Allgemeine Zeitung. Nr. 78. Augsburg, 18. März 1840.den Tisch kam. Den seltsamsten Contrast aber mit den Ortsverhältnissen bildete eine Bouteille Champagner, welche, von einem Montenegriner kredenzt, die brillanteste Wirkung auf uns hervorbrachte - eine Wirkung, auf welche sich die drei Montenegriner, die uns bedienten, nach ihren Mienen zu urtheilen, schon im voraus gefreut haben mochten. In das Schlafgemach zurückgekehrt, wurden wir durch einen Besuch Signor Toni's erfreut, der uns seine Dienste anbot, und noch ein halbes Stündchen mit uns verplauderte. Durch ihn erfuhren wir, daß die Wände des Billardsaales mit werthvollen Waffen verziert seyen, die theils als Siegstrophäen prangten, theils als Faustpfänder vom Vladika zurückgehalten würden. Das heurige Jahr sey nämlich für Montenegro ein sehr unfruchtbares gewesen, so daß viele Familienhäupter, durch Noth gezwungen, Frucht oder Geld bei ihrem Regenten geliehen und dagegen ihre werthvollen Waffen als Pfänder bei ihm zurückgelassen hätten. Ich erfuhr später, daß in diesem Lieblings-Apartement des Bischofs auch einige Rüstungsstücke von österreichischen Soldaten zu sehen seyen, und bin um so mehr geneigt an die Wahrhaftigkeit dieses Gerüchtes zu glauben, als man es offenbar vermied, uns in den Billardsaal zu führen. Signor Toni sprach auch von einem Cavaliere Giorgio, der im alten Kloster wohne, des Vladiken Bruder und Vicepräsident des Senates sey. Dieser junge Mann, der auch einige Jahre als Officier in russischen Diensten stand, und mehrere russische Orden trägt, soll auf die Macht seines Bruders eifersüchtig und dieser vor ihm auf der Hut seyn. Der Hofstaat des Vladiken besteht, außer den bisher genannten Personen, noch aus einigen Geistlichen, welche das alte Kloster bewohnen; aus der nicht zahlreichen Dienerschaft, theils durch Montenegriner, theils durch österreichische Deserteurs gebildet, und aus den Perianiczen, der Leibwache des Vladiken. Der Koch versicherte uns, von den Deserteurs, welche an diesem Hof ihr Glück suchten, könnten nur jene auf eine erträgliche Stellung rechnen, welche, so wie er, mehrere Handwerke gelernt hätten. Der Bischof unterhält auch eine eigene Druckerei, aus welcher jedoch bisher nur des Vladiken illyrische Dichtungen unter dem Gesammttitel "Der Einsiedler von Czetinje" und ein kleiner alljährlich erscheinender und von Cavaliere Milakovich redigirter Bauernkalender hervorgegangen ist. Viele wollen behaupten, Milakovich sey auch der Verfasser der Gedichte des Vladiken. Die Perianiczen, ungefähr 30 an der Zahl, sind auserlesen schöne Männer, ein Theil derselben versieht beständig den Dienst im Kloster und die Thüre des Vladiken ist Tag und Nacht durch zwei derselben bewacht. Nebst diesen Perianiczen besteht in Montenegro noch die sogenannte Land-Guardia, die, in den fünf Nahias oder Kreisen vertheilt, unter dem Commando der Capitans steht. Jeder Capitan ist Civil- und Militärgouverneur seiner Nahia, hat die Contributionen zu erheben, und auf Befehl des Vladika das Volk in die Waffen zu rufen. Capitan Prorokovich, der Einzige, den ich in Czetinje zu Gesichte bekam, soll durch mehrere Jahre auf einer österreichischen Festung gesessen haben, und diese Buße, zu welcher ihm wiederholte Räubereien auf österreichischen Gebiete verholfen haben sollen, scheint ihm sowohl in den Augen des Volkes, als auch in denen seines Herrschers nur einen Titel zu höherer Gunst zu verleihen. Der durch zwölf Senatoren gebildete Senat, welcher der Regierung von Montenegro eine Art constitutioneller Beschränkung zu geben scheint, legt de facto dem Willen des Vladiken keine Fesseln an, sondern dient im Gegentheil dazu, den Beschlüssen der Willkür die Form der Gesetzlichkeit zu geben. Staunt man darüber, daß es einem Einzelnen gelinge, dieß kriegerische Bergvolk in Schranken zu halten, so bedenke man, daß ihm zwei mächtige Hebel fördernd zu Gebote stehen: Geld und geistliche Würde. Die Quelle des ersteren ist bekannt, die Macht der letzteren wurzelt in der Bigotterie des Volkes. In der Nähe betrachtet, stellt sich Montenegro als eine abgerissene russische Provinz dar, der Vladika ist thatsächlich ein Statthalter oder Gouverneur. Wehe, wenn der Damm, welcher diese kleine Provinz vom Hauptlande trennt, je durchbrochen, wenn die Verbindung je hergestellt werden sollte! Oesterreichisch Albanien steht längst in magnetischer Verbindung mit jenem großen Körper, der ihm nur näher rücken dürfte, um es nach physikalischen Gesetzen an sich zu ziehen. (Beschluß folgt.) Die Handelsverhältnisse von England und Frankreich. Paris, 5 März. Die neuesten englischen Parlamentsverhandlungen bringen uns vielfachen Stoff zum Nachdenken. England hat im Jahr 1839 mehr als 100 Millionen Pfund Baumwolle weniger eingeführt als 1838; es hat 36 1/2 Millionen Pfund weniger versponnen, und an Twisten allein gegen 15 Millionen Pfund weniger ausgeführt. Dieß ist ein bedenkliches Ergebniß in einem Artikel, welcher die Hälfte aller englischen Exportationen ausmacht. Man braucht, sagen die englischen Blätter, nur das Verzeichniß unserer Ausfuhren zur Hand zu nehmen, um sich zu überzeugen, daß die Manufactur- und Handelssuprematie Englands hauptsächlich auf seiner Baumwollenindustrie beruht. Daher sein Drängen und Treiben, einen Handelsvertrag mit Frankreich abzuschließen. Man wünscht ad valorem-Zölle auf Baumwollen-, Wollen-, Steingut- und Eisenwaaren anstatt der bisherigen Prohibitionen. Würden auch diese Zölle nicht sehr niedrig, würden sie auch auf 30 bis 40 Procent gestellt, so vertraut man auf die Kunst der englischen Fabricanten, die Waaren unter dem Werth zu declariren - eine Kunst, die sich noch zu allen Zeiten und in allen Ländern erprobt hat, wo die englischen Waaren gegen ad valorem-Zölle zugelassen worden sind. Die französischen Fabricanten kennen diese Taktik, und sind daher in großer Unruhe in Betreff der obschwebenden Verhandlungen über einen Handelsvertrag. Daß man in England von den Resultaten dieser Verhandlungen so große Erwartungen hegt, dient eben nicht dazu, ihre Besorgnisse zu beschwichtigen. Neuerlich hat ihnen die Aeußerung des Hrn. Labouchere im englischen Parlament eine schöne Gelegenheit gegeben, der englischen Handelspolitik auf den Grund zu sehen. Eine derjenigen Concessionen, welche England den Franzosen machen will, um seinen Baumwollenwaaren die französischen Gränzen aufzuschließen, besteht in einer Erleichterung der Zufuhr französischer Seidenwaaren. Diese Concession witternd, erschienen die englischen Seidenmanufacturisten mit einer Eingabe vor dem Parlament, in welcher sie vorstellen, daß die englische Seidenfabrication durch jede weitere Concession, welche den französischen Seidenfabricaten gemacht würde, zu Grunde gehen müßte, worüber Hr. Labouchere bemerkte, es sey der englischen Regierung nie eingefallen, das Schutzsystem aufzugeben. Wie stimmt nun aber diese Erklärung mit der liberalen Sprache, welche die englischen Commissäre während der kürzlich in Paris gepflogenen Verhandlungen geführt haben? Wie sollen die Vertheidiger der Handelsfreiheit in Frankreich diese Erklärung mit demjenigen in Einklang bringen, was sie bisher von den liberalen Gesinnungen der den Tisch kam. Den seltsamsten Contrast aber mit den Ortsverhältnissen bildete eine Bouteille Champagner, welche, von einem Montenegriner kredenzt, die brillanteste Wirkung auf uns hervorbrachte – eine Wirkung, auf welche sich die drei Montenegriner, die uns bedienten, nach ihren Mienen zu urtheilen, schon im voraus gefreut haben mochten. In das Schlafgemach zurückgekehrt, wurden wir durch einen Besuch Signor Toni's erfreut, der uns seine Dienste anbot, und noch ein halbes Stündchen mit uns verplauderte. Durch ihn erfuhren wir, daß die Wände des Billardsaales mit werthvollen Waffen verziert seyen, die theils als Siegstrophäen prangten, theils als Faustpfänder vom Vladika zurückgehalten würden. Das heurige Jahr sey nämlich für Montenegro ein sehr unfruchtbares gewesen, so daß viele Familienhäupter, durch Noth gezwungen, Frucht oder Geld bei ihrem Regenten geliehen und dagegen ihre werthvollen Waffen als Pfänder bei ihm zurückgelassen hätten. Ich erfuhr später, daß in diesem Lieblings-Apartement des Bischofs auch einige Rüstungsstücke von österreichischen Soldaten zu sehen seyen, und bin um so mehr geneigt an die Wahrhaftigkeit dieses Gerüchtes zu glauben, als man es offenbar vermied, uns in den Billardsaal zu führen. Signor Toni sprach auch von einem Cavaliere Giorgio, der im alten Kloster wohne, des Vladiken Bruder und Vicepräsident des Senates sey. Dieser junge Mann, der auch einige Jahre als Officier in russischen Diensten stand, und mehrere russische Orden trägt, soll auf die Macht seines Bruders eifersüchtig und dieser vor ihm auf der Hut seyn. Der Hofstaat des Vladiken besteht, außer den bisher genannten Personen, noch aus einigen Geistlichen, welche das alte Kloster bewohnen; aus der nicht zahlreichen Dienerschaft, theils durch Montenegriner, theils durch österreichische Deserteurs gebildet, und aus den Perianiczen, der Leibwache des Vladiken. Der Koch versicherte uns, von den Deserteurs, welche an diesem Hof ihr Glück suchten, könnten nur jene auf eine erträgliche Stellung rechnen, welche, so wie er, mehrere Handwerke gelernt hätten. Der Bischof unterhält auch eine eigene Druckerei, aus welcher jedoch bisher nur des Vladiken illyrische Dichtungen unter dem Gesammttitel „Der Einsiedler von Czetinje“ und ein kleiner alljährlich erscheinender und von Cavaliere Milakovich redigirter Bauernkalender hervorgegangen ist. Viele wollen behaupten, Milakovich sey auch der Verfasser der Gedichte des Vladiken. Die Perianiczen, ungefähr 30 an der Zahl, sind auserlesen schöne Männer, ein Theil derselben versieht beständig den Dienst im Kloster und die Thüre des Vladiken ist Tag und Nacht durch zwei derselben bewacht. Nebst diesen Perianiczen besteht in Montenegro noch die sogenannte Land-Guardia, die, in den fünf Nahias oder Kreisen vertheilt, unter dem Commando der Capitans steht. Jeder Capitan ist Civil- und Militärgouverneur seiner Nahia, hat die Contributionen zu erheben, und auf Befehl des Vladika das Volk in die Waffen zu rufen. Capitan Prorokovich, der Einzige, den ich in Czetinje zu Gesichte bekam, soll durch mehrere Jahre auf einer österreichischen Festung gesessen haben, und diese Buße, zu welcher ihm wiederholte Räubereien auf österreichischen Gebiete verholfen haben sollen, scheint ihm sowohl in den Augen des Volkes, als auch in denen seines Herrschers nur einen Titel zu höherer Gunst zu verleihen. Der durch zwölf Senatoren gebildete Senat, welcher der Regierung von Montenegro eine Art constitutioneller Beschränkung zu geben scheint, legt de facto dem Willen des Vladiken keine Fesseln an, sondern dient im Gegentheil dazu, den Beschlüssen der Willkür die Form der Gesetzlichkeit zu geben. Staunt man darüber, daß es einem Einzelnen gelinge, dieß kriegerische Bergvolk in Schranken zu halten, so bedenke man, daß ihm zwei mächtige Hebel fördernd zu Gebote stehen: Geld und geistliche Würde. Die Quelle des ersteren ist bekannt, die Macht der letzteren wurzelt in der Bigotterie des Volkes. In der Nähe betrachtet, stellt sich Montenegro als eine abgerissene russische Provinz dar, der Vladika ist thatsächlich ein Statthalter oder Gouverneur. Wehe, wenn der Damm, welcher diese kleine Provinz vom Hauptlande trennt, je durchbrochen, wenn die Verbindung je hergestellt werden sollte! Oesterreichisch Albanien steht längst in magnetischer Verbindung mit jenem großen Körper, der ihm nur näher rücken dürfte, um es nach physikalischen Gesetzen an sich zu ziehen. (Beschluß folgt.) Die Handelsverhältnisse von England und Frankreich. Paris, 5 März. Die neuesten englischen Parlamentsverhandlungen bringen uns vielfachen Stoff zum Nachdenken. England hat im Jahr 1839 mehr als 100 Millionen Pfund Baumwolle weniger eingeführt als 1838; es hat 36 1/2 Millionen Pfund weniger versponnen, und an Twisten allein gegen 15 Millionen Pfund weniger ausgeführt. Dieß ist ein bedenkliches Ergebniß in einem Artikel, welcher die Hälfte aller englischen Exportationen ausmacht. Man braucht, sagen die englischen Blätter, nur das Verzeichniß unserer Ausfuhren zur Hand zu nehmen, um sich zu überzeugen, daß die Manufactur- und Handelssuprematie Englands hauptsächlich auf seiner Baumwollenindustrie beruht. Daher sein Drängen und Treiben, einen Handelsvertrag mit Frankreich abzuschließen. Man wünscht ad valorem-Zölle auf Baumwollen-, Wollen-, Steingut- und Eisenwaaren anstatt der bisherigen Prohibitionen. Würden auch diese Zölle nicht sehr niedrig, würden sie auch auf 30 bis 40 Procent gestellt, so vertraut man auf die Kunst der englischen Fabricanten, die Waaren unter dem Werth zu declariren – eine Kunst, die sich noch zu allen Zeiten und in allen Ländern erprobt hat, wo die englischen Waaren gegen ad valorem-Zölle zugelassen worden sind. Die französischen Fabricanten kennen diese Taktik, und sind daher in großer Unruhe in Betreff der obschwebenden Verhandlungen über einen Handelsvertrag. Daß man in England von den Resultaten dieser Verhandlungen so große Erwartungen hegt, dient eben nicht dazu, ihre Besorgnisse zu beschwichtigen. Neuerlich hat ihnen die Aeußerung des Hrn. Labouchère im englischen Parlament eine schöne Gelegenheit gegeben, der englischen Handelspolitik auf den Grund zu sehen. Eine derjenigen Concessionen, welche England den Franzosen machen will, um seinen Baumwollenwaaren die französischen Gränzen aufzuschließen, besteht in einer Erleichterung der Zufuhr französischer Seidenwaaren. Diese Concession witternd, erschienen die englischen Seidenmanufacturisten mit einer Eingabe vor dem Parlament, in welcher sie vorstellen, daß die englische Seidenfabrication durch jede weitere Concession, welche den französischen Seidenfabricaten gemacht würde, zu Grunde gehen müßte, worüber Hr. Labouchère bemerkte, es sey der englischen Regierung nie eingefallen, das Schutzsystem aufzugeben. Wie stimmt nun aber diese Erklärung mit der liberalen Sprache, welche die englischen Commissäre während der kürzlich in Paris gepflogenen Verhandlungen geführt haben? 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Das heurige Jahr sey nämlich für Montenegro ein sehr unfruchtbares gewesen, so daß viele Familienhäupter, durch Noth gezwungen, Frucht oder Geld bei ihrem Regenten geliehen und dagegen ihre werthvollen Waffen als Pfänder bei ihm zurückgelassen hätten. Ich erfuhr später, daß in diesem Lieblings-Apartement des Bischofs auch einige Rüstungsstücke von österreichischen Soldaten zu sehen seyen, und bin um so mehr geneigt an die Wahrhaftigkeit dieses Gerüchtes zu glauben, als man es offenbar vermied, uns in den Billardsaal zu führen. Signor Toni sprach auch von einem Cavaliere Giorgio, der im alten Kloster wohne, des Vladiken Bruder und Vicepräsident des Senates sey. Dieser junge Mann, der auch einige Jahre als Officier in russischen Diensten stand, und mehrere russische Orden trägt, soll auf die Macht seines Bruders eifersüchtig und dieser vor ihm auf der Hut seyn. Der Hofstaat des Vladiken besteht, außer den bisher genannten Personen, noch aus einigen Geistlichen, welche das alte Kloster bewohnen; aus der nicht zahlreichen Dienerschaft, theils durch Montenegriner, theils durch österreichische Deserteurs gebildet, und aus den Perianiczen, der Leibwache des Vladiken. Der Koch versicherte uns, von den Deserteurs, welche