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Allgemeine Zeitung. Nr. 79. Augsburg, 19. März 1840.

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Kampfes dar; auf der andern Seite liest man die Namen der 123 Vertheidiger.

Acht antike Basreliefs in Granit, die man in Constantine gefunden, sind in dem Hofe des Museums vom Louvre aufgestellt.

In Albi (Hauptort des Departements Tarn, von dem die Albigenser ihren Namen haben) soll dem unglücklichen Weltumsegler Lapeyrouse, der hier geboren, ein Denkmal errichtet werden. Die Regierung hat eine Beisteuer von 4000 Francs bewilligt.

Die Menschen sind ihrer Natur nach dazu gemacht beherrscht zu werden; wenige verstehen sich selber zu beherrschen. In bessern Zeiten herrscht in Monarchien die Sitte, in Republiken der Gemeingeist; heute sind aber alle diese Elemente in Rauch aufgegangen: Demokratie und Despotismus - äußerste Individualisirung und zerbröckeltste Parteiung - gaffen einander grollend in die Augen. Da nimmt man denn ein Repräsentativsystem zu Hülfe, um etwas Gemeinsinn, und wo möglich etwas Sitte in diese Antithesen der Demokratie und des Despotismus hineinzuflicken; aber nichts will werden als purer Wortkram der Tribune, Intriguen der Coulissen. Eine wahre Politik, höhere Gesetzlichkeit kommen nicht zum Vorschein. Weßhalb? Weil dazu eine große moralische Autorität, eine siegende Kraft und Ueberlegenheit des Geistes gehört, der französische Pitt oder Chatham aber noch geboren werden soll, während die französischen Walpoles grassiren. Dieses französische Repräsentativsystem - welches mit dem englischen auch nicht das Geringste gemein hat - ist heutzutage nichts Anderes als ein Colle ium von ministeriellen Beamten einerseits, von antiministeriellen Tribunen andrerseits, so wie die Presse sich ebenfalls in eine ministerielle und antiministerielle theilt. Nichts als Haß auf Stellen und Vertheidigung der Stellen. Wird Thiers der Retter seyn? der Pitt? der Chatham? Seine Schmeichler sagen ihm: mehr als dieß; ihre Bewunderung seines Genie's hat einen unglaublichen Enthusiasmus des Zeitungsdilettantismus erreicht, denn das neunzehnte Jahrhundert ist in geistiger Hinsicht das Zeitalter der Zeitungen, in materieller das der Dampfschiffe und Eisenbahnen. Hr. Thiers, welcher eine bändereiche Geschichte der Revolution geschrieben hat, ist der Koloß der Zeitungsmacherei, der durchdachteste, vollendetste Ausdruck unsers Jahrhunderts. Nach dem riesenhaften Napoleon ein umgekehrter Riese - das ist in der Ordnung. Immerhin wird der kleine Thiers seine Gegner der Kammer zu Grabe läuten; sie wollen ihn eigentlich Alle und glauben an ihn, denn er ist witziger als sie, und vor seinem Witze werden ihre Feindschaften zu Schanden.

Belgien.

(Commerce.) Brüssel, 13 März. Der regierende Herzog von Sachsen-Coburg und der Herzog Ferdinand, sein Bruder, haben Brüssel verlassen; ersterer kehrt nach Gotha zurück, letzterer begibt sich nach Wien. Der Herzog Ferdinand wird nach Brüssel zurückkehren, sobald die Vermählung seiner Tochter mit dem Herzog von Nemours gefeiert wird. Die Prinzessin Victoria bleibt bis dahin am Hofe ihres Oheims, des Königs Leopold. So berichten die belgischen Blätter. Da die Trauung aber schon auf den 28 März festgesetzt ist, muß der Herzog sehr schnell reisen, wenn er an diesem Tag von Wien zurück seyn will.

Niederlande.

Die Aeußerung des Handelsblads, daß nur Ein Journal - und dieß aus sehr beklagenswerthen Gründen - die beabsichtigte Heirath des Königs vertheidige, hat mit Einemmal einen offenen Streit zwischen beiden angefacht, einen Streit, der schnell auf das reinpolitische Gebiet übergehen muß, und wodurch diese beiden Blätter entschieden zu Verfechtern der gemäßigten und der radicalen Reformpartei gestempelt werden. Der Arnhem'sche Courant bemerkt gegen das Handelsblad: "In ein paar Artikeln, die eben so unpassend als beleidigend für den König sind, für den man, so lange er die Wünsche der herrsch- und gewinnsüchtigen Partei befriedigte, nicht Schmeicheleien genug hatte, will man dem Oberhaupt des Staats einen moralischen Zwang anthun. Die Heirath des Königs kann die Nation nicht benachtheiligen, sie kann im Gegentheil nur dazu dienen, die Nation zu einem größern Antheil an den nationalen Interessen anzuspornen, und dieß ist eben der Grund, warum das Handelsblad, das Organ der bevorrechteten Partei, so sehr dagegen eiferte." Eben so bestimmt drückt sich das Handelsblad aus, und läßt in einem Briefe aus Arnhem, der gegen den Arnhem'schen Courant gerichtet ist, auch den wahren Grund des Streits durchblicken, weil nämlich dieß letztere Blatt der Vertheidiger der directen Wahlen ist im Gegensatz gegen die jetzige indirecte Wahlart. Meine eigene Ansicht in dieser Sache kann für Sie freilich von keinem Belang sey, indeß kann ich nicht umhin, sie dahin auszusprechen, daß es in gar mancher Beziehung sehr hart für den alten König wäre, auf diese Heirath zu verzichten, ob ich gleich, bei der herrschenden Stimmung, das Mißliche derselben keineswegs verkenne. - Aus Java ist Nachricht eingegangen, daß dort vermöge k. Beschlusses die Schiffe mit belgischer Flagge jetzt als befreundete aufgenommen werden, und der besondere Zoll auf belgische Wollen- und Kattunwaaren, welcher 50 bis 70 Cents betrug, aufgehoben seyn soll.

Deutschland.

Diesen Morgen halb 9 Uhr verschied nach längern Leiden im Alter von 58 Jahren der königl. bayerische Finanzminister, Großkreuz, Comthur und Ritter verschiedener Orden etc. Dr. Ludwig v. Wirschinger. Geboren zu Stadtamhof bei Regensburg, der Sohn bürgerlicher Eltern, erhielt er nach vollendeten Rechtsstudien noch unter fürstl. primatischer Regierung als Pfleger zu Wörth seine erste Anstellung. Im Jahr 1811 wurde er in königl. bayerische Dienste übernommen, erst zum Polizeicommissär in Landshut bestimmt, in demselben Jahre aber in gleicher Eigenschaft nach München versetzt, im Jahr 1818 zum Polizeidirector in Augsburg, 1819 zum Stadtcommissär und Regierungsrath daselbst ernannt. Im J. 1823 wurde er Ministerialrath im Ministerium des Innern, 1827 Vorstand der Generalzolladministration und zugleich als Ministerialrath der Finanzen verwendet. 1833 erhielt er den Titel und Rang eines wirklichen geheimen Rathes und wurde am 2 Jan. 1835 zum Staatsrath im ordentlichen Dienste und zum Finanzminister befördert. Der König verliert in ihm einen treuen Diener, die Regierung einen gewandten Vertreter und ausgezeichneten Geschäftsmann. Seit 17 vollen Jahren hier in ununterbrochener Geschäftsthätigkeit und sich keine Erholung gönnend, unterlag der rüstige Körper der Anstrengung, aber noch bis zu den letzten Tagen, wiewohl qualvoll leidend und seinen Tod voraussehend, ließ er sich vortragen und unterzeichnete. Seine Familie betrauert in ihm einen liebevollen Gatten und Vater. - I. D. die Fürstin von Thurn und Taxis, Gemahlin des königl. Kronoberstpostmeisters etc., ist zum Besuche ihrer Schwester, der jungen Fürstin Bertha von Oettingen-Spielberg, die vor einigen Tagen noch gefährlich krank, sich jetzt auf dem Wege der Genesung befindet, hier eingetroffen.

Kampfes dar; auf der andern Seite liest man die Namen der 123 Vertheidiger.

Acht antike Basreliefs in Granit, die man in Constantine gefunden, sind in dem Hofe des Museums vom Louvre aufgestellt.

In Albi (Hauptort des Departements Tarn, von dem die Albigenser ihren Namen haben) soll dem unglücklichen Weltumsegler Lapeyrouse, der hier geboren, ein Denkmal errichtet werden. Die Regierung hat eine Beisteuer von 4000 Francs bewilligt.

Die Menschen sind ihrer Natur nach dazu gemacht beherrscht zu werden; wenige verstehen sich selber zu beherrschen. In bessern Zeiten herrscht in Monarchien die Sitte, in Republiken der Gemeingeist; heute sind aber alle diese Elemente in Rauch aufgegangen: Demokratie und Despotismus – äußerste Individualisirung und zerbröckeltste Parteiung – gaffen einander grollend in die Augen. Da nimmt man denn ein Repräsentativsystem zu Hülfe, um etwas Gemeinsinn, und wo möglich etwas Sitte in diese Antithesen der Demokratie und des Despotismus hineinzuflicken; aber nichts will werden als purer Wortkram der Tribune, Intriguen der Coulissen. Eine wahre Politik, höhere Gesetzlichkeit kommen nicht zum Vorschein. Weßhalb? Weil dazu eine große moralische Autorität, eine siegende Kraft und Ueberlegenheit des Geistes gehört, der französische Pitt oder Chatham aber noch geboren werden soll, während die französischen Walpoles grassiren. Dieses französische Repräsentativsystem – welches mit dem englischen auch nicht das Geringste gemein hat – ist heutzutage nichts Anderes als ein Colle ium von ministeriellen Beamten einerseits, von antiministeriellen Tribunen andrerseits, so wie die Presse sich ebenfalls in eine ministerielle und antiministerielle theilt. Nichts als Haß auf Stellen und Vertheidigung der Stellen. Wird Thiers der Retter seyn? der Pitt? der Chatham? Seine Schmeichler sagen ihm: mehr als dieß; ihre Bewunderung seines Genie's hat einen unglaublichen Enthusiasmus des Zeitungsdilettantismus erreicht, denn das neunzehnte Jahrhundert ist in geistiger Hinsicht das Zeitalter der Zeitungen, in materieller das der Dampfschiffe und Eisenbahnen. Hr. Thiers, welcher eine bändereiche Geschichte der Revolution geschrieben hat, ist der Koloß der Zeitungsmacherei, der durchdachteste, vollendetste Ausdruck unsers Jahrhunderts. Nach dem riesenhaften Napoleon ein umgekehrter Riese – das ist in der Ordnung. Immerhin wird der kleine Thiers seine Gegner der Kammer zu Grabe läuten; sie wollen ihn eigentlich Alle und glauben an ihn, denn er ist witziger als sie, und vor seinem Witze werden ihre Feindschaften zu Schanden.

Belgien.

(Commerce.) Brüssel, 13 März. Der regierende Herzog von Sachsen-Coburg und der Herzog Ferdinand, sein Bruder, haben Brüssel verlassen; ersterer kehrt nach Gotha zurück, letzterer begibt sich nach Wien. Der Herzog Ferdinand wird nach Brüssel zurückkehren, sobald die Vermählung seiner Tochter mit dem Herzog von Nemours gefeiert wird. Die Prinzessin Victoria bleibt bis dahin am Hofe ihres Oheims, des Königs Leopold. So berichten die belgischen Blätter. Da die Trauung aber schon auf den 28 März festgesetzt ist, muß der Herzog sehr schnell reisen, wenn er an diesem Tag von Wien zurück seyn will.

Niederlande.

Die Aeußerung des Handelsblads, daß nur Ein Journal – und dieß aus sehr beklagenswerthen Gründen – die beabsichtigte Heirath des Königs vertheidige, hat mit Einemmal einen offenen Streit zwischen beiden angefacht, einen Streit, der schnell auf das reinpolitische Gebiet übergehen muß, und wodurch diese beiden Blätter entschieden zu Verfechtern der gemäßigten und der radicalen Reformpartei gestempelt werden. Der Arnhem'sche Courant bemerkt gegen das Handelsblad: „In ein paar Artikeln, die eben so unpassend als beleidigend für den König sind, für den man, so lange er die Wünsche der herrsch- und gewinnsüchtigen Partei befriedigte, nicht Schmeicheleien genug hatte, will man dem Oberhaupt des Staats einen moralischen Zwang anthun. Die Heirath des Königs kann die Nation nicht benachtheiligen, sie kann im Gegentheil nur dazu dienen, die Nation zu einem größern Antheil an den nationalen Interessen anzuspornen, und dieß ist eben der Grund, warum das Handelsblad, das Organ der bevorrechteten Partei, so sehr dagegen eiferte.“ Eben so bestimmt drückt sich das Handelsblad aus, und läßt in einem Briefe aus Arnhem, der gegen den Arnhem'schen Courant gerichtet ist, auch den wahren Grund des Streits durchblicken, weil nämlich dieß letztere Blatt der Vertheidiger der directen Wahlen ist im Gegensatz gegen die jetzige indirecte Wahlart. Meine eigene Ansicht in dieser Sache kann für Sie freilich von keinem Belang sey, indeß kann ich nicht umhin, sie dahin auszusprechen, daß es in gar mancher Beziehung sehr hart für den alten König wäre, auf diese Heirath zu verzichten, ob ich gleich, bei der herrschenden Stimmung, das Mißliche derselben keineswegs verkenne. – Aus Java ist Nachricht eingegangen, daß dort vermöge k. Beschlusses die Schiffe mit belgischer Flagge jetzt als befreundete aufgenommen werden, und der besondere Zoll auf belgische Wollen- und Kattunwaaren, welcher 50 bis 70 Cents betrug, aufgehoben seyn soll.

Deutschland.

Diesen Morgen halb 9 Uhr verschied nach längern Leiden im Alter von 58 Jahren der königl. bayerische Finanzminister, Großkreuz, Comthur und Ritter verschiedener Orden etc. Dr. Ludwig v. Wirschinger. Geboren zu Stadtamhof bei Regensburg, der Sohn bürgerlicher Eltern, erhielt er nach vollendeten Rechtsstudien noch unter fürstl. primatischer Regierung als Pfleger zu Wörth seine erste Anstellung. Im Jahr 1811 wurde er in königl. bayerische Dienste übernommen, erst zum Polizeicommissär in Landshut bestimmt, in demselben Jahre aber in gleicher Eigenschaft nach München versetzt, im Jahr 1818 zum Polizeidirector in Augsburg, 1819 zum Stadtcommissär und Regierungsrath daselbst ernannt. Im J. 1823 wurde er Ministerialrath im Ministerium des Innern, 1827 Vorstand der Generalzolladministration und zugleich als Ministerialrath der Finanzen verwendet. 1833 erhielt er den Titel und Rang eines wirklichen geheimen Rathes und wurde am 2 Jan. 1835 zum Staatsrath im ordentlichen Dienste und zum Finanzminister befördert. Der König verliert in ihm einen treuen Diener, die Regierung einen gewandten Vertreter und ausgezeichneten Geschäftsmann. Seit 17 vollen Jahren hier in ununterbrochener Geschäftsthätigkeit und sich keine Erholung gönnend, unterlag der rüstige Körper der Anstrengung, aber noch bis zu den letzten Tagen, wiewohl qualvoll leidend und seinen Tod voraussehend, ließ er sich vortragen und unterzeichnete. Seine Familie betrauert in ihm einen liebevollen Gatten und Vater. – I. D. die Fürstin von Thurn und Taxis, Gemahlin des königl. Kronoberstpostmeisters etc., ist zum Besuche ihrer Schwester, der jungen Fürstin Bertha von Oettingen-Spielberg, die vor einigen Tagen noch gefährlich krank, sich jetzt auf dem Wege der Genesung befindet, hier eingetroffen.

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[0628/0004] Kampfes dar; auf der andern Seite liest man die Namen der 123 Vertheidiger. Acht antike Basreliefs in Granit, die man in Constantine gefunden, sind in dem Hofe des Museums vom Louvre aufgestellt. In Albi (Hauptort des Departements Tarn, von dem die Albigenser ihren Namen haben) soll dem unglücklichen Weltumsegler Lapeyrouse, der hier geboren, ein Denkmal errichtet werden. Die Regierung hat eine Beisteuer von 4000 Francs bewilligt. _ Paris, 10 März. Die Menschen sind ihrer Natur nach dazu gemacht beherrscht zu werden; wenige verstehen sich selber zu beherrschen. In bessern Zeiten herrscht in Monarchien die Sitte, in Republiken der Gemeingeist; heute sind aber alle diese Elemente in Rauch aufgegangen: Demokratie und Despotismus – äußerste Individualisirung und zerbröckeltste Parteiung – gaffen einander grollend in die Augen. Da nimmt man denn ein Repräsentativsystem zu Hülfe, um etwas Gemeinsinn, und wo möglich etwas Sitte in diese Antithesen der Demokratie und des Despotismus hineinzuflicken; aber nichts will werden als purer Wortkram der Tribune, Intriguen der Coulissen. Eine wahre Politik, höhere Gesetzlichkeit kommen nicht zum Vorschein. Weßhalb? Weil dazu eine große moralische Autorität, eine siegende Kraft und Ueberlegenheit des Geistes gehört, der französische Pitt oder Chatham aber noch geboren werden soll, während die französischen Walpoles grassiren. Dieses französische Repräsentativsystem – welches mit dem englischen auch nicht das Geringste gemein hat – ist heutzutage nichts Anderes als ein Colle ium von ministeriellen Beamten einerseits, von antiministeriellen Tribunen andrerseits, so wie die Presse sich ebenfalls in eine ministerielle und antiministerielle theilt. Nichts als Haß auf Stellen und Vertheidigung der Stellen. Wird Thiers der Retter seyn? der Pitt? der Chatham? Seine Schmeichler sagen ihm: mehr als dieß; ihre Bewunderung seines Genie's hat einen unglaublichen Enthusiasmus des Zeitungsdilettantismus erreicht, denn das neunzehnte Jahrhundert ist in geistiger Hinsicht das Zeitalter der Zeitungen, in materieller das der Dampfschiffe und Eisenbahnen. Hr. Thiers, welcher eine bändereiche Geschichte der Revolution geschrieben hat, ist der Koloß der Zeitungsmacherei, der durchdachteste, vollendetste Ausdruck unsers Jahrhunderts. Nach dem riesenhaften Napoleon ein umgekehrter Riese – das ist in der Ordnung. Immerhin wird der kleine Thiers seine Gegner der Kammer zu Grabe läuten; sie wollen ihn eigentlich Alle und glauben an ihn, denn er ist witziger als sie, und vor seinem Witze werden ihre Feindschaften zu Schanden. Belgien. (Commerce.) Brüssel, 13 März. Der regierende Herzog von Sachsen-Coburg und der Herzog Ferdinand, sein Bruder, haben Brüssel verlassen; ersterer kehrt nach Gotha zurück, letzterer begibt sich nach Wien. Der Herzog Ferdinand wird nach Brüssel zurückkehren, sobald die Vermählung seiner Tochter mit dem Herzog von Nemours gefeiert wird. Die Prinzessin Victoria bleibt bis dahin am Hofe ihres Oheims, des Königs Leopold. So berichten die belgischen Blätter. Da die Trauung aber schon auf den 28 März festgesetzt ist, muß der Herzog sehr schnell reisen, wenn er an diesem Tag von Wien zurück seyn will. Niederlande. _ Vom Niederrhein, 14 März. Die Aeußerung des Handelsblads, daß nur Ein Journal – und dieß aus sehr beklagenswerthen Gründen – die beabsichtigte Heirath des Königs vertheidige, hat mit Einemmal einen offenen Streit zwischen beiden angefacht, einen Streit, der schnell auf das reinpolitische Gebiet übergehen muß, und wodurch diese beiden