Allgemeine Zeitung. Nr. 77. Augsburg, 17. März 1840.Reisen und Reiselitteratur. Graf Sercey in Kleinasien. Von einem Begleiter des Grafen v. Sercey ist durch die Vermittelung Hafis Pascha's ein Brief eingelaufen, aus Bajazid vom 10 Januar datirt. Das Schreiben zeigte Spuren von dem Brand, der den Palast Hafis Pascha's verzehrte, und war geschwärzt vom Rauch. Folgende Auszüge gibt davon das Journal des Debats: "Aus dem Datum meines Briefs ersehen Sie, daß wir bereits eine hübsche Strecke Weges zurückgelegt haben und nur noch einige Stunden von der persischen Gränze entfernt sind. Am 8 December kamen wir in Trapezunt an; das Wetter war sehr stürmisch und bis zum letzten Augenblick zweifelten wir, ob es möglich sey, das Gestade zu erreichen. Es gelang uns dieß am Ende nur nach großen Anstrengungen und nicht ohne einige Gefahr. Einer unserer Leute stürzte ins Meer, und wäre fast ertrunken. Acht Tage brachten wir damit zu, unsere Karawane zu organisiren, und verließen Trapezunt am 15 December. Ich will hier in keine Schilderung der Städte eingehen, die wir auf unserer Reise berührten. Hunderte haben dieß vor mir weit besser gethan; ich bemerke bloß, daß wenn man Leben, Arme oder Beine von fünfzehn unglücklichen Reisenden aufs Spiel setzen wollte, keine passendere Jahreszeit sich finden ließe, als die Monate December und Januar. Die Wege waren abscheulich, mit einer Schneedecke von zwei bis drei Fuß bedeckt; oft gähnten auf beiden Seiten furchtbare Abgründe, in welche von Zeit zu Zeit eines unserer Lastthiere stürzte. Man sagte uns aber, wir dürften wegen der Sicherheit unserer Bagage außer Sorge seyn, denn wir würden solche unversehrt wieder finden, sobald der Schnee geschmolzen. "Unsere Nachtlager hielten wir in unterirdischen Ställen, die von Ungeziefer wimmelten. Man wird im wörtlichen Sinn beinahe von ihnen gefressen, und kaum gelingt es mir, unter drei Nächten einmal zu schlafen. Das Elend der Bewohner dieses unglücklichen Landes läßt sich nicht beschreiben, und dabei sind wir noch genöthigt, sie jeden Abend fast mit Gewalt aus ihren elenden Wohnungen zu vertreiben. Seit langer Zeit entbehren wir des Brodes und leben nur von Reis, von Lammfleisch und schwindsüchtigen Hühnern. Trotz allen Entbehrungen erhält sich unser Muth so ziemlich, und wir lachen oft über unser Elend, was fast unsere einzige Beschäftigung ist. Uebrigens befinden wir uns alle ziemlich wohl, und nur einige hatten leichte Unpäßlichkeiten in Folge der Ermüdung und Kälte (der Thermometer steht seit zwanzig Tagen zwischen 15 bis 20 Graden unter dem Gefrierpunkt). Die Bedienten ertragen die Reise weniger gut, und der Zustand mehrerer von ihnen erweckt einige Besorgnisse. Dank dem Himmel aber, die Gesandtschaft hat zu ihrem Arzt einen Mann, der um einer solchen Kleinigkeit willen nicht den Muth verliert; er sah in Kairo im Jahr 1834 sechzigtausend Menschen an der Pest sterben, und öffnete in der Schule von Abu-Zabel eine Menge Pestleichen. So eben tritt er in unsere Schlafstätte mit bluttriefenden Beinen. Er hätte fast das Schicksal der Jezabel gehabt, und wäre ohne die Hülfe eines alten Türken von den zahllosen Schwärmen häßlicher Hunde, welche die Straßen aller türkischen Städte anfüllen, zerrissen worden. "Der einzige angenehme Moment unserer Reise war unser Aufenthalt in Erzerum. Wir wurden dort von Hafis Pascha mit allen möglichen Ehrenbezeugungen aufgenommen. Hafis, der die türkische Armee während der unglücklichen Schlacht bei Nisib commandirte, gilt für persönlich tapfer, ist liebenswürdig, geistreich, gebildet und würde in jedem Land für einen ausgezeichneten Mann gehalten werden. Er wird von der Bevölkerung seines Paschaliks angebetet und steht im Rufe, der freigebigste Mann zu seyn, den man finden kann. Die Mitglieder der Gesandtschaft, denen er reiche Geschenke machte, hatten alle mögliche Mühe, seiner Freigebigkeit Gränzen zu setzen, und darüber wurde Hafis beinahe böse. Er schenkte dem Grafen Sercey unter Anderm das schöne Pferd, das er in der Schlacht bei Nisib ritt, den Begleitern des Gesandten gab er gleichfalls Pferde, Säbel, goldene Dosen etc. Hafis Pascha trug nicht die mindeste Scheu, sich mit uns über die Schlacht bei Nisib zu unterhalten und gestand seine Fehler freimüthig ein. Seine Armee, sagte er, sey fast ganz aus Kindern und Recruten bestanden, und die Officiere hätten zuerst das Beispiel der Unordnung und Feigheit gegeben. "Ehe wir abreisten, schickte der Pascha einige Hundert Leute voraus, um uns einen Weg durch den Schnee zu bahnen. Einige türkische Oberofficiere begleiteten die Gesandtschaft bis an die Gränze von Persien. Man darf die Ausgaben Hafis Pascha's bei dieser Gelegenheit auf 25,000 Fr. schätzen - eine ungeheure Summe in einem Land, wo das Geld so selten ist." Deutsche Litteratur und französische Kritik. (Beschluß.) "Unter den neuesten Werken der ernsteren Gattung zeichne ich die schwedischen Geschichten unter Gustav III und Gustav IV Adolf von Arndt aus. Das ist derselbe Arndt, der zur Zeit unserer Kriege mit Deutschland sich durch seinen Haß gegen Napoleon, seine zornglühenden Schriften gegen Frankreich hervorthat. Als die Schlacht bei Jena das Schicksal Preußens unsern Waffen unterwarf, fühlte Arndt in seinem Vaterlande sich nicht mehr sicher, und floh nach Schweden, wo seine antinapoleonischen Werke ihm nur die Gunst Gustavs IV verdienen konnten. Er hielt sich einige Zeit in Stockholm auf, durchwanderte dann die verschiedenen Provinzen Schwedens und veröffentlichte einen Reisebericht, der etwas lang, etwas eintönig, im Uebrigen ziemlich reich an Thatsachen und Beobachtungen ist. *) Nach dem Sturze des Kaiserreichs kam er nach Deutschland zurück und ward als Professor an der Hochschule in Bonn angestellt." Marmier erinnert hier nicht ohne Schadenfreude daran, wie Arndt um derselben Grundsätze willen, mit deren feuriger Verkündigung er so wesentlich zu Deutschlands Erhebung gegen die Fremdherrschaft beigetragen, später politische Verdächtigungen zu erleiden gehabt habe - was wir als sehr bekannt übergehen.... Arndts neueste Schrift, will er dann gefunden haben, trage das lebhafte Gepräge seiner alten politischen Leidenschaften. Die Schilderungen der schwedischen Landes- und Volkszustände seyen sehr anziehend, aber wenn er auf die schwedische Aristokratie zu reden komme, da gähre in seinem Geist die Hefen des Demokratismus auf, und sein Wort werde zum Sarkasmus. Darüber wird nun der einundsiebenzigjährige Arndt - der bei einer denkwürdigen Gelegenheit *) Arndts Reise durch Schweden erschien schon im Jahr 1797; eine Beschreibung seiner zweiten Reise in jenes Land ist uns nicht bekannt.
Reisen und Reiselitteratur. Graf Sercey in Kleinasien. Von einem Begleiter des Grafen v. Sercey ist durch die Vermittelung Hafis Pascha's ein Brief eingelaufen, aus Bajazid vom 10 Januar datirt. Das Schreiben zeigte Spuren von dem Brand, der den Palast Hafis Pascha's verzehrte, und war geschwärzt vom Rauch. Folgende Auszüge gibt davon das Journal des Débats: „Aus dem Datum meines Briefs ersehen Sie, daß wir bereits eine hübsche Strecke Weges zurückgelegt haben und nur noch einige Stunden von der persischen Gränze entfernt sind. Am 8 December kamen wir in Trapezunt an; das Wetter war sehr stürmisch und bis zum letzten Augenblick zweifelten wir, ob es möglich sey, das Gestade zu erreichen. Es gelang uns dieß am Ende nur nach großen Anstrengungen und nicht ohne einige Gefahr. Einer unserer Leute stürzte ins Meer, und wäre fast ertrunken. Acht Tage brachten wir damit zu, unsere Karawane zu organisiren, und verließen Trapezunt am 15 December. Ich will hier in keine Schilderung der Städte eingehen, die wir auf unserer Reise berührten. Hunderte haben dieß vor mir weit besser gethan; ich bemerke bloß, daß wenn man Leben, Arme oder Beine von fünfzehn unglücklichen Reisenden aufs Spiel setzen wollte, keine passendere Jahreszeit sich finden ließe, als die Monate December und Januar. Die Wege waren abscheulich, mit einer Schneedecke von zwei bis drei Fuß bedeckt; oft gähnten auf beiden Seiten furchtbare Abgründe, in welche von Zeit zu Zeit eines unserer Lastthiere stürzte. Man sagte uns aber, wir dürften wegen der Sicherheit unserer Bagage außer Sorge seyn, denn wir würden solche unversehrt wieder finden, sobald der Schnee geschmolzen. „Unsere Nachtlager hielten wir in unterirdischen Ställen, die von Ungeziefer wimmelten. Man wird im wörtlichen Sinn beinahe von ihnen gefressen, und kaum gelingt es mir, unter drei Nächten einmal zu schlafen. Das Elend der Bewohner dieses unglücklichen Landes läßt sich nicht beschreiben, und dabei sind wir noch genöthigt, sie jeden Abend fast mit Gewalt aus ihren elenden Wohnungen zu vertreiben. Seit langer Zeit entbehren wir des Brodes und leben nur von Reis, von Lammfleisch und schwindsüchtigen Hühnern. Trotz allen Entbehrungen erhält sich unser Muth so ziemlich, und wir lachen oft über unser Elend, was fast unsere einzige Beschäftigung ist. Uebrigens befinden wir uns alle ziemlich wohl, und nur einige hatten leichte Unpäßlichkeiten in Folge der Ermüdung und Kälte (der Thermometer steht seit zwanzig Tagen zwischen 15 bis 20 Graden unter dem Gefrierpunkt). Die Bedienten ertragen die Reise weniger gut, und der Zustand mehrerer von ihnen erweckt einige Besorgnisse. Dank dem Himmel aber, die Gesandtschaft hat zu ihrem Arzt einen Mann, der um einer solchen Kleinigkeit willen nicht den Muth verliert; er sah in Kairo im Jahr 1834 sechzigtausend Menschen an der Pest sterben, und öffnete in der Schule von Abu-Zabel eine Menge Pestleichen. So eben tritt er in unsere Schlafstätte mit bluttriefenden Beinen. Er hätte fast das Schicksal der Jezabel gehabt, und wäre ohne die Hülfe eines alten Türken von den zahllosen Schwärmen häßlicher Hunde, welche die Straßen aller türkischen Städte anfüllen, zerrissen worden. „Der einzige angenehme Moment unserer Reise war unser Aufenthalt in Erzerum. Wir wurden dort von Hafis Pascha mit allen möglichen Ehrenbezeugungen aufgenommen. Hafis, der die türkische Armee während der unglücklichen Schlacht bei Nisib commandirte, gilt für persönlich tapfer, ist liebenswürdig, geistreich, gebildet und würde in jedem Land für einen ausgezeichneten Mann gehalten werden. Er wird von der Bevölkerung seines Paschaliks angebetet und steht im Rufe, der freigebigste Mann zu seyn, den man finden kann. Die Mitglieder der Gesandtschaft, denen er reiche Geschenke machte, hatten alle mögliche Mühe, seiner Freigebigkeit Gränzen zu setzen, und darüber wurde Hafis beinahe böse. Er schenkte dem Grafen Sercey unter Anderm das schöne Pferd, das er in der Schlacht bei Nisib ritt, den Begleitern des Gesandten gab er gleichfalls Pferde, Säbel, goldene Dosen etc. Hafis Pascha trug nicht die mindeste Scheu, sich mit uns über die Schlacht bei Nisib zu unterhalten und gestand seine Fehler freimüthig ein. Seine Armee, sagte er, sey fast ganz aus Kindern und Recruten bestanden, und die Officiere hätten zuerst das Beispiel der Unordnung und Feigheit gegeben. „Ehe wir abreisten, schickte der Pascha einige Hundert Leute voraus, um uns einen Weg durch den Schnee zu bahnen. Einige türkische Oberofficiere begleiteten die Gesandtschaft bis an die Gränze von Persien. Man darf die Ausgaben Hafis Pascha's bei dieser Gelegenheit auf 25,000 Fr. schätzen – eine ungeheure Summe in einem Land, wo das Geld so selten ist.“ Deutsche Litteratur und französische Kritik. (Beschluß.) „Unter den neuesten Werken der ernsteren Gattung zeichne ich die schwedischen Geschichten unter Gustav III und Gustav IV Adolf von Arndt aus. Das ist derselbe Arndt, der zur Zeit unserer Kriege mit Deutschland sich durch seinen Haß gegen Napoleon, seine zornglühenden Schriften gegen Frankreich hervorthat. Als die Schlacht bei Jena das Schicksal Preußens unsern Waffen unterwarf, fühlte Arndt in seinem Vaterlande sich nicht mehr sicher, und floh nach Schweden, wo seine antinapoleonischen Werke ihm nur die Gunst Gustavs IV verdienen konnten. Er hielt sich einige Zeit in Stockholm auf, durchwanderte dann die verschiedenen Provinzen Schwedens und veröffentlichte einen Reisebericht, der etwas lang, etwas eintönig, im Uebrigen ziemlich reich an Thatsachen und Beobachtungen ist. *) Nach dem Sturze des Kaiserreichs kam er nach Deutschland zurück und ward als Professor an der Hochschule in Bonn angestellt.“ Marmier erinnert hier nicht ohne Schadenfreude daran, wie Arndt um derselben Grundsätze willen, mit deren feuriger Verkündigung er so wesentlich zu Deutschlands Erhebung gegen die Fremdherrschaft beigetragen, später politische Verdächtigungen zu erleiden gehabt habe – was wir als sehr bekannt übergehen.... Arndts neueste Schrift, will er dann gefunden haben, trage das lebhafte Gepräge seiner alten politischen Leidenschaften. Die Schilderungen der schwedischen Landes- und Volkszustände seyen sehr anziehend, aber wenn er auf die schwedische Aristokratie zu reden komme, da gähre in seinem Geist die Hefen des Demokratismus auf, und sein Wort werde zum Sarkasmus. Darüber wird nun der einundsiebenzigjährige Arndt – der bei einer denkwürdigen Gelegenheit *) Arndts Reise durch Schweden erschien schon im Jahr 1797; eine Beschreibung seiner zweiten Reise in jenes Land ist uns nicht bekannt.
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Einer unserer Leute stürzte ins Meer, und wäre fast ertrunken. Acht Tage brachten wir damit zu, unsere Karawane zu organisiren, und verließen Trapezunt am 15 December. Ich will hier in keine Schilderung der Städte eingehen, die wir auf unserer Reise berührten. Hunderte haben dieß vor mir weit besser gethan; ich bemerke bloß, daß wenn man Leben, Arme oder Beine von fünfzehn unglücklichen Reisenden aufs Spiel setzen wollte, keine passendere Jahreszeit sich finden ließe, als die Monate December und Januar. Die Wege waren abscheulich, mit einer Schneedecke von zwei bis drei Fuß bedeckt; oft gähnten auf beiden Seiten furchtbare Abgründe, in welche von Zeit zu Zeit eines unserer Lastthiere stürzte. Man sagte uns aber, wir dürften wegen der Sicherheit unserer Bagage außer Sorge seyn, denn wir würden solche unversehrt wieder finden, sobald der Schnee geschmolzen.</p><lb/> <p>„Unsere Nachtlager hielten wir in unterirdischen Ställen, die von Ungeziefer wimmelten. Man wird im wörtlichen Sinn beinahe von ihnen gefressen, und kaum gelingt es mir, unter drei Nächten einmal zu schlafen. Das Elend der Bewohner dieses unglücklichen Landes läßt sich nicht beschreiben, und dabei sind wir noch genöthigt, sie jeden Abend fast mit Gewalt aus ihren elenden Wohnungen zu vertreiben. Seit langer Zeit entbehren wir des Brodes und leben nur von Reis, von Lammfleisch und schwindsüchtigen Hühnern. Trotz allen Entbehrungen erhält sich unser Muth so ziemlich, und wir lachen oft über unser Elend, was fast unsere einzige Beschäftigung ist. Uebrigens befinden wir uns alle ziemlich wohl, und nur einige hatten leichte Unpäßlichkeiten in Folge der Ermüdung und Kälte (der Thermometer steht seit zwanzig Tagen zwischen 15 bis 20 Graden unter dem Gefrierpunkt). Die Bedienten ertragen die Reise weniger gut, und der Zustand mehrerer von ihnen erweckt einige Besorgnisse. Dank dem Himmel aber, die Gesandtschaft hat zu ihrem Arzt einen Mann, der um einer solchen Kleinigkeit willen nicht den Muth verliert; er sah in Kairo im Jahr 1834 sechzigtausend Menschen an der Pest sterben, und öffnete in der Schule von Abu-Zabel eine Menge Pestleichen. So eben tritt er in unsere Schlafstätte mit bluttriefenden Beinen. Er hätte fast das Schicksal der Jezabel gehabt, und wäre ohne die Hülfe eines alten Türken von den zahllosen Schwärmen häßlicher Hunde, welche die Straßen aller türkischen Städte anfüllen, zerrissen worden.</p><lb/> <p>„Der einzige angenehme Moment unserer Reise war unser Aufenthalt in Erzerum. Wir wurden dort von Hafis Pascha mit allen möglichen Ehrenbezeugungen aufgenommen. Hafis, der die türkische Armee während der unglücklichen Schlacht bei Nisib commandirte, gilt für persönlich tapfer, ist liebenswürdig, geistreich, gebildet und würde in jedem Land für einen ausgezeichneten Mann gehalten werden. Er wird von der Bevölkerung seines Paschaliks angebetet und steht im Rufe, der freigebigste Mann zu seyn, den man finden kann. Die Mitglieder der Gesandtschaft, denen er reiche Geschenke machte, hatten alle mögliche Mühe, seiner Freigebigkeit Gränzen zu setzen, und darüber wurde Hafis beinahe böse. Er schenkte dem Grafen Sercey unter Anderm das schöne Pferd, das er in der Schlacht bei Nisib ritt, den Begleitern des Gesandten gab er gleichfalls Pferde, Säbel, goldene Dosen etc. Hafis Pascha trug nicht die mindeste Scheu, sich mit uns über die Schlacht bei Nisib zu unterhalten und gestand seine Fehler freimüthig ein. Seine Armee, sagte er, sey fast ganz aus Kindern und Recruten bestanden, und die Officiere hätten zuerst das Beispiel der Unordnung und Feigheit gegeben.</p><lb/> <p>„Ehe wir abreisten, schickte der Pascha einige Hundert Leute voraus, um uns einen Weg durch den Schnee zu bahnen. Einige türkische Oberofficiere begleiteten die Gesandtschaft bis an die Gränze von Persien. Man darf die Ausgaben Hafis Pascha's bei dieser Gelegenheit auf 25,000 Fr. schätzen – eine ungeheure Summe in einem Land, wo das Geld so selten ist.“</p> </div><lb/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Deutsche Litteratur und französische Kritik</hi>.</hi> </head><lb/> <p>(Beschluß.)</p><lb/> <p>„Unter den neuesten Werken der ernsteren Gattung zeichne ich die schwedischen Geschichten unter Gustav III und Gustav IV Adolf von <hi rendition="#g">Arndt</hi> aus. Das ist derselbe Arndt, der zur Zeit unserer Kriege mit Deutschland sich durch seinen Haß gegen Napoleon, seine zornglühenden Schriften gegen Frankreich hervorthat. Als die Schlacht bei Jena das Schicksal Preußens unsern Waffen unterwarf, fühlte Arndt in seinem Vaterlande sich nicht mehr sicher, und floh nach Schweden, wo seine antinapoleonischen Werke ihm nur die Gunst Gustavs IV verdienen konnten. Er hielt sich einige Zeit in Stockholm auf, durchwanderte dann die verschiedenen Provinzen Schwedens und veröffentlichte einen Reisebericht, der etwas lang, etwas eintönig, im Uebrigen ziemlich reich an Thatsachen und Beobachtungen ist. <note place="foot" n="*)">Arndts Reise durch Schweden erschien schon im Jahr 1797; eine Beschreibung seiner zweiten Reise in jenes Land ist uns nicht bekannt.</note> Nach dem Sturze des Kaiserreichs kam er nach Deutschland zurück und ward als Professor an der Hochschule in Bonn angestellt.“ Marmier erinnert hier nicht ohne Schadenfreude daran, wie Arndt um derselben Grundsätze willen, mit deren feuriger Verkündigung er so wesentlich zu Deutschlands Erhebung gegen die Fremdherrschaft beigetragen, später politische Verdächtigungen zu erleiden gehabt habe – was wir als sehr bekannt übergehen.... Arndts neueste Schrift, will er dann gefunden haben, trage das lebhafte Gepräge seiner alten politischen Leidenschaften. Die Schilderungen der schwedischen Landes- und Volkszustände seyen sehr anziehend, aber wenn er auf die schwedische Aristokratie zu reden komme, da gähre in seinem Geist die Hefen des Demokratismus auf, und sein Wort werde zum Sarkasmus. Darüber wird nun der einundsiebenzigjährige Arndt – der bei einer denkwürdigen Gelegenheit<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0609/0009]
Reisen und Reiselitteratur.
Graf Sercey in Kleinasien.
Von einem Begleiter des Grafen v. Sercey ist durch die Vermittelung Hafis Pascha's ein Brief eingelaufen, aus Bajazid vom 10 Januar datirt. Das Schreiben zeigte Spuren von dem Brand, der den Palast Hafis Pascha's verzehrte, und war geschwärzt vom Rauch. Folgende Auszüge gibt davon das Journal des Débats:
„Aus dem Datum meines Briefs ersehen Sie, daß wir bereits eine hübsche Strecke Weges zurückgelegt haben und nur noch einige Stunden von der persischen Gränze entfernt sind. Am 8 December kamen wir in Trapezunt an; das Wetter war sehr stürmisch und bis zum letzten Augenblick zweifelten wir, ob es möglich sey, das Gestade zu erreichen. Es gelang uns dieß am Ende nur nach großen Anstrengungen und nicht ohne einige Gefahr. Einer unserer Leute stürzte ins Meer, und wäre fast ertrunken. Acht Tage brachten wir damit zu, unsere Karawane zu organisiren, und verließen Trapezunt am 15 December. Ich will hier in keine Schilderung der Städte eingehen, die wir auf unserer Reise berührten. Hunderte haben dieß vor mir weit besser gethan; ich bemerke bloß, daß wenn man Leben, Arme oder Beine von fünfzehn unglücklichen Reisenden aufs Spiel setzen wollte, keine passendere Jahreszeit sich finden ließe, als die Monate December und Januar. Die Wege waren abscheulich, mit einer Schneedecke von zwei bis drei Fuß bedeckt; oft gähnten auf beiden Seiten furchtbare Abgründe, in welche von Zeit zu Zeit eines unserer Lastthiere stürzte. Man sagte uns aber, wir dürften wegen der Sicherheit unserer Bagage außer Sorge seyn, denn wir würden solche unversehrt wieder finden, sobald der Schnee geschmolzen.
„Unsere Nachtlager hielten wir in unterirdischen Ställen, die von Ungeziefer wimmelten. Man wird im wörtlichen Sinn beinahe von ihnen gefressen, und kaum gelingt es mir, unter drei Nächten einmal zu schlafen. Das Elend der Bewohner dieses unglücklichen Landes läßt sich nicht beschreiben, und dabei sind wir noch genöthigt, sie jeden Abend fast mit Gewalt aus ihren elenden Wohnungen zu vertreiben. Seit langer Zeit entbehren wir des Brodes und leben nur von Reis, von Lammfleisch und schwindsüchtigen Hühnern. Trotz allen Entbehrungen erhält sich unser Muth so ziemlich, und wir lachen oft über unser Elend, was fast unsere einzige Beschäftigung ist. Uebrigens befinden wir uns alle ziemlich wohl, und nur einige hatten leichte Unpäßlichkeiten in Folge der Ermüdung und Kälte (der Thermometer steht seit zwanzig Tagen zwischen 15 bis 20 Graden unter dem Gefrierpunkt). Die Bedienten ertragen die Reise weniger gut, und der Zustand mehrerer von ihnen erweckt einige Besorgnisse. Dank dem Himmel aber, die Gesandtschaft hat zu ihrem Arzt einen Mann, der um einer solchen Kleinigkeit willen nicht den Muth verliert; er sah in Kairo im Jahr 1834 sechzigtausend Menschen an der Pest sterben, und öffnete in der Schule von Abu-Zabel eine Menge Pestleichen. So eben tritt er in unsere Schlafstätte mit bluttriefenden Beinen. Er hätte fast das Schicksal der Jezabel gehabt, und wäre ohne die Hülfe eines alten Türken von den zahllosen Schwärmen häßlicher Hunde, welche die Straßen aller türkischen Städte anfüllen, zerrissen worden.
„Der einzige angenehme Moment unserer Reise war unser Aufenthalt in Erzerum. Wir wurden dort von Hafis Pascha mit allen möglichen Ehrenbezeugungen aufgenommen. Hafis, der die türkische Armee während der unglücklichen Schlacht bei Nisib commandirte, gilt für persönlich tapfer, ist liebenswürdig, geistreich, gebildet und würde in jedem Land für einen ausgezeichneten Mann gehalten werden. Er wird von der Bevölkerung seines Paschaliks angebetet und steht im Rufe, der freigebigste Mann zu seyn, den man finden kann. Die Mitglieder der Gesandtschaft, denen er reiche Geschenke machte, hatten alle mögliche Mühe, seiner Freigebigkeit Gränzen zu setzen, und darüber wurde Hafis beinahe böse. Er schenkte dem Grafen Sercey unter Anderm das schöne Pferd, das er in der Schlacht bei Nisib ritt, den Begleitern des Gesandten gab er gleichfalls Pferde, Säbel, goldene Dosen etc. Hafis Pascha trug nicht die mindeste Scheu, sich mit uns über die Schlacht bei Nisib zu unterhalten und gestand seine Fehler freimüthig ein. Seine Armee, sagte er, sey fast ganz aus Kindern und Recruten bestanden, und die Officiere hätten zuerst das Beispiel der Unordnung und Feigheit gegeben.
„Ehe wir abreisten, schickte der Pascha einige Hundert Leute voraus, um uns einen Weg durch den Schnee zu bahnen. Einige türkische Oberofficiere begleiteten die Gesandtschaft bis an die Gränze von Persien. Man darf die Ausgaben Hafis Pascha's bei dieser Gelegenheit auf 25,000 Fr. schätzen – eine ungeheure Summe in einem Land, wo das Geld so selten ist.“
Deutsche Litteratur und französische Kritik.
(Beschluß.)
„Unter den neuesten Werken der ernsteren Gattung zeichne ich die schwedischen Geschichten unter Gustav III und Gustav IV Adolf von Arndt aus. Das ist derselbe Arndt, der zur Zeit unserer Kriege mit Deutschland sich durch seinen Haß gegen Napoleon, seine zornglühenden Schriften gegen Frankreich hervorthat. Als die Schlacht bei Jena das Schicksal Preußens unsern Waffen unterwarf, fühlte Arndt in seinem Vaterlande sich nicht mehr sicher, und floh nach Schweden, wo seine antinapoleonischen Werke ihm nur die Gunst Gustavs IV verdienen konnten. Er hielt sich einige Zeit in Stockholm auf, durchwanderte dann die verschiedenen Provinzen Schwedens und veröffentlichte einen Reisebericht, der etwas lang, etwas eintönig, im Uebrigen ziemlich reich an Thatsachen und Beobachtungen ist. *) Nach dem Sturze des Kaiserreichs kam er nach Deutschland zurück und ward als Professor an der Hochschule in Bonn angestellt.“ Marmier erinnert hier nicht ohne Schadenfreude daran, wie Arndt um derselben Grundsätze willen, mit deren feuriger Verkündigung er so wesentlich zu Deutschlands Erhebung gegen die Fremdherrschaft beigetragen, später politische Verdächtigungen zu erleiden gehabt habe – was wir als sehr bekannt übergehen.... Arndts neueste Schrift, will er dann gefunden haben, trage das lebhafte Gepräge seiner alten politischen Leidenschaften. Die Schilderungen der schwedischen Landes- und Volkszustände seyen sehr anziehend, aber wenn er auf die schwedische Aristokratie zu reden komme, da gähre in seinem Geist die Hefen des Demokratismus auf, und sein Wort werde zum Sarkasmus. Darüber wird nun der einundsiebenzigjährige Arndt – der bei einer denkwürdigen Gelegenheit
*) Arndts Reise durch Schweden erschien schon im Jahr 1797; eine Beschreibung seiner zweiten Reise in jenes Land ist uns nicht bekannt.
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