Allgemeine Zeitung. Nr. 83. Augsburg, 23. März 1840.untersuchen. Gewiß hat es keinen Finanzminister gegeben, dessen Hände reiner wären als die meinigen." Nachdem darauf die von dem General Seoane aufgestellte Anklage verlesen worden war, suchte Hr. Cortina diesen gegen die Beschuldigung, als ob er den Grafen Toreno während dessen Abwesenheit angegriffen hätte, zu rechtfertigen, und verlangte ebenfalls, daß die Zulassung des letztern aufgeschoben werde. Hr. Alcala Galiano vertheidigte den Grafen in einer glänzenden Rede, und zeigte, wie despotisch es seyn würde, wenn man einen bloßen Antrag sogleich in eine förmliche Anklage verwandeln wollte. "Bei der Lage, in der wir uns befinden," rief er aus, "müssen wir nicht Oel, sondern Wasser ins Feuer schütten. Man spricht von der öffentlichen Meinung; allein es gibt Meinungen, die sich in Verleumdungen verwandeln, und die Verleumdungen werden zu Dolchstichen. Auf diese Weise erscholl vor 14 Tagen die sogenannte öffentliche Meinung vermittelst verborgener Dolche und Pistolen vor der Thüre des Congresses. Soll sich dieser selbst zu ihrem Wiederhall machen?" Hr. San Miguel griff darauf den Grafen Toreno sehr heftig an, und machte ihm zum Vorwurf, daß er sich während seiner Abwesenheit aus Spanien nicht in den öffentlichen Blättern vertheidigt hätte. "Ich muß daher glauben," sagte er, "daß entweder das Gewissen des Grafen sich nicht frei von Vorwürfen fühlt, oder daß er die größte Verachtung gegen die öffentliche Meinung hegt. Wenn ich wüßte, daß man in China etwas gegen meinen guten Ruf druckte, so würde ich nach China gehen, um meine Ehre zu retten." Da nun abgestimmt werden sollte, ob die Discussion erschöpft wäre, und deßhalb Toreno sich anschickte, den Saal zu verlassen, rief Hr. Olozaga aus: "Ehe der Graf Toreno den Saal verläßt, verlange ich, daß er auf die Beschuldigung, er werde in ganz Europa für einen unredlichen Mann (hombre impuro) gehalten, antworte."... Bei dem großen Lärmen, der sich nun erhob, konnte man nicht vernehmen, was der Graf mit augenscheinlicher Erbitterung erwiederte. Mit 70 Stimmen gegen 64 wurde beschlossen, die Discussion fortzusetzen. Hr. Domenech sprach gegen die Zulassung des Grafen, Hr. Pidal (Dep. für Oviedo) aber mit großem Eifer zu Gunsten desselben. "Die Minorität beruft sich, sagte er, au die öffentliche Meinung. Wollen die Herren von der Minorität etwa hören, was die öffentliche Meinung von ihnen sagt? Hunderte von Anklagen stellen die öffentlichen Blätter gegen gewisse Mitglieder der Minorität auf, gegen welche diese sich nie vertheidigt haben. Wenn der Umstand, daß irgend ein Deputirter eine Anklage gegen einen abgetretenen Minister erhebt, hinreichen soll, um letztern von diesen Bänken auszuschließen, so wird sich die Opposition bald in den Fall gesetzt sehen, den Debatten nicht mehr beiwohnen zu können." Endlich schritt man zur Abstimmung, und 96 Stimmen entschieden gegen 33 die Zulassung des Grafen. - Die Minorität hat mit ihrer gewöhnlichen Verblendung gehandelt, indem sie diese Angelegenheit schon jetzt zur Sprache brachte, wo sie nur als eine von der Parteiwuth eingegebene Waffe erscheint, während späterhin eine geschickte und wohlüberlegte Auffassung derselben den Gegnern Toreno's eine drohende Stellung hätte verschaffen können. Jetzt ist das Schicksal der Anklage selbst im voraus entschieden, da natürlich dieselben, welche für die Zulassung Toreno's stimmten, nicht sehr geneigt seyn können, ihn durch Anerkennung der gegen ihn erhobenen Anklage wieder aus der Mitte des Congresses zu entfernen. Uebrigens ist, wie ich höre, der General Seoane der politischen Intriguen so sehr überdrüssig, und über die Umtriebe der Exaltirten so beschämt, daß er alle Bemühungen, ihn zum Deputirten zu wählen, nachdrücklich zurückgewiesen hat, und daher seine gegen Toreno erhobene Anklage nicht im Congreß erneuern kann. - Die Nachrichten aus den Provinzen lauten sehr beruhigend. In Sevilla war bis zum 3 die Ordnung nicht unterbrochen worden, und dort, so wie in Valencia, wachten die Behörden über die Aufrechthaltung derselben. Großbritannien. London, 14 März. George Byng Esq., dem am 11 März Abends das in Nro. 79 der Allg. Zeitung kurz erwähnte, glänzende Diner zur Feier seines halbhundertjährigen parlamentarischen Jubiläums im Drurylane-Theater gegeben wurde, ist ein jüngerer Bruder Lord Straffords und Abkömmling des berühmten, im Jahr 1649 enthaupteten Grafen v. Strafford, Ministers Karls I. Hr. Byng wurde zuerst im Jahr 1786 für die große Grafschaft Middlesex ins Unterhaus gewählt, und vertritt sie seitdem bereits im fünfzehnten Parlament. (Ein Neffe desselben, Capitän G. St. Byng, ältester Sohn Lord Straffords, sitzt für Chatam im Hause.) Fast die ganze whiggische Nobility und Gentry von London und der Umgegend, sehr viele Mitglieder beider Parlamentshäuser und ein großer Thei der Wählerschaft von Middlesex waren im Theater anwesend. Bühne und Parterre waren verbunden, und mehr als 1200 Gäste nahmen an sechs langen Tischreihen Platz, während alle Logen mit eleganten Damen besetzt waren. Im Hintergrund der Bühne flammten die transparenten Namenszüge der Königin und des Prinzen Albert. Der Gefeierte erschien zwischen Lord Ch. J. Fox Russell und dem Herzog v. Bedford, gefolgt von Lord Holland und dem Grafen v. Albemarle, während das Orchester die Melodie spielte, womit sonst der Herzog v. Wellington bei solchen Gelegenheiten empfangen zu werden pflegt: "Sieh, der Held und Sieger naht." (Ein Umstand, über den die Toryblätter, wie überhaupt über das ganze Fest, großes Gespötte treiben.) Der Empfang der Versammlung war enthusiastisch. Nach beendigter Mahlzeit folgten die Toasts, voran die Gesundheit der Königin. Beifallssturm; alle Damen erheben sich und schwenken die Taschentücher. Bei Absingung des God save the Queen wurde besonderer Accent auf die beiden Zeilen gelegt: "Confound their politics, frustrate their knavish tricks" (d. h. "beschäme, o Gott! ihre - der Tories - Politik, vereitle ihre schnöden Tücken"). Mit gleicher Begeisterung wurden die Toasts auf Prinz Albert und sämmtliche in England anwesende Mitglieder des königlichen Hauses aufgenommen. Als dann mit den Worten des Dichters: "der biedre Patriot und Ehrenmann!" die Gesundheit Georg Byng Esq. ausgebracht worden, erhob sich dieser, um in gerührten Worten zu danken. Einen Rückblick auf seine parlamentarische Laufbahn werfend, äußerte er: "Die erste Erprobung meiner Grundsätze, als ich, nach meinem Vater, die Ehre hatte, von Ihnen gewählt zu werden, geschah in Folge jenes gewaltigen Ereignisses, der französischen Revolution. Das war für mich ein Triumph der Ueberzeugung und des Gefühls, so jung ich noch war. Ich fand mich dadurch geschieden von neun Zehnteln meiner eigenen Partei. Meine nächsten und theuersten Freunde traten von mir zurück, - der einzige Mann von Gewicht, der damals mir zur Seite stand, war mein unvergeßlicher Vetter, der Oheim der edeln Lords, die an meiner Seite sitzen: Francis Herzog v. Bedford. (Zuruf.) Im Hause der Gemeinen saßen wir in unserer Partei so verwaist, daß Hr. Pitt uns einmal höhnend sagte, wir Gönner der französischen Staatsumwälzung könnten in zwei Mithkutschen heimfahren. Er irrte sich, denn wir hätten vier Miethkutschen gebraucht. (Gelächter.) Indeß, meine Herren! der französischen Revolution hatte ich mein inniges untersuchen. Gewiß hat es keinen Finanzminister gegeben, dessen Hände reiner wären als die meinigen.“ Nachdem darauf die von dem General Seoane aufgestellte Anklage verlesen worden war, suchte Hr. Cortina diesen gegen die Beschuldigung, als ob er den Grafen Toreno während dessen Abwesenheit angegriffen hätte, zu rechtfertigen, und verlangte ebenfalls, daß die Zulassung des letztern aufgeschoben werde. Hr. Alcalá Galiano vertheidigte den Grafen in einer glänzenden Rede, und zeigte, wie despotisch es seyn würde, wenn man einen bloßen Antrag sogleich in eine förmliche Anklage verwandeln wollte. „Bei der Lage, in der wir uns befinden,“ rief er aus, „müssen wir nicht Oel, sondern Wasser ins Feuer schütten. Man spricht von der öffentlichen Meinung; allein es gibt Meinungen, die sich in Verleumdungen verwandeln, und die Verleumdungen werden zu Dolchstichen. Auf diese Weise erscholl vor 14 Tagen die sogenannte öffentliche Meinung vermittelst verborgener Dolche und Pistolen vor der Thüre des Congresses. Soll sich dieser selbst zu ihrem Wiederhall machen?“ Hr. San Miguel griff darauf den Grafen Toreno sehr heftig an, und machte ihm zum Vorwurf, daß er sich während seiner Abwesenheit aus Spanien nicht in den öffentlichen Blättern vertheidigt hätte. „Ich muß daher glauben,“ sagte er, „daß entweder das Gewissen des Grafen sich nicht frei von Vorwürfen fühlt, oder daß er die größte Verachtung gegen die öffentliche Meinung hegt. Wenn ich wüßte, daß man in China etwas gegen meinen guten Ruf druckte, so würde ich nach China gehen, um meine Ehre zu retten.“ Da nun abgestimmt werden sollte, ob die Discussion erschöpft wäre, und deßhalb Toreno sich anschickte, den Saal zu verlassen, rief Hr. Olozaga aus: „Ehe der Graf Toreno den Saal verläßt, verlange ich, daß er auf die Beschuldigung, er werde in ganz Europa für einen unredlichen Mann (hombre impuro) gehalten, antworte.“... Bei dem großen Lärmen, der sich nun erhob, konnte man nicht vernehmen, was der Graf mit augenscheinlicher Erbitterung erwiederte. Mit 70 Stimmen gegen 64 wurde beschlossen, die Discussion fortzusetzen. Hr. Domenech sprach gegen die Zulassung des Grafen, Hr. Pidal (Dep. für Oviedo) aber mit großem Eifer zu Gunsten desselben. „Die Minorität beruft sich, sagte er, au die öffentliche Meinung. Wollen die Herren von der Minorität etwa hören, was die öffentliche Meinung von ihnen sagt? Hunderte von Anklagen stellen die öffentlichen Blätter gegen gewisse Mitglieder der Minorität auf, gegen welche diese sich nie vertheidigt haben. Wenn der Umstand, daß irgend ein Deputirter eine Anklage gegen einen abgetretenen Minister erhebt, hinreichen soll, um letztern von diesen Bänken auszuschließen, so wird sich die Opposition bald in den Fall gesetzt sehen, den Debatten nicht mehr beiwohnen zu können.“ Endlich schritt man zur Abstimmung, und 96 Stimmen entschieden gegen 33 die Zulassung des Grafen. – Die Minorität hat mit ihrer gewöhnlichen Verblendung gehandelt, indem sie diese Angelegenheit schon jetzt zur Sprache brachte, wo sie nur als eine von der Parteiwuth eingegebene Waffe erscheint, während späterhin eine geschickte und wohlüberlegte Auffassung derselben den Gegnern Toreno's eine drohende Stellung hätte verschaffen können. Jetzt ist das Schicksal der Anklage selbst im voraus entschieden, da natürlich dieselben, welche für die Zulassung Toreno's stimmten, nicht sehr geneigt seyn können, ihn durch Anerkennung der gegen ihn erhobenen Anklage wieder aus der Mitte des Congresses zu entfernen. Uebrigens ist, wie ich höre, der General Seoane der politischen Intriguen so sehr überdrüssig, und über die Umtriebe der Exaltirten so beschämt, daß er alle Bemühungen, ihn zum Deputirten zu wählen, nachdrücklich zurückgewiesen hat, und daher seine gegen Toreno erhobene Anklage nicht im Congreß erneuern kann. – Die Nachrichten aus den Provinzen lauten sehr beruhigend. In Sevilla war bis zum 3 die Ordnung nicht unterbrochen worden, und dort, so wie in Valencia, wachten die Behörden über die Aufrechthaltung derselben. Großbritannien. London, 14 März. George Byng Esq., dem am 11 März Abends das in Nro. 79 der Allg. Zeitung kurz erwähnte, glänzende Diner zur Feier seines halbhundertjährigen parlamentarischen Jubiläums im Drurylane-Theater gegeben wurde, ist ein jüngerer Bruder Lord Straffords und Abkömmling des berühmten, im Jahr 1649 enthaupteten Grafen v. Strafford, Ministers Karls I. Hr. Byng wurde zuerst im Jahr 1786 für die große Grafschaft Middlesex ins Unterhaus gewählt, und vertritt sie seitdem bereits im fünfzehnten Parlament. (Ein Neffe desselben, Capitän G. St. Byng, ältester Sohn Lord Straffords, sitzt für Chatam im Hause.) Fast die ganze whiggische Nobility und Gentry von London und der Umgegend, sehr viele Mitglieder beider Parlamentshäuser und ein großer Thei der Wählerschaft von Middlesex waren im Theater anwesend. Bühne und Parterre waren verbunden, und mehr als 1200 Gäste nahmen an sechs langen Tischreihen Platz, während alle Logen mit eleganten Damen besetzt waren. Im Hintergrund der Bühne flammten die transparenten Namenszüge der Königin und des Prinzen Albert. Der Gefeierte erschien zwischen Lord Ch. J. Fox Russell und dem Herzog v. Bedford, gefolgt von Lord Holland und dem Grafen v. Albemarle, während das Orchester die Melodie spielte, womit sonst der Herzog v. Wellington bei solchen Gelegenheiten empfangen zu werden pflegt: „Sieh, der Held und Sieger naht.“ (Ein Umstand, über den die Toryblätter, wie überhaupt über das ganze Fest, großes Gespötte treiben.) Der Empfang der Versammlung war enthusiastisch. Nach beendigter Mahlzeit folgten die Toasts, voran die Gesundheit der Königin. Beifallssturm; alle Damen erheben sich und schwenken die Taschentücher. Bei Absingung des God save the Queen wurde besonderer Accent auf die beiden Zeilen gelegt: „Confound their politics, frustrate their knavish tricks“ (d. h. „beschäme, o Gott! ihre – der Tories – Politik, vereitle ihre schnöden Tücken“). Mit gleicher Begeisterung wurden die Toasts auf Prinz Albert und sämmtliche in England anwesende Mitglieder des königlichen Hauses aufgenommen. Als dann mit den Worten des Dichters: „der biedre Patriot und Ehrenmann!“ die Gesundheit Georg Byng Esq. ausgebracht worden, erhob sich dieser, um in gerührten Worten zu danken. Einen Rückblick auf seine parlamentarische Laufbahn werfend, äußerte er: „Die erste Erprobung meiner Grundsätze, als ich, nach meinem Vater, die Ehre hatte, von Ihnen gewählt zu werden, geschah in Folge jenes gewaltigen Ereignisses, der französischen Revolution. Das war für mich ein Triumph der Ueberzeugung und des Gefühls, so jung ich noch war. Ich fand mich dadurch geschieden von neun Zehnteln meiner eigenen Partei. Meine nächsten und theuersten Freunde traten von mir zurück, – der einzige Mann von Gewicht, der damals mir zur Seite stand, war mein unvergeßlicher Vetter, der Oheim der edeln Lords, die an meiner Seite sitzen: Francis Herzog v. Bedford. (Zuruf.) Im Hause der Gemeinen saßen wir in unserer Partei so verwaist, daß Hr. Pitt uns einmal höhnend sagte, wir Gönner der französischen Staatsumwälzung könnten in zwei Mithkutschen heimfahren. Er irrte sich, denn wir hätten vier Miethkutschen gebraucht. (Gelächter.) Indeß, meine Herren! der französischen Revolution hatte ich mein inniges <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0011" n="0659"/> untersuchen. Gewiß hat es keinen Finanzminister gegeben, dessen Hände reiner wären als die meinigen.“ Nachdem darauf die von dem General Seoane aufgestellte Anklage verlesen worden war, suchte Hr. <hi rendition="#g">Cortina</hi> diesen gegen die Beschuldigung, als ob er den Grafen Toreno während dessen Abwesenheit angegriffen hätte, zu rechtfertigen, und verlangte ebenfalls, daß die Zulassung des letztern aufgeschoben werde. Hr. <hi rendition="#g">Alcalá Galiano</hi> vertheidigte den Grafen in einer glänzenden Rede, und zeigte, wie despotisch es seyn würde, wenn man einen bloßen Antrag sogleich in eine förmliche Anklage verwandeln wollte. „Bei der Lage, in der wir uns befinden,“ rief er aus, „müssen wir nicht Oel, sondern Wasser ins Feuer schütten. Man spricht von der öffentlichen Meinung; allein es gibt Meinungen, die sich in Verleumdungen verwandeln, und die Verleumdungen werden zu Dolchstichen. Auf diese Weise erscholl vor 14 Tagen die sogenannte öffentliche Meinung vermittelst verborgener Dolche und Pistolen vor der Thüre des Congresses. Soll sich dieser selbst zu ihrem Wiederhall machen?“ Hr. <hi rendition="#g">San Miguel</hi> griff darauf den Grafen Toreno sehr heftig an, und machte ihm zum Vorwurf, daß er sich während seiner Abwesenheit aus Spanien nicht in den öffentlichen Blättern vertheidigt hätte. „Ich muß daher glauben,“ sagte er, „daß entweder das Gewissen des Grafen sich nicht frei von Vorwürfen fühlt, oder daß er die größte Verachtung gegen die öffentliche Meinung hegt. Wenn ich wüßte, daß man in China etwas gegen meinen guten Ruf druckte, so würde ich nach China gehen, um meine Ehre zu retten.“ Da nun abgestimmt werden sollte, ob die Discussion erschöpft wäre, und deßhalb Toreno sich anschickte, den Saal zu verlassen, rief Hr. <hi rendition="#g">Olozaga</hi> aus: „Ehe der Graf Toreno den Saal verläßt, verlange ich, daß er auf die Beschuldigung, er werde in ganz Europa für einen unredlichen Mann (hombre impuro) gehalten, antworte.“... Bei dem großen Lärmen, der sich nun erhob, konnte man nicht vernehmen, was der Graf mit augenscheinlicher Erbitterung erwiederte. Mit 70 Stimmen gegen 64 wurde beschlossen, die Discussion fortzusetzen. Hr. <hi rendition="#g">Domenech</hi> sprach gegen die Zulassung des Grafen, Hr. <hi rendition="#g">Pidal</hi> (Dep. für Oviedo) aber mit großem Eifer zu Gunsten desselben. „Die Minorität beruft sich, sagte er, au die öffentliche Meinung. Wollen die Herren von der Minorität etwa hören, was die öffentliche Meinung von ihnen sagt? Hunderte von Anklagen stellen die öffentlichen Blätter gegen gewisse Mitglieder der Minorität auf, gegen welche diese sich nie vertheidigt haben. Wenn der Umstand, daß irgend ein Deputirter eine Anklage gegen einen abgetretenen Minister erhebt, hinreichen soll, um letztern von diesen Bänken auszuschließen, so wird sich die Opposition bald in den Fall gesetzt sehen, den Debatten nicht mehr beiwohnen zu können.“ Endlich schritt man zur Abstimmung, und 96 Stimmen entschieden gegen 33 die Zulassung des Grafen. – Die Minorität hat mit ihrer gewöhnlichen Verblendung gehandelt, indem sie diese Angelegenheit schon jetzt zur Sprache brachte, wo sie nur als eine von der Parteiwuth eingegebene Waffe erscheint, während späterhin eine geschickte und wohlüberlegte Auffassung derselben den Gegnern Toreno's eine drohende Stellung hätte verschaffen können. Jetzt ist das Schicksal der Anklage selbst im voraus entschieden, da natürlich dieselben, welche für die Zulassung Toreno's stimmten, nicht sehr geneigt seyn können, ihn durch Anerkennung der gegen ihn erhobenen Anklage wieder aus der Mitte des Congresses zu entfernen. Uebrigens ist, wie ich höre, der General Seoane der politischen Intriguen so sehr überdrüssig, und über die Umtriebe der Exaltirten so beschämt, daß er alle Bemühungen, ihn zum Deputirten zu wählen, nachdrücklich zurückgewiesen hat, und daher seine gegen Toreno erhobene Anklage nicht im Congreß erneuern kann. – Die Nachrichten aus den Provinzen lauten sehr beruhigend. In Sevilla war bis zum 3 die Ordnung nicht unterbrochen worden, und dort, so wie in Valencia, wachten die Behörden über die Aufrechthaltung derselben.</p><lb/> </div> </div><lb/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Großbritannien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <byline> <docAuthor> <gap reason="insignificant"/> </docAuthor> </byline> <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 14 März.</dateline> <p> George Byng Esq., dem am 11 März Abends das in Nro. 79 der Allg. Zeitung kurz erwähnte, glänzende Diner zur Feier seines halbhundertjährigen parlamentarischen Jubiläums im Drurylane-Theater gegeben wurde, ist ein jüngerer Bruder Lord Straffords und Abkömmling des berühmten, im Jahr 1649 enthaupteten Grafen v. Strafford, Ministers Karls I. Hr. Byng wurde zuerst im Jahr 1786 für die große Grafschaft Middlesex ins Unterhaus gewählt, und vertritt sie seitdem bereits im fünfzehnten Parlament. (Ein Neffe desselben, Capitän G. St. Byng, ältester Sohn Lord Straffords, sitzt für Chatam im Hause.) Fast die ganze whiggische Nobility und Gentry von London und der Umgegend, sehr viele Mitglieder beider Parlamentshäuser und ein großer Thei der Wählerschaft von Middlesex waren im Theater anwesend. Bühne und Parterre waren verbunden, und mehr als 1200 Gäste nahmen an sechs langen Tischreihen Platz, während alle Logen mit eleganten Damen besetzt waren. Im Hintergrund der Bühne flammten die transparenten Namenszüge der Königin und des Prinzen Albert. Der Gefeierte erschien zwischen Lord Ch. J. Fox Russell und dem Herzog v. Bedford, gefolgt von Lord Holland und dem Grafen v. Albemarle, während das Orchester die Melodie spielte, womit sonst der Herzog v. Wellington bei solchen Gelegenheiten empfangen zu werden pflegt: „Sieh, der Held und Sieger naht.“ (Ein Umstand, über den die Toryblätter, wie überhaupt über das ganze Fest, großes Gespötte treiben.) Der Empfang der Versammlung war enthusiastisch. Nach beendigter Mahlzeit folgten die Toasts, voran die Gesundheit der Königin. Beifallssturm; alle Damen erheben sich und schwenken die Taschentücher. Bei Absingung des God save the Queen wurde besonderer Accent auf die beiden Zeilen gelegt: „Confound their politics, frustrate their knavish tricks“ (d. h. „beschäme, o Gott! ihre – der Tories – Politik, vereitle ihre schnöden Tücken“). Mit gleicher Begeisterung wurden die Toasts auf Prinz Albert und sämmtliche in England anwesende Mitglieder des königlichen Hauses aufgenommen. Als dann mit den Worten des Dichters: „der biedre Patriot und Ehrenmann!“ die Gesundheit Georg Byng Esq. ausgebracht worden, erhob sich dieser, um in gerührten Worten zu danken. Einen Rückblick auf seine parlamentarische Laufbahn werfend, äußerte er: „Die erste Erprobung meiner Grundsätze, als ich, nach meinem Vater, die Ehre hatte, von Ihnen gewählt zu werden, geschah in Folge jenes gewaltigen Ereignisses, der französischen Revolution. Das war für mich ein Triumph der Ueberzeugung und des Gefühls, so jung ich noch war. Ich fand mich dadurch geschieden von neun Zehnteln meiner eigenen Partei. Meine nächsten und theuersten Freunde traten von mir zurück, – der einzige Mann von Gewicht, der damals mir zur Seite stand, war mein unvergeßlicher Vetter, der Oheim der edeln Lords, die an meiner Seite sitzen: Francis Herzog v. Bedford. (Zuruf.) Im Hause der Gemeinen saßen wir in unserer Partei so verwaist, daß Hr. Pitt uns einmal höhnend sagte, wir Gönner der französischen Staatsumwälzung könnten in zwei Mithkutschen heimfahren. Er irrte sich, denn wir hätten vier Miethkutschen gebraucht. (Gelächter.) Indeß, meine Herren! der französischen Revolution hatte ich mein inniges<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0659/0011]
untersuchen. Gewiß hat es keinen Finanzminister gegeben, dessen Hände reiner wären als die meinigen.“ Nachdem darauf die von dem General Seoane aufgestellte Anklage verlesen worden war, suchte Hr. Cortina diesen gegen die Beschuldigung, als ob er den Grafen Toreno während dessen Abwesenheit angegriffen hätte, zu rechtfertigen, und verlangte ebenfalls, daß die Zulassung des letztern aufgeschoben werde. Hr. Alcalá Galiano vertheidigte den Grafen in einer glänzenden Rede, und zeigte, wie despotisch es seyn würde, wenn man einen bloßen Antrag sogleich in eine förmliche Anklage verwandeln wollte. „Bei der Lage, in der wir uns befinden,“ rief er aus, „müssen wir nicht Oel, sondern Wasser ins Feuer schütten. Man spricht von der öffentlichen Meinung; allein es gibt Meinungen, die sich in Verleumdungen verwandeln, und die Verleumdungen werden zu Dolchstichen. Auf diese Weise erscholl vor 14 Tagen die sogenannte öffentliche Meinung vermittelst verborgener Dolche und Pistolen vor der Thüre des Congresses. Soll sich dieser selbst zu ihrem Wiederhall machen?“ Hr. San Miguel griff darauf den Grafen Toreno sehr heftig an, und machte ihm zum Vorwurf, daß er sich während seiner Abwesenheit aus Spanien nicht in den öffentlichen Blättern vertheidigt hätte. „Ich muß daher glauben,“ sagte er, „daß entweder das Gewissen des Grafen sich nicht frei von Vorwürfen fühlt, oder daß er die größte Verachtung gegen die öffentliche Meinung hegt. Wenn ich wüßte, daß man in China etwas gegen meinen guten Ruf druckte, so würde ich nach China gehen, um meine Ehre zu retten.“ Da nun abgestimmt werden sollte, ob die Discussion erschöpft wäre, und deßhalb Toreno sich anschickte, den Saal zu verlassen, rief Hr. Olozaga aus: „Ehe der Graf Toreno den Saal verläßt, verlange ich, daß er auf die Beschuldigung, er werde in ganz Europa für einen unredlichen Mann (hombre impuro) gehalten, antworte.“... Bei dem großen Lärmen, der sich nun erhob, konnte man nicht vernehmen, was der Graf mit augenscheinlicher Erbitterung erwiederte. Mit 70 Stimmen gegen 64 wurde beschlossen, die Discussion fortzusetzen. Hr. Domenech sprach gegen die Zulassung des Grafen, Hr. Pidal (Dep. für Oviedo) aber mit großem Eifer zu Gunsten desselben. „Die Minorität beruft sich, sagte er, au die öffentliche Meinung. Wollen die Herren von der Minorität etwa hören, was die öffentliche Meinung von ihnen sagt? Hunderte von Anklagen stellen die öffentlichen Blätter gegen gewisse Mitglieder der Minorität auf, gegen welche diese sich nie vertheidigt haben. Wenn der Umstand, daß irgend ein Deputirter eine Anklage gegen einen abgetretenen Minister erhebt, hinreichen soll, um letztern von diesen Bänken auszuschließen, so wird sich die Opposition bald in den Fall gesetzt sehen, den Debatten nicht mehr beiwohnen zu können.“ Endlich schritt man zur Abstimmung, und 96 Stimmen entschieden gegen 33 die Zulassung des Grafen. – Die Minorität hat mit ihrer gewöhnlichen Verblendung gehandelt, indem sie diese Angelegenheit schon jetzt zur Sprache brachte, wo sie nur als eine von der Parteiwuth eingegebene Waffe erscheint, während späterhin eine geschickte und wohlüberlegte Auffassung derselben den Gegnern Toreno's eine drohende Stellung hätte verschaffen können. Jetzt ist das Schicksal der Anklage selbst im voraus entschieden, da natürlich dieselben, welche für die Zulassung Toreno's stimmten, nicht sehr geneigt seyn können, ihn durch Anerkennung der gegen ihn erhobenen Anklage wieder aus der Mitte des Congresses zu entfernen. Uebrigens ist, wie ich höre, der General Seoane der politischen Intriguen so sehr überdrüssig, und über die Umtriebe der Exaltirten so beschämt, daß er alle Bemühungen, ihn zum Deputirten zu wählen, nachdrücklich zurückgewiesen hat, und daher seine gegen Toreno erhobene Anklage nicht im Congreß erneuern kann. – Die Nachrichten aus den Provinzen lauten sehr beruhigend. In Sevilla war bis zum 3 die Ordnung nicht unterbrochen worden, und dort, so wie in Valencia, wachten die Behörden über die Aufrechthaltung derselben.
Großbritannien.
_ London, 14 März. George Byng Esq., dem am 11 März Abends das in Nro. 79 der Allg. Zeitung kurz erwähnte, glänzende Diner zur Feier seines halbhundertjährigen parlamentarischen Jubiläums im Drurylane-Theater gegeben wurde, ist ein jüngerer Bruder Lord Straffords und Abkömmling des berühmten, im Jahr 1649 enthaupteten Grafen v. Strafford, Ministers Karls I. Hr. Byng wurde zuerst im Jahr 1786 für die große Grafschaft Middlesex ins Unterhaus gewählt, und vertritt sie seitdem bereits im fünfzehnten Parlament. (Ein Neffe desselben, Capitän G. St. Byng, ältester Sohn Lord Straffords, sitzt für Chatam im Hause.) Fast die ganze whiggische Nobility und Gentry von London und der Umgegend, sehr viele Mitglieder beider Parlamentshäuser und ein großer Thei der Wählerschaft von Middlesex waren im Theater anwesend. Bühne und Parterre waren verbunden, und mehr als 1200 Gäste nahmen an sechs langen Tischreihen Platz, während alle Logen mit eleganten Damen besetzt waren. Im Hintergrund der Bühne flammten die transparenten Namenszüge der Königin und des Prinzen Albert. Der Gefeierte erschien zwischen Lord Ch. J. Fox Russell und dem Herzog v. Bedford, gefolgt von Lord Holland und dem Grafen v. Albemarle, während das Orchester die Melodie spielte, womit sonst der Herzog v. Wellington bei solchen Gelegenheiten empfangen zu werden pflegt: „Sieh, der Held und Sieger naht.“ (Ein Umstand, über den die Toryblätter, wie überhaupt über das ganze Fest, großes Gespötte treiben.) Der Empfang der Versammlung war enthusiastisch. Nach beendigter Mahlzeit folgten die Toasts, voran die Gesundheit der Königin. Beifallssturm; alle Damen erheben sich und schwenken die Taschentücher. Bei Absingung des God save the Queen wurde besonderer Accent auf die beiden Zeilen gelegt: „Confound their politics, frustrate their knavish tricks“ (d. h. „beschäme, o Gott! ihre – der Tories – Politik, vereitle ihre schnöden Tücken“). Mit gleicher Begeisterung wurden die Toasts auf Prinz Albert und sämmtliche in England anwesende Mitglieder des königlichen Hauses aufgenommen. Als dann mit den Worten des Dichters: „der biedre Patriot und Ehrenmann!“ die Gesundheit Georg Byng Esq. ausgebracht worden, erhob sich dieser, um in gerührten Worten zu danken. Einen Rückblick auf seine parlamentarische Laufbahn werfend, äußerte er: „Die erste Erprobung meiner Grundsätze, als ich, nach meinem Vater, die Ehre hatte, von Ihnen gewählt zu werden, geschah in Folge jenes gewaltigen Ereignisses, der französischen Revolution. Das war für mich ein Triumph der Ueberzeugung und des Gefühls, so jung ich noch war. Ich fand mich dadurch geschieden von neun Zehnteln meiner eigenen Partei. Meine nächsten und theuersten Freunde traten von mir zurück, – der einzige Mann von Gewicht, der damals mir zur Seite stand, war mein unvergeßlicher Vetter, der Oheim der edeln Lords, die an meiner Seite sitzen: Francis Herzog v. Bedford. (Zuruf.) Im Hause der Gemeinen saßen wir in unserer Partei so verwaist, daß Hr. Pitt uns einmal höhnend sagte, wir Gönner der französischen Staatsumwälzung könnten in zwei Mithkutschen heimfahren. Er irrte sich, denn wir hätten vier Miethkutschen gebraucht. (Gelächter.) Indeß, meine Herren! der französischen Revolution hatte ich mein inniges
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |