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Allgemeine Zeitung. Nr. 72. Augsburg, 12. März 1840.

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der Regierung respectiren. Zwar sey die Gelegenheit verführerisch, denn die schwarzen Kugeln der Conservativen würden in der Urne gewiß auch denen der Legitimisten und der radicalen Partei begegnen und gegen das Ministerium eine Majorität der Zerstörung bilden können. Aber die Conservativen seyen viel zu gewissenhafte Männer, um eine so traurige Taktik nachzuahmen, sie wollten erst die Acte des Cabinets abwarten, ehe sie Opposition gegen dasselbe machten. Unbegreiflich nur sey es, wie die Linke, nachdem sie seit zehn Jahren gegen jedes Verlangen geheimer Fonds declamirt, nachdem sie hundertmal erklärt habe, eine ehrliche Regierung bedürfe keiner geheimen Fonds, denn diese seyen nur ein Werkzeug der Corruption, sich entschließen könne, für dieselben zu stimmen. Ob dieß Consequenz sey?

Auf eine Bemerkung der Presse, daß die Unterstützung der Legitimisten und der alten Opposition der Linken dem neuen Cabinet gesichert sey, antwortet die Gazette de France, das Organ der Legitimisten: "Die Presse ist in einem großen Irrthum. Die Royalisten der Kammer können nicht für Hrn. Thiers votiren; denn Hr. Thiers hat gegen Ludwig Philipp sich verpflichtet, die Wahlreform zurückzuweisen. Ludwig Philipp sagte zum Bureau der Kammer, welches am Tage der Unterzeichnung der letzten Ordonnanzen ein von der Kammer votirtes Gesetz ihm überbrachte: ich habe Hrn. Thiers ernannt, er wird gemäßigt seyn, und die Wahlreform zurückweisen. Diese Aeußerung, welche notorisch unter den Deputirten ist, läßt uns über das Votum der Royalisten nicht mehr in Ungewißheit. Hr. Thiers, der die Reform verwirft, ist, gleich Hrn. Odilon-Barrot, nur ein Mann der Revolution, ein Monopolist, eine Stütze der Willkür und des Despotismus, zu dessen Gründung er im Ministerium vom 11 Oct. beigetragen hat. Hr. Thiers ist gleich verderblich der Freiheit, die er durch die Septembergesetze zerstört, der Staatsgewalt, deren Principien er verletzt, und den Nationalinteressen, die er in seiner Rede über die englische Allianz geopfert hat."

Unser Algierer Correspondent und mehrere französische Journale haben von dem in Algier umlaufenden Gerücht Erwähnung gemacht, daß Abd-El-Kader seinem tapfersten General Mohammed-El-Barkani, Khalifa von Scherschel, den Kopf habe abschlagen lassen. Ein Schreiben aus Arzew vom 8 Febr. im Commerce widerlegt dieses Gerücht, und versichert, El-Barkani operire in diesem Augenblick gegen die Provinz Constantine, wo Abd-El-Kader ihn beauftragt habe, Truppen zusammenzuziehen.

