Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 88. Augsburg, 28. März 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

daß die lebenslänglichen Mitglieder des Schatzcollegs zum Theil in die erste, zum Theil in die zweite Kammer eintreten. Ein Landtag dauert regelmäßig sechs Jahre, und die Stände werden alle drei Jahre berufen. Die allgemeine Ständeversammlung hat das Recht der Zustimmung zur Erlassung, Wiederaufhebung Abänderung und authentischen Interpretation: a) aller Gesetze über die Steuern; b) aller derjenigen gesetzlichen Bestimmungen, welche einen directen Eingriff in das Privateigenthum enthalten; c) aller derjenigen gesetzlichen Bestimmungen, wodurch den Unterthanen oder einzelnen Classen derselben neue Lasten und Leistungen aufgelegt oder die bestehenden erhöht werden sollen. Zu der Erlassung, Wiederaufhebung, Abänderung und authentischen Interpretation gesetzlicher Bestimmungen anderer Art wird das rathsame Gutachten der allgemeinen Ständeversammlung erfordert. Das Recht der ständischen Mitwirkung erstreckt sich nur auf den wesentlichen Inhalt der Gesetze. Dem Könige verbleibt das Recht, dieselben nach Maaßgabe der verfassungsmäßig festgestellten Grundsätze ausarbeiten und sodann verkündigen zu lassen. Die Verwaltung der Domänen und Regalien, so wie ihrer Auskünfte, hängt allein vom Könige ab. Ueber die Ausgaben, welche aus der Landescasse zu bestreiten sind, soll der allgemeinen Ständeversammlung in jeder ordentlichen Diät, also alle drei Jahre, ein nach Hauptdienstzweigen gesondertes Budget vorgelegt werden. Die allgemeine Ständeversammlung hat das Recht, das Budget zu prüfen und zu bewilligen. Gleichzeitig wird der allgemeinen Ständeversammlung ein Anschlag der zu deren Bestreitung erforderlichen Einnahmen an Steuern vorgelegt werden. Die Steuern bedürfen der Bewilligung der allgemeinen Ständeversammlung, welche jedesmal für die nächste dreijährige Finanzperiode auszusprechen ist. Wenn die in dieser Verfassungsurkunde begründete landständische Verfassung auf verfassungswidrige Art aufgehoben würde, so ist das Schatzcollegium berechtigt und verpflichtet, den König um Aufrechthaltung jener Verfassung oder um schleunige Berufung der in Gemäßheit derselben bestehenden allgemeinen Ständeversammlung zu bitten, und, wenn dieser Schritt fruchtlos bleiben sollte, den Schutz des deutschen Bundes für die aufgehobene landständische Verfassung anzurufen. (Hannov. Z.)

Preußen.

Der Sturz des belgischen Ministeriums hat bei uns einen größeren Eindruck hervorgebracht, als der des französischen. Der erstere berührt die Interessen unserer Provinz auf eine ziemlich directe Weise, indem dadurch die Förderung unserer Eisenbahn eine neue Verzögerung erleidet. Man hat sich hier ziemlich allgemein darüber gewundert, daß das Ministerium de Theux, das mit der Direction der rheinischen Eisenbahn einen Contract wegen Uebernahme der 4000 Actien geschlossen, welche drei Kölner Bankiers derselben wieder zurückgestellt hatten, diesen Vertrag so lange den Kammern vorzulegen säumte und den unwesentlichsten Gesetzesvorschlägen den Vorzug gab. Der Contract sollte schon im Februar ratificirt seyn, und war im März noch nicht einmal zur Discussion gekommen. Der Grund dieser Verzögerung war aber einzig der, daß man die Stimmung der Kammer kannte, von welcher ein ziemlich bedeutender Theil sich der Genehmigung jenes Vertrags widersetzte. Nur sehr Weni e allerdings verkannten den großen Werth, welchen ein Anschluß Belgiens an unsere Eisenbahn für den belgischen Verkehr haben müßte, aber gerade diese Wenigen gehörten zu den heftigsten Opponenten, und sonderbar genug, gehörten sie zu den Deputirten der Gränzdistricte. Als einer der entschiedensten Gegner sprach sich laut der Deputirte von Verviers aus. Er aber, wie einige andere Deputirte von Lüttich schienen von dem eben so egoistischen, als falschen Gesichtspunkte auszugehen, daß eine Unterbrechung der Bahn zwischen Aachen und Verviers die letztere Stadt zu einem großen Entrepot machen würde, als ob die kleinste Unterbrechung, die mit doppelter Umladung und so vielen andern Unbequemlichkeiten verbunden wäre, nicht den ganzen Waarenzug von Antwerpen nach dem Rhein verhindern würde. Sie fanden Unterstützung bei denjenigen ihrer Collegen, welche der Meinung waren, daß der Staat übervortheilt werde, wenn er für eine Million Actien Pari kaufe, die jetzt nur einige achtzig Procent stehen. Sie vergessen aber, daß die Actien ganz außer dem Handel sind, daß der Ankauf von nur 100,000 Thalern sie schon über 90 Proc., der einer Million sie aber schnell über Pari treiben würde. Trotzdem hielt das Ministerium es für nöthig, die Discussion noch aufzuschieben, um die öffentliche Meinung während deß besser aufklären zu können, und es lud dasselbe den Director des Unternehmens nach Brüssel ein, um ihm dabei mit gutem Rath an die Hand zu gehen. Eine andere Besorgniß, welche es hegte, daß das ursprün liche Capital zur Vollendung der Bahn nicht hinreichen und daß also Belgien sich zu neuen Opfern genöthigt sehen würde, wurde dadurch zerstreut, daß auch der technische Director sich nach Brüssel verfügte und dem Ministerium die vollständigsten Aufschlüsse über den Gang des ganzen Unternehmens gab. Die Sache war endlich zur Reife gediehen, als so unerwartet das dem großen Werke günstig gestimmte Cabinet seinen Austritt nehmen mußte. Die Sache ist dadurch aufs neue in Stocken gerathen, und man muß wieder erst die Bildung einer neuen Regierung abwarten. Daß diese, wie sie auch zusammengesetzt werden möge, den Anschluß mit gleichen Eifer betreiben werde, ist jedoch nicht zu bezweifeln, da es in derselben nicht an praktischen Männern fehlen wird, und der König selbst, welcher der Schöpfer der Eisenbahnen in Belgien genannt werden kann, sich lebhaft dafür interessirt. Aber die vielleicht langwierige Zögerung, die jetzt nothwendig wieder eintritt, erregt eine ziemlich allgemeine Verstimmung, die sich zunächst wieder gegen die ursprünglichen Besitzer jener Actien wendet, welche durch ihre Verfahrungsweise die Beendigung der Bahn länger aufgehalten haben, als sonst nöthig gewesen wäre.

Rußland.

Das letzte Bulletin der Expedition nach Chiwa soll in St. Petersburg nicht eben einen günstigen Eindruck gemacht haben, da augenscheinlich in demselben noch mehr verhüllt, als ausgesprochen ist. Namentlich fürchtet man, daß durch die strenge Kälte ein Theil der Kamele aufgerieben worden, die dann in den Steppen nicht leicht wieder zu ersetzen seyn möchten. Es ist auffallend, daß gerade um dieselbe Zeit (zu Ende Januars und Anfang Februars), wo es in Europa so ungewöhnlich mild für die Jahreszeit war, die Russen mit einer für den Breitengrad der Kirgisensteppe nicht minder ungewöhnlichen Kälte in Asien zu kämpfen hatten. Es frägt sich nun, ob man bei dem strengen Nachwinter Europa's ebenfalls auf die umgekehrte Erscheinung in Asien schließen darf. - Des Grafen Gurowski kürzlich angekündigtes Buch: La Civilisation et la Russie ist nunmehr hier angekommen. Es ist in Petersburg in der Officin des Journal de St. Petersbourg mit splendider Ausstattung gedruckt und im Commissionsverlage einer dortigen Buchhandlung erschienen. Der Verfasser hat sich in diesem Werk die Aufgabe gestellt, darzuthun, daß das Russenthum die Blüthe des Slawismus sey. Zu diesem Behufe wird einerseits die russische Kirche hochgestellt, die sich durch die Fernhaltung alles Lateinischen die slawische Reinheit zu

daß die lebenslänglichen Mitglieder des Schatzcollegs zum Theil in die erste, zum Theil in die zweite Kammer eintreten. Ein Landtag dauert regelmäßig sechs Jahre, und die Stände werden alle drei Jahre berufen. Die allgemeine Ständeversammlung hat das Recht der Zustimmung zur Erlassung, Wiederaufhebung Abänderung und authentischen Interpretation: a) aller Gesetze über die Steuern; b) aller derjenigen gesetzlichen Bestimmungen, welche einen directen Eingriff in das Privateigenthum enthalten; c) aller derjenigen gesetzlichen Bestimmungen, wodurch den Unterthanen oder einzelnen Classen derselben neue Lasten und Leistungen aufgelegt oder die bestehenden erhöht werden sollen. Zu der Erlassung, Wiederaufhebung, Abänderung und authentischen Interpretation gesetzlicher Bestimmungen anderer Art wird das rathsame Gutachten der allgemeinen Ständeversammlung erfordert. Das Recht der ständischen Mitwirkung erstreckt sich nur auf den wesentlichen Inhalt der Gesetze. Dem Könige verbleibt das Recht, dieselben nach Maaßgabe der verfassungsmäßig festgestellten Grundsätze ausarbeiten und sodann verkündigen zu lassen. Die Verwaltung der Domänen und Regalien, so wie ihrer Auskünfte, hängt allein vom Könige ab. Ueber die Ausgaben, welche aus der Landescasse zu bestreiten sind, soll der allgemeinen Ständeversammlung in jeder ordentlichen Diät, also alle drei Jahre, ein nach Hauptdienstzweigen gesondertes Budget vorgelegt werden. Die allgemeine Ständeversammlung hat das Recht, das Budget zu prüfen und zu bewilligen. Gleichzeitig wird der allgemeinen Ständeversammlung ein Anschlag der zu deren Bestreitung erforderlichen Einnahmen an Steuern vorgelegt werden. Die Steuern bedürfen der Bewilligung der allgemeinen Ständeversammlung, welche jedesmal für die nächste dreijährige Finanzperiode auszusprechen ist. Wenn die in dieser Verfassungsurkunde begründete landständische Verfassung auf verfassungswidrige Art aufgehoben würde, so ist das Schatzcollegium berechtigt und verpflichtet, den König um Aufrechthaltung jener Verfassung oder um schleunige Berufung der in Gemäßheit derselben bestehenden allgemeinen Ständeversammlung zu bitten, und, wenn dieser Schritt fruchtlos bleiben sollte, den Schutz des deutschen Bundes für die aufgehobene landständische Verfassung anzurufen. (Hannov. Z.)

Preußen.

Der Sturz des belgischen Ministeriums hat bei uns einen größeren Eindruck hervorgebracht, als der des französischen. Der erstere berührt die Interessen unserer Provinz auf eine ziemlich directe Weise, indem dadurch die Förderung unserer Eisenbahn eine neue Verzögerung erleidet. Man hat sich hier ziemlich allgemein darüber gewundert, daß das Ministerium de Theux, das mit der Direction der rheinischen Eisenbahn einen Contract wegen Uebernahme der 4000 Actien geschlossen, welche drei Kölner Bankiers derselben wieder zurückgestellt hatten, diesen Vertrag so lange den Kammern vorzulegen säumte und den unwesentlichsten Gesetzesvorschlägen den Vorzug gab. Der Contract sollte schon im Februar ratificirt seyn, und war im März noch nicht einmal zur Discussion gekommen. Der Grund dieser Verzögerung war aber einzig der, daß man die Stimmung der Kammer kannte, von welcher ein ziemlich bedeutender Theil sich der Genehmigung jenes Vertrags widersetzte. Nur sehr Weni e allerdings verkannten den großen Werth, welchen ein Anschluß Belgiens an unsere Eisenbahn für den belgischen Verkehr haben müßte, aber gerade diese Wenigen gehörten zu den heftigsten Opponenten, und sonderbar genug, gehörten sie zu den Deputirten der Gränzdistricte. Als einer der entschiedensten Gegner sprach sich laut der Deputirte von Verviers aus. Er aber, wie einige andere Deputirte von Lüttich schienen von dem eben so egoistischen, als falschen Gesichtspunkte auszugehen, daß eine Unterbrechung der Bahn zwischen Aachen und Verviers die letztere Stadt zu einem großen Entrepot machen würde, als ob die kleinste Unterbrechung, die mit doppelter Umladung und so vielen andern Unbequemlichkeiten verbunden wäre, nicht den ganzen Waarenzug von Antwerpen nach dem Rhein verhindern würde. Sie fanden Unterstützung bei denjenigen ihrer Collegen, welche der Meinung waren, daß der Staat übervortheilt werde, wenn er für eine Million Actien Pari kaufe, die jetzt nur einige achtzig Procent stehen. Sie vergessen aber, daß die Actien ganz außer dem Handel sind, daß der Ankauf von nur 100,000 Thalern sie schon über 90 Proc., der einer Million sie aber schnell über Pari treiben würde. Trotzdem hielt das Ministerium es für nöthig, die Discussion noch aufzuschieben, um die öffentliche Meinung während deß besser aufklären zu können, und es lud dasselbe den Director des Unternehmens nach Brüssel ein, um ihm dabei mit gutem Rath an die Hand zu gehen. Eine andere Besorgniß, welche es hegte, daß das ursprün liche Capital zur Vollendung der Bahn nicht hinreichen und daß also Belgien sich zu neuen Opfern genöthigt sehen würde, wurde dadurch zerstreut, daß auch der technische Director sich nach Brüssel verfügte und dem Ministerium die vollständigsten Aufschlüsse über den Gang des ganzen Unternehmens gab. Die Sache war endlich zur Reife gediehen, als so unerwartet das dem großen Werke günstig gestimmte Cabinet seinen Austritt nehmen mußte. Die Sache ist dadurch aufs neue in Stocken gerathen, und man muß wieder erst die Bildung einer neuen Regierung abwarten. Daß diese, wie sie auch zusammengesetzt werden möge, den Anschluß mit gleichen Eifer betreiben werde, ist jedoch nicht zu bezweifeln, da es in derselben nicht an praktischen Männern fehlen wird, und der König selbst, welcher der Schöpfer der Eisenbahnen in Belgien genannt werden kann, sich lebhaft dafür interessirt. Aber die vielleicht langwierige Zögerung, die jetzt nothwendig wieder eintritt, erregt eine ziemlich allgemeine Verstimmung, die sich zunächst wieder gegen die ursprünglichen Besitzer jener Actien wendet, welche durch ihre Verfahrungsweise die Beendigung der Bahn länger aufgehalten haben, als sonst nöthig gewesen wäre.

Rußland.

Das letzte Bulletin der Expedition nach Chiwa soll in St. Petersburg nicht eben einen günstigen Eindruck gemacht haben, da augenscheinlich in demselben noch mehr verhüllt, als ausgesprochen ist. Namentlich fürchtet man, daß durch die strenge Kälte ein Theil der Kamele aufgerieben worden, die dann in den Steppen nicht leicht wieder zu ersetzen seyn möchten. Es ist auffallend, daß gerade um dieselbe Zeit (zu Ende Januars und Anfang Februars), wo es in Europa so ungewöhnlich mild für die Jahreszeit war, die Russen mit einer für den Breitengrad der Kirgisensteppe nicht minder ungewöhnlichen Kälte in Asien zu kämpfen hatten. Es frägt sich nun, ob man bei dem strengen Nachwinter Europa's ebenfalls auf die umgekehrte Erscheinung in Asien schließen darf. – Des Grafen Gurowski kürzlich angekündigtes Buch: La Civilisation et la Russie ist nunmehr hier angekommen. Es ist in Petersburg in der Officin des Journal de St. Petersbourg mit splendider Ausstattung gedruckt und im Commissionsverlage einer dortigen Buchhandlung erschienen. Der Verfasser hat sich in diesem Werk die Aufgabe gestellt, darzuthun, daß das Russenthum die Blüthe des Slawismus sey. Zu diesem Behufe wird einerseits die russische Kirche hochgestellt, die sich durch die Fernhaltung alles Lateinischen die slawische Reinheit zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0006" n="0702"/>
daß die lebenslänglichen Mitglieder des Schatzcollegs zum Theil in die erste, zum Theil in die zweite Kammer eintreten. Ein Landtag dauert regelmäßig sechs Jahre, und die Stände werden alle drei Jahre berufen. Die allgemeine Ständeversammlung hat das Recht der Zustimmung zur Erlassung, Wiederaufhebung Abänderung und authentischen Interpretation: a) aller Gesetze über die Steuern; b) aller derjenigen gesetzlichen Bestimmungen, welche einen directen Eingriff in das Privateigenthum enthalten; c) aller derjenigen gesetzlichen Bestimmungen, wodurch den Unterthanen oder einzelnen Classen derselben neue Lasten und Leistungen aufgelegt oder die bestehenden erhöht werden sollen. Zu der Erlassung, Wiederaufhebung, Abänderung und authentischen Interpretation gesetzlicher Bestimmungen anderer Art wird das <hi rendition="#g">rathsame Gutachten</hi> der allgemeinen Ständeversammlung erfordert. Das Recht der ständischen Mitwirkung erstreckt sich nur auf den wesentlichen Inhalt der Gesetze. Dem Könige verbleibt das Recht, dieselben nach Maaßgabe der verfassungsmäßig festgestellten Grundsätze ausarbeiten und sodann verkündigen zu lassen. Die Verwaltung der Domänen und Regalien, so wie ihrer Auskünfte, hängt allein vom Könige ab. Ueber die Ausgaben, welche aus der Landescasse zu bestreiten sind, soll der allgemeinen Ständeversammlung in jeder ordentlichen Diät, also alle drei Jahre, ein nach Hauptdienstzweigen gesondertes Budget vorgelegt werden. Die allgemeine Ständeversammlung hat das Recht, das Budget zu prüfen und zu bewilligen. Gleichzeitig wird der allgemeinen Ständeversammlung ein Anschlag der zu deren Bestreitung erforderlichen Einnahmen an Steuern vorgelegt werden. Die Steuern bedürfen der Bewilligung der allgemeinen Ständeversammlung, welche jedesmal für die nächste dreijährige Finanzperiode auszusprechen ist. Wenn die in dieser Verfassungsurkunde begründete landständische Verfassung auf verfassungswidrige Art aufgehoben würde, so ist das Schatzcollegium berechtigt und verpflichtet, den König um Aufrechthaltung jener Verfassung oder um schleunige Berufung der in Gemäßheit derselben bestehenden allgemeinen Ständeversammlung zu bitten, und, wenn dieser Schritt fruchtlos bleiben sollte, den <hi rendition="#g">Schutz des deutschen Bundes für die aufgehobene landständische Verfassung anzurufen</hi>. (<hi rendition="#g">Hannov</hi>. Z.)</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Preußen.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Vom Niederrhein,</hi> 24 März.</dateline>
          <p> Der Sturz des belgischen Ministeriums hat bei uns einen größeren Eindruck hervorgebracht, als der des französischen. Der erstere berührt die Interessen unserer Provinz auf eine ziemlich directe Weise, indem dadurch die Förderung unserer Eisenbahn eine neue Verzögerung erleidet. Man hat sich hier ziemlich allgemein darüber gewundert, daß das Ministerium de Theux, das mit der Direction der rheinischen Eisenbahn einen Contract wegen Uebernahme der 4000 Actien geschlossen, welche drei Kölner Bankiers derselben wieder zurückgestellt hatten, diesen Vertrag so lange den Kammern vorzulegen säumte und den unwesentlichsten Gesetzesvorschlägen den Vorzug gab. Der Contract sollte schon im Februar ratificirt seyn, und war im März noch nicht einmal zur Discussion gekommen. Der Grund dieser Verzögerung war aber einzig der, daß man die Stimmung der Kammer kannte, von welcher ein ziemlich bedeutender Theil sich der Genehmigung jenes Vertrags widersetzte. Nur sehr Weni e allerdings verkannten den großen Werth, welchen ein Anschluß Belgiens an unsere Eisenbahn für den belgischen Verkehr haben müßte, aber gerade diese Wenigen gehörten zu den heftigsten Opponenten, und sonderbar genug, gehörten sie zu den Deputirten der Gränzdistricte. Als einer der entschiedensten Gegner sprach sich laut der Deputirte von Verviers aus. Er aber, wie einige andere Deputirte von Lüttich schienen von dem eben so egoistischen, als falschen Gesichtspunkte auszugehen, daß eine Unterbrechung der Bahn zwischen Aachen und Verviers die letztere Stadt zu einem großen Entrepot machen würde, als ob die kleinste Unterbrechung, die mit doppelter Umladung und so vielen andern Unbequemlichkeiten verbunden wäre, nicht den ganzen Waarenzug von Antwerpen nach dem Rhein verhindern würde. Sie fanden Unterstützung bei denjenigen ihrer Collegen, welche der Meinung waren, daß der Staat übervortheilt werde, wenn er für eine Million Actien Pari kaufe, die jetzt nur einige achtzig Procent stehen. Sie vergessen aber, daß die Actien ganz außer dem Handel sind, daß der Ankauf von nur 100,000 Thalern sie schon über 90 Proc., der einer Million sie aber schnell über Pari treiben würde. Trotzdem hielt das Ministerium es für nöthig, die Discussion noch aufzuschieben, um die öffentliche Meinung während deß besser aufklären zu können, und es lud dasselbe den Director des Unternehmens nach Brüssel ein, um ihm dabei mit gutem Rath an die Hand zu gehen. Eine andere Besorgniß, welche es hegte, daß das ursprün liche Capital zur Vollendung der Bahn nicht hinreichen und daß also Belgien sich zu neuen Opfern genöthigt sehen würde, wurde dadurch zerstreut, daß auch der technische Director sich nach Brüssel verfügte und dem Ministerium die vollständigsten Aufschlüsse über den Gang des ganzen Unternehmens gab. Die Sache war endlich zur Reife gediehen, als so unerwartet das dem großen Werke günstig gestimmte Cabinet seinen Austritt nehmen mußte. Die Sache ist dadurch aufs neue in Stocken gerathen, und man muß wieder erst die Bildung einer neuen Regierung abwarten. Daß diese, wie sie auch zusammengesetzt werden möge, den Anschluß mit gleichen Eifer betreiben werde, ist jedoch nicht zu bezweifeln, da es in derselben nicht an praktischen Männern fehlen wird, und der König selbst, welcher der Schöpfer der Eisenbahnen in Belgien genannt werden kann, sich lebhaft dafür interessirt. Aber die vielleicht langwierige Zögerung, die jetzt nothwendig wieder eintritt, erregt eine ziemlich allgemeine Verstimmung, die sich zunächst wieder gegen die ursprünglichen Besitzer jener Actien wendet, welche durch ihre Verfahrungsweise die Beendigung der Bahn länger aufgehalten haben, als sonst nöthig gewesen wäre.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Rußland.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Berlin,</hi> 22 März.</dateline>
          <p> Das letzte Bulletin der Expedition nach Chiwa soll in St. Petersburg nicht eben einen günstigen Eindruck gemacht haben, da augenscheinlich in demselben noch mehr verhüllt, als ausgesprochen ist. Namentlich fürchtet man, daß durch die strenge Kälte ein Theil der Kamele aufgerieben worden, die dann in den Steppen nicht leicht wieder zu ersetzen seyn möchten. Es ist auffallend, daß gerade um dieselbe Zeit (zu Ende Januars und Anfang Februars), wo es in Europa so ungewöhnlich mild für die Jahreszeit war, die Russen mit einer für den Breitengrad der Kirgisensteppe nicht minder ungewöhnlichen Kälte in Asien zu kämpfen hatten. Es frägt sich nun, ob man bei dem strengen Nachwinter Europa's ebenfalls auf die umgekehrte Erscheinung in Asien schließen darf. &#x2013; Des Grafen Gurowski kürzlich angekündigtes Buch: La Civilisation et la Russie ist nunmehr hier angekommen. Es ist in Petersburg in der Officin des Journal de St. Petersbourg mit splendider Ausstattung gedruckt und im Commissionsverlage einer dortigen Buchhandlung erschienen. Der Verfasser hat sich in diesem Werk die Aufgabe gestellt, darzuthun, daß das Russenthum die Blüthe des Slawismus sey. Zu diesem Behufe wird einerseits die russische Kirche hochgestellt, die sich durch die Fernhaltung alles Lateinischen die slawische Reinheit zu<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0702/0006] daß die lebenslänglichen Mitglieder des Schatzcollegs zum Theil in die erste, zum Theil in die zweite Kammer eintreten. Ein Landtag dauert regelmäßig sechs Jahre, und die Stände werden alle drei Jahre berufen. Die allgemeine Ständeversammlung hat das Recht der Zustimmung zur Erlassung, Wiederaufhebung Abänderung und authentischen Interpretation: a) aller Gesetze über die Steuern; b) aller derjenigen gesetzlichen Bestimmungen, welche einen directen Eingriff in das Privateigenthum enthalten; c) aller derjenigen gesetzlichen Bestimmungen, wodurch den Unterthanen oder einzelnen Classen derselben neue Lasten und Leistungen aufgelegt oder die bestehenden erhöht werden sollen. Zu der Erlassung, Wiederaufhebung, Abänderung und authentischen Interpretation gesetzlicher Bestimmungen anderer Art wird das rathsame Gutachten der allgemeinen Ständeversammlung erfordert. Das Recht der ständischen Mitwirkung erstreckt sich nur auf den wesentlichen Inhalt der Gesetze. Dem Könige verbleibt das Recht, dieselben nach Maaßgabe der verfassungsmäßig festgestellten Grundsätze ausarbeiten und sodann verkündigen zu lassen. Die Verwaltung der Domänen und Regalien, so wie ihrer Auskünfte, hängt allein vom Könige ab. Ueber die Ausgaben, welche aus der Landescasse zu bestreiten sind, soll der allgemeinen Ständeversammlung in jeder ordentlichen Diät, also alle drei Jahre, ein nach Hauptdienstzweigen gesondertes Budget vorgelegt werden. Die allgemeine Ständeversammlung hat das Recht, das Budget zu prüfen und zu bewilligen. Gleichzeitig wird der allgemeinen Ständeversammlung ein Anschlag der zu deren Bestreitung erforderlichen Einnahmen an Steuern vorgelegt werden. Die Steuern bedürfen der Bewilligung der allgemeinen Ständeversammlung, welche jedesmal für die nächste dreijährige Finanzperiode auszusprechen ist. Wenn die in dieser Verfassungsurkunde begründete landständische Verfassung auf verfassungswidrige Art aufgehoben würde, so ist das Schatzcollegium berechtigt und verpflichtet, den König um Aufrechthaltung jener Verfassung oder um schleunige Berufung der in Gemäßheit derselben bestehenden allgemeinen Ständeversammlung zu bitten, und, wenn dieser Schritt fruchtlos bleiben sollte, den Schutz des deutschen Bundes für die aufgehobene landständische Verfassung anzurufen. (Hannov. Z.) Preußen. _ Vom Niederrhein, 24 März. Der Sturz des belgischen Ministeriums hat bei uns einen größeren Eindruck hervorgebracht, als der des französischen. Der erstere berührt die Interessen unserer Provinz auf eine ziemlich directe Weise, indem dadurch die Förderung unserer Eisenbahn eine neue Verzögerung erleidet. Man hat sich hier ziemlich allgemein darüber gewundert, daß das Ministerium de Theux, das mit der Direction der rheinischen Eisenbahn einen Contract wegen Uebernahme der 4000 Actien geschlossen, welche drei Kölner Bankiers derselben wieder zurückgestellt hatten, diesen Vertrag so lange den Kammern vorzulegen säumte und den unwesentlichsten Gesetzesvorschlägen den Vorzug gab. Der Contract sollte schon im Februar ratificirt seyn, und war im März noch nicht einmal zur Discussion gekommen. Der Grund dieser Verzögerung war aber einzig der, daß man die Stimmung der Kammer kannte, von welcher ein ziemlich bedeutender Theil sich der Genehmigung jenes Vertrags widersetzte. Nur sehr Weni e allerdings verkannten den großen Werth, welchen ein Anschluß Belgiens an unsere Eisenbahn für den belgischen Verkehr haben müßte, aber gerade diese Wenigen gehörten zu den heftigsten Opponenten, und sonderbar genug, gehörten sie zu den Deputirten der Gränzdistricte. Als einer der entschiedensten Gegner sprach sich laut der Deputirte von Verviers aus. Er aber, wie einige andere Deputirte von Lüttich schienen von dem eben so egoistischen, als falschen Gesichtspunkte auszugehen, daß eine Unterbrechung der Bahn zwischen Aachen und Verviers die letztere Stadt zu einem großen Entrepot machen würde, als ob die kleinste Unterbrechung, die mit doppelter Umladung und so vielen andern Unbequemlichkeiten verbunden wäre, nicht den ganzen Waarenzug von Antwerpen nach dem Rhein verhindern würde. Sie fanden Unterstützung bei denjenigen ihrer Collegen, welche der Meinung waren, daß der Staat übervortheilt werde, wenn er für eine Million Actien Pari kaufe, die jetzt nur einige achtzig Procent stehen. Sie vergessen aber, daß die Actien ganz außer dem Handel sind, daß der Ankauf von nur 100,000 Thalern sie schon über 90 Proc., der einer Million sie aber schnell über Pari treiben würde. Trotzdem hielt das Ministerium es für nöthig, die Discussion noch aufzuschieben, um die öffentliche Meinung während deß besser aufklären zu können, und es lud dasselbe den Director des Unternehmens nach Brüssel ein, um ihm dabei mit gutem Rath an die Hand zu gehen. Eine andere Besorgniß, welche es hegte, daß das ursprün liche Capital zur Vollendung der Bahn nicht hinreichen und daß also Belgien sich zu neuen Opfern genöthigt sehen würde, wurde dadurch zerstreut, daß auch der technische Director sich nach Brüssel verfügte und dem Ministerium die vollständigsten Aufschlüsse über den Gang des ganzen Unternehmens gab. Die Sache war endlich zur Reife gediehen, als so unerwartet das dem großen Werke günstig gestimmte Cabinet seinen Austritt nehmen mußte. Die Sache ist dadurch aufs neue in Stocken gerathen, und man muß wieder erst die Bildung einer neuen Regierung abwarten. Daß diese, wie sie auch zusammengesetzt werden möge, den Anschluß mit gleichen Eifer betreiben werde, ist jedoch nicht zu bezweifeln, da es in derselben nicht an praktischen Männern fehlen wird, und der König selbst, welcher der Schöpfer der Eisenbahnen in Belgien genannt werden kann, sich lebhaft dafür interessirt. Aber die vielleicht langwierige Zögerung, die jetzt nothwendig wieder eintritt, erregt eine ziemlich allgemeine Verstimmung, die sich zunächst wieder gegen die ursprünglichen Besitzer jener Actien wendet, welche durch ihre Verfahrungsweise die Beendigung der Bahn länger aufgehalten haben, als sonst nöthig gewesen wäre. Rußland. _ Berlin, 22 März. Das letzte Bulletin der Expedition nach Chiwa soll in St. Petersburg nicht eben einen günstigen Eindruck gemacht haben, da augenscheinlich in demselben noch mehr verhüllt, als ausgesprochen ist. Namentlich fürchtet man, daß durch die strenge Kälte ein Theil der Kamele aufgerieben worden, die dann in den Steppen nicht leicht wieder zu ersetzen seyn möchten. Es ist auffallend, daß gerade um dieselbe Zeit (zu Ende Januars und Anfang Februars), wo es in Europa so ungewöhnlich mild für die Jahreszeit war, die Russen mit einer für den Breitengrad der Kirgisensteppe nicht minder ungewöhnlichen Kälte in Asien zu kämpfen hatten. Es frägt sich nun, ob man bei dem strengen Nachwinter Europa's ebenfalls auf die umgekehrte Erscheinung in Asien schließen darf. – Des Grafen Gurowski kürzlich angekündigtes Buch: La Civilisation et la Russie ist nunmehr hier angekommen. Es ist in Petersburg in der Officin des Journal de St. Petersbourg mit splendider Ausstattung gedruckt und im Commissionsverlage einer dortigen Buchhandlung erschienen. Der Verfasser hat sich in diesem Werk die Aufgabe gestellt, darzuthun, daß das Russenthum die Blüthe des Slawismus sey. Zu diesem Behufe wird einerseits die russische Kirche hochgestellt, die sich durch die Fernhaltung alles Lateinischen die slawische Reinheit zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_088_18400328
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_088_18400328/6
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 88. Augsburg, 28. März 1840, S. 0702. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_088_18400328/6>, abgerufen am 05.05.2024.