an diesem Hof ihr Glück suchten, könnten nur jene auf eine erträgliche Stellung rechnen, welche, so wie er, mehrere Handwerke gelernt hätten. Der Bischof unterhält auch eine eigene Druckerei, aus welcher jedoch bisher nur des Vladiken illyrische Dichtungen unter dem Gesammttitel „Der Einsiedler von Czetinje“ und ein kleiner alljährlich erscheinender und von Cavaliere Milakovich redigirter Bauernkalender hervorgegangen ist. Viele wollen behaupten, Milakovich sey auch der Verfasser der Gedichte des Vladiken. Die Perianiczen, ungefähr 30 an der Zahl, sind auserlesen schöne Männer, ein Theil derselben versieht beständig den Dienst im Kloster und die Thüre des Vladiken ist Tag und Nacht durch zwei derselben bewacht. Nebst diesen Perianiczen besteht in Montenegro noch die sogenannte Land-Guardia, die, in den fünf Nahias oder Kreisen vertheilt, unter dem Commando der Capitans steht. Jeder Capitan ist Civil- und Militärgouverneur seiner Nahia, hat die Contributionen zu erheben, und auf Befehl des Vladika das Volk in die Waffen zu rufen. Capitan Prorokovich, der Einzige, den ich in Czetinje zu Gesichte bekam, soll durch mehrere Jahre auf einer österreichischen Festung gesessen haben, und diese Buße, zu welcher ihm wiederholte Räubereien auf österreichischen Gebiete verholfen haben sollen, scheint ihm sowohl in den Augen des Volkes, als auch in denen seines Herrschers nur einen Titel zu höherer Gunst zu verleihen. Der durch zwölf Senatoren gebildete Senat, welcher der Regierung von Montenegro eine Art constitutioneller Beschränkung zu geben scheint, legt de facto dem Willen des Vladiken keine Fesseln an, sondern dient im Gegentheil dazu, den Beschlüssen der Willkür die Form der Gesetzlichkeit zu geben. Staunt man darüber, daß es einem Einzelnen gelinge, dieß kriegerische Bergvolk in Schranken zu halten, so bedenke man, daß ihm zwei mächtige Hebel fördernd zu Gebote stehen: <hi rendition="#g">Geld</hi> und <hi rendition="#g">geistliche Würde</hi>. Die Quelle des ersteren ist bekannt, die Macht der letzteren wurzelt in der Bigotterie des Volkes. In der Nähe betrachtet, stellt sich Montenegro als eine abgerissene russische Provinz dar, der Vladika ist thatsächlich ein Statthalter oder Gouverneur. Wehe, wenn der Damm, welcher diese kleine Provinz vom Hauptlande trennt, je durchbrochen, wenn die Verbindung je hergestellt werden sollte! 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Man braucht, sagen die englischen Blätter, nur das Verzeichniß unserer Ausfuhren zur Hand zu nehmen, um sich zu überzeugen, daß die Manufactur- und Handelssuprematie Englands hauptsächlich auf seiner Baumwollenindustrie beruht. Daher sein Drängen und Treiben, einen Handelsvertrag mit Frankreich abzuschließen. Man wünscht ad valorem-Zölle auf Baumwollen-, Wollen-, Steingut- und Eisenwaaren anstatt der bisherigen Prohibitionen. Würden auch diese Zölle nicht sehr niedrig, würden sie auch auf 30 bis 40 Procent gestellt, so vertraut man auf die Kunst der englischen Fabricanten, die Waaren unter dem Werth zu declariren – eine Kunst, die sich noch zu allen Zeiten und in allen Ländern erprobt hat, wo die englischen Waaren gegen ad valorem-Zölle zugelassen worden sind. Die französischen Fabricanten kennen diese Taktik, und sind daher in großer Unruhe in Betreff der obschwebenden Verhandlungen über einen Handelsvertrag. Daß man in England von den Resultaten dieser Verhandlungen so große Erwartungen hegt, dient eben nicht dazu, ihre Besorgnisse zu beschwichtigen. Neuerlich hat ihnen die Aeußerung des Hrn. Labouchère im englischen Parlament eine schöne Gelegenheit gegeben, der englischen Handelspolitik auf den Grund zu sehen.</p><lb/> <p>Eine derjenigen Concessionen, welche England den Franzosen machen will, um seinen Baumwollenwaaren die französischen Gränzen aufzuschließen, besteht in einer Erleichterung der Zufuhr französischer Seidenwaaren. Diese Concession witternd, erschienen die englischen Seidenmanufacturisten mit einer Eingabe vor dem Parlament, in welcher sie vorstellen, daß die englische Seidenfabrication durch jede weitere Concession, welche den französischen Seidenfabricaten gemacht würde, zu Grunde gehen müßte, worüber Hr. Labouchère bemerkte, <hi rendition="#g">es sey der englischen Regierung nie eingefallen</hi>, <hi rendition="#g">das Schutzsystem aufzugeben</hi>. 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den Tisch kam. Den seltsamsten Contrast aber mit den Ortsverhältnissen bildete eine Bouteille Champagner, welche, von einem Montenegriner kredenzt, die brillanteste Wirkung auf uns hervorbrachte – eine Wirkung, auf welche sich die drei Montenegriner, die uns bedienten, nach ihren Mienen zu urtheilen, schon im voraus gefreut haben mochten. In das Schlafgemach zurückgekehrt, wurden wir durch einen Besuch Signor Toni's erfreut, der uns seine Dienste anbot, und noch ein halbes Stündchen mit uns verplauderte. Durch ihn erfuhren wir, daß die Wände des Billardsaales mit werthvollen Waffen verziert seyen, die theils als Siegstrophäen prangten, theils als Faustpfänder vom Vladika zurückgehalten würden. Das heurige Jahr sey nämlich für Montenegro ein sehr unfruchtbares gewesen, so daß viele Familienhäupter, durch Noth gezwungen, Frucht oder Geld bei ihrem Regenten geliehen und dagegen ihre werthvollen Waffen als Pfänder bei ihm zurückgelassen hätten. Ich erfuhr später, daß in diesem Lieblings-Apartement des Bischofs auch einige Rüstungsstücke von österreichischen Soldaten zu sehen seyen, und bin um so mehr geneigt an die Wahrhaftigkeit dieses Gerüchtes zu glauben, als man es offenbar vermied, uns in den Billardsaal zu führen. Signor Toni sprach auch von einem Cavaliere Giorgio, der im alten Kloster wohne, des Vladiken Bruder und Vicepräsident des Senates sey. Dieser junge Mann, der auch einige Jahre als Officier in russischen Diensten stand, und mehrere russische Orden trägt, soll auf die Macht seines Bruders eifersüchtig und dieser vor ihm auf der Hut seyn. Der Hofstaat des Vladiken besteht, außer den bisher genannten Personen, noch aus einigen Geistlichen, welche das alte Kloster bewohnen; aus der nicht zahlreichen Dienerschaft, theils durch Montenegriner, theils durch österreichische Deserteurs gebildet, und aus den Perianiczen, der Leibwache des Vladiken. Der Koch versicherte uns, von den Deserteurs, welche an diesem Hof ihr Glück suchten, könnten nur jene auf eine erträgliche Stellung rechnen, welche, so wie er, mehrere Handwerke gelernt hätten. Der Bischof unterhält auch eine eigene Druckerei, aus welcher jedoch bisher nur des Vladiken illyrische Dichtungen unter dem Gesammttitel „Der Einsiedler von Czetinje“ und ein kleiner alljährlich erscheinender und von Cavaliere Milakovich redigirter Bauernkalender hervorgegangen ist. Viele wollen behaupten, Milakovich sey auch der Verfasser der Gedichte des Vladiken. Die Perianiczen, ungefähr 30 an der Zahl, sind auserlesen schöne Männer, ein Theil derselben versieht beständig den Dienst im Kloster und die Thüre des Vladiken ist Tag und Nacht durch zwei derselben bewacht. Nebst diesen Perianiczen besteht in Montenegro noch die sogenannte Land-Guardia, die, in den fünf Nahias oder Kreisen vertheilt, unter dem Commando der Capitans steht. Jeder Capitan ist Civil- und Militärgouverneur seiner Nahia, hat die Contributionen zu erheben, und auf Befehl des Vladika das Volk in die Waffen zu rufen. Capitan Prorokovich, der Einzige, den ich in Czetinje zu Gesichte bekam, soll durch mehrere Jahre auf einer österreichischen Festung gesessen haben, und diese Buße, zu welcher ihm wiederholte Räubereien auf österreichischen Gebiete verholfen haben sollen, scheint ihm sowohl in den Augen des Volkes, als auch in denen seines Herrschers nur einen Titel zu höherer Gunst zu verleihen. Der durch zwölf Senatoren gebildete Senat, welcher der Regierung von Montenegro eine Art constitutioneller Beschränkung zu geben scheint, legt de facto dem Willen des Vladiken keine Fesseln an, sondern dient im Gegentheil dazu, den Beschlüssen der Willkür die Form der Gesetzlichkeit zu geben. Staunt man darüber, daß es einem Einzelnen gelinge, dieß kriegerische Bergvolk in Schranken zu halten, so bedenke man, daß ihm zwei mächtige Hebel fördernd zu Gebote stehen: Geld und geistliche Würde. Die Quelle des ersteren ist bekannt, die Macht der letzteren wurzelt in der Bigotterie des Volkes. In der Nähe betrachtet, stellt sich Montenegro als eine abgerissene russische Provinz dar, der Vladika ist thatsächlich ein Statthalter oder Gouverneur. Wehe, wenn der Damm, welcher diese kleine Provinz vom Hauptlande trennt, je durchbrochen, wenn die Verbindung je hergestellt werden sollte! Oesterreichisch Albanien steht längst in magnetischer Verbindung mit jenem großen Körper, der ihm nur näher rücken dürfte, um es nach physikalischen Gesetzen an sich zu ziehen.
(Beschluß folgt.)
Die Handelsverhältnisse von England und Frankreich.
_ Paris, 5 März. Die neuesten englischen Parlamentsverhandlungen bringen uns vielfachen Stoff zum Nachdenken. England hat im Jahr 1839 mehr als 100 Millionen Pfund Baumwolle weniger eingeführt als 1838; es hat 36 1/2 Millionen Pfund weniger versponnen, und an Twisten allein gegen 15 Millionen Pfund weniger ausgeführt. Dieß ist ein bedenkliches Ergebniß in einem Artikel, welcher die Hälfte aller englischen Exportationen ausmacht. Man braucht, sagen die englischen Blätter, nur das Verzeichniß unserer Ausfuhren zur Hand zu nehmen, um sich zu überzeugen, daß die Manufactur- und Handelssuprematie Englands hauptsächlich auf seiner Baumwollenindustrie beruht. Daher sein Drängen und Treiben, einen Handelsvertrag mit Frankreich abzuschließen. Man wünscht ad valorem-Zölle auf Baumwollen-, Wollen-, Steingut- und Eisenwaaren anstatt der bisherigen Prohibitionen. Würden auch diese Zölle nicht sehr niedrig, würden sie auch auf 30 bis 40 Procent gestellt, so vertraut man auf die Kunst der englischen Fabricanten, die Waaren unter dem Werth zu declariren – eine Kunst, die sich noch zu allen Zeiten und in allen Ländern erprobt hat, wo die englischen Waaren gegen ad valorem-Zölle zugelassen worden sind. Die französischen Fabricanten kennen diese Taktik, und sind daher in großer Unruhe in Betreff der obschwebenden Verhandlungen über einen Handelsvertrag. Daß man in England von den Resultaten dieser Verhandlungen so große Erwartungen hegt, dient eben nicht dazu, ihre Besorgnisse zu beschwichtigen. Neuerlich hat ihnen die Aeußerung des Hrn. Labouchère im englischen Parlament eine schöne Gelegenheit gegeben, der englischen Handelspolitik auf den Grund zu sehen.
Eine derjenigen Concessionen, welche England den Franzosen machen will, um seinen Baumwollenwaaren die französischen Gränzen aufzuschließen, besteht in einer Erleichterung der Zufuhr französischer Seidenwaaren. Diese Concession witternd, erschienen die englischen Seidenmanufacturisten mit einer Eingabe vor dem Parlament, in welcher sie vorstellen, daß die englische Seidenfabrication durch jede weitere Concession, welche den französischen Seidenfabricaten gemacht würde, zu Grunde gehen müßte, worüber Hr. Labouchère bemerkte, es sey der englischen Regierung nie eingefallen, das Schutzsystem aufzugeben. Wie stimmt nun aber diese Erklärung mit der liberalen Sprache, welche die englischen Commissäre während der kürzlich in Paris gepflogenen Verhandlungen geführt haben? Wie sollen die Vertheidiger der Handelsfreiheit in Frankreich diese Erklärung mit demjenigen in Einklang bringen, was sie bisher von den liberalen Gesinnungen der
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