Blätter entschieden zu Verfechtern der gemäßigten und der radicalen Reformpartei gestempelt werden. Der Arnhem'sche Courant bemerkt gegen das Handelsblad: „In ein paar Artikeln, die eben so unpassend als beleidigend für den König sind, für den man, so lange er die Wünsche der herrsch- und gewinnsüchtigen Partei befriedigte, nicht Schmeicheleien genug hatte, will man dem Oberhaupt des Staats einen moralischen Zwang anthun. Die Heirath des Königs kann die Nation nicht benachtheiligen, sie kann im Gegentheil nur dazu dienen, die Nation zu einem größern Antheil an den nationalen Interessen anzuspornen, und dieß ist eben der Grund, warum das Handelsblad, das Organ der bevorrechteten Partei, so sehr dagegen eiferte.“ Eben so bestimmt drückt sich das Handelsblad aus, und läßt in einem Briefe aus Arnhem, der gegen den Arnhem'schen Courant gerichtet ist, auch den wahren Grund des Streits durchblicken, weil nämlich dieß letztere Blatt der Vertheidiger der directen Wahlen ist im Gegensatz gegen die jetzige indirecte Wahlart. Meine eigene Ansicht in dieser Sache kann für Sie freilich von keinem Belang sey, indeß kann ich nicht umhin, sie dahin auszusprechen, daß es in gar mancher Beziehung sehr hart für den alten König wäre, auf diese Heirath zu verzichten, ob ich gleich, bei der herrschenden Stimmung, das Mißliche derselben keineswegs verkenne. – Aus Java ist Nachricht eingegangen, daß dort vermöge k. Beschlusses die Schiffe mit belgischer Flagge jetzt als befreundete aufgenommen werden, und der besondere Zoll auf belgische Wollen- und Kattunwaaren, welcher 50 bis 70 Cents betrug, aufgehoben seyn soll. Deutschland. _ München, 17 März. Diesen Morgen halb 9 Uhr verschied nach längern Leiden im Alter von 58 Jahren der königl. bayerische Finanzminister, Großkreuz, Comthur und Ritter verschiedener Orden etc. Dr. Ludwig v. Wirschinger. Geboren zu Stadtamhof bei Regensburg, der Sohn bürgerlicher Eltern, erhielt er nach vollendeten Rechtsstudien noch unter fürstl. primatischer Regierung als Pfleger zu Wörth seine erste Anstellung. Im Jahr 1811 wurde er in königl. bayerische Dienste übernommen, erst zum Polizeicommissär in Landshut bestimmt, in demselben Jahre aber in gleicher Eigenschaft nach München versetzt, im Jahr 1818 zum Polizeidirector in Augsburg, 1819 zum Stadtcommissär und Regierungsrath daselbst ernannt. Im J. 1823 wurde er Ministerialrath im Ministerium des Innern, 1827 Vorstand der Generalzolladministration und zugleich als Ministerialrath der Finanzen verwendet. 1833 erhielt er den Titel und Rang eines wirklichen geheimen Rathes und wurde am 2 Jan. 1835 zum Staatsrath im ordentlichen Dienste und zum Finanzminister befördert. Der König verliert in ihm einen treuen Diener, die Regierung einen gewandten Vertreter und ausgezeichneten Geschäftsmann. Seit 17 vollen Jahren hier in ununterbrochener Geschäftsthätigkeit und sich keine Erholung gönnend, unterlag der rüstige Körper der Anstrengung, aber noch bis zu den letzten Tagen, wiewohl qualvoll leidend und seinen Tod voraussehend, ließ er sich vortragen und unterzeichnete. Seine Familie betrauert in ihm einen liebevollen Gatten und Vater. – I. D. die Fürstin von Thurn und Taxis, Gemahlin des königl. Kronoberstpostmeisters etc., ist zum Besuche ihrer Schwester, der jungen Fürstin Bertha von Oettingen-Spielberg, die vor einigen Tagen noch gefährlich krank, sich jetzt auf dem Wege der Genesung befindet, hier eingetroffen.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 79. Augsburg, 19. März 1840, S. 0628. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_079_18400319/4>, abgerufen am 23.11.2024.