Allgemeine Zeitung. Nr. 90. Augsburg, 30. März 1840.*) welcher, bloß um Geld zu gewinnen, Hüte dich Vor Händeln; bist du drin, so führ' sie durch, Daß sich vor dir dein Gegner künftig hüte. Wie die unerfahrne Jugend von dem schlauen Alter, so habt ihr euch von den Chinesen überlisten und überraschen lassen, von den gebornen Whigs, den dummen insolenten Chinesen! *)*) Ihr armen Kaufleute, sehet nur zu; zahlreich wie die Fische im Meere schwimmen die chinesischen Kaper in den östlichen Meeren; eure Kauffahrer unterliegen, nachdem sie vergeblich den hartnäckigsten Widerstand geleistet, mit bedeutendem Verluste an Menschenleben, dem Löwenmuth der chinesischen Marine! Diese Kauffahrer allein haben die Ehre, den Ruhm des Landes aufrecht erhalten. Die zwei elenden Fahrzeuge, welche die Whigs euch zur Hülfe gen Osten sendeten, wurden in Blitzesschnelle von den Kriegsdschonken der Mitte in den Grund gebohrt! - Was frägt der Standard, was fragen die andern Parteiblätter darnach, was kümmern die sich darum, daß jeder nur einigermaßen der östlichen Völker und Verhältnisse Kundige ihnen ins Gesicht lacht, mit Recht sie Lügner heißt und Verleumder; nicht diesen gelten ja ihre leeren, heimtückischen Reden; sie sollen die bereits erhitzten, furchtsamen und erbitterten Gemüther der unwissenden Menge noch mehr aufregen, und haben sie diesen ihren Zweck erreicht, so schaut man selbstzufrieden auf die Tagesarbeit zurück. Aber, antwortet die Weisheit in den Straßen, warum sollte dieses denn so ganz unmöglich seyn, warum sollten die vierhundert Millionen Chinesen nicht im Stande seyn, England zu erdrücken; warum sollten die zahllosen, mit Feuergewehr aller Art versehenen Heere der Mandschu und Chinesen, der Mongolen, Tibetaner und der andern China unterworfenen oder befreundeten Stämme; warum sollten die starkbemannten Flotten des Mittelreichs nicht es vermögen, Land und Meer von allen Barbaren des großen westlichen Oceans zu säubern und sie mit flammenden Schwertern auszutreiben aus dem himmlischen Reich! Ja, es steht nur zu befürchten, daß diese wimmelnden Ameisenhaufen, in ihrem Innern aufgewühlt, mit einemmale wie ein Mann sich erheben und Europa mit seiner ganzen Civilisation verschlingen möchten! Die Schloßwache des Himmelssohnes zu Peking, so sagte noch vor kurzen ein Mann, der von sich und seiner politischen Weltkenntniß die größte Meinung hegt, die Leibgarde des gelben Drachen der Nordresidenz - dieß heißt Peking zu deutsch - nicht Russen, Baschkiren, Kalmücken und Karakalpaken, sie sey allein zu fürchten auf Erden; denn es könnte ihr ja eines schönen Tages in den Sinn kommen, die Welt zu erobern und die Fahne der langweiligen Moralphilosophie des Confucius auf den Trümmern des Evangeliums und der europäischen Gesittung aufzupflanzen! Es ist nicht zu verwundern, daß die Organe der Whigs unter solchem, aus Unkunde und Böswilligkeit hervorgegangenen eiteln Gerede auch ihrerseits alle Haltung verlieren; daß sie nicht bloß auf alle Weise das Ministerium vertheidigen, welches in der That, wie wir alsbald sehen werden, ganz schuldlos ist, sondern selbst die ganze englische Gemeinde zu Canton, dazu die Opiumschmuggler und, so Gott will, alle andern Mohren ganz weiß waschen wollen. Die Chinesen, die armen dummen Chinesen, sollen allein alles dieses Unheil, alle diese Wirren hervorgerufen haben! Ja, spricht der hungrige Wolf zum zitternden Schafe, du kannst noch von Glück sagen, daß ich dich so lange verschont habe. Du hast mir schon längst alle indischen Gewässer, den Ganges und den Menam, den Brahmaputra, den Irawaddi und Indus, trübe gemacht; dein verrätherisches Blöcken schallte selbst bis zu Schah Kamram gen Herat, und untersuchen wir es genau, bist du auch an dem Zuge der Russen gen Chiwa Schuld; denn wer anders als du hätte den Moskowitern den gescheidten Gedanken eingehaucht, uns in der Besetzung Bochara's zuvorzukommen und die alte Straße des Welthandels längs des Oxus, auf die wir schon seit vielen Jahren zielten, - Moorcroft, Trebeck, Burnes und Stoddart hatten bereits das Terrain untersucht - für sich zu erwerben! Schaue nur in dich, du alter Sünder, dein Betragen ist ganz abscheulich. Das Völkerrecht hast du schmählich verletzt und uns dadurch großen Schaden zugefügt. Das Opium lag außerhalb deines Reichs, es passirte bloß auf offenem Meere an deinen Küsten vorüber, und du hast, o unsägliches Verbrechen! den Abgeordneten der brittischen Majestät gezwungen, dir es auszuliefern. Vermittelst dreier Millionen brittischen Eigenthums mußte er sich von der Halsschnur deiner Wilden loskaufen, er, der Abgeordnete Großbritanniens, welcher auf dein besonderes Verlangen gen Osten gesandt wurde. Ueberdieß hast du meinen lieben Kindern die Ohren abgeschnitten und sie ihnen zu fressen gegeben, oder, Gräuel über Gräuel, sie vor meinen Augen weggeschleppt und sie schändlicherweise erdrosselt. *)*) Das arme, von der Welt verlassene Schaf, der Himmelssohn *)
Canton, ist ein großer Gönner der protestantischen Missionäre aller Secten. *) So wörtlich im Standard vom 14 März (the insolence of the stupid and overbearing Chinese, who seem to be the very Whigs of nature), der sich wahrscheinlich auf diesen feinen attischen Scherz sehr viel zu gute thut. *) Der Atlas, welcher dieses tolle Zeug zu Markte bringt (Allg. Zeitung Beilage Nro. 30), ist so von Leidenschaft verblendet, daß er bei dieser Gelegenheit, vielleicht ohne es selbst zu ahnen, auch seine eigene Nation verleumdet. "Man habe, fügt er hinzu, diese Erdrosselung brittischer Unterthanen aus Handelsrücksichten dem Auge des englischen Publicums geflissentlich entzogen."
*) welcher, bloß um Geld zu gewinnen, Hüte dich Vor Händeln; bist du drin, so führ' sie durch, Daß sich vor dir dein Gegner künftig hüte. Wie die unerfahrne Jugend von dem schlauen Alter, so habt ihr euch von den Chinesen überlisten und überraschen lassen, von den gebornen Whigs, den dummen insolenten Chinesen! *)*) Ihr armen Kaufleute, sehet nur zu; zahlreich wie die Fische im Meere schwimmen die chinesischen Kaper in den östlichen Meeren; eure Kauffahrer unterliegen, nachdem sie vergeblich den hartnäckigsten Widerstand geleistet, mit bedeutendem Verluste an Menschenleben, dem Löwenmuth der chinesischen Marine! Diese Kauffahrer allein haben die Ehre, den Ruhm des Landes aufrecht erhalten. Die zwei elenden Fahrzeuge, welche die Whigs euch zur Hülfe gen Osten sendeten, wurden in Blitzesschnelle von den Kriegsdschonken der Mitte in den Grund gebohrt! – Was frägt der Standard, was fragen die andern Parteiblätter darnach, was kümmern die sich darum, daß jeder nur einigermaßen der östlichen Völker und Verhältnisse Kundige ihnen ins Gesicht lacht, mit Recht sie Lügner heißt und Verleumder; nicht diesen gelten ja ihre leeren, heimtückischen Reden; sie sollen die bereits erhitzten, furchtsamen und erbitterten Gemüther der unwissenden Menge noch mehr aufregen, und haben sie diesen ihren Zweck erreicht, so schaut man selbstzufrieden auf die Tagesarbeit zurück. Aber, antwortet die Weisheit in den Straßen, warum sollte dieses denn so ganz unmöglich seyn, warum sollten die vierhundert Millionen Chinesen nicht im Stande seyn, England zu erdrücken; warum sollten die zahllosen, mit Feuergewehr aller Art versehenen Heere der Mandschu und Chinesen, der Mongolen, Tibetaner und der andern China unterworfenen oder befreundeten Stämme; warum sollten die starkbemannten Flotten des Mittelreichs nicht es vermögen, Land und Meer von allen Barbaren des großen westlichen Oceans zu säubern und sie mit flammenden Schwertern auszutreiben aus dem himmlischen Reich! Ja, es steht nur zu befürchten, daß diese wimmelnden Ameisenhaufen, in ihrem Innern aufgewühlt, mit einemmale wie ein Mann sich erheben und Europa mit seiner ganzen Civilisation verschlingen möchten! Die Schloßwache des Himmelssohnes zu Peking, so sagte noch vor kurzen ein Mann, der von sich und seiner politischen Weltkenntniß die größte Meinung hegt, die Leibgarde des gelben Drachen der Nordresidenz – dieß heißt Peking zu deutsch – nicht Russen, Baschkiren, Kalmücken und Karakalpaken, sie sey allein zu fürchten auf Erden; denn es könnte ihr ja eines schönen Tages in den Sinn kommen, die Welt zu erobern und die Fahne der langweiligen Moralphilosophie des Confucius auf den Trümmern des Evangeliums und der europäischen Gesittung aufzupflanzen! Es ist nicht zu verwundern, daß die Organe der Whigs unter solchem, aus Unkunde und Böswilligkeit hervorgegangenen eiteln Gerede auch ihrerseits alle Haltung verlieren; daß sie nicht bloß auf alle Weise das Ministerium vertheidigen, welches in der That, wie wir alsbald sehen werden, ganz schuldlos ist, sondern selbst die ganze englische Gemeinde zu Canton, dazu die Opiumschmuggler und, so Gott will, alle andern Mohren ganz weiß waschen wollen. Die Chinesen, die armen dummen Chinesen, sollen allein alles dieses Unheil, alle diese Wirren hervorgerufen haben! Ja, spricht der hungrige Wolf zum zitternden Schafe, du kannst noch von Glück sagen, daß ich dich so lange verschont habe. Du hast mir schon längst alle indischen Gewässer, den Ganges und den Menam, den Brahmaputra, den Irawaddi und Indus, trübe gemacht; dein verrätherisches Blöcken schallte selbst bis zu Schah Kamram gen Herat, und untersuchen wir es genau, bist du auch an dem Zuge der Russen gen Chiwa Schuld; denn wer anders als du hätte den Moskowitern den gescheidten Gedanken eingehaucht, uns in der Besetzung Bochara's zuvorzukommen und die alte Straße des Welthandels längs des Oxus, auf die wir schon seit vielen Jahren zielten, – Moorcroft, Trebeck, Burnes und Stoddart hatten bereits das Terrain untersucht – für sich zu erwerben! Schaue nur in dich, du alter Sünder, dein Betragen ist ganz abscheulich. Das Völkerrecht hast du schmählich verletzt und uns dadurch großen Schaden zugefügt. Das Opium lag außerhalb deines Reichs, es passirte bloß auf offenem Meere an deinen Küsten vorüber, und du hast, o unsägliches Verbrechen! den Abgeordneten der brittischen Majestät gezwungen, dir es auszuliefern. Vermittelst dreier Millionen brittischen Eigenthums mußte er sich von der Halsschnur deiner Wilden loskaufen, er, der Abgeordnete Großbritanniens, welcher auf dein besonderes Verlangen gen Osten gesandt wurde. Ueberdieß hast du meinen lieben Kindern die Ohren abgeschnitten und sie ihnen zu fressen gegeben, oder, Gräuel über Gräuel, sie vor meinen Augen weggeschleppt und sie schändlicherweise erdrosselt. *)*) Das arme, von der Welt verlassene Schaf, der Himmelssohn *)
Canton, ist ein großer Gönner der protestantischen Missionäre aller Secten. *) So wörtlich im Standard vom 14 März (the insolence of the stupid and overbearing Chinese, who seem to be the very Whigs of nature), der sich wahrscheinlich auf diesen feinen attischen Scherz sehr viel zu gute thut. *) Der Atlas, welcher dieses tolle Zeug zu Markte bringt (Allg. Zeitung Beilage Nro. 30), ist so von Leidenschaft verblendet, daß er bei dieser Gelegenheit, vielleicht ohne es selbst zu ahnen, auch seine eigene Nation verleumdet. „Man habe, fügt er hinzu, diese Erdrosselung brittischer Unterthanen aus Handelsrücksichten dem Auge des englischen Publicums geflissentlich entzogen.“
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><note place="foot" n="*)"><pb facs="#f0012" n="0716"/> Canton, ist ein großer Gönner der protestantischen Missionäre aller Secten.</note> welcher, bloß um Geld zu gewinnen,<lb/> freiwillig herbeikam, sich allen den gräulichen Erniederungen zu unterziehen, welche der kaiserliche Commissär Lin und der Generalgouverneur von Kuang tong und Kuang si neuerdings ersonnen hatten! O hätten wir dieß gewußt, hätten wir dieß nur ahnen können, wir würden ja gerne noch ferner allen Schimpf erduldet, alle Bedrückungen, unter welchen wir seufzten, ertragen haben; denn was hilft es uns wohl, wenn auch in Zukunft unsere Nachkommen die goldenen Früchte der Hesperiden pflücken, müssen wir doch den hundertköpfigen gelben Drachen, der sie bewacht, bekämpfen, und vielleicht gar, gleichwie Herakles, das Himmelsgewölbe tragen! In jedem Falle sind wir armen Kaufleute für jetzt verloren; unser Handel ist vernichtet, und mit Ingrimm im Herzen müssen wir zuschauen, wie unsere Feinde, die Yankees, hohnlächelnden Blickes die Taschen sich füllen. Dieser Schmerz der getäuschten, das Gewimmer der zitternden Krämer, wird nun von der Parteisucht der Torypresse auf eine schamlose Weise ausgebeutet; man will dem Whigministerium Verlegenheiten bereiten, man will Lord Palmerston mit Vorwürfen überhäufen, diene hiezu was dienen kann und mag, gleichviel sey es offene Lüge oder heimtückische Verleumdung. Habt ihr Whigs, ruft der Standard, rufen andere Blätter dieser Farbe aus, durch Unverstand und Nachlässigkeit unsere Wirren mit dem östlichen Reiche bis zu dieser gigantischen Höhe emporwachsen lassen, daß der vielfach verschlungene Knoten bloß mit dem Schwerte durchhauen werden kann, so hättet ihr doch wenigstens zum Ruhm und Vortheil des Landes gerüstet seyn sollen, der Gewalt alsbald die Gewalt entgegen zu setzen; der schlaue, knechtisch gesinnte Hofmann Polonius verstand sich besser auf die Politik, als sein Nachfolger Lord Melbourne! Habt ihr denn ganz der Worte vergessen:<lb/><lg type="poem"><l>Hüte dich</l><lb/><l>Vor Händeln; bist du drin, so führ' sie durch,</l><lb/><l>Daß sich vor dir dein Gegner künftig hüte.</l></lg></p><lb/> <p>Wie die unerfahrne Jugend von dem schlauen Alter, so habt ihr euch von den Chinesen überlisten und überraschen lassen, von den <hi rendition="#g">gebornen Whigs</hi>, <hi rendition="#g">den dummen insolenten Chinesen</hi>! <hi rendition="#sup">*)</hi><note place="foot" n="*)"> So wörtlich im Standard vom 14 März (the insolence of the stupid and overbearing Chinese, who seem to be the very Whigs of nature), der sich wahrscheinlich auf diesen feinen attischen Scherz sehr viel zu gute thut.</note> Ihr armen Kaufleute, sehet nur zu; zahlreich wie die Fische im Meere schwimmen die chinesischen Kaper in den östlichen Meeren; eure Kauffahrer unterliegen, nachdem sie vergeblich den hartnäckigsten Widerstand geleistet, mit bedeutendem Verluste an Menschenleben, dem Löwenmuth der chinesischen Marine! Diese Kauffahrer allein haben die Ehre, den Ruhm des Landes aufrecht erhalten. Die zwei elenden Fahrzeuge, welche die Whigs euch zur Hülfe gen Osten sendeten, wurden in Blitzesschnelle von den Kriegsdschonken der Mitte in den Grund gebohrt! – Was frägt der Standard, was fragen die andern Parteiblätter darnach, was kümmern die sich darum, daß jeder nur einigermaßen der östlichen Völker und Verhältnisse Kundige ihnen ins Gesicht lacht, mit Recht sie Lügner heißt und Verleumder; nicht diesen gelten ja ihre leeren, heimtückischen Reden; sie sollen die bereits erhitzten, furchtsamen und erbitterten Gemüther der unwissenden Menge noch mehr aufregen, und haben sie diesen ihren Zweck erreicht, so schaut man selbstzufrieden auf die Tagesarbeit zurück. Aber, antwortet die Weisheit in den Straßen, warum sollte dieses denn so ganz unmöglich seyn, warum sollten die vierhundert Millionen Chinesen nicht im Stande seyn, England zu erdrücken; warum sollten die zahllosen, mit Feuergewehr aller Art versehenen Heere der Mandschu und Chinesen, der Mongolen, Tibetaner und der andern China unterworfenen oder befreundeten Stämme; warum sollten die starkbemannten Flotten des Mittelreichs nicht es vermögen, Land und Meer von allen Barbaren des großen westlichen Oceans zu säubern und sie mit flammenden Schwertern auszutreiben aus dem himmlischen Reich! Ja, es steht nur zu befürchten, daß diese wimmelnden Ameisenhaufen, in ihrem Innern aufgewühlt, mit einemmale wie ein Mann sich erheben und Europa mit seiner ganzen Civilisation verschlingen möchten! Die Schloßwache des Himmelssohnes zu Peking, so sagte noch vor kurzen ein Mann, der von sich und seiner politischen Weltkenntniß die größte Meinung hegt, die Leibgarde des gelben Drachen der Nordresidenz – dieß heißt <hi rendition="#g">Peking</hi> zu deutsch – nicht Russen, Baschkiren, Kalmücken und Karakalpaken, sie sey allein zu fürchten auf Erden; denn es könnte ihr ja eines schönen Tages in den Sinn kommen, die Welt zu erobern und die Fahne der langweiligen Moralphilosophie des Confucius auf den Trümmern des Evangeliums und der europäischen Gesittung aufzupflanzen!</p><lb/> <p>Es ist nicht zu verwundern, daß die Organe der Whigs unter solchem, aus Unkunde und Böswilligkeit hervorgegangenen eiteln Gerede auch ihrerseits alle Haltung verlieren; daß sie nicht bloß auf alle Weise das Ministerium vertheidigen, welches in der That, wie wir alsbald sehen werden, ganz schuldlos ist, sondern selbst die ganze englische Gemeinde zu Canton, dazu die Opiumschmuggler und, so Gott will, alle andern Mohren ganz weiß waschen wollen. Die Chinesen, die armen dummen Chinesen, sollen allein alles dieses Unheil, alle diese Wirren hervorgerufen haben! Ja, spricht der hungrige Wolf zum zitternden Schafe, du kannst noch von Glück sagen, daß ich dich so lange verschont habe. Du hast mir schon längst alle indischen Gewässer, den Ganges und den Menam, den Brahmaputra, den Irawaddi und Indus, trübe gemacht; dein verrätherisches Blöcken schallte selbst bis zu Schah Kamram gen Herat, und untersuchen wir es genau, bist du auch an dem Zuge der Russen gen Chiwa Schuld; denn wer anders als du hätte den Moskowitern den gescheidten Gedanken eingehaucht, uns in der Besetzung Bochara's zuvorzukommen und die alte Straße des Welthandels längs des Oxus, auf die wir schon seit vielen Jahren zielten, – Moorcroft, Trebeck, Burnes und Stoddart hatten bereits das Terrain untersucht – für sich zu erwerben! Schaue nur in dich, du alter Sünder, dein Betragen ist ganz abscheulich. Das Völkerrecht hast du schmählich verletzt und uns dadurch großen Schaden zugefügt. Das Opium lag außerhalb deines Reichs, es passirte bloß auf offenem Meere an deinen Küsten vorüber, und du hast, o unsägliches Verbrechen! den Abgeordneten der brittischen Majestät gezwungen, dir es auszuliefern. Vermittelst dreier Millionen brittischen Eigenthums mußte er sich von der Halsschnur deiner Wilden loskaufen, er, der Abgeordnete Großbritanniens, welcher <hi rendition="#g">auf dein besonderes Verlangen</hi> gen Osten gesandt wurde. Ueberdieß hast du meinen lieben Kindern die Ohren abgeschnitten und sie ihnen zu fressen gegeben, oder, Gräuel über Gräuel, sie vor meinen Augen weggeschleppt und sie schändlicherweise erdrosselt. <hi rendition="#sup">*)</hi><note place="foot" n="*)"> Der Atlas, welcher dieses tolle Zeug zu Markte bringt (Allg. Zeitung Beilage Nro. 30), ist so von Leidenschaft verblendet, daß er bei dieser Gelegenheit, vielleicht ohne es selbst zu ahnen, auch seine eigene Nation verleumdet. „Man habe, fügt er hinzu, diese Erdrosselung brittischer Unterthanen aus Handelsrücksichten dem Auge des englischen Publicums geflissentlich entzogen.“</note> Das arme, von der Welt verlassene Schaf, der Himmelssohn<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0716/0012]
*) welcher, bloß um Geld zu gewinnen,
freiwillig herbeikam, sich allen den gräulichen Erniederungen zu unterziehen, welche der kaiserliche Commissär Lin und der Generalgouverneur von Kuang tong und Kuang si neuerdings ersonnen hatten! O hätten wir dieß gewußt, hätten wir dieß nur ahnen können, wir würden ja gerne noch ferner allen Schimpf erduldet, alle Bedrückungen, unter welchen wir seufzten, ertragen haben; denn was hilft es uns wohl, wenn auch in Zukunft unsere Nachkommen die goldenen Früchte der Hesperiden pflücken, müssen wir doch den hundertköpfigen gelben Drachen, der sie bewacht, bekämpfen, und vielleicht gar, gleichwie Herakles, das Himmelsgewölbe tragen! In jedem Falle sind wir armen Kaufleute für jetzt verloren; unser Handel ist vernichtet, und mit Ingrimm im Herzen müssen wir zuschauen, wie unsere Feinde, die Yankees, hohnlächelnden Blickes die Taschen sich füllen. Dieser Schmerz der getäuschten, das Gewimmer der zitternden Krämer, wird nun von der Parteisucht der Torypresse auf eine schamlose Weise ausgebeutet; man will dem Whigministerium Verlegenheiten bereiten, man will Lord Palmerston mit Vorwürfen überhäufen, diene hiezu was dienen kann und mag, gleichviel sey es offene Lüge oder heimtückische Verleumdung. Habt ihr Whigs, ruft der Standard, rufen andere Blätter dieser Farbe aus, durch Unverstand und Nachlässigkeit unsere Wirren mit dem östlichen Reiche bis zu dieser gigantischen Höhe emporwachsen lassen, daß der vielfach verschlungene Knoten bloß mit dem Schwerte durchhauen werden kann, so hättet ihr doch wenigstens zum Ruhm und Vortheil des Landes gerüstet seyn sollen, der Gewalt alsbald die Gewalt entgegen zu setzen; der schlaue, knechtisch gesinnte Hofmann Polonius verstand sich besser auf die Politik, als sein Nachfolger Lord Melbourne! Habt ihr denn ganz der Worte vergessen:
Hüte dich
Vor Händeln; bist du drin, so führ' sie durch,
Daß sich vor dir dein Gegner künftig hüte.
Wie die unerfahrne Jugend von dem schlauen Alter, so habt ihr euch von den Chinesen überlisten und überraschen lassen, von den gebornen Whigs, den dummen insolenten Chinesen! *) *) Ihr armen Kaufleute, sehet nur zu; zahlreich wie die Fische im Meere schwimmen die chinesischen Kaper in den östlichen Meeren; eure Kauffahrer unterliegen, nachdem sie vergeblich den hartnäckigsten Widerstand geleistet, mit bedeutendem Verluste an Menschenleben, dem Löwenmuth der chinesischen Marine! Diese Kauffahrer allein haben die Ehre, den Ruhm des Landes aufrecht erhalten. Die zwei elenden Fahrzeuge, welche die Whigs euch zur Hülfe gen Osten sendeten, wurden in Blitzesschnelle von den Kriegsdschonken der Mitte in den Grund gebohrt! – Was frägt der Standard, was fragen die andern Parteiblätter darnach, was kümmern die sich darum, daß jeder nur einigermaßen der östlichen Völker und Verhältnisse Kundige ihnen ins Gesicht lacht, mit Recht sie Lügner heißt und Verleumder; nicht diesen gelten ja ihre leeren, heimtückischen Reden; sie sollen die bereits erhitzten, furchtsamen und erbitterten Gemüther der unwissenden Menge noch mehr aufregen, und haben sie diesen ihren Zweck erreicht, so schaut man selbstzufrieden auf die Tagesarbeit zurück. Aber, antwortet die Weisheit in den Straßen, warum sollte dieses denn so ganz unmöglich seyn, warum sollten die vierhundert Millionen Chinesen nicht im Stande seyn, England zu erdrücken; warum sollten die zahllosen, mit Feuergewehr aller Art versehenen Heere der Mandschu und Chinesen, der Mongolen, Tibetaner und der andern China unterworfenen oder befreundeten Stämme; warum sollten die starkbemannten Flotten des Mittelreichs nicht es vermögen, Land und Meer von allen Barbaren des großen westlichen Oceans zu säubern und sie mit flammenden Schwertern auszutreiben aus dem himmlischen Reich! Ja, es steht nur zu befürchten, daß diese wimmelnden Ameisenhaufen, in ihrem Innern aufgewühlt, mit einemmale wie ein Mann sich erheben und Europa mit seiner ganzen Civilisation verschlingen möchten! Die Schloßwache des Himmelssohnes zu Peking, so sagte noch vor kurzen ein Mann, der von sich und seiner politischen Weltkenntniß die größte Meinung hegt, die Leibgarde des gelben Drachen der Nordresidenz – dieß heißt Peking zu deutsch – nicht Russen, Baschkiren, Kalmücken und Karakalpaken, sie sey allein zu fürchten auf Erden; denn es könnte ihr ja eines schönen Tages in den Sinn kommen, die Welt zu erobern und die Fahne der langweiligen Moralphilosophie des Confucius auf den Trümmern des Evangeliums und der europäischen Gesittung aufzupflanzen!
Es ist nicht zu verwundern, daß die Organe der Whigs unter solchem, aus Unkunde und Böswilligkeit hervorgegangenen eiteln Gerede auch ihrerseits alle Haltung verlieren; daß sie nicht bloß auf alle Weise das Ministerium vertheidigen, welches in der That, wie wir alsbald sehen werden, ganz schuldlos ist, sondern selbst die ganze englische Gemeinde zu Canton, dazu die Opiumschmuggler und, so Gott will, alle andern Mohren ganz weiß waschen wollen. Die Chinesen, die armen dummen Chinesen, sollen allein alles dieses Unheil, alle diese Wirren hervorgerufen haben! Ja, spricht der hungrige Wolf zum zitternden Schafe, du kannst noch von Glück sagen, daß ich dich so lange verschont habe. Du hast mir schon längst alle indischen Gewässer, den Ganges und den Menam, den Brahmaputra, den Irawaddi und Indus, trübe gemacht; dein verrätherisches Blöcken schallte selbst bis zu Schah Kamram gen Herat, und untersuchen wir es genau, bist du auch an dem Zuge der Russen gen Chiwa Schuld; denn wer anders als du hätte den Moskowitern den gescheidten Gedanken eingehaucht, uns in der Besetzung Bochara's zuvorzukommen und die alte Straße des Welthandels längs des Oxus, auf die wir schon seit vielen Jahren zielten, – Moorcroft, Trebeck, Burnes und Stoddart hatten bereits das Terrain untersucht – für sich zu erwerben! Schaue nur in dich, du alter Sünder, dein Betragen ist ganz abscheulich. Das Völkerrecht hast du schmählich verletzt und uns dadurch großen Schaden zugefügt. Das Opium lag außerhalb deines Reichs, es passirte bloß auf offenem Meere an deinen Küsten vorüber, und du hast, o unsägliches Verbrechen! den Abgeordneten der brittischen Majestät gezwungen, dir es auszuliefern. Vermittelst dreier Millionen brittischen Eigenthums mußte er sich von der Halsschnur deiner Wilden loskaufen, er, der Abgeordnete Großbritanniens, welcher auf dein besonderes Verlangen gen Osten gesandt wurde. Ueberdieß hast du meinen lieben Kindern die Ohren abgeschnitten und sie ihnen zu fressen gegeben, oder, Gräuel über Gräuel, sie vor meinen Augen weggeschleppt und sie schändlicherweise erdrosselt. *) *) Das arme, von der Welt verlassene Schaf, der Himmelssohn
*) Canton, ist ein großer Gönner der protestantischen Missionäre aller Secten.
*) So wörtlich im Standard vom 14 März (the insolence of the stupid and overbearing Chinese, who seem to be the very Whigs of nature), der sich wahrscheinlich auf diesen feinen attischen Scherz sehr viel zu gute thut.
*) Der Atlas, welcher dieses tolle Zeug zu Markte bringt (Allg. Zeitung Beilage Nro. 30), ist so von Leidenschaft verblendet, daß er bei dieser Gelegenheit, vielleicht ohne es selbst zu ahnen, auch seine eigene Nation verleumdet. „Man habe, fügt er hinzu, diese Erdrosselung brittischer Unterthanen aus Handelsrücksichten dem Auge des englischen Publicums geflissentlich entzogen.“
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |