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Allgemeine Zeitung. Nr. 76. Augsburg, 16. März 1840.

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gewisse Thronreden, bemerkenswerther durch das was es verschweige, als durch das was es sage. Der Standard äußert unter Anderm: "Ohne eine Majorität, hat Hr. Thiers etwas naiv bemerkt, sey eine Repräsentativregierung unmöglich. Nach Vorausschickung dieses unbestreitlichen Axioms macht der ehrenwerthe Herr einen schlauen Versuch, einige seiner alten Freunde von der Linken zu versöhnen, indem er ihnen versichert, er werde aufreizende Fragen vermeiden, dagegen einigen moralischen und materiellen Reformen seine ernsteste Aufmerksamkeit zuwenden. Die orientalische Frage berührt Hr. Thiers nur sehr vorsichtig. Er drückt seine Zuversicht aus, daß sie den Weltfrieden nicht stören werde. Gewiß nicht, wenn Frankreich ehrlich und aufrichtig gegen seine Alliirten handelt. Hr. Thiers fügt bei, sein Ministerium werde in den Anstrengungen der vorausgegangenen fortfahren, den "kostbaren Frieden" zu wahren, jedoch "ohne die Würde und die bleibenden Interessen Frankreichs im mindesten bloßzustellen." In diesen Worten scheint etwas mehr zu liegen, als das Ohr vernimmt, besonders wenn man sich der starken Ausdrücke erinnert, die Hr. Thiers vor etwa drei Monaten über eben diesen Gegenstand brauchte. Er belehrt uns anderswo, der König und er seyen über die Hauptfragen, welche wahrscheinlich vor die Kammer kommen werden, vollkommen im Einklang. Nun sind die Ansichten Ludwig Philipps in Betreff Aegyptens wohl bekannt. So muß demnach entweder er, oder sein Minister die frühere Stellung geändert haben. Nach der Sprache des Hrn. Thiers und der bekannten Festigkeit seines königlichen Gebieters zu schließen, ist es unschwer begreiflich, wem das Verdienst der Concession zukommt. Mittlerweile scheint die allgemeine Ansicht zu seyn, daß Hr. Thiers, trotz der behutsamen und verstohlenen Manier, wie er sich der Kammer genähert hat, nicht im Stande seyn werde, seine Stellung lange genug zu behaupten, um die Unstätigkeit seiner Grundsätze zeigen zu können." - Das M. Chronicle vom 6 März schreibt: "Zum Glück oder Unglück für Hrn. Thiers hat es sich so gefügt, daß im Moment seiner Uebernahme der Regierungsgewalt eine jener parlamentarischen Motionen bevorsteht, die gewöhnlich als Vertrauensvota, als Ordalien des Festbestands eines Ministeriums für die Dauer der Session betrachtet werden. Das ist der Antrag auf die geheimen Fonds, bei welchem Hr. Thiers entweder eine Majorität erlangen, oder unter der verdeckten Opposition der Conservativen und Hofleute sinken wird. Das Debats gibt sich freilich die Miene, als finde es darin kein Vertrauensvotum. "Wir kennen das Ministerium noch nicht, sagt es; wir haben noch keine Handlungen von ihm gesehen, und können also nicht sagen, ob es zur Rechten oder Linken neigt." Aber unter diesem Mäntelchen der Unparteilichkeit bringt das Hoforgan in der neuesten Form und im giftigsten Ton alle die wohlbekannten Einwürfe gegen Staatsmänner vor, welche Versöhnung der Parteien und einen Mittelweg suchen. Die Wahrheit ist, werden die geheimen Fonds dem Cabinet Thiers verweigert, so werden sie nach aller Wahrscheinlichkeit auch dem nachfolgenden Cabinet verweigert werden; denn die 40 Stimmen der Legitimisten und der äußersten Linken sind es, die entscheiden, und diese Vierzig werden ein Geldvotum nach dem andern verwerfen, ein Ministerium um das andere stürzen. Das Debats hat daher Grund zur Besorgniß; denn wenn die beiden gemäßigteren Fractionen der Kammer einander neutralisiren und ausschließen, so geben sie den extremen Parteien das Heft in die Hände und machen eine Kammerauflösung unvermeidlich. Eine Auflösung aber im jetzigen Augenblick, wo die Wähler in den Provinzen alle - der Ausdruck ist nicht übertrieben - bis zur Entrüstung gegen den Hof aufgeregt worden sind, würde eine Deputirtenkammer, oder eine Majorität derselben, ins Daseyn rufen, welche geneigter wäre, Hrn. v. Cormenin, als Thiers, Guizot oder Mole zu folgen. Das ist die Frucht der Thorheit des vorigen Ministeriums und der Begehrlichkeit des Hofs, die es zu seinem Untergang vorwärts trieb.... Fährt aber die Hofpartei auf diesem Wege fort, und nöthigt sie dadurch Hrn. Thiers und seine Freunde, sich unwiederruflich der Linken in die Arme zu werfen, so wird eine Kammerauflösung, welche Partei sie auch beschließen mag, unumgänglich, und - jede solche Auflösung seit 1832 hat nur die Linke auf Kosten der Rechten verstärkt. Jedesmal auch wurde der Name des Königs in die Ursachen der Auflösung eingemischt in einer Weise, die dahin abzweckte, das monarchische Princip in Frankreich zu untergraben. Ludwig Philipp besitzt unter seinen Staatsmännern nicht allzu viele talentvolle, die seinen Thron vor der Erschütterung bewahren können; und wenn alle diese talentvollen, statt den Thron zu unterstützen, zur Theilnahme an den Angriffen auf ihn getrieben werden, was dann?..." Ein Artikel des ministeriellen Blattes in seiner Nummer vom 7 März führt dieses Thema noch stärker aus.

Zu den vielen vorhandenen Häkeleien gegen Frankreich hat der Courier eine neue aufgefunden: an die neuliche Anfrage Lord Lyndhursts im Oberhaus anknüpfend, behauptet er nämlich, das seit dem Julius 1838 von der neapolitanischen Regierung eingeführte Schwefelmonopol sey das Werk französischer Intrigue, welche irgend einen einflußreichen neapolitanischen Hofmann oder eine Hofdame durch einen pot-de-vin zur Erwirkung jener Maaßregel vermocht, deren Vortheil französischen Speculanten in die Tasche falle, während die brittischen Capitalisten, welche auf Ausbeutung der Schwefelgruben in Sicilien große Summen verwendet und die dortige Schwefelproduction erst in den jetzigen Flor gebracht, die bittersten Verluste dadurch erlitten haben.

Am 8 März (Sonntag) fanden in allen Kirchen Londons Dankgebete für die günstige Aenderung der Witterung statt.

Das Unterhaus hat nach einer Debatte, welche beinahe zwei ganze Abende wegnahm, den weisen Beschluß gefaßt, den Streit über sein Recht, seine Verhandlungen durch den Druck bekannt zu machen, durch ein Gesetz zu schlichten, dem natürlich alle Behörden gehorchen müssen. Die Bill, welche Lord John Russell deßwegen vorzulegen gedenkt, soll (während sie alle bis jetzt angefangenen Processe in der Stockdale'schen Sache niederschlägt) bestimmen, daß eine Bescheinigung vom Vorsitzer des Oberhauses oder dem Sprecher des untern, daß der Druck eines Documents auf seinen Befehl veranstaltet worden, eine hinlängliche Rechtfertigung gegen jeden Injurienproceß sey. Der edle Lord meint, hierin liege keine Anerkennung der Billigkeit des richterlichen Spruchs, welcher dem Hause so viele Schwierigkeit gemacht, und während es allen Unbequemlichkeiten ein Ende mache, und alle Gefahren vermeide, welche durch einen ferneren Conflict mit den Gerichten entstehen könnte, sichere es dem Haus ein unentbehrliches Recht. Auch zweifelte er nicht, daß das Oberhaus in diese eben so billige als mäßige Forderung eingehen würde; und zwar jetzt um so mehr, weil eben die Proceduren in der Sache ruhten, und die Gemüther weniger leidenschaftlich wären, als im Anfang der Session, wo gar mancher das Streben des Unterhauses mit feindseligen Augen betrachtet habe, welcher jetzt eines Besseren überzeugt sey. Uebrigens erklärte er, im Fall das Oberhaus seine Beistimmung verweigere, oder auf andere Gerechtsame des Hauses Angriffe gemacht würden, seinen Entschluß, sich der Gewalt, Widerspänstige zu verhaften, bis aufs äußerste zu bedienen,

gewisse Thronreden, bemerkenswerther durch das was es verschweige, als durch das was es sage. Der Standard äußert unter Anderm: „Ohne eine Majorität, hat Hr. Thiers etwas naiv bemerkt, sey eine Repräsentativregierung unmöglich. Nach Vorausschickung dieses unbestreitlichen Axioms macht der ehrenwerthe Herr einen schlauen Versuch, einige seiner alten Freunde von der Linken zu versöhnen, indem er ihnen versichert, er werde aufreizende Fragen vermeiden, dagegen einigen moralischen und materiellen Reformen seine ernsteste Aufmerksamkeit zuwenden. Die orientalische Frage berührt Hr. Thiers nur sehr vorsichtig. Er drückt seine Zuversicht aus, daß sie den Weltfrieden nicht stören werde. Gewiß nicht, wenn Frankreich ehrlich und aufrichtig gegen seine Alliirten handelt. Hr. Thiers fügt bei, sein Ministerium werde in den Anstrengungen der vorausgegangenen fortfahren, den „kostbaren Frieden“ zu wahren, jedoch „ohne die Würde und die bleibenden Interessen Frankreichs im mindesten bloßzustellen.“ In diesen Worten scheint etwas mehr zu liegen, als das Ohr vernimmt, besonders wenn man sich der starken Ausdrücke erinnert, die Hr. Thiers vor etwa drei Monaten über eben diesen Gegenstand brauchte. Er belehrt uns anderswo, der König und er seyen über die Hauptfragen, welche wahrscheinlich vor die Kammer kommen werden, vollkommen im Einklang. Nun sind die Ansichten Ludwig Philipps in Betreff Aegyptens wohl bekannt. So muß demnach entweder er, oder sein Minister die frühere Stellung geändert haben. Nach der Sprache des Hrn. Thiers und der bekannten Festigkeit seines königlichen Gebieters zu schließen, ist es unschwer begreiflich, wem das Verdienst der Concession zukommt. Mittlerweile scheint die allgemeine Ansicht zu seyn, daß Hr. Thiers, trotz der behutsamen und verstohlenen Manier, wie er sich der Kammer genähert hat, nicht im Stande seyn werde, seine Stellung lange genug zu behaupten, um die Unstätigkeit seiner Grundsätze zeigen zu können.“ – Das M. Chronicle vom 6 März schreibt: „Zum Glück oder Unglück für Hrn. Thiers hat es sich so gefügt, daß im Moment seiner Uebernahme der Regierungsgewalt eine jener parlamentarischen Motionen bevorsteht, die gewöhnlich als Vertrauensvota, als Ordalien des Festbestands eines Ministeriums für die Dauer der Session betrachtet werden. Das ist der Antrag auf die geheimen Fonds, bei welchem Hr. Thiers entweder eine Majorität erlangen, oder unter der verdeckten Opposition der Conservativen und Hofleute sinken wird. Das Débats gibt sich freilich die Miene, als finde es darin kein Vertrauensvotum. „Wir kennen das Ministerium noch nicht, sagt es; wir haben noch keine Handlungen von ihm gesehen, und können also nicht sagen, ob es zur Rechten oder Linken neigt.“ Aber unter diesem Mäntelchen der Unparteilichkeit bringt das Hoforgan in der neuesten Form und im giftigsten Ton alle die wohlbekannten Einwürfe gegen Staatsmänner vor, welche Versöhnung der Parteien und einen Mittelweg suchen. Die Wahrheit ist, werden die geheimen Fonds dem Cabinet Thiers verweigert, so werden sie nach aller Wahrscheinlichkeit auch dem nachfolgenden Cabinet verweigert werden; denn die 40 Stimmen der Legitimisten und der äußersten Linken sind es, die entscheiden, und diese Vierzig werden ein Geldvotum nach dem andern verwerfen, ein Ministerium um das andere stürzen. Das Débats hat daher Grund zur Besorgniß; denn wenn die beiden gemäßigteren Fractionen der Kammer einander neutralisiren und ausschließen, so geben sie den extremen Parteien das Heft in die Hände und machen eine Kammerauflösung unvermeidlich. Eine Auflösung aber im jetzigen Augenblick, wo die Wähler in den Provinzen alle – der Ausdruck ist nicht übertrieben – bis zur Entrüstung gegen den Hof aufgeregt worden sind, würde eine Deputirtenkammer, oder eine Majorität derselben, ins Daseyn rufen, welche geneigter wäre, Hrn. v. Cormenin, als Thiers, Guizot oder Molé zu folgen. Das ist die Frucht der Thorheit des vorigen Ministeriums und der Begehrlichkeit des Hofs, die es zu seinem Untergang vorwärts trieb.... Fährt aber die Hofpartei auf diesem Wege fort, und nöthigt sie dadurch Hrn. Thiers und seine Freunde, sich unwiederruflich der Linken in die Arme zu werfen, so wird eine Kammerauflösung, welche Partei sie auch beschließen mag, unumgänglich, und – jede solche Auflösung seit 1832 hat nur die Linke auf Kosten der Rechten verstärkt. Jedesmal auch wurde der Name des Königs in die Ursachen der Auflösung eingemischt in einer Weise, die dahin abzweckte, das monarchische Princip in Frankreich zu untergraben. Ludwig Philipp besitzt unter seinen Staatsmännern nicht allzu viele talentvolle, die seinen Thron vor der Erschütterung bewahren können; und wenn alle diese talentvollen, statt den Thron zu unterstützen, zur Theilnahme an den Angriffen auf ihn getrieben werden, was dann?...“ Ein Artikel des ministeriellen Blattes in seiner Nummer vom 7 März führt dieses Thema noch stärker aus.

Zu den vielen vorhandenen Häkeleien gegen Frankreich hat der Courier eine neue aufgefunden: an die neuliche Anfrage Lord Lyndhursts im Oberhaus anknüpfend, behauptet er nämlich, das seit dem Julius 1838 von der neapolitanischen Regierung eingeführte Schwefelmonopol sey das Werk französischer Intrigue, welche irgend einen einflußreichen neapolitanischen Hofmann oder eine Hofdame durch einen pot-de-vin zur Erwirkung jener Maaßregel vermocht, deren Vortheil französischen Speculanten in die Tasche falle, während die brittischen Capitalisten, welche auf Ausbeutung der Schwefelgruben in Sicilien große Summen verwendet und die dortige Schwefelproduction erst in den jetzigen Flor gebracht, die bittersten Verluste dadurch erlitten haben.

Am 8 März (Sonntag) fanden in allen Kirchen Londons Dankgebete für die günstige Aenderung der Witterung statt.

Das Unterhaus hat nach einer Debatte, welche beinahe zwei ganze Abende wegnahm, den weisen Beschluß gefaßt, den Streit über sein Recht, seine Verhandlungen durch den Druck bekannt zu machen, durch ein Gesetz zu schlichten, dem natürlich alle Behörden gehorchen müssen. Die Bill, welche Lord John Russell deßwegen vorzulegen gedenkt, soll (während sie alle bis jetzt angefangenen Processe in der Stockdale'schen Sache niederschlägt) bestimmen, daß eine Bescheinigung vom Vorsitzer des Oberhauses oder dem Sprecher des untern, daß der Druck eines Documents auf seinen Befehl veranstaltet worden, eine hinlängliche Rechtfertigung gegen jeden Injurienproceß sey. Der edle Lord meint, hierin liege keine Anerkennung der Billigkeit des richterlichen Spruchs, welcher dem Hause so viele Schwierigkeit gemacht, und während es allen Unbequemlichkeiten ein Ende mache, und alle Gefahren vermeide, welche durch einen ferneren Conflict mit den Gerichten entstehen könnte, sichere es dem Haus ein unentbehrliches Recht. Auch zweifelte er nicht, daß das Oberhaus in diese eben so billige als mäßige Forderung eingehen würde; und zwar jetzt um so mehr, weil eben die Proceduren in der Sache ruhten, und die Gemüther weniger leidenschaftlich wären, als im Anfang der Session, wo gar mancher das Streben des Unterhauses mit feindseligen Augen betrachtet habe, welcher jetzt eines Besseren überzeugt sey. Uebrigens erklärte er, im Fall das Oberhaus seine Beistimmung verweigere, oder auf andere Gerechtsame des Hauses Angriffe gemacht würden, seinen Entschluß, sich der Gewalt, Widerspänstige zu verhaften, bis aufs äußerste zu bedienen,

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Thiers fügt bei, sein Ministerium werde in den Anstrengungen der vorausgegangenen fortfahren, den &#x201E;kostbaren Frieden&#x201C; zu wahren, jedoch &#x201E;ohne die Würde und die bleibenden Interessen Frankreichs im mindesten bloßzustellen.&#x201C; In diesen Worten scheint etwas mehr zu liegen, als das Ohr vernimmt, besonders wenn man sich der starken Ausdrücke erinnert, die Hr. Thiers vor etwa drei Monaten über eben diesen Gegenstand brauchte. Er belehrt uns anderswo, der König und er seyen über die Hauptfragen, welche wahrscheinlich vor die Kammer kommen werden, vollkommen im Einklang. Nun sind die Ansichten Ludwig Philipps in Betreff Aegyptens wohl bekannt. So muß demnach entweder er, oder sein Minister die frühere Stellung geändert haben. Nach der Sprache des Hrn. Thiers und der bekannten Festigkeit seines königlichen Gebieters zu schließen, ist es unschwer begreiflich, <hi rendition="#g">wem</hi> das Verdienst der Concession zukommt. 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Das Débats gibt sich freilich die Miene, als finde es darin kein Vertrauensvotum. &#x201E;Wir kennen das Ministerium noch nicht, sagt es; wir haben noch keine Handlungen von ihm gesehen, und können also nicht sagen, ob es zur Rechten oder Linken neigt.&#x201C; Aber unter diesem Mäntelchen der Unparteilichkeit bringt das Hoforgan in der neuesten Form und im giftigsten Ton alle die wohlbekannten Einwürfe gegen Staatsmänner vor, welche Versöhnung der Parteien und einen Mittelweg suchen. Die Wahrheit ist, werden die geheimen Fonds dem Cabinet Thiers verweigert, so werden sie nach aller Wahrscheinlichkeit auch dem nachfolgenden Cabinet verweigert werden; denn die 40 Stimmen der Legitimisten und der äußersten Linken sind es, die entscheiden, und diese Vierzig werden ein Geldvotum nach dem andern verwerfen, ein Ministerium um das andere stürzen. Das Débats hat daher Grund zur Besorgniß; denn wenn die beiden gemäßigteren Fractionen der Kammer einander neutralisiren und ausschließen, so geben sie den extremen Parteien das Heft in die Hände und machen eine Kammerauflösung unvermeidlich. Eine Auflösung aber im jetzigen Augenblick, wo die Wähler in den Provinzen alle &#x2013; der Ausdruck ist nicht übertrieben &#x2013; bis zur Entrüstung gegen den Hof aufgeregt worden sind, würde eine Deputirtenkammer, oder eine Majorität derselben, ins Daseyn rufen, welche geneigter wäre, Hrn. v. Cormenin, als Thiers, Guizot oder Molé zu folgen. Das ist die Frucht der Thorheit des vorigen Ministeriums und der Begehrlichkeit des Hofs, die es zu seinem Untergang vorwärts trieb.... Fährt aber die Hofpartei auf diesem Wege fort, und nöthigt sie dadurch Hrn. Thiers und seine Freunde, sich unwiederruflich der Linken in die Arme zu werfen, so wird eine Kammerauflösung, welche Partei sie auch beschließen mag, unumgänglich, und &#x2013; jede solche Auflösung seit 1832 hat nur die Linke auf Kosten der Rechten verstärkt. Jedesmal auch wurde der Name des Königs in die Ursachen der Auflösung eingemischt in einer Weise, die dahin abzweckte, das monarchische Princip in Frankreich zu untergraben. Ludwig Philipp besitzt unter seinen Staatsmännern nicht allzu viele talentvolle, die seinen Thron vor der Erschütterung bewahren können; und wenn alle diese talentvollen, statt den Thron zu unterstützen, zur Theilnahme an den Angriffen auf ihn getrieben werden, was dann?...&#x201C; Ein Artikel des ministeriellen Blattes in seiner Nummer vom 7 März führt dieses Thema noch stärker aus.</p><lb/>
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[0602/0002] gewisse Thronreden, bemerkenswerther durch das was es verschweige, als durch das was es sage. Der Standard äußert unter Anderm: „Ohne eine Majorität, hat Hr. Thiers etwas naiv bemerkt, sey eine Repräsentativregierung unmöglich. Nach Vorausschickung dieses unbestreitlichen Axioms macht der ehrenwerthe Herr einen schlauen Versuch, einige seiner alten Freunde von der Linken zu versöhnen, indem er ihnen versichert, er werde aufreizende Fragen vermeiden, dagegen einigen moralischen und materiellen Reformen seine ernsteste Aufmerksamkeit zuwenden. Die orientalische Frage berührt Hr. Thiers nur sehr vorsichtig. Er drückt seine Zuversicht aus, daß sie den Weltfrieden nicht stören werde. Gewiß nicht, wenn Frankreich ehrlich und aufrichtig gegen seine Alliirten handelt. Hr. Thiers fügt bei, sein Ministerium werde in den Anstrengungen der vorausgegangenen fortfahren, den „kostbaren Frieden“ zu wahren, jedoch „ohne die Würde und die bleibenden Interessen Frankreichs im mindesten bloßzustellen.“ In diesen Worten scheint etwas mehr zu liegen, als das Ohr vernimmt, besonders wenn man sich der starken Ausdrücke erinnert, die Hr. Thiers vor etwa drei Monaten über eben diesen Gegenstand brauchte. Er belehrt uns anderswo, der König und er seyen über die Hauptfragen, welche wahrscheinlich vor die Kammer kommen werden, vollkommen im Einklang. Nun sind die Ansichten Ludwig Philipps in Betreff Aegyptens wohl bekannt. So muß demnach entweder er, oder sein Minister die frühere Stellung geändert haben. Nach der Sprache des Hrn. Thiers und der bekannten Festigkeit seines königlichen Gebieters zu schließen, ist es unschwer begreiflich, wem das Verdienst der Concession zukommt. Mittlerweile scheint die allgemeine Ansicht zu seyn, daß Hr. Thiers, trotz der behutsamen und verstohlenen Manier, wie er sich der Kammer genähert hat, nicht im Stande seyn werde, seine Stellung lange genug zu behaupten, um die Unstätigkeit seiner Grundsätze zeigen zu können.“ – Das M. Chronicle vom 6 März schreibt: „Zum Glück oder Unglück für Hrn. Thiers hat es sich so gefügt, daß im Moment seiner Uebernahme der Regierungsgewalt eine jener parlamentarischen Motionen bevorsteht, die gewöhnlich als Vertrauensvota, als Ordalien des Festbestands eines Ministeriums für die Dauer der Session betrachtet werden. Das ist der Antrag auf die geheimen Fonds, bei welchem Hr. Thiers entweder eine Majorität erlangen, oder unter der verdeckten Opposition der Conservativen und Hofleute sinken wird. Das Débats gibt sich freilich die Miene, als finde es darin kein Vertrauensvotum. „Wir kennen das Ministerium noch nicht, sagt es; wir haben noch keine Handlungen von ihm gesehen, und können also nicht sagen, ob es zur Rechten oder Linken neigt.“ Aber unter diesem Mäntelchen der Unparteilichkeit bringt das Hoforgan in der neuesten Form und im giftigsten Ton alle die wohlbekannten Einwürfe gegen Staatsmänner vor, welche Versöhnung der Parteien und einen Mittelweg suchen. Die Wahrheit ist, werden die geheimen Fonds dem Cabinet Thiers verweigert, so werden sie nach aller Wahrscheinlichkeit auch dem nachfolgenden Cabinet verweigert werden; denn die 40 Stimmen der Legitimisten und der äußersten Linken sind es, die entscheiden, und diese Vierzig werden ein Geldvotum nach dem andern verwerfen, ein Ministerium um das andere stürzen. Das Débats hat daher Grund zur Besorgniß; denn wenn die beiden gemäßigteren Fractionen der Kammer einander neutralisiren und ausschließen, so geben sie den extremen Parteien das Heft in die Hände und machen eine Kammerauflösung unvermeidlich. Eine Auflösung aber im jetzigen Augenblick, wo die Wähler in den Provinzen alle – der Ausdruck ist nicht übertrieben – bis zur Entrüstung gegen den Hof aufgeregt worden sind, würde eine Deputirtenkammer, oder eine Majorität derselben, ins Daseyn rufen, welche geneigter wäre, Hrn. v. Cormenin, als Thiers, Guizot oder Molé zu folgen. Das ist die Frucht der Thorheit des vorigen Ministeriums und der Begehrlichkeit des Hofs, die es zu seinem Untergang vorwärts trieb.... Fährt aber die Hofpartei auf diesem Wege fort, und nöthigt sie dadurch Hrn. Thiers und seine Freunde, sich unwiederruflich der Linken in die Arme zu werfen, so wird eine Kammerauflösung, welche Partei sie auch beschließen mag, unumgänglich, und – jede solche Auflösung seit 1832 hat nur die Linke auf Kosten der Rechten verstärkt. Jedesmal auch wurde der Name des Königs in die Ursachen der Auflösung eingemischt in einer Weise, die dahin abzweckte, das monarchische Princip in Frankreich zu untergraben. Ludwig Philipp besitzt unter seinen Staatsmännern nicht allzu viele talentvolle, die seinen Thron vor der Erschütterung bewahren können; und wenn alle diese talentvollen, statt den Thron zu unterstützen, zur Theilnahme an den Angriffen auf ihn getrieben werden, was dann?...“ Ein Artikel des ministeriellen Blattes in seiner Nummer vom 7 März führt dieses Thema noch stärker aus. Zu den vielen vorhandenen Häkeleien gegen Frankreich hat der Courier eine neue aufgefunden: an die neuliche Anfrage Lord Lyndhursts im Oberhaus anknüpfend, behauptet er nämlich, das seit dem Julius 1838 von der neapolitanischen Regierung eingeführte Schwefelmonopol sey das Werk französischer Intrigue, welche irgend einen einflußreichen neapolitanischen Hofmann oder eine Hofdame durch einen pot-de-vin zur Erwirkung jener Maaßregel vermocht, deren Vortheil französischen Speculanten in die Tasche falle, während die brittischen Capitalisten, welche auf Ausbeutung der Schwefelgruben in Sicilien große Summen verwendet und die dortige Schwefelproduction erst in den jetzigen Flor gebracht, die bittersten Verluste dadurch erlitten haben. Am 8 März (Sonntag) fanden in allen Kirchen Londons Dankgebete für die günstige Aenderung der Witterung statt. _ London, 7 März. Das Unterhaus hat nach einer Debatte, welche beinahe zwei ganze Abende wegnahm, den weisen Beschluß gefaßt, den Streit über sein Recht, seine Verhandlungen durch den Druck bekannt zu machen, durch ein Gesetz zu schlichten, dem natürlich alle Behörden gehorchen müssen. Die Bill, welche Lord John Russell deßwegen vorzulegen gedenkt, soll (während sie alle bis jetzt angefangenen Processe in der Stockdale'schen Sache niederschlägt) bestimmen, daß eine Bescheinigung vom Vorsitzer des Oberhauses oder dem Sprecher des untern, daß der Druck eines Documents auf seinen Befehl veranstaltet worden, eine hinlängliche Rechtfertigung gegen jeden Injurienproceß sey. Der edle Lord meint, hierin liege keine Anerkennung der Billigkeit des richterlichen Spruchs, welcher dem Hause so viele Schwierigkeit gemacht, und während es allen Unbequemlichkeiten ein Ende mache, und alle Gefahren vermeide, welche durch einen ferneren Conflict mit den Gerichten entstehen könnte, sichere es dem Haus ein unentbehrliches Recht. Auch zweifelte er nicht, daß das Oberhaus in diese eben so billige als mäßige Forderung eingehen würde; und zwar jetzt um so mehr, weil eben die Proceduren in der Sache ruhten, und die Gemüther weniger leidenschaftlich wären, als im Anfang der Session, wo gar mancher das Streben des Unterhauses mit feindseligen Augen betrachtet habe, welcher jetzt eines Besseren überzeugt sey. Uebrigens erklärte er, im Fall das Oberhaus seine Beistimmung verweigere, oder auf andere Gerechtsame des Hauses Angriffe gemacht würden, seinen Entschluß, sich der Gewalt, Widerspänstige zu verhaften, bis aufs äußerste zu bedienen,

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 76. Augsburg, 16. März 1840, S. 0602. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_076_18400316/2>, abgerufen am 21.11.2024.