Es schien sich anfangs gegen den Hrn. Thiers eine gewaltige Opposition in den Centren erheben und ihn um die Majorität bringen zu wollen; aber das Journal des Debats hat ein wenig umgesattelt, es erklärt, es wolle abwarten, sehen, man müsse den Baum erst an seinen Früchten erkennen u. s. w., mit andern Worten, es räth, ihm die Fonds secrets zu ertheilen. Wie er aber die Fonds secrets hat, sagen seine Gegner, so wird so schnell wie möglich das Budget erzielen, dann im Sommer die Kammer auflösen und eine neue bilden, die ihm gleichgesinnter sey, und in welcher sich gegen seine Persönlichkeit keine solchen Antipathien kund geben. Kurz, man schreibt ihm Willen zu. Der Constitutionnel, Temps, Siecle und Courrier sind ganz oder fast ganz in seinen Interessen, und die Redactoren dieser Journale gehören zu seiner intimsten Umgebung; dieses sind aber auf die Masse der Wähler höchst einflußreiche Journale. Alles das zeigt sich in der Ferne mit erweiterter Aussicht vielleicht und möchte in der Nähe zusammenschrumpfen. Factum ist, daß seine letzte Anrede in der Kammer effectlos blieb, aber die ganze Linke vollkommen einverstanden ist ihn zu stützen, ohne sich ihm einzuverleiben. Außer Thiers möchte Cousin das bewegendste und rührigste Glied seyn im ganzen Ministerium, denn Cousin hat viele Plane für den öffentlichen Unterricht, daneben einen ziemlich schonungslosen und absoluten Willen, der in Contrast kommen könnte gegen den früher im Erziehungsdepartement eingerissenen allzugroßen Schlendrian. Aber auch das mag in der Ferne mehr als Brand aussehen, als es sich in der Nähe der Wirklichkeit wie Feuer bewähren möchte. Wir wollen sehen. Daß viel, sehr viel zu thun, ist keine Frage; denn die ganze Administration gleicht einem geistlosen Mechanismus, ohne Einfluß auf die Völker, und das Repräsentativsystem hat diesem Mechanismus dazu noch seine Stätigkeit benommen, denn nichts ist flüchtiger als das Hauptpersonal der Administration, wo ein Präfect oder Unterpräfect dem andern auf die Fersen tritt. Ernst, Verstand, Charakter und Größe sind überall vonnöthen; aber um diese durchzusetzen, muß die Gesinnung von oben ausgehen und mehr seyn als ein bloß genialischer oder witziger Einfall. Zudem noch ist es unumgänglich nöthig, daß die großen Interessen der Religion und Moral vor aller Macherei gesichert bleiben und tief respectirt werden, denn Irreligiosität ist der Fluch des Landes, und das fühlen heutzutage Tausende von Bürgern, und von Religion sprechen Tausende, die sonst wenig mit religiösen Gefühlen zu schaffen hatten.

Niederlande.

Das Handelsblad meldet nun in Uebereinstimmung mit frühern Nachrichten, die wir schon vor Wochen erwähnt haben: "Wir vernehmen aus guter Quelle, daß Se. Maj., jederzeit besorgt für die Wohlfahrt höchst ihrer Unterthanen, eine Unterhandlung mit dem deutschen Zollverband zur Aufnahme des Großherzogthums Luxemburg in denselben eröffnet habe. Zu dieser für das Großherzogthum so wichtigen Nachricht können wir noch hinzufügen, daß alle Hoffnung vorhanden ist, daß ein Vertrag zu Stande kommen wird."

Am 4 März Nachmittags ist der König ans dem Haag abgereist nach Amsterdam, und am folgenden Tag sollten die Prinzen und Prinzessinnen seines Hauses folgen. Für denselben Tag ist Morgens bei dem König Audienz angesagt und Abends wird die ganze königliche Familie das Theater besuchen. Freitag ist Diner bei Hofe, Sonnabend Besuch des französischen Theaters in Amsterdam, und am Montag soll die königl. Familie wieder nach dem Haag zurückkehren. So lautet das Programm über den Besuch des Königs in Amsterdam. Daß derselbe so früh eingetreten, nahe um zwei Monate früher als gewöhnlich, hat zu manchen Commentarien Anlaß gegeben. Manche wollten wissen, der König suche sich der Gesinnungen des hohen Handelsstandes in Amsterdam zu versichern, ehe die Generalstaaten wieder zusammentreten, andere behaupteten, die Heirath mit der Gräfin d'Oultremont solle gleich nach dieser Reise stattfinden. In Amsterdam hat die Ankunft des Königs manche besondern Wünsche rege gemacht, welche diese Stadt hegt, nämlich daß die Verwaltung der Provinz Holland von Haarlem, wo sie sich jetzt befindet, nach Amsterdam, als der Hauptstadt der Provinz und des Reichs verlegt, und daß ein Provincialgerichtshof daselbst errichtet werde. Indeß verschwinden diese Einzelnheiten vor der heranrückenden Wiederversammlung der Generalstaaten, die nun bestimmt auf den 18 d. berufen sind. Die Verbalprocesse der Abtheilungen der zweiten Kammer der Generalstaaten sind nun gedruckt und vertheilt worden, und man ersieht daraus, daß abgesehen von dem Streit über die Colonial-Einnahmen, noch gar manche Fragen aufgeworfen worden, die

der Regierung respectiren. Zwar sey die Gelegenheit verführerisch, denn die schwarzen Kugeln der Conservativen würden in der Urne gewiß auch denen der Legitimisten und der radicalen Partei begegnen und gegen das Ministerium eine Majorität der Zerstörung bilden können. Aber die Conservativen seyen viel zu gewissenhafte Männer, um eine so traurige Taktik nachzuahmen, sie wollten erst die Acte des Cabinets abwarten, ehe sie Opposition gegen dasselbe machten. Unbegreiflich nur sey es, wie die Linke, nachdem sie seit zehn Jahren gegen jedes Verlangen geheimer Fonds declamirt, nachdem sie hundertmal erklärt habe, eine ehrliche Regierung bedürfe keiner geheimen Fonds, denn diese seyen nur ein Werkzeug der Corruption, sich entschließen könne, für dieselben zu stimmen. Ob dieß Consequenz sey?

Auf eine Bemerkung der Presse, daß die Unterstützung der Legitimisten und der alten Opposition der Linken dem neuen Cabinet gesichert sey, antwortet die Gazette de France, das Organ der Legitimisten: „Die Presse ist in einem großen Irrthum. Die Royalisten der Kammer können nicht für Hrn. Thiers votiren; denn Hr. Thiers hat gegen Ludwig Philipp sich verpflichtet, die Wahlreform zurückzuweisen. Ludwig Philipp sagte zum Bureau der Kammer, welches am Tage der Unterzeichnung der letzten Ordonnanzen ein von der Kammer votirtes Gesetz ihm überbrachte: ich habe Hrn. Thiers ernannt, er wird gemäßigt seyn, und die Wahlreform zurückweisen. Diese Aeußerung, welche notorisch unter den Deputirten ist, läßt uns über das Votum der Royalisten nicht mehr in Ungewißheit. Hr. Thiers, der die Reform verwirft, ist, gleich Hrn. Odilon-Barrot, nur ein Mann der Revolution, ein Monopolist, eine Stütze der Willkür und des Despotismus, zu dessen Gründung er im Ministerium vom 11 Oct. beigetragen hat. Hr. Thiers ist gleich verderblich der Freiheit, die er durch die Septembergesetze zerstört, der Staatsgewalt, deren Principien er verletzt, und den Nationalinteressen, die er in seiner Rede über die englische Allianz geopfert hat.“

Unser Algierer Correspondent und mehrere französische Journale haben von dem in Algier umlaufenden Gerücht Erwähnung gemacht, daß Abd-El-Kader seinem tapfersten General Mohammed-El-Barkani, Khalifa von Scherschel, den Kopf habe abschlagen lassen. Ein Schreiben aus Arzew vom 8 Febr. im Commerce widerlegt dieses Gerücht, und versichert, El-Barkani operire in diesem Augenblick gegen die Provinz Constantine, wo Abd-El-Kader ihn beauftragt habe, Truppen zusammenzuziehen.

Es schien sich anfangs gegen den Hrn. Thiers eine gewaltige Opposition in den Centren erheben und ihn um die Majorität bringen zu wollen; aber das Journal des Débats hat ein wenig umgesattelt, es erklärt, es wolle abwarten, sehen, man müsse den Baum erst an seinen Früchten erkennen u. s. w., mit andern Worten, es räth, ihm die Fonds secrets zu ertheilen. Wie er aber die Fonds secrets hat, sagen seine Gegner, so wird so schnell wie möglich das Budget erzielen, dann im Sommer die Kammer auflösen und eine neue bilden, die ihm gleichgesinnter sey, und in welcher sich gegen seine Persönlichkeit keine solchen Antipathien kund geben. Kurz, man schreibt ihm Willen zu. Der Constitutionnel, Temps, Siécle und Courrier sind ganz oder fast ganz in seinen Interessen, und die Redactoren dieser Journale gehören zu seiner intimsten Umgebung; dieses sind aber auf die Masse der Wähler höchst einflußreiche Journale. Alles das zeigt sich in der Ferne mit erweiterter Aussicht vielleicht und möchte in der Nähe zusammenschrumpfen. Factum ist, daß seine letzte Anrede in der Kammer effectlos blieb, aber die ganze Linke vollkommen einverstanden ist ihn zu stützen, ohne sich ihm einzuverleiben. Außer Thiers möchte Cousin das bewegendste und rührigste Glied seyn im ganzen Ministerium, denn Cousin hat viele Plane für den öffentlichen Unterricht, daneben einen ziemlich schonungslosen und absoluten Willen, der in Contrast kommen könnte gegen den früher im Erziehungsdepartement eingerissenen allzugroßen Schlendrian. Aber auch das mag in der Ferne mehr als Brand aussehen, als es sich in der Nähe der Wirklichkeit wie Feuer bewähren möchte. Wir wollen sehen. Daß viel, sehr viel zu thun, ist keine Frage; denn die ganze Administration gleicht einem geistlosen Mechanismus, ohne Einfluß auf die Völker, und das Repräsentativsystem hat diesem Mechanismus dazu noch seine Stätigkeit benommen, denn nichts ist flüchtiger als das Hauptpersonal der Administration, wo ein Präfect oder Unterpräfect dem andern auf die Fersen tritt. Ernst, Verstand, Charakter und Größe sind überall vonnöthen; aber um diese durchzusetzen, muß die Gesinnung von oben ausgehen und mehr seyn als ein bloß genialischer oder witziger Einfall. Zudem noch ist es unumgänglich nöthig, daß die großen Interessen der Religion und Moral vor aller Macherei gesichert bleiben und tief respectirt werden, denn Irreligiosität ist der Fluch des Landes, und das fühlen heutzutage Tausende von Bürgern, und von Religion sprechen Tausende, die sonst wenig mit religiösen Gefühlen zu schaffen hatten.

Niederlande.

Das Handelsblad meldet nun in Uebereinstimmung mit frühern Nachrichten, die wir schon vor Wochen erwähnt haben: „Wir vernehmen aus guter Quelle, daß Se. Maj., jederzeit besorgt für die Wohlfahrt höchst ihrer Unterthanen, eine Unterhandlung mit dem deutschen Zollverband zur Aufnahme des Großherzogthums Luxemburg in denselben eröffnet habe. Zu dieser für das Großherzogthum so wichtigen Nachricht können wir noch hinzufügen, daß alle Hoffnung vorhanden ist, daß ein Vertrag zu Stande kommen wird.“

Am 4 März Nachmittags ist der König ans dem Haag abgereist nach Amsterdam, und am folgenden Tag sollten die Prinzen und Prinzessinnen seines Hauses folgen. Für denselben Tag ist Morgens bei dem König Audienz angesagt und Abends wird die ganze königliche Familie das Theater besuchen. Freitag ist Diner bei Hofe, Sonnabend Besuch des französischen Theaters in Amsterdam, und am Montag soll die königl. Familie wieder nach dem Haag zurückkehren. So lautet das Programm über den Besuch des Königs in Amsterdam. Daß derselbe so früh eingetreten, nahe um zwei Monate früher als gewöhnlich, hat zu manchen Commentarien Anlaß gegeben. Manche wollten wissen, der König suche sich der Gesinnungen des hohen Handelsstandes in Amsterdam zu versichern, ehe die Generalstaaten wieder zusammentreten, andere behaupteten, die Heirath mit der Gräfin d'Oultremont solle gleich nach dieser Reise stattfinden. In Amsterdam hat die Ankunft des Königs manche besondern Wünsche rege gemacht, welche diese Stadt hegt, nämlich daß die Verwaltung der Provinz Holland von Haarlem, wo sie sich jetzt befindet, nach Amsterdam, als der Hauptstadt der Provinz und des Reichs verlegt, und daß ein Provincialgerichtshof daselbst errichtet werde. Indeß verschwinden diese Einzelnheiten vor der heranrückenden Wiederversammlung der Generalstaaten, die nun bestimmt auf den 18 d. berufen sind. Die Verbalprocesse der Abtheilungen der zweiten Kammer der Generalstaaten sind nun gedruckt und vertheilt worden, und man ersieht daraus, daß abgesehen von dem Streit über die Colonial-Einnahmen, noch gar manche Fragen aufgeworfen worden, die

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[0572/0004] der Regierung respectiren. Zwar sey die Gelegenheit verführerisch, denn die schwarzen Kugeln der Conservativen würden in der Urne gewiß auch denen der Legitimisten und der radicalen Partei begegnen und gegen das Ministerium eine Majorität der Zerstörung bilden können. Aber die Conservativen seyen viel zu gewissenhafte Männer, um eine so traurige Taktik nachzuahmen, sie wollten erst die Acte des Cabinets abwarten, ehe sie Opposition gegen dasselbe machten. Unbegreiflich nur sey es, wie die Linke, nachdem sie seit zehn Jahren gegen jedes Verlangen geheimer Fonds declamirt, nachdem sie hundertmal erklärt habe, eine ehrliche Regierung bedürfe keiner geheimen Fonds, denn diese seyen nur ein Werkzeug der Corruption, sich entschließen könne, für dieselben zu stimmen. Ob dieß Consequenz sey? Auf eine Bemerkung der Presse, daß die Unterstützung der Legitimisten und der alten Opposition der Linken dem neuen Cabinet gesichert sey, antwortet die Gazette de France, das Organ der Legitimisten: „Die Presse ist in einem großen Irrthum. Die Royalisten der Kammer können nicht für Hrn. Thiers votiren; denn Hr. Thiers hat gegen Ludwig Philipp sich verpflichtet, die Wahlreform zurückzuweisen. Ludwig Philipp sagte zum Bureau der Kammer, welches am Tage der Unterzeichnung der letzten Ordonnanzen ein von der Kammer votirtes Gesetz ihm überbrachte: ich habe Hrn. Thiers ernannt, er wird gemäßigt seyn, und die Wahlreform zurückweisen. Diese Aeußerung, welche notorisch unter den Deputirten ist, läßt uns über das Votum der Royalisten nicht mehr in Ungewißheit. Hr. Thiers, der die Reform verwirft, ist, gleich Hrn. Odilon-Barrot, nur ein Mann der Revolution, ein Monopolist, eine Stütze der Willkür und des Despotismus, zu dessen Gründung er im Ministerium vom 11 Oct. beigetragen hat. Hr. Thiers ist gleich verderblich der Freiheit, die er durch die Septembergesetze zerstört, der Staatsgewalt, deren Principien er verletzt, und den Nationalinteressen, die er in seiner Rede über die englische Allianz geopfert hat.“ Unser Algierer Correspondent und mehrere französische Journale haben von dem in Algier umlaufenden Gerücht Erwähnung gemacht, daß Abd-El-Kader seinem tapfersten General Mohammed-El-Barkani, Khalifa von Scherschel, den Kopf habe abschlagen lassen. Ein Schreiben aus Arzew vom 8 Febr. im Commerce widerlegt dieses Gerücht, und versichert, El-Barkani operire in diesem Augenblick gegen die Provinz Constantine, wo Abd-El-Kader ihn beauftragt habe, Truppen zusammenzuziehen. _ Paris, 6 März. Es schien sich anfangs gegen den Hrn. Thiers eine gewaltige Opposition in den Centren erheben und ihn um die Majorität bringen zu wollen; aber das Journal des Débats hat ein wenig umgesattelt, es erklärt, es wolle abwarten, sehen, man müsse den Baum erst an seinen Früchten erkennen u. s. w., mit andern Worten, es räth, ihm die Fonds secrets zu ertheilen. Wie er aber die Fonds secrets hat, sagen seine Gegner, so wird so schnell wie möglich das Budget erzielen, dann im Sommer die Kammer auflösen und eine neue bilden, die ihm gleichgesinnter sey, und in welcher sich gegen seine Persönlichkeit keine solchen Antipathien kund geben. Kurz, man schreibt ihm Willen zu. Der Constitutionnel, Temps, Siécle und Courrier sind ganz oder fast ganz in seinen Interessen, und die Redactoren dieser Journale gehören zu seiner intimsten Umgebung; dieses sind aber auf die Masse der Wähler höchst einflußreiche Journale. Alles das zeigt sich in der Ferne mit erweiterter Aussicht vielleicht und möchte in der Nähe zusammenschrumpfen. Factum ist, daß seine letzte Anrede in der Kammer effectlos blieb, aber die ganze Linke vollkommen einverstanden ist ihn zu stützen, ohne sich ihm einzuverleiben. Außer Thiers möchte Cousin das bewegendste und rührigste Glied seyn im ganzen Ministerium, denn Cousin hat viele Plane für den öffentlichen Unterricht, daneben einen ziemlich schonungslosen und absoluten Willen, der in Contrast kommen könnte gegen den früher im Erziehungsdepartement eingerissenen allzugroßen Schlendrian. Aber auch das mag in der Ferne mehr als Brand aussehen, als es sich in der Nähe der Wirklichkeit wie Feuer bewähren möchte. Wir wollen sehen. Daß viel, sehr viel zu thun, ist keine Frage; denn die ganze Administration gleicht einem geistlosen Mechanismus, ohne Einfluß auf die Völker, und das Repräsentativsystem hat diesem Mechanismus dazu noch seine Stätigkeit benommen, denn nichts ist flüchtiger als das Hauptpersonal der Administration, wo ein Präfect oder Unterpräfect dem andern auf die Fersen tritt. Ernst, Verstand, Charakter und Größe sind überall vonnöthen; aber um diese durchzusetzen, muß die Gesinnung von oben ausgehen und mehr seyn als ein bloß genialischer oder witziger Einfall. Zudem noch ist es unumgänglich nöthig, daß die großen Interessen der Religion und Moral vor aller Macherei gesichert bleiben und tief respectirt werden, denn Irreligiosität ist der Fluch des Landes, und das fühlen heutzutage Tausende von Bürgern, und von Religion sprechen Tausende, die sonst wenig mit religiösen Gefühlen zu schaffen hatten. Niederlande. _ Amsterdam, 5 März. Das Handelsblad meldet nun in Uebereinstimmung mit frühern Nachrichten, die wir schon vor Wochen erwähnt haben: „Wir vernehmen aus guter Quelle, daß Se. Maj., jederzeit besorgt für die Wohlfahrt höchst ihrer Unterthanen, eine Unterhandlung mit dem deutschen Zollverband zur Aufnahme des Großherzogthums Luxemburg in denselben eröffnet habe. Zu dieser für das Großherzogthum so wichtigen Nachricht können wir noch hinzufügen, daß alle Hoffnung vorhanden ist, daß ein Vertrag zu Stande kommen wird.“ _ Vom Niederrhein, 5 März. Am 4 März Nachmittags ist der König ans dem Haag abgereist nach Amsterdam, und am folgenden Tag sollten die Prinzen und Prinzessinnen seines Hauses folgen. Für denselben Tag ist Morgens bei dem König Audienz angesagt und Abends wird die ganze königliche Familie das Theater besuchen. Freitag ist Diner bei Hofe, Sonnabend Besuch des französischen Theaters in Amsterdam, und am Montag soll die königl. Familie wieder nach dem Haag zurückkehren. So lautet das Programm über den Besuch des Königs in Amsterdam. Daß derselbe so früh eingetreten, nahe um zwei Monate früher als gewöhnlich, hat zu manchen Commentarien Anlaß gegeben. Manche wollten wissen, der König suche sich der Gesinnungen des hohen Handelsstandes in Amsterdam zu versichern, ehe die Generalstaaten wieder zusammentreten, andere behaupteten, die Heirath mit der Gräfin d'Oultremont solle gleich nach dieser Reise stattfinden. In Amsterdam hat die Ankunft des Königs manche besondern Wünsche rege gemacht, welche diese Stadt hegt, nämlich daß die Verwaltung der Provinz Holland von Haarlem, wo sie sich jetzt befindet, nach Amsterdam, als der Hauptstadt der Provinz und des Reichs verlegt, und daß ein Provincialgerichtshof daselbst errichtet werde. Indeß verschwinden diese Einzelnheiten vor der heranrückenden Wiederversammlung der Generalstaaten, die nun bestimmt auf den 18 d. berufen sind. Die Verbalprocesse der Abtheilungen der zweiten Kammer der Generalstaaten sind nun gedruckt und vertheilt worden, und man ersieht daraus, daß abgesehen von dem Streit über die Colonial-Einnahmen, noch gar manche Fragen aufgeworfen worden, die

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 72. Augsburg, 12. März 1840, S. 0572. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_072_18400312/4>, abgerufen am 21.11.2024.