Allgemeine Zeitung. Nr. 81. Augsburg, 21. März 1840.Zur Aufhellung der letzten Katastrophe des spanischen Bürgerkriegs. (Fortsetzung.) Der Sieg Teixeiros wäre vollständig gewesen, wenn die militärischen Operationen Guergue's ihn einigermaßen unterstützt hätten. Die Unternehmungen dieses Generals waren jedoch alle so ungeschickt und unglücklich, daß das Heer in die bedrängteste Lage kam, und laut seine alten Chefs zurückforderte. Mit der Stimme des Heeres vereinigte sich jene der Bewohner der Provinzen, und der Minister sah sich in der Nothwendigkeit einen neuen Heerführer aufzusuchen. In diesem Zustand der Dinge erschien mit einemmal der Erzbischof von Cuba, der Pater Cyrilo in dem königlichen Hauptquartier, und - der Vorabend des Tages von Bergara war angebrochen. Wirklich, der Pater Cyrilo, der Rath Ferdinands VII, der Verbündete Calomarde's, der Bischof, dessen Mitra in das Blut des Generals Bezieres getaucht war, wirklich er war im königlichen Hauptquartier! Pater Cyrilo hatte seine Heerde verlassen und war nach Europa zurückgekehrt, hatte die nordischen Höfe besucht, stand in Verbindung mit allen Parteien Spaniens, und war nun am Hofe Karl V. Er sah, würdigte die Umstände, sah die Umgebung des Königs, lernte sie kennen und durchschaute sie und beschloß Karls V aufzugeben; von nun an traf er seine Vorbereitungen. Wer durchschaute ihn? Seiner Gewandtheit glückte es, sich Einfluß am Hofe zu verschaffen, und neben Arias Teixeiro und dem Bischof von Leon Stellung zu erhalten, die mit geheimem Grauen und verschlossener Furcht auf ihn sahen, und in seiner Nähe wie von einem unheimlichen Zauber berührt sich bewegten. Wenige Tage nach der Erscheinung des Pater Cyrilo betrat die Königin die Provinzen. Der General Maroto wurde aus Frankreich zurück berufen; ihn hatte die Stimme des Heeres bezeichnet, und Pater Cyrilo hatte sich damit beauftragt - es hängte sich Gewicht an Gewicht; etwas Entscheidendes war zu erwarten. Maroto und Cyrilo waren die natürlichen Häupter der Verbannten, jener im Heere, dieser im Staatsrathe. Der Kampf der Parteien war heftig. Teixeiro und seine Anhänger boten Alles auf, die Berufung Maroto's zum Commando zu hintertreiben. Der König schwankte, und Maroto war schon wieder auf dem Rückwege nach Frankreich; da verlor General Guergue die Schlacht von Pennacerrada. Das Heer drohte sich aufzulösen, die Provinzen forderten stürmisch den General Maroto und die Entfernung Guergue's. Espartero bedrohte Estella. Dieß entschied - Maroto bekam das Commando. Teixeiro blieb unterdessen Universalminister. Maroto wurde von dem Heer und den Provinzen aufs freudigste empfangen. Er schien vom Hof und der immer gleich mächtigen Camarilla keine weitere Notiz nehmen zu wollen; seine ganze Aufmerksamkeit dem Heere zuwendend, suchte er vor Allem den Geist der Truppen zu erforschen, und sie und ihre Chefs für sich zu gewinnen. Die Politik, die er dabei beobachtete, muß man eine glänzende nennen. Sein erstes Auftreten war leutselig, würdevoll, mit einem gewissen äußern Glanze verbunden, das einen wohlthätigen Contrast mit dem rohen Benehmen und den wüsten Sitten Guergue's und seiner Satelliten bildete und ihm alsbald die Herzen aller ordentlichen Menschen gewann. Die Generale behandelte er mit seinem angebornen Stolze; ohne sie zu kränken, hielt er sie in der nöthigen Entfernung; mit den Chefs der Truppen verhielt er sich anders: ihnen zeigte er Vertrauen, war hingebend gegen sie, munterte die einen auf, leistete andern persönliche Freundschaftsdienste, versprach andern, kurz umfing alle mit einem magischen Bande, das sie an ihn kettete. Für die Truppen war er nicht der Oberbefehlshaber, er war ihr Vater, der nur darauf dachte ihre Bedürfnisse zu befriedigen, der, wo er nicht helfen konnte, das Elend mit ihnen theilte und beklagte, der sie aufmunterte und auf alle mögliche Weise für sie sorgte. Zum erstenmal sah das Heer, daß das Geld, welches von außen kam, wenigstens großentheils zur Bestreitung seiner Bedürfnisse verwendet wurde: es wurden mehrere Soldrückstände ausbezahlt, die Truppen wurden neu gekleidet, die Officiere erhielten reichliche Unterstützung, das ganze Heer schien neu aufzuleben und frischen Lebensmuth zu schöpfen. Die Disciplin wurde hergestellt, die Bataillone verstärkt und neu organisirt, und der Dienst aufs strengste gethan. Mit der Vornahme persönlicher Veränderungen im Heere ging Maroto behutsam zu Werke, und that wider alles Erwarten keine schnellen Schritte. Er sagte ganz richtig, daß man Alle durch gehörige Behandlung gewinnen, und daß es Keinen im Heere gebe, der nicht nützlich seyn könne, sobald man ihn nützlich verwende und verständig placire. So schuf er sich aus den Chefs und Officieren, die eigentlich Parteimänner Teixeiro's waren, die aber einsahen, daß sie mit Großmuth und Gerechtigkeit behandelt wurden, die eifrigsten Freunde. Alle Verbannten und Mißhandelten sahen, wie natürlich, in Maroto ihre einzige Zuflucht, und das Land selbst hoffte nur durch ihn aus den habsüchtigen Klauen der Camarilla gerettet zu werden. Alles bestürmte ihn mit Bitten, doch der General wies bedeutungsvoll auf das immer noch bestehende Ministerium Teixeiro's hin, erklärend, daß er nichts vermöge, so lange es bestehe. Die Officiere, die in Gefangenschaft und Verbannung schmachteten, alle, die ihre Stellen verloren hatten, und mit ihnen das ganze Heer warteten nun mit Ungeduld auf den Sturz des Ministeriums. Maroto seinerseits blieb fortwährend, dem Anschein nach, außer aller weitern Berührung mit dem Hof, und es schien selbst, daß er nach den ersten Versuchen es aufgegeben habe, Teixeiro zu entfernen. Im Geheimen aber dauerte am Hofe der Kampf der Parteien fort. Pater Cyrilo war es, der hier Maroto vertrat und ihn von den Manövern der Apostolischen in steter Kenntniß hielt. Teixeiro hatte die Generale Garcia, Sanz, Guergue, Carmona gewonnen, und suchte durch sie seinen Einfluß im Heere aufrecht zu erhalten. Garcia war Generalcapitän von Navarra und genoß einer großen Popularität im Heere. Er war im Grund ein braver Mann, der schändlich vom Minister mißbraucht wurde, und, ohne es zu ahnen, das größte militärische Verbrechen beging. Sanz, ein Mann ohne Bildung und Grundsätze, ließ sich bestechen und handelte aus natürlichem Haß gegen Maroto. Guergue kennen wir bereits. Der gefährlichste war Carmona, der zweite Chef des Generalstabs, der kühn und verschmitzt genug war, in der nächsten Umgebung die doppelte Rolle des Freundes Maroto's und des stillen Verbündeten Teixeiro's zu spielen. Der Minister war ungemein thätig und schöpfte neue Hoffnung, da der König fortfuhr ihn und sein Cabinet zu beschützen. Er wollte nun den Versuch wagen, ob Maroto seinem Einfluß wiche und sich vielleicht geschmeidig zeige. Die Zur Aufhellung der letzten Katastrophe des spanischen Bürgerkriegs. (Fortsetzung.) Der Sieg Teixeiros wäre vollständig gewesen, wenn die militärischen Operationen Guergué's ihn einigermaßen unterstützt hätten. Die Unternehmungen dieses Generals waren jedoch alle so ungeschickt und unglücklich, daß das Heer in die bedrängteste Lage kam, und laut seine alten Chefs zurückforderte. Mit der Stimme des Heeres vereinigte sich jene der Bewohner der Provinzen, und der Minister sah sich in der Nothwendigkeit einen neuen Heerführer aufzusuchen. In diesem Zustand der Dinge erschien mit einemmal der Erzbischof von Cuba, der Pater Cyrilo in dem königlichen Hauptquartier, und – der Vorabend des Tages von Bergara war angebrochen. Wirklich, der Pater Cyrilo, der Rath Ferdinands VII, der Verbündete Calomarde's, der Bischof, dessen Mitra in das Blut des Generals Bezieres getaucht war, wirklich er war im königlichen Hauptquartier! Pater Cyrilo hatte seine Heerde verlassen und war nach Europa zurückgekehrt, hatte die nordischen Höfe besucht, stand in Verbindung mit allen Parteien Spaniens, und war nun am Hofe Karl V. Er sah, würdigte die Umstände, sah die Umgebung des Königs, lernte sie kennen und durchschaute sie und beschloß Karls V aufzugeben; von nun an traf er seine Vorbereitungen. Wer durchschaute ihn? Seiner Gewandtheit glückte es, sich Einfluß am Hofe zu verschaffen, und neben Arias Teixeiro und dem Bischof von Leon Stellung zu erhalten, die mit geheimem Grauen und verschlossener Furcht auf ihn sahen, und in seiner Nähe wie von einem unheimlichen Zauber berührt sich bewegten. Wenige Tage nach der Erscheinung des Pater Cyrilo betrat die Königin die Provinzen. Der General Maroto wurde aus Frankreich zurück berufen; ihn hatte die Stimme des Heeres bezeichnet, und Pater Cyrilo hatte sich damit beauftragt – es hängte sich Gewicht an Gewicht; etwas Entscheidendes war zu erwarten. Maroto und Cyrilo waren die natürlichen Häupter der Verbannten, jener im Heere, dieser im Staatsrathe. Der Kampf der Parteien war heftig. Teixeiro und seine Anhänger boten Alles auf, die Berufung Maroto's zum Commando zu hintertreiben. Der König schwankte, und Maroto war schon wieder auf dem Rückwege nach Frankreich; da verlor General Guergué die Schlacht von Peñacerrada. Das Heer drohte sich aufzulösen, die Provinzen forderten stürmisch den General Maroto und die Entfernung Guergué's. Espartero bedrohte Estella. Dieß entschied – Maroto bekam das Commando. Teixeiro blieb unterdessen Universalminister. Maroto wurde von dem Heer und den Provinzen aufs freudigste empfangen. Er schien vom Hof und der immer gleich mächtigen Camarilla keine weitere Notiz nehmen zu wollen; seine ganze Aufmerksamkeit dem Heere zuwendend, suchte er vor Allem den Geist der Truppen zu erforschen, und sie und ihre Chefs für sich zu gewinnen. Die Politik, die er dabei beobachtete, muß man eine glänzende nennen. Sein erstes Auftreten war leutselig, würdevoll, mit einem gewissen äußern Glanze verbunden, das einen wohlthätigen Contrast mit dem rohen Benehmen und den wüsten Sitten Guergué's und seiner Satelliten bildete und ihm alsbald die Herzen aller ordentlichen Menschen gewann. Die Generale behandelte er mit seinem angebornen Stolze; ohne sie zu kränken, hielt er sie in der nöthigen Entfernung; mit den Chefs der Truppen verhielt er sich anders: ihnen zeigte er Vertrauen, war hingebend gegen sie, munterte die einen auf, leistete andern persönliche Freundschaftsdienste, versprach andern, kurz umfing alle mit einem magischen Bande, das sie an ihn kettete. Für die Truppen war er nicht der Oberbefehlshaber, er war ihr Vater, der nur darauf dachte ihre Bedürfnisse zu befriedigen, der, wo er nicht helfen konnte, das Elend mit ihnen theilte und beklagte, der sie aufmunterte und auf alle mögliche Weise für sie sorgte. Zum erstenmal sah das Heer, daß das Geld, welches von außen kam, wenigstens großentheils zur Bestreitung seiner Bedürfnisse verwendet wurde: es wurden mehrere Soldrückstände ausbezahlt, die Truppen wurden neu gekleidet, die Officiere erhielten reichliche Unterstützung, das ganze Heer schien neu aufzuleben und frischen Lebensmuth zu schöpfen. Die Disciplin wurde hergestellt, die Bataillone verstärkt und neu organisirt, und der Dienst aufs strengste gethan. Mit der Vornahme persönlicher Veränderungen im Heere ging Maroto behutsam zu Werke, und that wider alles Erwarten keine schnellen Schritte. Er sagte ganz richtig, daß man Alle durch gehörige Behandlung gewinnen, und daß es Keinen im Heere gebe, der nicht nützlich seyn könne, sobald man ihn nützlich verwende und verständig placire. So schuf er sich aus den Chefs und Officieren, die eigentlich Parteimänner Teixeiro's waren, die aber einsahen, daß sie mit Großmuth und Gerechtigkeit behandelt wurden, die eifrigsten Freunde. Alle Verbannten und Mißhandelten sahen, wie natürlich, in Maroto ihre einzige Zuflucht, und das Land selbst hoffte nur durch ihn aus den habsüchtigen Klauen der Camarilla gerettet zu werden. Alles bestürmte ihn mit Bitten, doch der General wies bedeutungsvoll auf das immer noch bestehende Ministerium Teixeiro's hin, erklärend, daß er nichts vermöge, so lange es bestehe. Die Officiere, die in Gefangenschaft und Verbannung schmachteten, alle, die ihre Stellen verloren hatten, und mit ihnen das ganze Heer warteten nun mit Ungeduld auf den Sturz des Ministeriums. Maroto seinerseits blieb fortwährend, dem Anschein nach, außer aller weitern Berührung mit dem Hof, und es schien selbst, daß er nach den ersten Versuchen es aufgegeben habe, Teixeiro zu entfernen. Im Geheimen aber dauerte am Hofe der Kampf der Parteien fort. Pater Cyrilo war es, der hier Maroto vertrat und ihn von den Manövern der Apostolischen in steter Kenntniß hielt. Teixeiro hatte die Generale Garcia, Sanz, Guergué, Carmona gewonnen, und suchte durch sie seinen Einfluß im Heere aufrecht zu erhalten. Garcia war Generalcapitän von Navarra und genoß einer großen Popularität im Heere. Er war im Grund ein braver Mann, der schändlich vom Minister mißbraucht wurde, und, ohne es zu ahnen, das größte militärische Verbrechen beging. Sanz, ein Mann ohne Bildung und Grundsätze, ließ sich bestechen und handelte aus natürlichem Haß gegen Maroto. Guergué kennen wir bereits. Der gefährlichste war Carmona, der zweite Chef des Generalstabs, der kühn und verschmitzt genug war, in der nächsten Umgebung die doppelte Rolle des Freundes Maroto's und des stillen Verbündeten Teixeiro's zu spielen. Der Minister war ungemein thätig und schöpfte neue Hoffnung, da der König fortfuhr ihn und sein Cabinet zu beschützen. Er wollte nun den Versuch wagen, ob Maroto seinem Einfluß wiche und sich vielleicht geschmeidig zeige. 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Seiner Gewandtheit glückte es, sich Einfluß am Hofe zu verschaffen, und neben Arias Teixeiro und dem Bischof von Leon Stellung zu erhalten, die mit geheimem Grauen und verschlossener Furcht auf ihn sahen, und in seiner Nähe wie von einem unheimlichen Zauber berührt sich bewegten.</p><lb/> <p>Wenige Tage nach der Erscheinung des Pater Cyrilo betrat die Königin die Provinzen.</p><lb/> <p>Der General Maroto wurde aus Frankreich zurück berufen; ihn hatte die Stimme des Heeres bezeichnet, und Pater Cyrilo hatte sich damit beauftragt – es hängte sich Gewicht an Gewicht; etwas Entscheidendes war zu erwarten. Maroto und Cyrilo waren die natürlichen Häupter der Verbannten, jener im Heere, dieser im Staatsrathe. Der Kampf der Parteien war heftig. Teixeiro und seine Anhänger boten Alles auf, die Berufung Maroto's zum Commando zu hintertreiben. Der König schwankte, und Maroto war schon wieder auf dem Rückwege nach Frankreich; da verlor General Guergué die Schlacht von Peñacerrada. Das Heer drohte sich aufzulösen, die Provinzen forderten stürmisch den General Maroto und die Entfernung Guergué's. Espartero bedrohte Estella. Dieß entschied – Maroto bekam das Commando.</p><lb/> <p>Teixeiro blieb unterdessen Universalminister. Maroto wurde von dem Heer und den Provinzen aufs freudigste empfangen. Er schien vom Hof und der immer gleich mächtigen Camarilla keine weitere Notiz nehmen zu wollen; seine ganze Aufmerksamkeit dem Heere zuwendend, suchte er vor Allem den Geist der Truppen zu erforschen, und sie und ihre Chefs für sich zu gewinnen. Die Politik, die er dabei beobachtete, muß man eine glänzende nennen. Sein erstes Auftreten war leutselig, würdevoll, mit einem gewissen äußern Glanze verbunden, das einen wohlthätigen Contrast mit dem rohen Benehmen und den wüsten Sitten Guergué's und seiner Satelliten bildete und ihm alsbald die Herzen aller ordentlichen Menschen gewann. Die Generale behandelte er mit seinem angebornen Stolze; ohne sie zu kränken, hielt er sie in der nöthigen Entfernung; mit den Chefs der Truppen verhielt er sich anders: ihnen zeigte er Vertrauen, war hingebend gegen sie, munterte die einen auf, leistete andern persönliche Freundschaftsdienste, versprach andern, kurz umfing alle mit einem magischen Bande, das sie an ihn kettete. Für die Truppen war er nicht der Oberbefehlshaber, er war ihr Vater, der nur darauf dachte ihre Bedürfnisse zu befriedigen, der, wo er nicht helfen konnte, das Elend mit ihnen theilte und beklagte, der sie aufmunterte und auf alle mögliche Weise für sie sorgte. Zum erstenmal sah das Heer, daß das Geld, welches von außen kam, wenigstens großentheils zur Bestreitung seiner Bedürfnisse verwendet wurde: es wurden mehrere Soldrückstände ausbezahlt, die Truppen wurden neu gekleidet, die Officiere erhielten reichliche Unterstützung, das ganze Heer schien neu aufzuleben und frischen Lebensmuth zu schöpfen. Die Disciplin wurde hergestellt, die Bataillone verstärkt und neu organisirt, und der Dienst aufs strengste gethan.</p><lb/> <p>Mit der Vornahme persönlicher Veränderungen im Heere ging Maroto behutsam zu Werke, und that wider alles Erwarten keine schnellen Schritte. Er sagte ganz richtig, daß man Alle durch gehörige Behandlung gewinnen, und daß es Keinen im Heere gebe, der nicht nützlich seyn könne, sobald man ihn nützlich verwende und verständig placire. So schuf er sich aus den Chefs und Officieren, die eigentlich Parteimänner Teixeiro's waren, die aber einsahen, daß sie mit Großmuth und Gerechtigkeit behandelt wurden, die eifrigsten Freunde. Alle Verbannten und Mißhandelten sahen, wie natürlich, in Maroto ihre einzige Zuflucht, und das Land selbst hoffte nur durch ihn aus den habsüchtigen Klauen der Camarilla gerettet zu werden. Alles bestürmte ihn mit Bitten, doch der General wies bedeutungsvoll auf das immer noch bestehende Ministerium Teixeiro's hin, erklärend, daß er nichts vermöge, so lange es bestehe. Die Officiere, die in Gefangenschaft und Verbannung schmachteten, alle, die ihre Stellen verloren hatten, und mit ihnen das ganze Heer warteten nun mit Ungeduld auf den Sturz des Ministeriums. Maroto seinerseits blieb fortwährend, dem Anschein nach, außer aller weitern Berührung mit dem Hof, und es schien selbst, daß er nach den ersten Versuchen es aufgegeben habe, Teixeiro zu entfernen. Im Geheimen aber dauerte am Hofe der Kampf der Parteien fort. Pater Cyrilo war es, der hier Maroto vertrat und ihn von den Manövern der Apostolischen in steter Kenntniß hielt.</p><lb/> <p>Teixeiro hatte die Generale Garcia, Sanz, Guergué, Carmona gewonnen, und suchte durch sie seinen Einfluß im Heere aufrecht zu erhalten. Garcia war Generalcapitän von Navarra und genoß einer großen Popularität im Heere. 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Zur Aufhellung der letzten Katastrophe des spanischen Bürgerkriegs.
(Fortsetzung.)
Der Sieg Teixeiros wäre vollständig gewesen, wenn die militärischen Operationen Guergué's ihn einigermaßen unterstützt hätten. Die Unternehmungen dieses Generals waren jedoch alle so ungeschickt und unglücklich, daß das Heer in die bedrängteste Lage kam, und laut seine alten Chefs zurückforderte. Mit der Stimme des Heeres vereinigte sich jene der Bewohner der Provinzen, und der Minister sah sich in der Nothwendigkeit einen neuen Heerführer aufzusuchen.
In diesem Zustand der Dinge erschien mit einemmal der Erzbischof von Cuba, der Pater Cyrilo in dem königlichen Hauptquartier, und – der Vorabend des Tages von Bergara war angebrochen. Wirklich, der Pater Cyrilo, der Rath Ferdinands VII, der Verbündete Calomarde's, der Bischof, dessen Mitra in das Blut des Generals Bezieres getaucht war, wirklich er war im königlichen Hauptquartier! Pater Cyrilo hatte seine Heerde verlassen und war nach Europa zurückgekehrt, hatte die nordischen Höfe besucht, stand in Verbindung mit allen Parteien Spaniens, und war nun am Hofe Karl V. Er sah, würdigte die Umstände, sah die Umgebung des Königs, lernte sie kennen und durchschaute sie und beschloß Karls V aufzugeben; von nun an traf er seine Vorbereitungen. Wer durchschaute ihn? Seiner Gewandtheit glückte es, sich Einfluß am Hofe zu verschaffen, und neben Arias Teixeiro und dem Bischof von Leon Stellung zu erhalten, die mit geheimem Grauen und verschlossener Furcht auf ihn sahen, und in seiner Nähe wie von einem unheimlichen Zauber berührt sich bewegten.
Wenige Tage nach der Erscheinung des Pater Cyrilo betrat die Königin die Provinzen.
Der General Maroto wurde aus Frankreich zurück berufen; ihn hatte die Stimme des Heeres bezeichnet, und Pater Cyrilo hatte sich damit beauftragt – es hängte sich Gewicht an Gewicht; etwas Entscheidendes war zu erwarten. Maroto und Cyrilo waren die natürlichen Häupter der Verbannten, jener im Heere, dieser im Staatsrathe. Der Kampf der Parteien war heftig. Teixeiro und seine Anhänger boten Alles auf, die Berufung Maroto's zum Commando zu hintertreiben. Der König schwankte, und Maroto war schon wieder auf dem Rückwege nach Frankreich; da verlor General Guergué die Schlacht von Peñacerrada. Das Heer drohte sich aufzulösen, die Provinzen forderten stürmisch den General Maroto und die Entfernung Guergué's. Espartero bedrohte Estella. Dieß entschied – Maroto bekam das Commando.
Teixeiro blieb unterdessen Universalminister. Maroto wurde von dem Heer und den Provinzen aufs freudigste empfangen. Er schien vom Hof und der immer gleich mächtigen Camarilla keine weitere Notiz nehmen zu wollen; seine ganze Aufmerksamkeit dem Heere zuwendend, suchte er vor Allem den Geist der Truppen zu erforschen, und sie und ihre Chefs für sich zu gewinnen. Die Politik, die er dabei beobachtete, muß man eine glänzende nennen. Sein erstes Auftreten war leutselig, würdevoll, mit einem gewissen äußern Glanze verbunden, das einen wohlthätigen Contrast mit dem rohen Benehmen und den wüsten Sitten Guergué's und seiner Satelliten bildete und ihm alsbald die Herzen aller ordentlichen Menschen gewann. Die Generale behandelte er mit seinem angebornen Stolze; ohne sie zu kränken, hielt er sie in der nöthigen Entfernung; mit den Chefs der Truppen verhielt er sich anders: ihnen zeigte er Vertrauen, war hingebend gegen sie, munterte die einen auf, leistete andern persönliche Freundschaftsdienste, versprach andern, kurz umfing alle mit einem magischen Bande, das sie an ihn kettete. Für die Truppen war er nicht der Oberbefehlshaber, er war ihr Vater, der nur darauf dachte ihre Bedürfnisse zu befriedigen, der, wo er nicht helfen konnte, das Elend mit ihnen theilte und beklagte, der sie aufmunterte und auf alle mögliche Weise für sie sorgte. Zum erstenmal sah das Heer, daß das Geld, welches von außen kam, wenigstens großentheils zur Bestreitung seiner Bedürfnisse verwendet wurde: es wurden mehrere Soldrückstände ausbezahlt, die Truppen wurden neu gekleidet, die Officiere erhielten reichliche Unterstützung, das ganze Heer schien neu aufzuleben und frischen Lebensmuth zu schöpfen. Die Disciplin wurde hergestellt, die Bataillone verstärkt und neu organisirt, und der Dienst aufs strengste gethan.
Mit der Vornahme persönlicher Veränderungen im Heere ging Maroto behutsam zu Werke, und that wider alles Erwarten keine schnellen Schritte. Er sagte ganz richtig, daß man Alle durch gehörige Behandlung gewinnen, und daß es Keinen im Heere gebe, der nicht nützlich seyn könne, sobald man ihn nützlich verwende und verständig placire. So schuf er sich aus den Chefs und Officieren, die eigentlich Parteimänner Teixeiro's waren, die aber einsahen, daß sie mit Großmuth und Gerechtigkeit behandelt wurden, die eifrigsten Freunde. Alle Verbannten und Mißhandelten sahen, wie natürlich, in Maroto ihre einzige Zuflucht, und das Land selbst hoffte nur durch ihn aus den habsüchtigen Klauen der Camarilla gerettet zu werden. Alles bestürmte ihn mit Bitten, doch der General wies bedeutungsvoll auf das immer noch bestehende Ministerium Teixeiro's hin, erklärend, daß er nichts vermöge, so lange es bestehe. Die Officiere, die in Gefangenschaft und Verbannung schmachteten, alle, die ihre Stellen verloren hatten, und mit ihnen das ganze Heer warteten nun mit Ungeduld auf den Sturz des Ministeriums. Maroto seinerseits blieb fortwährend, dem Anschein nach, außer aller weitern Berührung mit dem Hof, und es schien selbst, daß er nach den ersten Versuchen es aufgegeben habe, Teixeiro zu entfernen. Im Geheimen aber dauerte am Hofe der Kampf der Parteien fort. Pater Cyrilo war es, der hier Maroto vertrat und ihn von den Manövern der Apostolischen in steter Kenntniß hielt.
Teixeiro hatte die Generale Garcia, Sanz, Guergué, Carmona gewonnen, und suchte durch sie seinen Einfluß im Heere aufrecht zu erhalten. Garcia war Generalcapitän von Navarra und genoß einer großen Popularität im Heere. Er war im Grund ein braver Mann, der schändlich vom Minister mißbraucht wurde, und, ohne es zu ahnen, das größte militärische Verbrechen beging. Sanz, ein Mann ohne Bildung und Grundsätze, ließ sich bestechen und handelte aus natürlichem Haß gegen Maroto. Guergué kennen wir bereits. Der gefährlichste war Carmona, der zweite Chef des Generalstabs, der kühn und verschmitzt genug war, in der nächsten Umgebung die doppelte Rolle des Freundes Maroto's und des stillen Verbündeten Teixeiro's zu spielen.
Der Minister war ungemein thätig und schöpfte neue Hoffnung, da der König fortfuhr ihn und sein Cabinet zu beschützen. Er wollte nun den Versuch wagen, ob Maroto seinem Einfluß wiche und sich vielleicht geschmeidig zeige. Die
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