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Allgemeine Zeitung. Nr. 79. Augsburg, 19. März 1840.

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Diese Maaßregeln müssen nun vorzugsweise Leute aus dem Adelsstande treffen, da dieser der hauptsächliche Inhaber der Beamtenstellen ist. Aber dieser Adel spricht und stimmt im Ritterhause pro domo, und es handelt sich darum, diese Beamtenpartei ihres Stimmrechts im Ritterhause zu berauben, da sie sich einer durchgreifenden Veränderung stets widersetzen wird. In dieser Hinsicht stehen die Aussichten nicht gut: geholfen muß indeß werden, dieß scheint der feste Entschluß des Bauernstandes, und wenn es nicht in Güte geht, so werden vielleicht harte Schritte versucht. Der vornehme und namentlich der reiche Adel sucht eine Vermittlung herbeizuführen, und das Unumgängliche auf gütlichem Wege durchzusetzen, wird aber von dem ärmern Adel, dessen Güterbesitz mit jedem Jahr mehr an den Bauernstand übergeht, und der hauptsächlich nur noch von Aemtern lebt, überstimmt. So ging es auch mit Hans Janssons Vorschlag. Als Frhr. Sprengtporten sah, daß dieser nicht durchgehen würde, kündigte er einen eigenen Vorschlag an, sah sich aber durch die Bemerkungen des Hrn. v. Troils und Frhrn. Tersmeden veranlaßt, seinen Antrag zurückzunehmen. Beide genannte Mitglieder hatten zum Theil mit sehr herben Worten gegen Hrn. v. Hartmannsdorf, den Vorkämpfer der Beamtenpartei, darauf aufmerksam gemacht, daß der Vorschlag jetzt zwecklos sey, indem zwei andere Stände gleichfalls den Antrag beseitigt, und somit keine weitere Aussicht auf Erfolg vorhanden sey, auch wenn er im Ritterhaus durchginge. Nun trug Arved Ribbings darauf an, den Bauernstand durch eine besondere Deputation von der Sache in Kenntniß zu setzen, was im Grunde so viel hieß, als, der Adel bedaure, daß er auf Hans Janssons Vorschlag nicht habe eingehen können. Dieser Vorschlag veranlaßte eine lange Discussion, in welcher gleich wieder der alte Wunsch der Reformer, das vierkammerige System abzuschaffen, hervortrat, indem der Antragsteller bemerkte, "man möchte dem Bauernstand erklären, daß nur die Vertheilung in vier Stände und die abgesonderte Berathschlagung derselben den Adel verhindert habe, gleich anfangs auf den im Bauernstande gemachten Vorschlag zu einer Antwort auf die Thronrede einzugehen." Der Vorschlag wurde mit 237 Stimmen gegen 102 verworfen. Diese Zahlen können ungefähr einen Maaßstab abgeben für die Stärke, auf welche die Reformpartei im Ritterhaus zählen kann. Bemerkenswerth ist, wie die Reformpartei in ihrem Hauptblatt, dem Aftonblad, auf diese Niederlage antwortete: Thronreden und Antworten darauf seyen nur Sache parlamentarischer Etikette, und es komme weiter nichts darauf an, ob sie von einem Stande verworfen werde oder nicht. "Zieht man, heißt es im heutigen Blatte in Betracht, daß alle Mitglieder des Bauernstandes einhellig darein einstimmten, erinnert man sich, daß die Mitglieder dieses Standes die Eigenthümer von drei Viertheilen des schwedischen Bodens und sieben Achttheile der Bevölkerung repräsentiren, und man nicht wohl bezweifeln kann, daß sie die Meinungen ihrer Committenten ausdrücken, so kann man den logischen und arithmetischen Beweis sichern, daß die Adresse ein vollständiger Ausdruck der allgemeinen Meinung des Landes ist, und daß die Regierung, wenn sie wirklich des Landes Wohl will, sie nicht mit Gleichgültigkeit umgehen kann." Diese versteckte Drohung wird nicht auf dürren Boden fallen, sondern sicherlich verstanden werden; ob man aber auch darnach handeln, oder sie nur als ein Mittel der Anklage gegen die Opposition benützen wird, dieß ist eine Frage, die nur die Zukunft beantworten kann.

Rußland und Polen.

Die Münchener pol. Zeitung sagt, ohne Angabe der Quelle: Man schreibt aus St. Petersburg vom 1 März: "Die Orenburger Post, welche gestern ankam, bringt die Nachricht, daß General Perowski am 23 Jan. mit seiner ganzen Armee und den kirgisischen und turkmanischen Hülfstruppen 15 Meilen vor Chiwa anlangte. Der Chan der Usbeken, der bei den Orientalen als Krieger sehr in Achtung steht, bezeugte ihm seine Ehrfurcht, und bot seine Dienste an. Unsere Cavallerie machte nach rechts und links hin Excursionen, stieß aber auf keine Feinde, und wurde den Einwohnern, welche von dem Kaiser von Rußland nicht anders als dem Herrn des ganzen Landes sprachen, gastfreundlich aufgenommen. Ueber 150 Russen, die lange Zeit in Chiwa gefangen gewesen, wurden befreit, und ihre Freude war so groß, daß, als sie das Lager erreichten, sie die Füße der Soldaten küßten, und sogar die Schenkel der Pferde umfaßten. Der Schnee ist sehr tief und der Marsch der Truppen beständig durch heftige Stürme gehindert. Die Mannschaft ist jedoch gesund und die Vorräthe im Ueberfluß vorhanden. Der General hat den Obristen Bey Mohammed mit seinen zwei Adjutanten, Fürst Stscherbatoff und Rszumurdi mit einer Escorte von 500 Kosaken und Kirgisen abgeschickt, um das Terrain in der unmittelbaren Umgegend der Hauptstadt zu recognosciren. Der Chan von Chiwa hat Privatemissäre an General Perowski abgesandt, um zu erklären, daß er persönlich keinen Widerstand zu leisten wünsche, daß er aber nicht Herr in der Stadt, und nicht einmal in seiner eigenen Burg sey. Die Expedition darf als mit Erfolg gekrönt, und die Hauptlinie der Handelscommunication zwischen Europa und Asien als für immer gesichert betrachtet werden."

Obige Nachricht hat die Münchener politische Zeitung vermuthlich irgend einem der Pariser Blätter entnommen, die schon vor einem Monat (unterm 12 Febr.) ihren Lesern den Einzug der Russen in der Hauptstadt des Chans von Chiwa gemeldet. Das Commerce, das trotz aller Widerlegungen seiner "Correspondenzen aus St. Petersburg", nicht müde wird, dergleichen Fabricate seinen Lesern fortwährend aufzutischen, will aus dem Courrier d' Orembourg (?) von neuen Kriegsberichten Kenntniß haben. Zwischen der russischen und der chiwa'schen Cavallerie sey es zu einem Gefecht gekommen, worin letztere, von dem Chan in Person commandirt, gänzlich geschlagen und bis zur Stadt Chiwa verfolgt worden sey. General Perowski, glaubte man, werde am 25 Januar mit seiner Armee vor Chiwa eingetroffen seyn.

Nachrichten aus Rußland zufolge stößt die kleine nur aus etwa 5000 Mann bestehende Colonne des Generals Perowsky bei ihrer Bewegung nach Chiwa auf größere Hindernisse, als man nach den früheren Mittheilungen der Kirgisen und der aus Chiwa zurückgekehrten russischen Gefangenen erwartet hatte. Namentlich hat der Chan in der zahlreich von Flüssen, Canälen und Gräben durchzogenen Landschaft alle Brücken abbrennen oder abbrechen lassen, und da es an Holz, um die Uebergänge wiederherzustellen, in jenen Gegenden durchaus fehlt, so kann sich die von den Usbekischen Reitern vielfach umschwärmte und geneckte Expedition nur langsam vorwärts bewegen.

Oesterreich.

Heute Mittag ein Viertel nach 12 Uhr haben II. MM. der König und die Königin von Sachsen Wien wieder verlassen, um unter dem angenommenen Incognito nach ihren Staaten zurückzukehren. Der Aufenthalt II. MM. hat also im Ganzen nur 11 Tage gedauert.

Nachrichten aus St. Petersburg zufolge, verläßt der russische Thronfolger Petersburg am 18 März und nimmt die Route über Warschau, Berlin, Dresden und Weimar nach Darmstadt. Da er in Warschau einige Zeit verweilen

Diese Maaßregeln müssen nun vorzugsweise Leute aus dem Adelsstande treffen, da dieser der hauptsächliche Inhaber der Beamtenstellen ist. Aber dieser Adel spricht und stimmt im Ritterhause pro domo, und es handelt sich darum, diese Beamtenpartei ihres Stimmrechts im Ritterhause zu berauben, da sie sich einer durchgreifenden Veränderung stets widersetzen wird. In dieser Hinsicht stehen die Aussichten nicht gut: geholfen muß indeß werden, dieß scheint der feste Entschluß des Bauernstandes, und wenn es nicht in Güte geht, so werden vielleicht harte Schritte versucht. Der vornehme und namentlich der reiche Adel sucht eine Vermittlung herbeizuführen, und das Unumgängliche auf gütlichem Wege durchzusetzen, wird aber von dem ärmern Adel, dessen Güterbesitz mit jedem Jahr mehr an den Bauernstand übergeht, und der hauptsächlich nur noch von Aemtern lebt, überstimmt. So ging es auch mit Hans Janssons Vorschlag. Als Frhr. Sprengtporten sah, daß dieser nicht durchgehen würde, kündigte er einen eigenen Vorschlag an, sah sich aber durch die Bemerkungen des Hrn. v. Troils und Frhrn. Tersmeden veranlaßt, seinen Antrag zurückzunehmen. Beide genannte Mitglieder hatten zum Theil mit sehr herben Worten gegen Hrn. v. Hartmannsdorf, den Vorkämpfer der Beamtenpartei, darauf aufmerksam gemacht, daß der Vorschlag jetzt zwecklos sey, indem zwei andere Stände gleichfalls den Antrag beseitigt, und somit keine weitere Aussicht auf Erfolg vorhanden sey, auch wenn er im Ritterhaus durchginge. Nun trug Arved Ribbings darauf an, den Bauernstand durch eine besondere Deputation von der Sache in Kenntniß zu setzen, was im Grunde so viel hieß, als, der Adel bedaure, daß er auf Hans Janssons Vorschlag nicht habe eingehen können. Dieser Vorschlag veranlaßte eine lange Discussion, in welcher gleich wieder der alte Wunsch der Reformer, das vierkammerige System abzuschaffen, hervortrat, indem der Antragsteller bemerkte, „man möchte dem Bauernstand erklären, daß nur die Vertheilung in vier Stände und die abgesonderte Berathschlagung derselben den Adel verhindert habe, gleich anfangs auf den im Bauernstande gemachten Vorschlag zu einer Antwort auf die Thronrede einzugehen.“ Der Vorschlag wurde mit 237 Stimmen gegen 102 verworfen. Diese Zahlen können ungefähr einen Maaßstab abgeben für die Stärke, auf welche die Reformpartei im Ritterhaus zählen kann. Bemerkenswerth ist, wie die Reformpartei in ihrem Hauptblatt, dem Aftonblad, auf diese Niederlage antwortete: Thronreden und Antworten darauf seyen nur Sache parlamentarischer Etikette, und es komme weiter nichts darauf an, ob sie von einem Stande verworfen werde oder nicht. „Zieht man, heißt es im heutigen Blatte in Betracht, daß alle Mitglieder des Bauernstandes einhellig darein einstimmten, erinnert man sich, daß die Mitglieder dieses Standes die Eigenthümer von drei Viertheilen des schwedischen Bodens und sieben Achttheile der Bevölkerung repräsentiren, und man nicht wohl bezweifeln kann, daß sie die Meinungen ihrer Committenten ausdrücken, so kann man den logischen und arithmetischen Beweis sichern, daß die Adresse ein vollständiger Ausdruck der allgemeinen Meinung des Landes ist, und daß die Regierung, wenn sie wirklich des Landes Wohl will, sie nicht mit Gleichgültigkeit umgehen kann.“ Diese versteckte Drohung wird nicht auf dürren Boden fallen, sondern sicherlich verstanden werden; ob man aber auch darnach handeln, oder sie nur als ein Mittel der Anklage gegen die Opposition benützen wird, dieß ist eine Frage, die nur die Zukunft beantworten kann.

Rußland und Polen.

Die Münchener pol. Zeitung sagt, ohne Angabe der Quelle: Man schreibt aus St. Petersburg vom 1 März: „Die Orenburger Post, welche gestern ankam, bringt die Nachricht, daß General Perowski am 23 Jan. mit seiner ganzen Armee und den kirgisischen und turkmanischen Hülfstruppen 15 Meilen vor Chiwa anlangte. Der Chan der Usbeken, der bei den Orientalen als Krieger sehr in Achtung steht, bezeugte ihm seine Ehrfurcht, und bot seine Dienste an. Unsere Cavallerie machte nach rechts und links hin Excursionen, stieß aber auf keine Feinde, und wurde den Einwohnern, welche von dem Kaiser von Rußland nicht anders als dem Herrn des ganzen Landes sprachen, gastfreundlich aufgenommen. Ueber 150 Russen, die lange Zeit in Chiwa gefangen gewesen, wurden befreit, und ihre Freude war so groß, daß, als sie das Lager erreichten, sie die Füße der Soldaten küßten, und sogar die Schenkel der Pferde umfaßten. Der Schnee ist sehr tief und der Marsch der Truppen beständig durch heftige Stürme gehindert. Die Mannschaft ist jedoch gesund und die Vorräthe im Ueberfluß vorhanden. Der General hat den Obristen Bey Mohammed mit seinen zwei Adjutanten, Fürst Stscherbatoff und Rszumurdi mit einer Escorte von 500 Kosaken und Kirgisen abgeschickt, um das Terrain in der unmittelbaren Umgegend der Hauptstadt zu recognosciren. Der Chan von Chiwa hat Privatemissäre an General Perowski abgesandt, um zu erklären, daß er persönlich keinen Widerstand zu leisten wünsche, daß er aber nicht Herr in der Stadt, und nicht einmal in seiner eigenen Burg sey. Die Expedition darf als mit Erfolg gekrönt, und die Hauptlinie der Handelscommunication zwischen Europa und Asien als für immer gesichert betrachtet werden.“

Obige Nachricht hat die Münchener politische Zeitung vermuthlich irgend einem der Pariser Blätter entnommen, die schon vor einem Monat (unterm 12 Febr.) ihren Lesern den Einzug der Russen in der Hauptstadt des Chans von Chiwa gemeldet. Das Commerce, das trotz aller Widerlegungen seiner „Correspondenzen aus St. Petersburg“, nicht müde wird, dergleichen Fabricate seinen Lesern fortwährend aufzutischen, will aus dem Courrier d' Orembourg (?) von neuen Kriegsberichten Kenntniß haben. Zwischen der russischen und der chiwa'schen Cavallerie sey es zu einem Gefecht gekommen, worin letztere, von dem Chan in Person commandirt, gänzlich geschlagen und bis zur Stadt Chiwa verfolgt worden sey. General Perowski, glaubte man, werde am 25 Januar mit seiner Armee vor Chiwa eingetroffen seyn.

Nachrichten aus Rußland zufolge stößt die kleine nur aus etwa 5000 Mann bestehende Colonne des Generals Perowsky bei ihrer Bewegung nach Chiwa auf größere Hindernisse, als man nach den früheren Mittheilungen der Kirgisen und der aus Chiwa zurückgekehrten russischen Gefangenen erwartet hatte. Namentlich hat der Chan in der zahlreich von Flüssen, Canälen und Gräben durchzogenen Landschaft alle Brücken abbrennen oder abbrechen lassen, und da es an Holz, um die Uebergänge wiederherzustellen, in jenen Gegenden durchaus fehlt, so kann sich die von den Usbekischen Reitern vielfach umschwärmte und geneckte Expedition nur langsam vorwärts bewegen.

Oesterreich.

Heute Mittag ein Viertel nach 12 Uhr haben II. MM. der König und die Königin von Sachsen Wien wieder verlassen, um unter dem angenommenen Incognito nach ihren Staaten zurückzukehren. Der Aufenthalt II. MM. hat also im Ganzen nur 11 Tage gedauert.

Nachrichten aus St. Petersburg zufolge, verläßt der russische Thronfolger Petersburg am 18 März und nimmt die Route über Warschau, Berlin, Dresden und Weimar nach Darmstadt. Da er in Warschau einige Zeit verweilen

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Diese Maaßregeln müssen nun vorzugsweise Leute aus dem Adelsstande treffen, da dieser der hauptsächliche Inhaber der Beamtenstellen ist. Aber dieser Adel spricht und stimmt im Ritterhause pro domo, und es handelt sich darum, diese Beamtenpartei ihres Stimmrechts im Ritterhause zu berauben, da sie sich einer durchgreifenden Veränderung stets widersetzen wird. In dieser Hinsicht stehen die Aussichten nicht gut: geholfen muß indeß werden, dieß scheint der feste Entschluß des Bauernstandes, und wenn es nicht in Güte geht, so werden vielleicht harte Schritte versucht. Der vornehme und namentlich der reiche Adel sucht eine Vermittlung herbeizuführen, und das Unumgängliche auf gütlichem Wege durchzusetzen, wird aber von dem ärmern Adel, dessen Güterbesitz mit jedem Jahr mehr an den Bauernstand übergeht, und der hauptsächlich nur noch von Aemtern lebt, überstimmt. So ging es auch mit Hans Janssons Vorschlag. Als Frhr. Sprengtporten sah, daß dieser nicht durchgehen würde, kündigte er einen eigenen Vorschlag an, sah sich aber durch die Bemerkungen des Hrn. v. Troils und Frhrn. Tersmeden veranlaßt, seinen Antrag zurückzunehmen. Beide genannte Mitglieder hatten zum Theil mit sehr herben Worten gegen Hrn. v. Hartmannsdorf, den Vorkämpfer der Beamtenpartei, darauf aufmerksam gemacht, daß der Vorschlag jetzt zwecklos sey, indem zwei andere Stände gleichfalls den Antrag beseitigt, und somit keine weitere Aussicht auf Erfolg vorhanden sey, auch wenn er im Ritterhaus durchginge. Nun trug Arved Ribbings darauf an, den Bauernstand durch eine besondere Deputation von der Sache in Kenntniß zu setzen, was im Grunde so viel hieß, als, der Adel bedaure, daß er auf Hans Janssons Vorschlag nicht habe eingehen können. Dieser Vorschlag veranlaßte eine lange Discussion, in welcher gleich wieder der alte Wunsch der Reformer, das vierkammerige System abzuschaffen, hervortrat, indem der Antragsteller bemerkte, &#x201E;man möchte dem Bauernstand erklären, daß nur die Vertheilung in vier Stände und die abgesonderte Berathschlagung derselben den Adel verhindert habe, gleich anfangs auf den im Bauernstande gemachten Vorschlag zu einer Antwort auf die Thronrede einzugehen.&#x201C; Der Vorschlag wurde mit 237 Stimmen gegen 102 verworfen. Diese Zahlen können ungefähr einen Maaßstab abgeben für die Stärke, auf welche die Reformpartei im Ritterhaus zählen kann. Bemerkenswerth ist, wie die Reformpartei in ihrem Hauptblatt, dem Aftonblad, auf diese Niederlage antwortete: Thronreden und Antworten darauf seyen nur Sache parlamentarischer Etikette, und es komme weiter nichts darauf an, ob sie von einem Stande verworfen werde oder nicht. &#x201E;Zieht man, heißt es im heutigen Blatte in Betracht, daß alle Mitglieder des Bauernstandes <hi rendition="#g">einhellig</hi> darein einstimmten, erinnert man sich, daß die Mitglieder dieses Standes die Eigenthümer von drei Viertheilen des schwedischen Bodens und sieben Achttheile der Bevölkerung repräsentiren, und man nicht wohl bezweifeln kann, daß sie die Meinungen ihrer Committenten ausdrücken, so kann man den logischen und arithmetischen Beweis sichern, daß die Adresse ein vollständiger Ausdruck der allgemeinen Meinung des Landes ist, und daß die Regierung, wenn sie wirklich des Landes Wohl will, sie nicht mit Gleichgültigkeit umgehen kann.&#x201C; Diese versteckte Drohung wird nicht auf dürren Boden fallen, sondern sicherlich verstanden werden; ob man aber auch darnach handeln, oder sie nur als ein Mittel der Anklage gegen die Opposition benützen wird, dieß ist eine Frage, die nur die Zukunft beantworten kann.</p>
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[0631/0007] Diese Maaßregeln müssen nun vorzugsweise Leute aus dem Adelsstande treffen, da dieser der hauptsächliche Inhaber der Beamtenstellen ist. Aber dieser Adel spricht und stimmt im Ritterhause pro domo, und es handelt sich darum, diese Beamtenpartei ihres Stimmrechts im Ritterhause zu berauben, da sie sich einer durchgreifenden Veränderung stets widersetzen wird. In dieser Hinsicht stehen die Aussichten nicht gut: geholfen muß indeß werden, dieß scheint der feste Entschluß des Bauernstandes, und wenn es nicht in Güte geht, so werden vielleicht harte Schritte versucht. Der vornehme und namentlich der reiche Adel sucht eine Vermittlung herbeizuführen, und das Unumgängliche auf gütlichem Wege durchzusetzen, wird aber von dem ärmern Adel, dessen Güterbesitz mit jedem Jahr mehr an den Bauernstand übergeht, und der hauptsächlich nur noch von Aemtern lebt, überstimmt. So ging es auch mit Hans Janssons Vorschlag. Als Frhr. Sprengtporten sah, daß dieser nicht durchgehen würde, kündigte er einen eigenen Vorschlag an, sah sich aber durch die Bemerkungen des Hrn. v. Troils und Frhrn. Tersmeden veranlaßt, seinen Antrag zurückzunehmen. Beide genannte Mitglieder hatten zum Theil mit sehr herben Worten gegen Hrn. v. Hartmannsdorf, den Vorkämpfer der Beamtenpartei, darauf aufmerksam gemacht, daß der Vorschlag jetzt zwecklos sey, indem zwei andere Stände gleichfalls den Antrag beseitigt, und somit keine weitere Aussicht auf Erfolg vorhanden sey, auch wenn er im Ritterhaus durchginge. Nun trug Arved Ribbings darauf an, den Bauernstand durch eine besondere Deputation von der Sache in Kenntniß zu setzen, was im Grunde so viel hieß, als, der Adel bedaure, daß er auf Hans Janssons Vorschlag nicht habe eingehen können. Dieser Vorschlag veranlaßte eine lange Discussion, in welcher gleich wieder der alte Wunsch der Reformer, das vierkammerige System abzuschaffen, hervortrat, indem der Antragsteller bemerkte, „man möchte dem Bauernstand erklären, daß nur die Vertheilung in vier Stände und die abgesonderte Berathschlagung derselben den Adel verhindert habe, gleich anfangs auf den im Bauernstande gemachten Vorschlag zu einer Antwort auf die Thronrede einzugehen.“ Der Vorschlag wurde mit 237 Stimmen gegen 102 verworfen. Diese Zahlen können ungefähr einen Maaßstab abgeben für die Stärke, auf welche die Reformpartei im Ritterhaus zählen kann. Bemerkenswerth ist, wie die Reformpartei in ihrem Hauptblatt, dem Aftonblad, auf diese Niederlage antwortete: Thronreden und Antworten darauf seyen nur Sache parlamentarischer Etikette, und es komme weiter nichts darauf an, ob sie von einem Stande verworfen werde oder nicht. „Zieht man, heißt es im heutigen Blatte in Betracht, daß alle Mitglieder des Bauernstandes einhellig darein einstimmten, erinnert man sich, daß die Mitglieder dieses Standes die Eigenthümer von drei Viertheilen des schwedischen Bodens und sieben Achttheile der Bevölkerung repräsentiren, und man nicht wohl bezweifeln kann, daß sie die Meinungen ihrer Committenten ausdrücken, so kann man den logischen und arithmetischen Beweis sichern, daß die Adresse ein vollständiger Ausdruck der allgemeinen Meinung des Landes ist, und daß die Regierung, wenn sie wirklich des Landes Wohl will, sie nicht mit Gleichgültigkeit umgehen kann.“ Diese versteckte Drohung wird nicht auf dürren Boden fallen, sondern sicherlich verstanden werden; ob man aber auch darnach handeln, oder sie nur als ein Mittel der Anklage gegen die Opposition benützen wird, dieß ist eine Frage, die nur die Zukunft beantworten kann. Rußland und Polen. Die Münchener pol. Zeitung sagt, ohne Angabe der Quelle: Man schreibt aus St. Petersburg vom 1 März: „Die Orenburger Post, welche gestern ankam, bringt die Nachricht, daß General Perowski am 23 Jan. mit seiner ganzen Armee und den kirgisischen und turkmanischen Hülfstruppen 15 Meilen vor Chiwa anlangte. Der Chan der Usbeken, der bei den Orientalen als Krieger sehr in Achtung steht, bezeugte ihm seine Ehrfurcht, und bot seine Dienste an. Unsere Cavallerie machte nach rechts und links hin Excursionen, stieß aber auf keine Feinde, und wurde den Einwohnern, welche von dem Kaiser von Rußland nicht anders als dem Herrn des ganzen Landes sprachen, gastfreundlich aufgenommen. Ueber 150 Russen, die lange Zeit in Chiwa gefangen gewesen, wurden befreit, und ihre Freude war so groß, daß, als sie das Lager erreichten, sie die Füße der Soldaten küßten, und sogar die Schenkel der Pferde umfaßten. Der Schnee ist sehr tief und der Marsch der Truppen beständig durch heftige Stürme gehindert. Die Mannschaft ist jedoch gesund und die Vorräthe im Ueberfluß vorhanden. Der General hat den Obristen Bey Mohammed mit seinen zwei Adjutanten, Fürst Stscherbatoff und Rszumurdi mit einer Escorte von 500 Kosaken und Kirgisen abgeschickt, um das Terrain in der unmittelbaren Umgegend der Hauptstadt zu recognosciren. Der Chan von Chiwa hat Privatemissäre an General Perowski abgesandt, um zu erklären, daß er persönlich keinen Widerstand zu leisten wünsche, daß er aber nicht Herr in der Stadt, und nicht einmal in seiner eigenen Burg sey. Die Expedition darf als mit Erfolg gekrönt, und die Hauptlinie der Handelscommunication zwischen Europa und Asien als für immer gesichert betrachtet werden.“ Obige Nachricht hat die Münchener politische Zeitung vermuthlich irgend einem der Pariser Blätter entnommen, die schon vor einem Monat (unterm 12 Febr.) ihren Lesern den Einzug der Russen in der Hauptstadt des Chans von Chiwa gemeldet. Das Commerce, das trotz aller Widerlegungen seiner „Correspondenzen aus St. Petersburg“, nicht müde wird, dergleichen Fabricate seinen Lesern fortwährend aufzutischen, will aus dem Courrier d' Orembourg (?) von neuen Kriegsberichten Kenntniß haben. Zwischen der russischen und der chiwa'schen Cavallerie sey es zu einem Gefecht gekommen, worin letztere, von dem Chan in Person commandirt, gänzlich geschlagen und bis zur Stadt Chiwa verfolgt worden sey. General Perowski, glaubte man, werde am 25 Januar mit seiner Armee vor Chiwa eingetroffen seyn. _ Berlin, 13 März. Nachrichten aus Rußland zufolge stößt die kleine nur aus etwa 5000 Mann bestehende Colonne des Generals Perowsky bei ihrer Bewegung nach Chiwa auf größere Hindernisse, als man nach den früheren Mittheilungen der Kirgisen und der aus Chiwa zurückgekehrten russischen Gefangenen erwartet hatte. Namentlich hat der Chan in der zahlreich von Flüssen, Canälen und Gräben durchzogenen Landschaft alle Brücken abbrennen oder abbrechen lassen, und da es an Holz, um die Uebergänge wiederherzustellen, in jenen Gegenden durchaus fehlt, so kann sich die von den Usbekischen Reitern vielfach umschwärmte und geneckte Expedition nur langsam vorwärts bewegen. Oesterreich. _ Wien, 14 März. Heute Mittag ein Viertel nach 12 Uhr haben II. MM. der König und die Königin von Sachsen Wien wieder verlassen, um unter dem angenommenen Incognito nach ihren Staaten zurückzukehren. Der Aufenthalt II. MM. hat also im Ganzen nur 11 Tage gedauert. _ Wien, 14 März. Nachrichten aus St. Petersburg zufolge, verläßt der russische Thronfolger Petersburg am 18 März und nimmt die Route über Warschau, Berlin, Dresden und Weimar nach Darmstadt. Da er in Warschau einige Zeit verweilen

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 79. Augsburg, 19. März 1840, S. 0631. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_079_18400319/7>, abgerufen am 29.04.2024.