Allgemeine Zeitung. Nr. 72. Augsburg, 12. März 1840.verkennenden Direction es nicht bis zu den Vorderbeinen bringen konnte, so daß der arme Mann gezwungen war, sich an die Gesellschaft zur menschlichen Behandlung der Thiere zu wenden, die sich aber unter dem Vorwand, daß sie es nur mit vollständigen Kamelen zu thun habe, aus der Affaire zog. So geht's. Wer zum Reisekoffer geboren ist, bringt's nie zum Mantelsack. Es ist sehr natürlich, daß im Anfang zuweilen einer eine Anstellung erhielt, auf seine Versicherung, daß er alles könne, etwa außer Spanisch, und bald wieder entlassen werden mußte, weil ihm Alles spanisch war. Doch hat sich dieß im Ganzen in der kurzen Zeit außerordentlich geändert - es hat sich seit 1833 in Griechenland ein verhältnißmäßig großer Reichthum von Kenntnissen und Geschick gesammelt und entwickelt. (Beschluß folgt.) Die russische Expedition nach Chiwa. (Beschluß.) Die ersten directen und politischen Verbindungen zwischen dem moskowitischen und chiwa'schen Staate reichen bis in die Zeiten der ersten Romanows hinauf. Damals ging die Initiative von Chiwa aus, und es erschien am Hofe des Alexis Michailowitsch ein Abgesandter, der den "weißen Czaaren" - so nennen die Chiwaer und überhaupt alle Bewohner Dschagatai's den Kaiser von Rußland - einlud, eine Festung am kaspischen Meer zu bauen, zum Schutz des gemeinsamen russisch-chiwa'schen Handels gegen die räuberischen Stämme der Wüste. Damals konnte der Sache noch keine Folge gegeben werden. Erst der Nachfolger des Alexis, der große Geist, der Rußlands ganze Gegenwart und Zukunft mit scharfem und weit dringendem Auge überblickte, und der im Innern und nach Außen nach allen Richtungen hin die Bahnen brach, die Wege bezeichnete, auf denen Rußland seitdem immer weiter und weiter schritt, Peter der Große, begriff erst die ganze Wichtigkeit von Chiwa und die ganze Ersprießlichkeit und Nothwendigkeit einer Ausdehnung der russischen Macht nach Indien hin. Freilich ging er mit seinen kühnen und großartigen Planen zu weit, freilich mißglückten in dieser Gegend seine Unternehmungen so völlig, wie sonst nirgends. Nichtsdestoweniger ist seine Expedition gegen Chiwa die einzige Vorgängerin des Kriegszugs unserer Tage - denn nach Peters Mißgeschick versuchte sich hier kein russischer Kaiser wieder. Insbesondere ist die Instruction, welche der Kaiser seinem dahin gesandten Kriegsmann mitgab, zu interessant, um sie hier nicht etwas umständlicher zu erwähnen. Schon in den Jahren 1714 und 1715 hatte Peter der Große Schiffsexpeditionen an die östliche Küste des kaspischen Meeres geschickt, um dieselbe erforschen und mathematisch genau aufnehmen zu lassen. Im Jahr 1716 rüstete er den in seinen Diensten stehenden russificirten tscherkessischen Fürsten Alexander Bekewitsch (eigentlich hieß er Dewlet-Gerei) aus, um das Land Chiwa am Oxusstrom auszukundschaften und, wenn es anginge, es für Rußland zu besetzen. Er sollte zu dem Ende zunächst an der Ostküste des kaspischen Meeres an geeigneten Orten Festungen erbauen. Alsdann sollte er auf Chiwa marschiren, diese Stadt einnehmen, sie auf europäische Weise befestigen, den Fürsten des Landes in dem Gehorsam und der Unterwürfigkeit gegen Rußland erhalten und ihm eine russische Leibwache gegen seine widerspänstigen Unterthanen anbieten. Ebenso sollte er sich nach den Verhältnissen des Chans von Bochara erkundigen, und ihm ebenfalls russische Unterthanenschaft antragen. Alsdann sollte er einen zuverlässigen Mann den Oxus hinauffahren lassen, und ihn von dort weiter nach Indien schicken, ihm auch ein Schreiben an den indischen Großmogul mitgeben, und ihm den Auftrag geben, alle Wege genau auszukundschaften, das Geschaute umständlich zu verzeichnen und auf einem andern Wege aus Indien zurückzukehren. Selbst wenn wir von dem allzu naiven Zusatz zu der Instruction absehen, daß Bekewitsch auch den Fluß Amu aus dem Aralsee in das kaspische Meer zurückleiten sollte, so mochte doch schon in dem Obigen dem Fürsten mehr zu thun aufgegeben seyn, als selbst jetzt, nach hundert Jahren, dem ganz anders ausgerüsteten General Perowsky gelingen möchte. Bekewitsch bekam zur Ausführung aller seiner Aufträge nur 5000 Mann Russen, Kosaken, Tataren mit, und auch eine Partie deutscher Kriegsgefangener, die man dem König von Schweden abgenommen hatte, und aus denen Bekewitsch eine Schwadron Dragoner bildete. Er legte drei Forts an verschiedenen Punkten der Ostküste des kaspischen Meeres an und rückte dann im Julius 1717 durch die Truchmenensteppe auf Chiwa los. Er kam bis 15 Meilen von der Stadt; hier ließ er sich durch Einstellung der Feindseligkeiten von Seite der Chiwaer und durch freundschaftliche Botschaften derselben zu dem Glauben verleiten, daß sie sich gutwillig in seine Wünsche fügen wollten, vertheilte seine Soldaten in verschiedenen Quartieren und begab sich selbst mit wenigen hundert Mann zu den Anführern der Feinde, um mit ihnen das Weitere zu besprechen. Da wurden natürlich sowohl er als seine sämmtlichen Mannschaften, auch die Schwadron Sachsen und Schlesier unter Anführung ihres Obristen, Hrn. v. Frankenberg, niedergemacht oder gefangen genommen und in die Sklaverei abgeführt. Die Besatzung der drei von Bekewitsch angelegten Forts floh übers kaspische Meer nach Rußland zurück, und die Forts selbst wurden seitdem in unsern geographischen Handbüchern hie und da als Ruinen erwähnt. Diese unglückliche Expedition war die einzige, die wir mit der heute stattfindenden vergleichen können, denn einige Streifzüge der uralischen Kosaken in die Länder am Aralsee waren Privatunternehmungen dieser Kosaken, und galten wohl mehr den Aralern, Konratern, Truchmenen oder Kirgisen, als dem Staat von Chiwa. Vom Jahr 1717 bis zum Jahr 1839 hat man die Chane von Chiwa in vollkommener Ruhe gelassen, und Mohammed-Emin-Inakh folgte auf Ichmed-Bidernach Evez-Inakh, auf ihn sein Sohn Mohammed-Rahim, und endlich dessen Sohn Rachman-Kuli-Chan, oder, wie Hr. Murawieff ihn nennt, Roman-Kuli-Chan, der jetzt bedrohte Souverän der Länder des Ostens. Sie hatten bloß mit ihren usbekischen Unterthanen, mit den benachbarten Nomaden, den Kirgisen und Truchmenen, die bald ihnen Tribut auflegten, bald von ihnen selbst besiegt wurden, und endlich mit den Persern zu thun, in deren Land sie von Zeit zu Zeit, dem uralten, von Ritter so schön dargestellten Hasse zwischen Turan und Iran gemäß, räuberische Einfälle machten. Gegen Rußland verhielten sie sich so ziemlich eben so ruhig, wie Rußland gegen sie. Sie ließen den indischen Transitohandel, obgleich nicht ohne Beschränkungen und mancherlei Hemmnisse, nach den Wolga-Gegenden durch ihr Land gehen, und selbst die russischen Gefangenen, welche sich allmählich bei ihnen ansammelten, fingen sie nicht selber ein, sondern kauften sie von den Kirgisen und Truchmenen, welche dieselben den Russen abnahmen. Unter so bewandten Umständen vermehrten sich indeß die Beziehungen und Verbindungen Rußlands nicht nur mit Chiwa, sondern überhaupt mit dem ganzen Dschagatai während des bezeichneten Zeitraums auf eine außerordentliche Weise. Die Russen verkennenden Direction es nicht bis zu den Vorderbeinen bringen konnte, so daß der arme Mann gezwungen war, sich an die Gesellschaft zur menschlichen Behandlung der Thiere zu wenden, die sich aber unter dem Vorwand, daß sie es nur mit vollständigen Kamelen zu thun habe, aus der Affaire zog. So geht's. Wer zum Reisekoffer geboren ist, bringt's nie zum Mantelsack. Es ist sehr natürlich, daß im Anfang zuweilen einer eine Anstellung erhielt, auf seine Versicherung, daß er alles könne, etwa außer Spanisch, und bald wieder entlassen werden mußte, weil ihm Alles spanisch war. Doch hat sich dieß im Ganzen in der kurzen Zeit außerordentlich geändert – es hat sich seit 1833 in Griechenland ein verhältnißmäßig großer Reichthum von Kenntnissen und Geschick gesammelt und entwickelt. (Beschluß folgt.) Die russische Expedition nach Chiwa. (Beschluß.) Die ersten directen und politischen Verbindungen zwischen dem moskowitischen und chiwa'schen Staate reichen bis in die Zeiten der ersten Romanows hinauf. Damals ging die Initiative von Chiwa aus, und es erschien am Hofe des Alexis Michailowitsch ein Abgesandter, der den „weißen Czaaren“ – so nennen die Chiwaer und überhaupt alle Bewohner Dschagatai's den Kaiser von Rußland – einlud, eine Festung am kaspischen Meer zu bauen, zum Schutz des gemeinsamen russisch-chiwa'schen Handels gegen die räuberischen Stämme der Wüste. Damals konnte der Sache noch keine Folge gegeben werden. Erst der Nachfolger des Alexis, der große Geist, der Rußlands ganze Gegenwart und Zukunft mit scharfem und weit dringendem Auge überblickte, und der im Innern und nach Außen nach allen Richtungen hin die Bahnen brach, die Wege bezeichnete, auf denen Rußland seitdem immer weiter und weiter schritt, Peter der Große, begriff erst die ganze Wichtigkeit von Chiwa und die ganze Ersprießlichkeit und Nothwendigkeit einer Ausdehnung der russischen Macht nach Indien hin. Freilich ging er mit seinen kühnen und großartigen Planen zu weit, freilich mißglückten in dieser Gegend seine Unternehmungen so völlig, wie sonst nirgends. Nichtsdestoweniger ist seine Expedition gegen Chiwa die einzige Vorgängerin des Kriegszugs unserer Tage – denn nach Peters Mißgeschick versuchte sich hier kein russischer Kaiser wieder. Insbesondere ist die Instruction, welche der Kaiser seinem dahin gesandten Kriegsmann mitgab, zu interessant, um sie hier nicht etwas umständlicher zu erwähnen. Schon in den Jahren 1714 und 1715 hatte Peter der Große Schiffsexpeditionen an die östliche Küste des kaspischen Meeres geschickt, um dieselbe erforschen und mathematisch genau aufnehmen zu lassen. Im Jahr 1716 rüstete er den in seinen Diensten stehenden russificirten tscherkessischen Fürsten Alexander Bekewitsch (eigentlich hieß er Dewlet-Gerei) aus, um das Land Chiwa am Oxusstrom auszukundschaften und, wenn es anginge, es für Rußland zu besetzen. Er sollte zu dem Ende zunächst an der Ostküste des kaspischen Meeres an geeigneten Orten Festungen erbauen. Alsdann sollte er auf Chiwa marschiren, diese Stadt einnehmen, sie auf europäische Weise befestigen, den Fürsten des Landes in dem Gehorsam und der Unterwürfigkeit gegen Rußland erhalten und ihm eine russische Leibwache gegen seine widerspänstigen Unterthanen anbieten. Ebenso sollte er sich nach den Verhältnissen des Chans von Bochara erkundigen, und ihm ebenfalls russische Unterthanenschaft antragen. Alsdann sollte er einen zuverlässigen Mann den Oxus hinauffahren lassen, und ihn von dort weiter nach Indien schicken, ihm auch ein Schreiben an den indischen Großmogul mitgeben, und ihm den Auftrag geben, alle Wege genau auszukundschaften, das Geschaute umständlich zu verzeichnen und auf einem andern Wege aus Indien zurückzukehren. Selbst wenn wir von dem allzu naiven Zusatz zu der Instruction absehen, daß Bekewitsch auch den Fluß Amu aus dem Aralsee in das kaspische Meer zurückleiten sollte, so mochte doch schon in dem Obigen dem Fürsten mehr zu thun aufgegeben seyn, als selbst jetzt, nach hundert Jahren, dem ganz anders ausgerüsteten General Perowsky gelingen möchte. Bekewitsch bekam zur Ausführung aller seiner Aufträge nur 5000 Mann Russen, Kosaken, Tataren mit, und auch eine Partie deutscher Kriegsgefangener, die man dem König von Schweden abgenommen hatte, und aus denen Bekewitsch eine Schwadron Dragoner bildete. Er legte drei Forts an verschiedenen Punkten der Ostküste des kaspischen Meeres an und rückte dann im Julius 1717 durch die Truchmenensteppe auf Chiwa los. Er kam bis 15 Meilen von der Stadt; hier ließ er sich durch Einstellung der Feindseligkeiten von Seite der Chiwaer und durch freundschaftliche Botschaften derselben zu dem Glauben verleiten, daß sie sich gutwillig in seine Wünsche fügen wollten, vertheilte seine Soldaten in verschiedenen Quartieren und begab sich selbst mit wenigen hundert Mann zu den Anführern der Feinde, um mit ihnen das Weitere zu besprechen. Da wurden natürlich sowohl er als seine sämmtlichen Mannschaften, auch die Schwadron Sachsen und Schlesier unter Anführung ihres Obristen, Hrn. v. Frankenberg, niedergemacht oder gefangen genommen und in die Sklaverei abgeführt. Die Besatzung der drei von Bekewitsch angelegten Forts floh übers kaspische Meer nach Rußland zurück, und die Forts selbst wurden seitdem in unsern geographischen Handbüchern hie und da als Ruinen erwähnt. Diese unglückliche Expedition war die einzige, die wir mit der heute stattfindenden vergleichen können, denn einige Streifzüge der uralischen Kosaken in die Länder am Aralsee waren Privatunternehmungen dieser Kosaken, und galten wohl mehr den Aralern, Konratern, Truchmenen oder Kirgisen, als dem Staat von Chiwa. Vom Jahr 1717 bis zum Jahr 1839 hat man die Chane von Chiwa in vollkommener Ruhe gelassen, und Mohammed-Emin-Inakh folgte auf Ichmed-Bidernach Evez-Inakh, auf ihn sein Sohn Mohammed-Rahim, und endlich dessen Sohn Rachman-Kuli-Chan, oder, wie Hr. Murawieff ihn nennt, Roman-Kuli-Chan, der jetzt bedrohte Souverän der Länder des Ostens. Sie hatten bloß mit ihren usbekischen Unterthanen, mit den benachbarten Nomaden, den Kirgisen und Truchmenen, die bald ihnen Tribut auflegten, bald von ihnen selbst besiegt wurden, und endlich mit den Persern zu thun, in deren Land sie von Zeit zu Zeit, dem uralten, von Ritter so schön dargestellten Hasse zwischen Turan und Iran gemäß, räuberische Einfälle machten. Gegen Rußland verhielten sie sich so ziemlich eben so ruhig, wie Rußland gegen sie. Sie ließen den indischen Transitohandel, obgleich nicht ohne Beschränkungen und mancherlei Hemmnisse, nach den Wolga-Gegenden durch ihr Land gehen, und selbst die russischen Gefangenen, welche sich allmählich bei ihnen ansammelten, fingen sie nicht selber ein, sondern kauften sie von den Kirgisen und Truchmenen, welche dieselben den Russen abnahmen. 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Erst der Nachfolger des Alexis, der große Geist, der Rußlands ganze Gegenwart und Zukunft mit scharfem und weit dringendem Auge überblickte, und der im Innern und nach Außen nach allen Richtungen hin die Bahnen brach, die Wege bezeichnete, auf denen Rußland seitdem immer weiter und weiter schritt, Peter der Große, begriff erst die ganze Wichtigkeit von Chiwa und die ganze Ersprießlichkeit und Nothwendigkeit einer Ausdehnung der russischen Macht nach Indien hin. Freilich ging er mit seinen kühnen und großartigen Planen zu weit, freilich mißglückten in dieser Gegend seine Unternehmungen so völlig, wie sonst nirgends. Nichtsdestoweniger ist seine Expedition gegen Chiwa die einzige Vorgängerin des Kriegszugs unserer Tage – denn nach Peters Mißgeschick versuchte sich hier kein russischer Kaiser wieder. Insbesondere ist die Instruction, welche der Kaiser seinem dahin gesandten Kriegsmann mitgab, zu interessant, um sie hier nicht etwas umständlicher zu erwähnen.</p><lb/> <p>Schon in den Jahren 1714 und 1715 hatte Peter der Große Schiffsexpeditionen an die östliche Küste des kaspischen Meeres geschickt, um dieselbe erforschen und mathematisch genau aufnehmen zu lassen. Im Jahr 1716 rüstete er den in seinen Diensten stehenden russificirten tscherkessischen Fürsten Alexander Bekewitsch (eigentlich hieß er Dewlet-Gerei) aus, um das Land Chiwa am Oxusstrom auszukundschaften und, wenn es anginge, es für Rußland zu besetzen. Er sollte zu dem Ende zunächst an der Ostküste des kaspischen Meeres an geeigneten Orten Festungen erbauen. Alsdann sollte er auf Chiwa marschiren, diese Stadt einnehmen, sie auf europäische Weise befestigen, den Fürsten des Landes in dem Gehorsam und der Unterwürfigkeit gegen Rußland erhalten und ihm eine russische Leibwache gegen seine widerspänstigen Unterthanen anbieten. Ebenso sollte er sich nach den Verhältnissen des Chans von Bochara erkundigen, und ihm ebenfalls russische Unterthanenschaft antragen. Alsdann sollte er einen zuverlässigen Mann den Oxus hinauffahren lassen, und ihn von dort weiter nach Indien schicken, ihm auch ein Schreiben an den indischen Großmogul mitgeben, und ihm den Auftrag geben, alle Wege genau auszukundschaften, das Geschaute umständlich zu verzeichnen und auf einem andern Wege aus Indien zurückzukehren. Selbst wenn wir von dem allzu naiven Zusatz zu der Instruction absehen, daß Bekewitsch auch den Fluß Amu aus dem Aralsee in das kaspische Meer zurückleiten sollte, so mochte doch schon in dem Obigen dem Fürsten mehr zu thun aufgegeben seyn, als selbst jetzt, nach hundert Jahren, dem ganz anders ausgerüsteten General Perowsky gelingen möchte.</p><lb/> <p>Bekewitsch bekam zur Ausführung aller seiner Aufträge nur 5000 Mann Russen, Kosaken, Tataren mit, und auch eine Partie deutscher Kriegsgefangener, die man dem König von Schweden abgenommen hatte, und aus denen Bekewitsch eine Schwadron Dragoner bildete. Er legte drei Forts an verschiedenen Punkten der Ostküste des kaspischen Meeres an und rückte dann im Julius 1717 durch die Truchmenensteppe auf Chiwa los. Er kam bis 15 Meilen von der Stadt; hier ließ er sich durch Einstellung der Feindseligkeiten von Seite der Chiwaer und durch freundschaftliche Botschaften derselben zu dem Glauben verleiten, daß sie sich gutwillig in seine Wünsche fügen wollten, vertheilte seine Soldaten in verschiedenen Quartieren und begab sich selbst mit wenigen hundert Mann zu den Anführern der Feinde, um mit ihnen das Weitere zu besprechen. Da wurden natürlich sowohl er als seine sämmtlichen Mannschaften, auch die Schwadron Sachsen und Schlesier unter Anführung ihres Obristen, Hrn. v. Frankenberg, niedergemacht oder gefangen genommen und in die Sklaverei abgeführt. 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(Beschluß folgt.)
Die russische Expedition nach Chiwa.
(Beschluß.)
Die ersten directen und politischen Verbindungen zwischen dem moskowitischen und chiwa'schen Staate reichen bis in die Zeiten der ersten Romanows hinauf. Damals ging die Initiative von Chiwa aus, und es erschien am Hofe des Alexis Michailowitsch ein Abgesandter, der den „weißen Czaaren“ – so nennen die Chiwaer und überhaupt alle Bewohner Dschagatai's den Kaiser von Rußland – einlud, eine Festung am kaspischen Meer zu bauen, zum Schutz des gemeinsamen russisch-chiwa'schen Handels gegen die räuberischen Stämme der Wüste. Damals konnte der Sache noch keine Folge gegeben werden. Erst der Nachfolger des Alexis, der große Geist, der Rußlands ganze Gegenwart und Zukunft mit scharfem und weit dringendem Auge überblickte, und der im Innern und nach Außen nach allen Richtungen hin die Bahnen brach, die Wege bezeichnete, auf denen Rußland seitdem immer weiter und weiter schritt, Peter der Große, begriff erst die ganze Wichtigkeit von Chiwa und die ganze Ersprießlichkeit und Nothwendigkeit einer Ausdehnung der russischen Macht nach Indien hin. Freilich ging er mit seinen kühnen und großartigen Planen zu weit, freilich mißglückten in dieser Gegend seine Unternehmungen so völlig, wie sonst nirgends. Nichtsdestoweniger ist seine Expedition gegen Chiwa die einzige Vorgängerin des Kriegszugs unserer Tage – denn nach Peters Mißgeschick versuchte sich hier kein russischer Kaiser wieder. Insbesondere ist die Instruction, welche der Kaiser seinem dahin gesandten Kriegsmann mitgab, zu interessant, um sie hier nicht etwas umständlicher zu erwähnen.
Schon in den Jahren 1714 und 1715 hatte Peter der Große Schiffsexpeditionen an die östliche Küste des kaspischen Meeres geschickt, um dieselbe erforschen und mathematisch genau aufnehmen zu lassen. Im Jahr 1716 rüstete er den in seinen Diensten stehenden russificirten tscherkessischen Fürsten Alexander Bekewitsch (eigentlich hieß er Dewlet-Gerei) aus, um das Land Chiwa am Oxusstrom auszukundschaften und, wenn es anginge, es für Rußland zu besetzen. Er sollte zu dem Ende zunächst an der Ostküste des kaspischen Meeres an geeigneten Orten Festungen erbauen. Alsdann sollte er auf Chiwa marschiren, diese Stadt einnehmen, sie auf europäische Weise befestigen, den Fürsten des Landes in dem Gehorsam und der Unterwürfigkeit gegen Rußland erhalten und ihm eine russische Leibwache gegen seine widerspänstigen Unterthanen anbieten. Ebenso sollte er sich nach den Verhältnissen des Chans von Bochara erkundigen, und ihm ebenfalls russische Unterthanenschaft antragen. Alsdann sollte er einen zuverlässigen Mann den Oxus hinauffahren lassen, und ihn von dort weiter nach Indien schicken, ihm auch ein Schreiben an den indischen Großmogul mitgeben, und ihm den Auftrag geben, alle Wege genau auszukundschaften, das Geschaute umständlich zu verzeichnen und auf einem andern Wege aus Indien zurückzukehren. Selbst wenn wir von dem allzu naiven Zusatz zu der Instruction absehen, daß Bekewitsch auch den Fluß Amu aus dem Aralsee in das kaspische Meer zurückleiten sollte, so mochte doch schon in dem Obigen dem Fürsten mehr zu thun aufgegeben seyn, als selbst jetzt, nach hundert Jahren, dem ganz anders ausgerüsteten General Perowsky gelingen möchte.
Bekewitsch bekam zur Ausführung aller seiner Aufträge nur 5000 Mann Russen, Kosaken, Tataren mit, und auch eine Partie deutscher Kriegsgefangener, die man dem König von Schweden abgenommen hatte, und aus denen Bekewitsch eine Schwadron Dragoner bildete. Er legte drei Forts an verschiedenen Punkten der Ostküste des kaspischen Meeres an und rückte dann im Julius 1717 durch die Truchmenensteppe auf Chiwa los. Er kam bis 15 Meilen von der Stadt; hier ließ er sich durch Einstellung der Feindseligkeiten von Seite der Chiwaer und durch freundschaftliche Botschaften derselben zu dem Glauben verleiten, daß sie sich gutwillig in seine Wünsche fügen wollten, vertheilte seine Soldaten in verschiedenen Quartieren und begab sich selbst mit wenigen hundert Mann zu den Anführern der Feinde, um mit ihnen das Weitere zu besprechen. Da wurden natürlich sowohl er als seine sämmtlichen Mannschaften, auch die Schwadron Sachsen und Schlesier unter Anführung ihres Obristen, Hrn. v. Frankenberg, niedergemacht oder gefangen genommen und in die Sklaverei abgeführt. Die Besatzung der drei von Bekewitsch angelegten Forts floh übers kaspische Meer nach Rußland zurück, und die Forts selbst wurden seitdem in unsern geographischen Handbüchern hie und da als Ruinen erwähnt.
Diese unglückliche Expedition war die einzige, die wir mit der heute stattfindenden vergleichen können, denn einige Streifzüge der uralischen Kosaken in die Länder am Aralsee waren Privatunternehmungen dieser Kosaken, und galten wohl mehr den Aralern, Konratern, Truchmenen oder Kirgisen, als dem Staat von Chiwa.
Vom Jahr 1717 bis zum Jahr 1839 hat man die Chane von Chiwa in vollkommener Ruhe gelassen, und Mohammed-Emin-Inakh folgte auf Ichmed-Bidernach Evez-Inakh, auf ihn sein Sohn Mohammed-Rahim, und endlich dessen Sohn Rachman-Kuli-Chan, oder, wie Hr. Murawieff ihn nennt, Roman-Kuli-Chan, der jetzt bedrohte Souverän der Länder des Ostens. Sie hatten bloß mit ihren usbekischen Unterthanen, mit den benachbarten Nomaden, den Kirgisen und Truchmenen, die bald ihnen Tribut auflegten, bald von ihnen selbst besiegt wurden, und endlich mit den Persern zu thun, in deren Land sie von Zeit zu Zeit, dem uralten, von Ritter so schön dargestellten Hasse zwischen Turan und Iran gemäß, räuberische Einfälle machten. Gegen Rußland verhielten sie sich so ziemlich eben so ruhig, wie Rußland gegen sie. Sie ließen den indischen Transitohandel, obgleich nicht ohne Beschränkungen und mancherlei Hemmnisse, nach den Wolga-Gegenden durch ihr Land gehen, und selbst die russischen Gefangenen, welche sich allmählich bei ihnen ansammelten, fingen sie nicht selber ein, sondern kauften sie von den Kirgisen und Truchmenen, welche dieselben den Russen abnahmen.
Unter so bewandten Umständen vermehrten sich indeß die Beziehungen und Verbindungen Rußlands nicht nur mit Chiwa, sondern überhaupt mit dem ganzen Dschagatai während des bezeichneten Zeitraums auf eine außerordentliche Weise. Die Russen
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