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Allgemeine Zeitung. Nr. 91. Augsburg, 31. März 1840.

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zu Grund gerichtet hat, die Restauration, welche glaubte, sie sey verloren, wenn sie je der Opposition sich nähern, wenn sie jemals mit ihr etwas gemein haben würde. Sie kämpfte in dieser traurigen Ueberzeugung - ein beklagenswerther Kampf, in dem sie zuletzt unterlag. Und in der Opposition, welche sie zurückstieß, befand sich Casimir Perier, der die sociale Ordnung Frankreichs gerettet hat! (Lebhafter Beifall und Sensation.) Keine Ausschließungen, meine Herren! Was mich betrifft, gestatten Sie mir, hier zu erinnern, daß ich im Jahr 1830 mich mitten unter die Freunde der Ordnung, mitten unter die Partei, die man die conservative nennt, gestellt habe, weil ich die Ordnung bedroht glaubte. Meine Meinungen haben mich später von ihr getrennt und mich in die Opposition geworfen. Ich sah Alle nach demselben Zweck streben; ich sah, daß keiner einen besondern Beruf für die Ordnung oder für die Unordnung hatte, daß es nur Freunde des Landes gab. Wenn Sie zwischen beide das traurige Wort der Ausschließung schieben wollen, wird es Unglück bringen dem, der es zuerst ausspricht. (Bewegung.) Wir haben noch nichts gethan und konnten noch nichts thun, da wir erst seit zwanzig Tagen Minister sind. Unser einziger Act war, daß wir das Wort "Vergleich" ausgesprochen, das man uns jetzt zum Vorwurf macht. Wenn wir auf dieses Wort hin fallen, sind wir nicht geschwächt. Es bleibt dann nur die ernste Thatsache, daß man uns um dieses Wortes willen zurückgewiesen, während man Tags darauf wieder eine Regierung zu bilden hat." (Lebhafter Eindruck und Beifall links.)

In seiner Antwort auf die Rede des Hrn. Thiers sagte Hr. v. Lamartine unter Anderm: "Der Herr Ministerpräsident fragt uns: habt ihr Vertrauen zu mir? Ich begreife nicht, wie man den Muth haben kann, an Männer, die man bei den Wahlen herabgewürdigt, die man als Feinde des öffentlichen Wohles verfolgt hat, während man ihren haßerfüllten Gegnern die Hand drückte, eine solche Frage zu richten. Wenn wir nun antworteten: ja, wir haben volles und festes Vertrauen, klänge dieß nicht wie die bitterste Ironie, wie das beißendste Epigramm? Und wenn diese Antwort aufrichtig wäre, würde das Land uns nicht für die dupirtesten und furchtsamsten aller Staatsmänner halten? (Lebhafte Beistimmung). Ich antworte daher ohne Umschweife: nein, wir können kein Vertrauen in euch haben; dieser Mangel an Vertrauen aber betrifft nicht die Personen, sondern er ist eine Folge der Lage. Dem Ministerium fehlt die Basis; seine Stellung ist schief. Dieß der Grund unserer Zurückhaltung." Hr. v. Lamartine stimmt der Meinung des Hrn. Thiers über die Parteien der Kammer in so fern bei, daß auch er glaubt, die Spaltung sey weniger bedeutend, als man wohl anderwärts glaube. Es sey falsch, wenn man sich einbilde, die einen wollen die Republik, die andern das "Gouvernement personnel" um unter repräsentativen Formen einen schändlichen Absolutismus zu verstecken. Im Grund wollten alle: die Befestigung und Ausdehnung einer monarchischen, aber demokratischen Regierung - einer Regierung, deren Haupt ein Monarch, deren Basis aber das Volk sey. Der Grund der Spaltung in der Kammer sey, daß es auf mehreren Bänken Männer gebe, welche revolutionäre Instincte für liberale Ideen hielten. "Der Herr Ministerpräsident hat gesagt: ""Ich bin liberal, ich will die Entwicklung der constitutionellen Ideen, ich bin der Revolution entsprossen, ich schöpfe neue Kraft aus ihrer Berührung, wie Antäus aus der Berührung seiner Mutter, der Erde."" Indem ich diese Worte vernahm, schien es mir, das immer wiederholte Wort Revolution gleiche dem rothen Tuchlappen, den man dem Stier vorhält, um ihn zu reizen. Wir glauben nicht, daß es nützlich sey, ein Land, wie Frankreich, beständig zu beunruhigen; uns erscheint das Aufsprudeln der öffentlichen Meinung nicht als Kraftentfaltung; wir sind nicht der Ansicht, daß, wer Frankreich aufregt, es stark mache; unsere Ansicht ist vielmehr, daß Frankreich, wenn man es beruhigt, wenn man sein materielles Glück fördert, sich stärker fühlen werde an dem Tage der Gefahr. Was uns außerdem noch trennt - fuhr der Redner fort - ist kein Princip, sondern eine Leidenschaft, die wir bei euch wahrnehmen, eine unruhige, eifersüchtige, unersättliche Leidenschaft, die nichts beruhigen kann, die nichts theilen will, denn für sie ist Alles noch nicht genug. Es ist die Leidenschaft, zu regieren, allein zu regieren, immer zu regieren, mit der Majorität oder mit der Minorität, wie heute, zu regieren um jeden Preis. Dieß ist zwischen uns die eigentliche Schranke. Wir waren nach dem Sturze des letzten Ministeriums zur Versöhnung geneigt, und nie vielleicht hat eine große politische Partei mehr Uneigennützigkeit gezeigt, als die unsrige. Das Hinderniß einer Vereinigung der beiden Centren lag weder an den Principien noch selbst an den Männern, sondern allein an der Stellung, welche der Herr Präsident des Conseils in der Kammer aus System eingenommen. Er stellte sich fast ans äußerste Ende dieser Kammer oder wenigstens in eine der von den Centren, wo sein Stützpunkt hätte seyn sollen, entferntesten Gruppen, und von dort fordert er uns auf zu einer Transaction, jener Transaction, welche der vorhergehende Redner (Hr. Bechard) mit so glücklicher Beredsamkeit "das letzte Wort der Revolutionen, welche enden" nannte und die ich heute glücklicherweise "das erste Wort der Majoritäten, welche sich wiederfinden" werde nennen können. (Beifall im Centrum. Lebhafte Sensation). Nicht unter unsern Freunden, nicht einmal unter den Neutralen hat er Platz genommen, sondern inmitten unserer politischen Gegner von zehn oder von zwei Jahren her. Von dort ruft er uns zu: "Kommt zu mir, ich bin die personificirte Transaction, die lebendige Transaction! Wagt es einmal, nicht zu mir zu kommen!" Aber dieß heißt nicht sich vergleichen, sondern siegen und demüthigen. (Beifall und Bewegung.) Noch eine andere Ursache verbietet uns, dieser sogenannten Ausgleichung beizutreten: die räthselhafte Unterstützung, welche von der Linken dem Hrn. Minister-Präsidenten zu Theil wird; ich sage räthselhaft, sofern nicht Hr. Barrot oder seiner Collegen Einer uns das Räthsel lösen will. (Odilon-Barrot: "Ich verlange das Wort.") Eine weitere Ursache ist die verdächtige, so zu sagen einstimmige Gunst der Presse, diese geschriebene Volksthümlichkeit, die seit zwei Jahren sich an einen Mann hängt, wie um ihren außerparlamentarischen Einfluß dem parlamentarischen entgegenzustellen. (Beifall.) Darin liegt eine ernstliche Gefahr für das Parlament, für die bestehenden Staatskörper und für die Verfassung. Wenn die Kammer nicht Acht hat auf diese übergreifende Macht, welche täglich zu wachsen scheint, wenn die Staatseinrichtungen immer mehr geschwächt werden in diesen traurigen Kämpfen, so kommt das Land in große Gefahr; wenn das Parlament jenem Uebergriffe nachgäbe, so wäre es geschehen um die parlamentarische Freiheit, man müßte eine vierte Staatsgewalt als Herrscherin über die andern ausrufen: ich meine die Volksthümlichkeit. Dem werden wir uns niemals fügen. (Beifall.) Ich kann nicht glauben, daß Hr. Barrot die Worte: Zurücknahme der Septembergesetze, Wahlreform, von seiner Fahne vertilgen will; selbst wenn er es sagte, würde ich ihm nicht glauben. Aber er wird es nicht sagen. ... Wir wollen keine systematische Opposition machen, welche die Thätigkeit der Regierung lähmt und das Land tödtet, um politische Gegner zu stürzen. Nie werden wir uns zu einer solchen Opposition des Zorns entschließen. Nicht wir haben gesagt: "Man versuche,

zu Grund gerichtet hat, die Restauration, welche glaubte, sie sey verloren, wenn sie je der Opposition sich nähern, wenn sie jemals mit ihr etwas gemein haben würde. Sie kämpfte in dieser traurigen Ueberzeugung – ein beklagenswerther Kampf, in dem sie zuletzt unterlag. Und in der Opposition, welche sie zurückstieß, befand sich Casimir Perier, der die sociale Ordnung Frankreichs gerettet hat! (Lebhafter Beifall und Sensation.) Keine Ausschließungen, meine Herren! Was mich betrifft, gestatten Sie mir, hier zu erinnern, daß ich im Jahr 1830 mich mitten unter die Freunde der Ordnung, mitten unter die Partei, die man die conservative nennt, gestellt habe, weil ich die Ordnung bedroht glaubte. Meine Meinungen haben mich später von ihr getrennt und mich in die Opposition geworfen. Ich sah Alle nach demselben Zweck streben; ich sah, daß keiner einen besondern Beruf für die Ordnung oder für die Unordnung hatte, daß es nur Freunde des Landes gab. Wenn Sie zwischen beide das traurige Wort der Ausschließung schieben wollen, wird es Unglück bringen dem, der es zuerst ausspricht. (Bewegung.) Wir haben noch nichts gethan und konnten noch nichts thun, da wir erst seit zwanzig Tagen Minister sind. Unser einziger Act war, daß wir das Wort „Vergleich“ ausgesprochen, das man uns jetzt zum Vorwurf macht. Wenn wir auf dieses Wort hin fallen, sind wir nicht geschwächt. Es bleibt dann nur die ernste Thatsache, daß man uns um dieses Wortes willen zurückgewiesen, während man Tags darauf wieder eine Regierung zu bilden hat.“ (Lebhafter Eindruck und Beifall links.)

In seiner Antwort auf die Rede des Hrn. Thiers sagte Hr. v. Lamartine unter Anderm: „Der Herr Ministerpräsident fragt uns: habt ihr Vertrauen zu mir? Ich begreife nicht, wie man den Muth haben kann, an Männer, die man bei den Wahlen herabgewürdigt, die man als Feinde des öffentlichen Wohles verfolgt hat, während man ihren haßerfüllten Gegnern die Hand drückte, eine solche Frage zu richten. Wenn wir nun antworteten: ja, wir haben volles und festes Vertrauen, klänge dieß nicht wie die bitterste Ironie, wie das beißendste Epigramm? Und wenn diese Antwort aufrichtig wäre, würde das Land uns nicht für die dupirtesten und furchtsamsten aller Staatsmänner halten? (Lebhafte Beistimmung). Ich antworte daher ohne Umschweife: nein, wir können kein Vertrauen in euch haben; dieser Mangel an Vertrauen aber betrifft nicht die Personen, sondern er ist eine Folge der Lage. Dem Ministerium fehlt die Basis; seine Stellung ist schief. Dieß der Grund unserer Zurückhaltung.“ Hr. v. Lamartine stimmt der Meinung des Hrn. Thiers über die Parteien der Kammer in so fern bei, daß auch er glaubt, die Spaltung sey weniger bedeutend, als man wohl anderwärts glaube. Es sey falsch, wenn man sich einbilde, die einen wollen die Republik, die andern das „Gouvernement personnel“ um unter repräsentativen Formen einen schändlichen Absolutismus zu verstecken. Im Grund wollten alle: die Befestigung und Ausdehnung einer monarchischen, aber demokratischen Regierung – einer Regierung, deren Haupt ein Monarch, deren Basis aber das Volk sey. Der Grund der Spaltung in der Kammer sey, daß es auf mehreren Bänken Männer gebe, welche revolutionäre Instincte für liberale Ideen hielten. „Der Herr Ministerpräsident hat gesagt: „„Ich bin liberal, ich will die Entwicklung der constitutionellen Ideen, ich bin der Revolution entsprossen, ich schöpfe neue Kraft aus ihrer Berührung, wie Antäus aus der Berührung seiner Mutter, der Erde.““ Indem ich diese Worte vernahm, schien es mir, das immer wiederholte Wort Revolution gleiche dem rothen Tuchlappen, den man dem Stier vorhält, um ihn zu reizen. Wir glauben nicht, daß es nützlich sey, ein Land, wie Frankreich, beständig zu beunruhigen; uns erscheint das Aufsprudeln der öffentlichen Meinung nicht als Kraftentfaltung; wir sind nicht der Ansicht, daß, wer Frankreich aufregt, es stark mache; unsere Ansicht ist vielmehr, daß Frankreich, wenn man es beruhigt, wenn man sein materielles Glück fördert, sich stärker fühlen werde an dem Tage der Gefahr. Was uns außerdem noch trennt – fuhr der Redner fort – ist kein Princip, sondern eine Leidenschaft, die wir bei euch wahrnehmen, eine unruhige, eifersüchtige, unersättliche Leidenschaft, die nichts beruhigen kann, die nichts theilen will, denn für sie ist Alles noch nicht genug. Es ist die Leidenschaft, zu regieren, allein zu regieren, immer zu regieren, mit der Majorität oder mit der Minorität, wie heute, zu regieren um jeden Preis. Dieß ist zwischen uns die eigentliche Schranke. Wir waren nach dem Sturze des letzten Ministeriums zur Versöhnung geneigt, und nie vielleicht hat eine große politische Partei mehr Uneigennützigkeit gezeigt, als die unsrige. Das Hinderniß einer Vereinigung der beiden Centren lag weder an den Principien noch selbst an den Männern, sondern allein an der Stellung, welche der Herr Präsident des Conseils in der Kammer aus System eingenommen. Er stellte sich fast ans äußerste Ende dieser Kammer oder wenigstens in eine der von den Centren, wo sein Stützpunkt hätte seyn sollen, entferntesten Gruppen, und von dort fordert er uns auf zu einer Transaction, jener Transaction, welche der vorhergehende Redner (Hr. Bechard) mit so glücklicher Beredsamkeit „das letzte Wort der Revolutionen, welche enden“ nannte und die ich heute glücklicherweise „das erste Wort der Majoritäten, welche sich wiederfinden“ werde nennen können. (Beifall im Centrum. Lebhafte Sensation). Nicht unter unsern Freunden, nicht einmal unter den Neutralen hat er Platz genommen, sondern inmitten unserer politischen Gegner von zehn oder von zwei Jahren her. Von dort ruft er uns zu: „Kommt zu mir, ich bin die personificirte Transaction, die lebendige Transaction! Wagt es einmal, nicht zu mir zu kommen!“ Aber dieß heißt nicht sich vergleichen, sondern siegen und demüthigen. (Beifall und Bewegung.) Noch eine andere Ursache verbietet uns, dieser sogenannten Ausgleichung beizutreten: die räthselhafte Unterstützung, welche von der Linken dem Hrn. Minister-Präsidenten zu Theil wird; ich sage räthselhaft, sofern nicht Hr. Barrot oder seiner Collegen Einer uns das Räthsel lösen will. (Odilon-Barrot: „Ich verlange das Wort.“) Eine weitere Ursache ist die verdächtige, so zu sagen einstimmige Gunst der Presse, diese geschriebene Volksthümlichkeit, die seit zwei Jahren sich an einen Mann hängt, wie um ihren außerparlamentarischen Einfluß dem parlamentarischen entgegenzustellen. (Beifall.) Darin liegt eine ernstliche Gefahr für das Parlament, für die bestehenden Staatskörper und für die Verfassung. Wenn die Kammer nicht Acht hat auf diese übergreifende Macht, welche täglich zu wachsen scheint, wenn die Staatseinrichtungen immer mehr geschwächt werden in diesen traurigen Kämpfen, so kommt das Land in große Gefahr; wenn das Parlament jenem Uebergriffe nachgäbe, so wäre es geschehen um die parlamentarische Freiheit, man müßte eine vierte Staatsgewalt als Herrscherin über die andern ausrufen: ich meine die Volksthümlichkeit. Dem werden wir uns niemals fügen. (Beifall.) Ich kann nicht glauben, daß Hr. Barrot die Worte: Zurücknahme der Septembergesetze, Wahlreform, von seiner Fahne vertilgen will; selbst wenn er es sagte, würde ich ihm nicht glauben. Aber er wird es nicht sagen. ... Wir wollen keine systematische Opposition machen, welche die Thätigkeit der Regierung lähmt und das Land tödtet, um politische Gegner zu stürzen. Nie werden wir uns zu einer solchen Opposition des Zorns entschließen. Nicht wir haben gesagt: „Man versuche,

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Er stellte sich fast ans äußerste Ende dieser Kammer oder wenigstens in eine der von den Centren, wo sein Stützpunkt hätte seyn sollen, entferntesten Gruppen, und von dort fordert er uns auf zu einer Transaction, jener Transaction, welche der vorhergehende Redner (Hr. Bechard) mit so glücklicher Beredsamkeit &#x201E;das letzte Wort der Revolutionen, welche enden&#x201C; nannte und die ich heute glücklicherweise &#x201E;das erste Wort der Majoritäten, welche sich wiederfinden&#x201C; werde nennen können. (Beifall im Centrum. Lebhafte Sensation). Nicht unter unsern Freunden, nicht einmal unter den Neutralen hat er Platz genommen, sondern inmitten unserer politischen Gegner von zehn oder von zwei Jahren her. Von dort ruft er uns zu: &#x201E;Kommt zu mir, ich bin die personificirte Transaction, die lebendige Transaction! Wagt es einmal, nicht zu mir zu kommen!&#x201C; Aber dieß heißt nicht sich vergleichen, sondern siegen und demüthigen. (Beifall und Bewegung.) Noch eine andere Ursache verbietet uns, dieser sogenannten Ausgleichung beizutreten: die räthselhafte Unterstützung, welche von der Linken dem Hrn. Minister-Präsidenten zu Theil wird; ich sage räthselhaft, sofern nicht Hr. Barrot oder seiner Collegen Einer uns das Räthsel lösen will. (Odilon-Barrot: &#x201E;Ich verlange das Wort.&#x201C;) Eine weitere Ursache ist die verdächtige, so zu sagen einstimmige Gunst der Presse, diese geschriebene Volksthümlichkeit, die seit zwei Jahren sich an einen Mann hängt, wie um ihren außerparlamentarischen Einfluß dem parlamentarischen entgegenzustellen. (Beifall.) Darin liegt eine ernstliche Gefahr für das Parlament, für die bestehenden Staatskörper und für die Verfassung. Wenn die Kammer nicht Acht hat auf diese übergreifende Macht, welche täglich zu wachsen scheint, wenn die Staatseinrichtungen immer mehr geschwächt werden in diesen traurigen Kämpfen, so kommt das Land in große Gefahr; wenn das Parlament jenem Uebergriffe nachgäbe, so wäre es geschehen um die parlamentarische Freiheit, man müßte eine vierte Staatsgewalt als Herrscherin über die andern ausrufen: ich meine die Volksthümlichkeit. Dem werden wir uns niemals fügen. (Beifall.) Ich kann nicht glauben, daß Hr. Barrot die Worte: Zurücknahme der Septembergesetze, Wahlreform, von seiner Fahne vertilgen will; selbst wenn er es sagte, würde ich ihm nicht glauben. Aber er wird es nicht sagen. ... Wir wollen keine systematische Opposition machen, welche die Thätigkeit der Regierung lähmt und das Land tödtet, um politische Gegner zu stürzen. Nie werden wir uns zu einer solchen Opposition des Zorns entschließen. Nicht wir haben gesagt: &#x201E;Man versuche,<lb/></p>
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[0723/0003] zu Grund gerichtet hat, die Restauration, welche glaubte, sie sey verloren, wenn sie je der Opposition sich nähern, wenn sie jemals mit ihr etwas gemein haben würde. Sie kämpfte in dieser traurigen Ueberzeugung – ein beklagenswerther Kampf, in dem sie zuletzt unterlag. Und in der Opposition, welche sie zurückstieß, befand sich Casimir Perier, der die sociale Ordnung Frankreichs gerettet hat! (Lebhafter Beifall und Sensation.) Keine Ausschließungen, meine Herren! Was mich betrifft, gestatten Sie mir, hier zu erinnern, daß ich im Jahr 1830 mich mitten unter die Freunde der Ordnung, mitten unter die Partei, die man die conservative nennt, gestellt habe, weil ich die Ordnung bedroht glaubte. Meine Meinungen haben mich später von ihr getrennt und mich in die Opposition geworfen. Ich sah Alle nach demselben Zweck streben; ich sah, daß keiner einen besondern Beruf für die Ordnung oder für die Unordnung hatte, daß es nur Freunde des Landes gab. Wenn Sie zwischen beide das traurige Wort der Ausschließung schieben wollen, wird es Unglück bringen dem, der es zuerst ausspricht. (Bewegung.) Wir haben noch nichts gethan und konnten noch nichts thun, da wir erst seit zwanzig Tagen Minister sind. Unser einziger Act war, daß wir das Wort „Vergleich“ ausgesprochen, das man uns jetzt zum Vorwurf macht. Wenn wir auf dieses Wort hin fallen, sind wir nicht geschwächt. Es bleibt dann nur die ernste Thatsache, daß man uns um dieses Wortes willen zurückgewiesen, während man Tags darauf wieder eine Regierung zu bilden hat.“ (Lebhafter Eindruck und Beifall links.) In seiner Antwort auf die Rede des Hrn. Thiers sagte Hr. v. Lamartine unter Anderm: „Der Herr Ministerpräsident fragt uns: habt ihr Vertrauen zu mir? Ich begreife nicht, wie man den Muth haben kann, an Männer, die man bei den Wahlen herabgewürdigt, die man als Feinde des öffentlichen Wohles verfolgt hat, während man ihren haßerfüllten Gegnern die Hand drückte, eine solche Frage zu richten. Wenn wir nun antworteten: ja, wir haben volles und festes Vertrauen, klänge dieß nicht wie die bitterste Ironie, wie das beißendste Epigramm? Und wenn diese Antwort aufrichtig wäre, würde das Land uns nicht für die dupirtesten und furchtsamsten aller Staatsmänner halten? (Lebhafte Beistimmung). Ich antworte daher ohne Umschweife: nein, wir können kein Vertrauen in euch haben; dieser Mangel an Vertrauen aber betrifft nicht die Personen, sondern er ist eine Folge der Lage. Dem Ministerium fehlt die Basis; seine Stellung ist schief. Dieß der Grund unserer Zurückhaltung.“ Hr. v. Lamartine stimmt der Meinung des Hrn. Thiers über die Parteien der Kammer in so fern bei, daß auch er glaubt, die Spaltung sey weniger bedeutend, als man wohl anderwärts glaube. Es sey falsch, wenn man sich einbilde, die einen wollen die Republik, die andern das „Gouvernement personnel“ um unter repräsentativen Formen einen schändlichen Absolutismus zu verstecken. Im Grund wollten alle: die Befestigung und Ausdehnung einer monarchischen, aber demokratischen Regierung – einer Regierung, deren Haupt ein Monarch, deren Basis aber das Volk sey. Der Grund der Spaltung in der Kammer sey, daß es auf mehreren Bänken Männer gebe, welche revolutionäre Instincte für liberale Ideen hielten. „Der Herr Ministerpräsident hat gesagt: „„Ich bin liberal, ich will die Entwicklung der constitutionellen Ideen, ich bin der Revolution entsprossen, ich schöpfe neue Kraft aus ihrer Berührung, wie Antäus aus der Berührung seiner Mutter, der Erde.““ Indem ich diese Worte vernahm, schien es mir, das immer wiederholte Wort Revolution gleiche dem rothen Tuchlappen, den man dem Stier vorhält, um ihn zu reizen. Wir glauben nicht, daß es nützlich sey, ein Land, wie Frankreich, beständig zu beunruhigen; uns erscheint das Aufsprudeln der öffentlichen Meinung nicht als Kraftentfaltung; wir sind nicht der Ansicht, daß, wer Frankreich aufregt, es stark mache; unsere Ansicht ist vielmehr, daß Frankreich, wenn man es beruhigt, wenn man sein materielles Glück fördert, sich stärker fühlen werde an dem Tage der Gefahr. Was uns außerdem noch trennt – fuhr der Redner fort – ist kein Princip, sondern eine Leidenschaft, die wir bei euch wahrnehmen, eine unruhige, eifersüchtige, unersättliche Leidenschaft, die nichts beruhigen kann, die nichts theilen will, denn für sie ist Alles noch nicht genug. Es ist die Leidenschaft, zu regieren, allein zu regieren, immer zu regieren, mit der Majorität oder mit der Minorität, wie heute, zu regieren um jeden Preis. Dieß ist zwischen uns die eigentliche Schranke. Wir waren nach dem Sturze des letzten Ministeriums zur Versöhnung geneigt, und nie vielleicht hat eine große politische Partei mehr Uneigennützigkeit gezeigt, als die unsrige. Das Hinderniß einer Vereinigung der beiden Centren lag weder an den Principien noch selbst an den Männern, sondern allein an der Stellung, welche der Herr Präsident des Conseils in der Kammer aus System eingenommen. Er stellte sich fast ans äußerste Ende dieser Kammer oder wenigstens in eine der von den Centren, wo sein Stützpunkt hätte seyn sollen, entferntesten Gruppen, und von dort fordert er uns auf zu einer Transaction, jener Transaction, welche der vorhergehende Redner (Hr. Bechard) mit so glücklicher Beredsamkeit „das letzte Wort der Revolutionen, welche enden“ nannte und die ich heute glücklicherweise „das erste Wort der Majoritäten, welche sich wiederfinden“ werde nennen können. (Beifall im Centrum. Lebhafte Sensation). Nicht unter unsern Freunden, nicht einmal unter den Neutralen hat er Platz genommen, sondern inmitten unserer politischen Gegner von zehn oder von zwei Jahren her. Von dort ruft er uns zu: „Kommt zu mir, ich bin die personificirte Transaction, die lebendige Transaction! Wagt es einmal, nicht zu mir zu kommen!“ Aber dieß heißt nicht sich vergleichen, sondern siegen und demüthigen. (Beifall und Bewegung.) Noch eine andere Ursache verbietet uns, dieser sogenannten Ausgleichung beizutreten: die räthselhafte Unterstützung, welche von der Linken dem Hrn. Minister-Präsidenten zu Theil wird; ich sage räthselhaft, sofern nicht Hr. Barrot oder seiner Collegen Einer uns das Räthsel lösen will. (Odilon-Barrot: „Ich verlange das Wort.“) Eine weitere Ursache ist die verdächtige, so zu sagen einstimmige Gunst der Presse, diese geschriebene Volksthümlichkeit, die seit zwei Jahren sich an einen Mann hängt, wie um ihren außerparlamentarischen Einfluß dem parlamentarischen entgegenzustellen. (Beifall.) Darin liegt eine ernstliche Gefahr für das Parlament, für die bestehenden Staatskörper und für die Verfassung. Wenn die Kammer nicht Acht hat auf diese übergreifende Macht, welche täglich zu wachsen scheint, wenn die Staatseinrichtungen immer mehr geschwächt werden in diesen traurigen Kämpfen, so kommt das Land in große Gefahr; wenn das Parlament jenem Uebergriffe nachgäbe, so wäre es geschehen um die parlamentarische Freiheit, man müßte eine vierte Staatsgewalt als Herrscherin über die andern ausrufen: ich meine die Volksthümlichkeit. Dem werden wir uns niemals fügen. (Beifall.) Ich kann nicht glauben, daß Hr. Barrot die Worte: Zurücknahme der Septembergesetze, Wahlreform, von seiner Fahne vertilgen will; selbst wenn er es sagte, würde ich ihm nicht glauben. Aber er wird es nicht sagen. ... Wir wollen keine systematische Opposition machen, welche die Thätigkeit der Regierung lähmt und das Land tödtet, um politische Gegner zu stürzen. Nie werden wir uns zu einer solchen Opposition des Zorns entschließen. Nicht wir haben gesagt: „Man versuche,

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 91. Augsburg, 31. März 1840, S. 0723. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_091_18400331/3>, abgerufen am 23.11.2024.