Allgemeine Zeitung. Nr. 67. Augsburg, 7. März 1840.zu gewähren. Eine solche Sicherstellung gegen Willkür wird jetzt schmerzlich vermißt. Diese vermag das von der hohen Bundesversammlung durch den Beschluß vom 30 Oct. 1834 niedergesetzte Bundesschiedsgericht keineswegs zu gewähren. Denn die Competenz desselben erstreckt sich nur auf Streitigkeiten der Bundesregierungen untereinander und mit ihren Ständen über die Auslegung der Landesverfassung. Außerdem fehlt aber auch den Mitgliedern jenes Schiedsgerichtes eines der wesentlichsten Erfordernisse richterlicher Unabhängigkeit, nämlich die Unabsetzbarkeit; denn sie werden nur auf drei Jahre von den einzelnen Bundesregierungen zu diesem mit keiner Besoldung verbundenen Amt ernannt. Endlich tritt das Schiedsgericht nur in Wirksamkeit auf Anrufen einer Regierung, niemals auf einseitiges Anrufen von Ständen, Corporationen oder Innungen. Hinlänglich bekannt ist es, daß der Fürstencongreß zu Wien, weit entfernt, den deutschen Völkern den Rechtsschutz, welchen diese seit Jahrhunderten und bis zum Aufhören des deutschen Reichs durch die Reichsgerichte ungestört genossen hatten, verkümmern zu wollen, vielmehr dessen Wiederherstellung in neuer Form und unter noch kräftigern Garantien sich zum Ziele setzte. Ist nun auch die Lösung dieser Aufgabe in genügender Weise bis jetzt noch nicht erreicht worden, so darf man doch voraussetzen, daß die Absichten des deutschen Bundes auf die vollständigste Sicherung des Rechtszustandes in Deutschland fortwährend gerichtet sind. Zu Handhabung desselben ein ständiges, unabhängiges und unabsetzbares höchstes Gericht, welches die früher bestandenen Reichsgerichte ersetzen könnte, in neuer Form wiederherzustellen, dürfte daher wohl dem politischen Zwecke des hohen Bundes entsprechen. Denn die Begründung einer solchen Einrichtung liegt im Interesse der Fürsten und der Völker: der Fürsten, die das Recht nicht beugen wollen, der Völker, die nicht mehr verlangen, als ihnen rechtmäßig zusteht. Die ständischen Verfassungen haben von alten Zeiten her in Deutschland feste Wurzel geschlagen, wenn auch die Art der Vertretung des Landes nach der geschichtlichen Gestaltung der Verhältnisse gewechselt hat. Die Sicherung derselben zu verlangen, ist daher nichts Neues in der Geschichte Deutschlands, und gehörte namentlich zur Competenz der ehemaligen Reichsgerichte. Welche Gründe könnten entgegenstehen dem Wunsch auf Regeneration eines solchen Gerichts, das, eingerichtet nach Art der höchsten Justiz- und Appellationshöfe, stets den Klagen über Verfassungsaufhebungen oder Justizverweigerungen offen stände? Von selbst versteht sich hierbei, und wird von der Deputation, als namentlich mit der Praxis der ehemaligen Reichsgerichte übereinstimmend, vorausgesetzt, daß bei einem solchen höchsten Bundesgerichte nicht nur die Landstände in ihrer Gesammtheit, sondern auch Ausschüsse derselben, ferner Provincial- und Kreisstände, dann städtische und andere anerkannte Corporationen und selbst Einzelne innerhalb der angedeuteten und sonst genau zu bestimmenden Gränzen Recht und Hülfe suchen könnten. Dieß folgt, was Verfassungsfragen, wie z. B. die hannover'sche ist, betrifft, auch insbesondere aus dem Art. 56 der Wiener Schlußacte. Denn der Charakter einer wesentlichen Betheiligung bei Aufrechthaltung dieses Artikels muß nicht nur der Gesammtheit des Landes und dem Organe desselben, der Ständeversammlung, sondern auch Einzelnen, insonderheit Corporationen zugestanden werden. Denn diesen sind nicht nur bestimmte Formen der Repräsentation, gegenüber der Regierung, und Wahlrechte, sondern auch besondere materielle Rechte und Interessen, theils der Corporation, als solcher, theils ihrer einzelnen Angehörigen, durch eine in anerkannter Wirksamkeit bestehende Verfassung verbürgt, welche bei Zulassung einer willkürlichen Abänderung oder Aufhebung derselben der Zernichtung bloßgestellt seyn würden. Ist nun auch zu Geltendmachung dieser Rechte und Interessen zunächst das Organ der Gesammtheit, die verfassungsmäßige Ständeversammlung, oder ein, deren Stelle vertretender Ausschuß für befugt zu erachten, so kann doch nicht bezweifelt werden, daß in Fällen, wo die Gesammtheit dieses Organes entbehrt, auch Einzelnen, insbesondere Corporationen, eine Beschwerdeführung über Verletzung des Art. 56 der Schlußacte nicht versagt, noch eine Begründung dieser Versagung daraus abgeleitet werden dürfe, daß mit der dabei zunächst bezweckten Wahrung der eignen Rechte und Interessen der Corporationen zufällig auch die Wahrung derjenigen der Gesammtheit in Verbindung steht. Außerdem würde damit in die Bestimmung des Art. 56 der Schlußacte eine Beschränkung gelegt, welche die Anwendung desselben von zufälligen Umständen abhängig machen und weder den Worten des Artikels noch dem Zweck entsprechen könnte, die in anerkannter Wirksamkeit bestehenden landständischen Verfassungen gegen willkürliche Abänderungen sicherzustellen und den Rechtszustand zu wahren. Betrachten wir ferner die hannover'sche Verfassungsfrage im Interesse des unserm deutschen Staatsrechte zu Grunde liegenden monarchischen Principes, so ist dessen Gefährdung nicht zu verkennen, wenn man Folgendes in Erwägung zieht. In der neuerdings vom Bundestage bekannt gemachten "Darlegung der Hauptresultate aus den wegen der revolutionären Complotte der neuern Zeit in Deutschland geführten Untersuchungen" ist als eine actenmäßig erwiesene Thatsache angeführt, daß schon seit 1815 in Deutschland eine gewisse Partei existirt, welche die Errichtung einer deutschen Republik sich zum Ziele gesetzt hat. Dieser Partei hat gewiß nichts so sehr entgegengewirkt, als die Begründung constitutioneller Monarchien. Ergäbe es sich nun thatsächlich, daß diese keinen wirksamen Rechtsschutz gewährten, so dürfte wohl nicht zu bezweifeln seyn, daß dadurch jener Partei und ihrer Verstärkung mancherlei Vorschub und Vorwand geliehen werden würde - ein Umstand, der vielleicht jetzt von geringerer Bedeutung ist, der aber für den möglichen Fall einer neuen europäischen Krisis wohl einige Beachtung verdienen möchte. - Prüfen wir endlich die Lage, in welche das Königreich Hannover selbst durch die Aufhebung seiner Verfassung versetzt worden ist, so müssen wir allerdings zunächst die Ruhe und Gesetzlichkeit anerkennen, mit welcher das hannover'sche Volk bisher sein Recht zu schützen und zu wahren bemüht gewesen ist. Wir wollen wünschen und hoffen, daß es den besonnenen Männern, welche dasselbe bis jetzt auf dieser Bahn erhalten haben, auch fernerhin gelingen möge, jede Störung der öffentlichen Ruhe zu verhüten. Allein verschweigen können wir uns nicht, daß diese Aufgabe mit solchen Schwierigkeiten verknüpft ist, daß auf eine glückliche Lösung derselben nicht mit Sicherheit gerechnet werden darf. Ein zufälliges, unvorhergesehenes Ereigniß kann den aufgehäuften Brennstoff zur lichten Flamme entzünden. Tritt aber ein solcher Fall ein, so ist auch die Ruhe aller deutschen Bundesstaaten dadurch gefährdet. Sie ist es durch den Geist der Nachahmung, der, wie die Ereignisse der Jahre 1830 und 1831 nur zu deutlich beweisen, auf die Unzufriedenen aller deutschen Staaten mächtig wirkt, und oft aus sehr ungleichartigen Veranlassungen gleichartige Ergebnisse hervorruft. Sie ist es durch Entzügelung aller Leidenschaften, welche nur durch die Herrschaft der Ordnung und des Rechtes gefesselt, beim mindesten Schwanken derselben gern ihr Haupt erheben, und denen für ihre selbstsüchtigen und verbrecherischen Absichten jede Veranlassung willkommen ist, gleich viel, ob in der Nähe oder in der Ferne politische Stürme eine solche darzubieten scheinen. Sie ist es aber auch endlich vermöge der zu gewähren. Eine solche Sicherstellung gegen Willkür wird jetzt schmerzlich vermißt. Diese vermag das von der hohen Bundesversammlung durch den Beschluß vom 30 Oct. 1834 niedergesetzte Bundesschiedsgericht keineswegs zu gewähren. Denn die Competenz desselben erstreckt sich nur auf Streitigkeiten der Bundesregierungen untereinander und mit ihren Ständen über die Auslegung der Landesverfassung. Außerdem fehlt aber auch den Mitgliedern jenes Schiedsgerichtes eines der wesentlichsten Erfordernisse richterlicher Unabhängigkeit, nämlich die Unabsetzbarkeit; denn sie werden nur auf drei Jahre von den einzelnen Bundesregierungen zu diesem mit keiner Besoldung verbundenen Amt ernannt. Endlich tritt das Schiedsgericht nur in Wirksamkeit auf Anrufen einer Regierung, niemals auf einseitiges Anrufen von Ständen, Corporationen oder Innungen. Hinlänglich bekannt ist es, daß der Fürstencongreß zu Wien, weit entfernt, den deutschen Völkern den Rechtsschutz, welchen diese seit Jahrhunderten und bis zum Aufhören des deutschen Reichs durch die Reichsgerichte ungestört genossen hatten, verkümmern zu wollen, vielmehr dessen Wiederherstellung in neuer Form und unter noch kräftigern Garantien sich zum Ziele setzte. Ist nun auch die Lösung dieser Aufgabe in genügender Weise bis jetzt noch nicht erreicht worden, so darf man doch voraussetzen, daß die Absichten des deutschen Bundes auf die vollständigste Sicherung des Rechtszustandes in Deutschland fortwährend gerichtet sind. Zu Handhabung desselben ein ständiges, unabhängiges und unabsetzbares höchstes Gericht, welches die früher bestandenen Reichsgerichte ersetzen könnte, in neuer Form wiederherzustellen, dürfte daher wohl dem politischen Zwecke des hohen Bundes entsprechen. Denn die Begründung einer solchen Einrichtung liegt im Interesse der Fürsten und der Völker: der Fürsten, die das Recht nicht beugen wollen, der Völker, die nicht mehr verlangen, als ihnen rechtmäßig zusteht. Die ständischen Verfassungen haben von alten Zeiten her in Deutschland feste Wurzel geschlagen, wenn auch die Art der Vertretung des Landes nach der geschichtlichen Gestaltung der Verhältnisse gewechselt hat. Die Sicherung derselben zu verlangen, ist daher nichts Neues in der Geschichte Deutschlands, und gehörte namentlich zur Competenz der ehemaligen Reichsgerichte. Welche Gründe könnten entgegenstehen dem Wunsch auf Regeneration eines solchen Gerichts, das, eingerichtet nach Art der höchsten Justiz- und Appellationshöfe, stets den Klagen über Verfassungsaufhebungen oder Justizverweigerungen offen stände? Von selbst versteht sich hierbei, und wird von der Deputation, als namentlich mit der Praxis der ehemaligen Reichsgerichte übereinstimmend, vorausgesetzt, daß bei einem solchen höchsten Bundesgerichte nicht nur die Landstände in ihrer Gesammtheit, sondern auch Ausschüsse derselben, ferner Provincial- und Kreisstände, dann städtische und andere anerkannte Corporationen und selbst Einzelne innerhalb der angedeuteten und sonst genau zu bestimmenden Gränzen Recht und Hülfe suchen könnten. Dieß folgt, was Verfassungsfragen, wie z. B. die hannover'sche ist, betrifft, auch insbesondere aus dem Art. 56 der Wiener Schlußacte. Denn der Charakter einer wesentlichen Betheiligung bei Aufrechthaltung dieses Artikels muß nicht nur der Gesammtheit des Landes und dem Organe desselben, der Ständeversammlung, sondern auch Einzelnen, insonderheit Corporationen zugestanden werden. Denn diesen sind nicht nur bestimmte Formen der Repräsentation, gegenüber der Regierung, und Wahlrechte, sondern auch besondere materielle Rechte und Interessen, theils der Corporation, als solcher, theils ihrer einzelnen Angehörigen, durch eine in anerkannter Wirksamkeit bestehende Verfassung verbürgt, welche bei Zulassung einer willkürlichen Abänderung oder Aufhebung derselben der Zernichtung bloßgestellt seyn würden. Ist nun auch zu Geltendmachung dieser Rechte und Interessen zunächst das Organ der Gesammtheit, die verfassungsmäßige Ständeversammlung, oder ein, deren Stelle vertretender Ausschuß für befugt zu erachten, so kann doch nicht bezweifelt werden, daß in Fällen, wo die Gesammtheit dieses Organes entbehrt, auch Einzelnen, insbesondere Corporationen, eine Beschwerdeführung über Verletzung des Art. 56 der Schlußacte nicht versagt, noch eine Begründung dieser Versagung daraus abgeleitet werden dürfe, daß mit der dabei zunächst bezweckten Wahrung der eignen Rechte und Interessen der Corporationen zufällig auch die Wahrung derjenigen der Gesammtheit in Verbindung steht. Außerdem würde damit in die Bestimmung des Art. 56 der Schlußacte eine Beschränkung gelegt, welche die Anwendung desselben von zufälligen Umständen abhängig machen und weder den Worten des Artikels noch dem Zweck entsprechen könnte, die in anerkannter Wirksamkeit bestehenden landständischen Verfassungen gegen willkürliche Abänderungen sicherzustellen und den Rechtszustand zu wahren. Betrachten wir ferner die hannover'sche Verfassungsfrage im Interesse des unserm deutschen Staatsrechte zu Grunde liegenden monarchischen Principes, so ist dessen Gefährdung nicht zu verkennen, wenn man Folgendes in Erwägung zieht. In der neuerdings vom Bundestage bekannt gemachten „Darlegung der Hauptresultate aus den wegen der revolutionären Complotte der neuern Zeit in Deutschland geführten Untersuchungen“ ist als eine actenmäßig erwiesene Thatsache angeführt, daß schon seit 1815 in Deutschland eine gewisse Partei existirt, welche die Errichtung einer deutschen Republik sich zum Ziele gesetzt hat. Dieser Partei hat gewiß nichts so sehr entgegengewirkt, als die Begründung constitutioneller Monarchien. Ergäbe es sich nun thatsächlich, daß diese keinen wirksamen Rechtsschutz gewährten, so dürfte wohl nicht zu bezweifeln seyn, daß dadurch jener Partei und ihrer Verstärkung mancherlei Vorschub und Vorwand geliehen werden würde – ein Umstand, der vielleicht jetzt von geringerer Bedeutung ist, der aber für den möglichen Fall einer neuen europäischen Krisis wohl einige Beachtung verdienen möchte. – Prüfen wir endlich die Lage, in welche das Königreich Hannover selbst durch die Aufhebung seiner Verfassung versetzt worden ist, so müssen wir allerdings zunächst die Ruhe und Gesetzlichkeit anerkennen, mit welcher das hannover'sche Volk bisher sein Recht zu schützen und zu wahren bemüht gewesen ist. Wir wollen wünschen und hoffen, daß es den besonnenen Männern, welche dasselbe bis jetzt auf dieser Bahn erhalten haben, auch fernerhin gelingen möge, jede Störung der öffentlichen Ruhe zu verhüten. Allein verschweigen können wir uns nicht, daß diese Aufgabe mit solchen Schwierigkeiten verknüpft ist, daß auf eine glückliche Lösung derselben nicht mit Sicherheit gerechnet werden darf. Ein zufälliges, unvorhergesehenes Ereigniß kann den aufgehäuften Brennstoff zur lichten Flamme entzünden. Tritt aber ein solcher Fall ein, so ist auch die Ruhe aller deutschen Bundesstaaten dadurch gefährdet. Sie ist es durch den Geist der Nachahmung, der, wie die Ereignisse der Jahre 1830 und 1831 nur zu deutlich beweisen, auf die Unzufriedenen aller deutschen Staaten mächtig wirkt, und oft aus sehr ungleichartigen Veranlassungen gleichartige Ergebnisse hervorruft. Sie ist es durch Entzügelung aller Leidenschaften, welche nur durch die Herrschaft der Ordnung und des Rechtes gefesselt, beim mindesten Schwanken derselben gern ihr Haupt erheben, und denen für ihre selbstsüchtigen und verbrecherischen Absichten jede Veranlassung willkommen ist, gleich viel, ob in der Nähe oder in der Ferne politische Stürme eine solche darzubieten scheinen. Sie ist es aber auch endlich vermöge der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0007" n="0535"/> zu gewähren. Eine solche Sicherstellung gegen Willkür wird jetzt schmerzlich vermißt. Diese vermag das von der hohen Bundesversammlung durch den Beschluß vom 30 Oct. 1834 niedergesetzte Bundesschiedsgericht keineswegs zu gewähren. Denn die Competenz desselben erstreckt sich nur auf Streitigkeiten der Bundesregierungen untereinander und mit ihren Ständen über die Auslegung der Landesverfassung. Außerdem fehlt aber auch den Mitgliedern jenes Schiedsgerichtes eines der wesentlichsten Erfordernisse richterlicher Unabhängigkeit, nämlich die Unabsetzbarkeit; denn sie werden nur auf drei Jahre von den einzelnen Bundesregierungen zu diesem mit keiner Besoldung verbundenen Amt ernannt. Endlich tritt das Schiedsgericht nur in Wirksamkeit auf Anrufen einer Regierung, niemals auf einseitiges Anrufen von Ständen, Corporationen oder Innungen. Hinlänglich bekannt ist es, daß der Fürstencongreß zu Wien, weit entfernt, den deutschen Völkern den Rechtsschutz, welchen diese seit Jahrhunderten und bis zum Aufhören des deutschen Reichs durch die Reichsgerichte ungestört genossen hatten, verkümmern zu wollen, vielmehr dessen Wiederherstellung in neuer Form und unter noch kräftigern Garantien sich zum Ziele setzte. Ist nun auch die Lösung dieser Aufgabe in genügender Weise bis jetzt noch nicht erreicht worden, so darf man doch voraussetzen, daß die Absichten des deutschen Bundes auf die vollständigste Sicherung des Rechtszustandes in Deutschland fortwährend gerichtet sind. Zu Handhabung desselben ein ständiges, unabhängiges und unabsetzbares höchstes Gericht, welches die früher bestandenen Reichsgerichte ersetzen könnte, in neuer Form wiederherzustellen, dürfte daher wohl dem politischen Zwecke des hohen Bundes entsprechen. Denn die Begründung einer solchen Einrichtung liegt im Interesse der Fürsten und der Völker: der Fürsten, die das Recht nicht beugen wollen, der Völker, die nicht mehr verlangen, als ihnen rechtmäßig zusteht. Die ständischen Verfassungen haben von alten Zeiten her in Deutschland feste Wurzel geschlagen, wenn auch die Art der Vertretung des Landes nach der geschichtlichen Gestaltung der Verhältnisse gewechselt hat. Die Sicherung derselben zu verlangen, ist daher nichts Neues in der Geschichte Deutschlands, und gehörte namentlich zur Competenz der ehemaligen Reichsgerichte. Welche Gründe könnten entgegenstehen dem Wunsch auf Regeneration eines solchen Gerichts, das, eingerichtet nach Art der höchsten Justiz- und Appellationshöfe, stets den Klagen über Verfassungsaufhebungen oder Justizverweigerungen offen stände? Von selbst versteht sich hierbei, und wird von der Deputation, als namentlich mit der Praxis der ehemaligen Reichsgerichte übereinstimmend, vorausgesetzt, daß bei einem solchen höchsten Bundesgerichte nicht nur die Landstände in ihrer Gesammtheit, sondern auch Ausschüsse derselben, ferner Provincial- und Kreisstände, dann städtische und andere anerkannte Corporationen und selbst Einzelne innerhalb der angedeuteten und sonst genau zu bestimmenden Gränzen Recht und Hülfe suchen könnten. Dieß folgt, was Verfassungsfragen, wie z. B. die hannover'sche ist, betrifft, auch insbesondere aus dem Art. 56 der Wiener Schlußacte. Denn der Charakter einer wesentlichen Betheiligung bei Aufrechthaltung dieses Artikels muß nicht nur der Gesammtheit des Landes und dem Organe desselben, der Ständeversammlung, sondern auch Einzelnen, insonderheit Corporationen zugestanden werden. Denn diesen sind nicht nur bestimmte Formen der Repräsentation, gegenüber der Regierung, und Wahlrechte, sondern auch besondere materielle Rechte und Interessen, theils der Corporation, als solcher, theils ihrer einzelnen Angehörigen, durch eine in anerkannter Wirksamkeit bestehende Verfassung verbürgt, welche bei Zulassung einer willkürlichen Abänderung oder Aufhebung derselben der Zernichtung bloßgestellt seyn würden. Ist nun auch zu Geltendmachung dieser Rechte und Interessen zunächst das Organ der Gesammtheit, die verfassungsmäßige Ständeversammlung, oder ein, deren Stelle vertretender Ausschuß für befugt zu erachten, so kann doch nicht bezweifelt werden, daß in Fällen, wo die Gesammtheit dieses Organes entbehrt, auch Einzelnen, insbesondere Corporationen, eine Beschwerdeführung über Verletzung des Art. 56 der Schlußacte nicht versagt, noch eine Begründung dieser Versagung daraus abgeleitet werden dürfe, daß mit der dabei zunächst bezweckten Wahrung der eignen Rechte und Interessen der Corporationen zufällig auch die Wahrung derjenigen der Gesammtheit in Verbindung steht. Außerdem würde damit in die Bestimmung des Art. 56 der Schlußacte eine Beschränkung gelegt, welche die Anwendung desselben von zufälligen Umständen abhängig machen und weder den Worten des Artikels noch dem Zweck entsprechen könnte, die in anerkannter Wirksamkeit bestehenden landständischen Verfassungen gegen willkürliche Abänderungen sicherzustellen und den Rechtszustand zu wahren. Betrachten wir ferner die hannover'sche Verfassungsfrage im Interesse des unserm deutschen Staatsrechte zu Grunde liegenden monarchischen Principes, so ist dessen Gefährdung nicht zu verkennen, wenn man Folgendes in Erwägung zieht. In der neuerdings vom Bundestage bekannt gemachten „Darlegung der Hauptresultate aus den wegen der revolutionären Complotte der neuern Zeit in Deutschland geführten Untersuchungen“ ist als eine actenmäßig erwiesene Thatsache angeführt, daß schon seit 1815 in Deutschland eine gewisse Partei existirt, welche die Errichtung einer deutschen Republik sich zum Ziele gesetzt hat. Dieser Partei hat gewiß nichts so sehr entgegengewirkt, als die Begründung constitutioneller Monarchien. Ergäbe es sich nun thatsächlich, daß diese keinen wirksamen Rechtsschutz gewährten, so dürfte wohl nicht zu bezweifeln seyn, daß dadurch jener Partei und ihrer Verstärkung mancherlei Vorschub und Vorwand geliehen werden würde – ein Umstand, der vielleicht jetzt von geringerer Bedeutung ist, der aber für den möglichen Fall einer neuen europäischen Krisis wohl einige Beachtung verdienen möchte. – Prüfen wir endlich die Lage, in welche das Königreich Hannover selbst durch die Aufhebung seiner Verfassung versetzt worden ist, so müssen wir allerdings zunächst die Ruhe und Gesetzlichkeit anerkennen, mit welcher das hannover'sche Volk bisher sein Recht zu schützen und zu wahren bemüht gewesen ist. Wir wollen wünschen und hoffen, daß es den besonnenen Männern, welche dasselbe bis jetzt auf dieser Bahn erhalten haben, auch fernerhin gelingen möge, jede Störung der öffentlichen Ruhe zu verhüten. Allein verschweigen können wir uns nicht, daß diese Aufgabe mit solchen Schwierigkeiten verknüpft ist, daß auf eine glückliche Lösung derselben nicht mit Sicherheit gerechnet werden darf. Ein zufälliges, unvorhergesehenes Ereigniß kann den aufgehäuften Brennstoff zur lichten Flamme entzünden. Tritt aber ein solcher Fall ein, so ist auch die Ruhe aller deutschen Bundesstaaten dadurch gefährdet. Sie ist es durch den Geist der Nachahmung, der, wie die Ereignisse der Jahre 1830 und 1831 nur zu deutlich beweisen, auf die Unzufriedenen aller deutschen Staaten mächtig wirkt, und oft aus sehr ungleichartigen Veranlassungen gleichartige Ergebnisse hervorruft. Sie ist es durch Entzügelung aller Leidenschaften, welche nur durch die Herrschaft der Ordnung und des Rechtes gefesselt, beim mindesten Schwanken derselben gern ihr Haupt erheben, und denen für ihre selbstsüchtigen und verbrecherischen Absichten jede Veranlassung willkommen ist, gleich viel, ob in der Nähe oder in der Ferne politische Stürme eine solche darzubieten scheinen. Sie ist es aber auch endlich vermöge der<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0535/0007]
zu gewähren. Eine solche Sicherstellung gegen Willkür wird jetzt schmerzlich vermißt. Diese vermag das von der hohen Bundesversammlung durch den Beschluß vom 30 Oct. 1834 niedergesetzte Bundesschiedsgericht keineswegs zu gewähren. Denn die Competenz desselben erstreckt sich nur auf Streitigkeiten der Bundesregierungen untereinander und mit ihren Ständen über die Auslegung der Landesverfassung. Außerdem fehlt aber auch den Mitgliedern jenes Schiedsgerichtes eines der wesentlichsten Erfordernisse richterlicher Unabhängigkeit, nämlich die Unabsetzbarkeit; denn sie werden nur auf drei Jahre von den einzelnen Bundesregierungen zu diesem mit keiner Besoldung verbundenen Amt ernannt. Endlich tritt das Schiedsgericht nur in Wirksamkeit auf Anrufen einer Regierung, niemals auf einseitiges Anrufen von Ständen, Corporationen oder Innungen. Hinlänglich bekannt ist es, daß der Fürstencongreß zu Wien, weit entfernt, den deutschen Völkern den Rechtsschutz, welchen diese seit Jahrhunderten und bis zum Aufhören des deutschen Reichs durch die Reichsgerichte ungestört genossen hatten, verkümmern zu wollen, vielmehr dessen Wiederherstellung in neuer Form und unter noch kräftigern Garantien sich zum Ziele setzte. Ist nun auch die Lösung dieser Aufgabe in genügender Weise bis jetzt noch nicht erreicht worden, so darf man doch voraussetzen, daß die Absichten des deutschen Bundes auf die vollständigste Sicherung des Rechtszustandes in Deutschland fortwährend gerichtet sind. Zu Handhabung desselben ein ständiges, unabhängiges und unabsetzbares höchstes Gericht, welches die früher bestandenen Reichsgerichte ersetzen könnte, in neuer Form wiederherzustellen, dürfte daher wohl dem politischen Zwecke des hohen Bundes entsprechen. Denn die Begründung einer solchen Einrichtung liegt im Interesse der Fürsten und der Völker: der Fürsten, die das Recht nicht beugen wollen, der Völker, die nicht mehr verlangen, als ihnen rechtmäßig zusteht. Die ständischen Verfassungen haben von alten Zeiten her in Deutschland feste Wurzel geschlagen, wenn auch die Art der Vertretung des Landes nach der geschichtlichen Gestaltung der Verhältnisse gewechselt hat. Die Sicherung derselben zu verlangen, ist daher nichts Neues in der Geschichte Deutschlands, und gehörte namentlich zur Competenz der ehemaligen Reichsgerichte. Welche Gründe könnten entgegenstehen dem Wunsch auf Regeneration eines solchen Gerichts, das, eingerichtet nach Art der höchsten Justiz- und Appellationshöfe, stets den Klagen über Verfassungsaufhebungen oder Justizverweigerungen offen stände? Von selbst versteht sich hierbei, und wird von der Deputation, als namentlich mit der Praxis der ehemaligen Reichsgerichte übereinstimmend, vorausgesetzt, daß bei einem solchen höchsten Bundesgerichte nicht nur die Landstände in ihrer Gesammtheit, sondern auch Ausschüsse derselben, ferner Provincial- und Kreisstände, dann städtische und andere anerkannte Corporationen und selbst Einzelne innerhalb der angedeuteten und sonst genau zu bestimmenden Gränzen Recht und Hülfe suchen könnten. Dieß folgt, was Verfassungsfragen, wie z. B. die hannover'sche ist, betrifft, auch insbesondere aus dem Art. 56 der Wiener Schlußacte. Denn der Charakter einer wesentlichen Betheiligung bei Aufrechthaltung dieses Artikels muß nicht nur der Gesammtheit des Landes und dem Organe desselben, der Ständeversammlung, sondern auch Einzelnen, insonderheit Corporationen zugestanden werden. Denn diesen sind nicht nur bestimmte Formen der Repräsentation, gegenüber der Regierung, und Wahlrechte, sondern auch besondere materielle Rechte und Interessen, theils der Corporation, als solcher, theils ihrer einzelnen Angehörigen, durch eine in anerkannter Wirksamkeit bestehende Verfassung verbürgt, welche bei Zulassung einer willkürlichen Abänderung oder Aufhebung derselben der Zernichtung bloßgestellt seyn würden. Ist nun auch zu Geltendmachung dieser Rechte und Interessen zunächst das Organ der Gesammtheit, die verfassungsmäßige Ständeversammlung, oder ein, deren Stelle vertretender Ausschuß für befugt zu erachten, so kann doch nicht bezweifelt werden, daß in Fällen, wo die Gesammtheit dieses Organes entbehrt, auch Einzelnen, insbesondere Corporationen, eine Beschwerdeführung über Verletzung des Art. 56 der Schlußacte nicht versagt, noch eine Begründung dieser Versagung daraus abgeleitet werden dürfe, daß mit der dabei zunächst bezweckten Wahrung der eignen Rechte und Interessen der Corporationen zufällig auch die Wahrung derjenigen der Gesammtheit in Verbindung steht. Außerdem würde damit in die Bestimmung des Art. 56 der Schlußacte eine Beschränkung gelegt, welche die Anwendung desselben von zufälligen Umständen abhängig machen und weder den Worten des Artikels noch dem Zweck entsprechen könnte, die in anerkannter Wirksamkeit bestehenden landständischen Verfassungen gegen willkürliche Abänderungen sicherzustellen und den Rechtszustand zu wahren. Betrachten wir ferner die hannover'sche Verfassungsfrage im Interesse des unserm deutschen Staatsrechte zu Grunde liegenden monarchischen Principes, so ist dessen Gefährdung nicht zu verkennen, wenn man Folgendes in Erwägung zieht. In der neuerdings vom Bundestage bekannt gemachten „Darlegung der Hauptresultate aus den wegen der revolutionären Complotte der neuern Zeit in Deutschland geführten Untersuchungen“ ist als eine actenmäßig erwiesene Thatsache angeführt, daß schon seit 1815 in Deutschland eine gewisse Partei existirt, welche die Errichtung einer deutschen Republik sich zum Ziele gesetzt hat. Dieser Partei hat gewiß nichts so sehr entgegengewirkt, als die Begründung constitutioneller Monarchien. Ergäbe es sich nun thatsächlich, daß diese keinen wirksamen Rechtsschutz gewährten, so dürfte wohl nicht zu bezweifeln seyn, daß dadurch jener Partei und ihrer Verstärkung mancherlei Vorschub und Vorwand geliehen werden würde – ein Umstand, der vielleicht jetzt von geringerer Bedeutung ist, der aber für den möglichen Fall einer neuen europäischen Krisis wohl einige Beachtung verdienen möchte. – Prüfen wir endlich die Lage, in welche das Königreich Hannover selbst durch die Aufhebung seiner Verfassung versetzt worden ist, so müssen wir allerdings zunächst die Ruhe und Gesetzlichkeit anerkennen, mit welcher das hannover'sche Volk bisher sein Recht zu schützen und zu wahren bemüht gewesen ist. Wir wollen wünschen und hoffen, daß es den besonnenen Männern, welche dasselbe bis jetzt auf dieser Bahn erhalten haben, auch fernerhin gelingen möge, jede Störung der öffentlichen Ruhe zu verhüten. Allein verschweigen können wir uns nicht, daß diese Aufgabe mit solchen Schwierigkeiten verknüpft ist, daß auf eine glückliche Lösung derselben nicht mit Sicherheit gerechnet werden darf. Ein zufälliges, unvorhergesehenes Ereigniß kann den aufgehäuften Brennstoff zur lichten Flamme entzünden. Tritt aber ein solcher Fall ein, so ist auch die Ruhe aller deutschen Bundesstaaten dadurch gefährdet. Sie ist es durch den Geist der Nachahmung, der, wie die Ereignisse der Jahre 1830 und 1831 nur zu deutlich beweisen, auf die Unzufriedenen aller deutschen Staaten mächtig wirkt, und oft aus sehr ungleichartigen Veranlassungen gleichartige Ergebnisse hervorruft. Sie ist es durch Entzügelung aller Leidenschaften, welche nur durch die Herrschaft der Ordnung und des Rechtes gefesselt, beim mindesten Schwanken derselben gern ihr Haupt erheben, und denen für ihre selbstsüchtigen und verbrecherischen Absichten jede Veranlassung willkommen ist, gleich viel, ob in der Nähe oder in der Ferne politische Stürme eine solche darzubieten scheinen. Sie ist es aber auch endlich vermöge der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |