz von 1833 – nach welchem die Stände, ohne den geringsten Widerspruch von irgend einer Seite, fünfmal versammelt gewesen sind, Steuern bewilligt und Gesetze verabschiedet haben – auf gültige Weise abzuändern. Sehr erfreulich war es der Deputation, auf ihre Anfrage von dem königl. Hrn. Commissär zu vernehmen, „wie er nicht in Abrede stellen könne, daß weder die von dem König von Hannover mittelst Proclamation vom 10 Sept. 1839 bewirkte Veröffentlichung des Bundesbeschlusses überhaupt, noch auch die darin dem letztern gegebene Auslegung in der Absicht der diesseitigen Regierung gelegen habe.“ Daher dürfte wohl der Hoffnung Raum zu geben seyn, daß die hannover'sche Regierung dem von ihr bekannt gemachten Bundesbeschluß eine unrichtige Auslegung gegeben habe. Jedenfalls ist es dringend zu wünschen, daß eine baldige authentische Erklärung desselben die gerechte Unruhe beschwichtige, welche jene Proclamation in ganz Deutschland verbreitet hat. Eben so wenig wird nach diesem Vorgange der allgemeine und dringende Wunsch auf baldigste und ungeschmälerte Wiederherstellung der frühern Oeffentlichkeit der Bundestagsprotokolle, wie solche in der vorläufigen Geschäftsordnung vom 14 Nov. 1816 bestimmt worden war, einer nähern Motivirung bedürfen. Wird der Schleier des Geheimnisses von einzelnen Bundesregierungen selbst gelüftet, ist derselbe überhaupt nicht so dicht, daß nicht mehr oder minder glaubwürdige Nachrichten dennoch Zugang ins Publicum finden, so wird durch dessen officielles Festhalten wesentlich nichts gewonnen, im Gegentheil die öffentliche Meinung irre geleitet, ein auf Halbwissen beruhendes, daher oft einseitiges Urtheil hervorgerufen, und falsche Auslegung der Verhandlungen und Beschlüsse der hohen Bundesversammlung befördert. – Blicken wir nun auf die Folgen, welche die bisherige Behandlung der hannover'schen Verfassungsangelegenheit herbeizuführen geeignet ist, so können wir uns nicht verhehlen, daß der Grund des Bestehens aller Verfassungen Deutschlands dadurch erschüttert worden ist. Es bedarf fortan nur eines absoluten Willens, vielleicht bloß eines vielvermögenden Ministers, und mit Aufhebung der Verfassung, mit Auflösung der durch dieselbe geschaffenen Ständeversammlung fällt zugleich die Möglichkeit weg, die Wiederherstellung der erstern auf dem Wege Rechtens zu verlangen. Denn Niemand ist vorhanden, der denselben mit Erfolg betreten könnte. Durch den von der hohen Bundesversammlung ausgesprochenen Grundsatz, daß weder Corporationen noch Privatpersonen über die Aufhebung der bestehenden Landesverfassung Beschwerde führen können, ist jeder Kläger beseitigt. Diese Lage ist gefährlich, sie kann nicht von Dauer seyn. Rückblicke auf die ältere und neuere Geschichte geben dringende Veranlassung zu ernsten Erwägungen. Daß die Herrschaft des Rechtes unter allen Verhältnissen gesichert bleibe, erheischt das wohlverstandene Interesse von ganz Deutschland. Achtung für das Gesetz war von jeher eine der schönsten Tugenden des deutschen Nationalcharakters, den nichts so sehr verwundet als die Unmöglichkeit, für erlittenes Unrecht Genugthuung suchen zu können. Als noch das deutsche Reich bestand, war es die Aufgabe der Reichsgerichte, welche sie in vielen Fällen würdig gelöst haben, gegen die Eingriffe deutscher Regierungen in wohlerworbene Rechte einen wirksamen Schutz
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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