Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 92. Augsburg, 1. April 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Das ist sprachliche Barbarei und logische und wissenschaftliche Ketzerei, die als Grundlage des ganzen Werkes nothwendig zu dem tollsten Kauderwälsch führen müssen. Was wird der Meister sagen, wenn er seine Definitionen, die er so fein bedächtig zimmert, in französischer Parodie wiedersieht!

Für:
"Zuerst muß im System des römischen Privatrechtes selbst die Stelle aufgesucht werden, welche dem Besitz, als einem rechtlichen Verhältniß, in diesem Systeme zukommt."

Setzt der Uebersetzer unerschrocken:
"En premier lieu il faut chercher dans le systeme du droit prive des Romains les passages qui se rapportent dans ce systeme a la possession comme relation de droit!"

Den Ausdruck bekannte Frage übersetzt er mit fameuses questions, und den Satz:
"daß indessen auch hierin kein Recht des Besitzes liegt, wodurch der Besitz selbst eine neue juristische Bedeutung bekommen könnte, folgt schon daraus, daß derselbe Satz allgemein für jeden Beklagten überhaupt wahr ist.
mit folgenden Worten:
Comme ce n'est point la un droit de la possession qui puisse la caracteriser juridiquement, il s'ensuit que ce principe general est applicable a tout defendeur.

Und so geht es fort! Solche horribilia muß man selbst gelesen haben, um sie zu glauben, und das gute Publicum, dem man sie auftischt, sagt nach genossener Mahlzeit mit vornehmem Naserümpfen: la science du nord est bien confuse et indigeste! Ich glaube es wohl, wenn ihr euren Sudelköchen gestattet, sie anzurichten, wie hier geschehen. Karl Maria v. Weber war in Berlin lange als ein musikalischer Confusionarius verschrien, weil die Hornisten beim Spielen der Ouverture seiner Sylvana mit unbegreiflicher Beharrlichkeit stets aus einem falschen Schlüssel spielten, und so die ganze Orchestermusik zu einem wahren Zeter verunstalteten. Diesen Schimpf, der auf sie selbst zurückfiel, thaten sie dem großen Meister eines Tages in seiner eigenen Gegenwart, bis Weber ganz gelassen die Schlüssel wechselte und dem Orchester sagte: Nun noch einmal! wo dann die beschämten Tadler in einhellige Bewunderung ausbrachen. An dieser Anekdote möge sich die französische Kritik spiegeln, die ihre Prämissen aus der Prosa der HH. Faivre d'Audelange und seiner Geistesverwandten schöpft, denn was sind ihre Urtheile anders als ein Spiel aus falschem Schlüssel, und wer hat die Dissonanz verschuldet als sie selbst!

Je mehr noch zu thun bleibt in dem Felde, das Hr. Cousin mit Entschlossenheit betreten, je schwerer die Arbeit, die da den veralteten Unrath wegräumen soll, desto mehr möge er sich aufgefordert fühlen, in seinem Werke zu beharren. Die Politik wechselt, und die Portefeuilles verschwinden wie eine ephemere Frucht, aber Recht und Gesetz sind die heiligste Fahne in der bürgerlichen Gesellschaft. Das Bedürfniß nach ihnen ist ewig und unvergänglich; ein Minister des Unterrichts kann seinem Namen kein würdigeres Denkmal stiften, als indem er dieser Fahne eine neue Stütze, einen frischen Glanz verleiht.

Großbritannien.

Der radicale Spectator bemerkt über die bisherige Parlamentssession: "Neun Wochen hat sie jetzt gedauert, und man kann, im buchstäblichen Sinne des Worts, nicht sagen, daß sie unfruchtbar gewesen. Die Minister finden die gemachten Fortschritte sehr befriedigend. Die Aufruhrbill ist an die Lords übermacht; das Marinebudget hat einen beträchtlichen Kostenzuwachs erhalten, und das Armeebudget factisch ebenfalls; denn, wie es scheint, steht Ihrer Maj. Regierung im Begriff, von Indien Truppen zu borgen, die also zwar in erster Instanz von der ostindischen Compagnie, zuletzt aber von England werden bezahlt werden. Hätte Hr. Macaulay dieses Factum einfach angegeben und so die wirklichen Heereskosten berechnet, so würde sein Militärbudget einen beträchtlichen Mehrbetrag als die vom Parlament votirte Summe herausgestellt haben. Hiernach mag wohl die Regierung mit den bisherigen Ergebnissen der Session zufrieden seyn, für den aber, der da große Verbesserungen durch weise Gesetzgebung erwartete, war dieselbe bis jetzt sehr unfruchtbar, und auch ihre Zukunft verspricht nur einige Discussionen ohne praktische Ergebnisse." - In einem größeren Artikel unter der Ueberschrift "Kriegsaussichten" äußert der Spectator, nachdem er die indischen und überhaupt asiatischen Verhältnisse in ziemlich trübem Lichte geschildert: "Auch unsere Verhältnisse zu Frankreich sind nicht so sicher, als es sich wünschen ließe. Mehemed Ali ist unter den mohammedanischen Völkern, was unter den christlichen Frankreich ist und England seyn sollte: das Vorbild und der Vorfechter des wandelbaren oder fortschreitenden Grundsatzes, im Gegensatze zu der erstickenden Anhäufung lebenloser Formen. Frankreich fühlt, wenn es nicht sieht, daß es mit Mehemed Ali gleiche Interessen hat, und was auch die Ansichten der Nasendreher unter den Bureaukraten, die Frankreich regieren, seyn mögen, das französische Volksgefühl ist für Mehemed Ali. Die Whigregierung in England scheint den von der Toryverwaltung zu Anfang der französischen Revolution begangenen Fehler wiederholen und sich in die Wagschale einer abgenutzten Oligarchie werfen zu wollen. Die schwache Seite der Franzosen ist die Liebe zum Kriegsruhm, und wer Thiers' Geschichte der französischen Revolution studirt und die politische Laufbahn dieses Mannes beobachtet hat, muß einsehen, daß er völlig dazu fähig ist sich im Besitze der Macht zu behaupten dadurch, daß er sich wegen der afrikanischen Frage in einen Krieg einläßt, das ihm Stoff zu glänzenden Reden über französischen Heldenmuth und englische Doppelzüngigkeit geben würde. In der That scheint es uns, alsob es bei so vielen Zwietrachtsstoffen auf allen Seiten klüger wäre, der Zänkereien, in die wir verwickelt sind, los zu werden, als durch Einmischung in Zwiste, die uns nichts angehen, in Gefahr zu gerathen, uns mehr Gegner auf den Hals zu ziehen, als wir bekämpfen können. Es ist nicht wahrscheinlich, daß so viele zwieträchtige Elemente sich gegen England vereinigen werden, aber manche von ihnen könnten uns mehr zu schaffen machen, als uns angenehm wäre. Die Elemente, woraus der Sieg im Kriege gemacht wird, sind Leute, Geld und Geschicklichkeit. Als bloß fechtende Thiere sind alle Europäer ziemlich gleich. Die kriegführende Macht, welche die größte Zahl von Truppen am längsten füttern kann, muß am Ende den Sieg erlangen. Dieß ist das Geheimniß des Siegs der europäischen Oligarchie über das jakobinische Frankreich. - Was Reichthum, Bullenbeißermuth und Hartnäckigkeit betrifft, kann John Bull es wohl mit zwei, drei Völkern in der Christenheit aufnehmen, aber nicht gegen alle, und einige asiatische dazu. Es kommt nicht darauf an, daß ihre vereinigten Streitkräfte und Reichthümer den unsrigen überlegen seyn mögen, sondern daß wir, während wir fechten, unsere Kunden verlieren und natürlich unsere Arbeit einstellen müssen. Wir haben allerdings 25 Friedensjahre gehabt, aber in dieser ganzen Zeit sind wir in Kriegsrüstung gewesen. In diesem Augenblicke ist unser Handel in einer etwas gepreßten Lage. Und wer soll den Krieg führen? Wir setzen die Whigs nicht herab, wenn wir sagen, daß sie Niemand haben, der es kann. Wir wissen, daß die

Das ist sprachliche Barbarei und logische und wissenschaftliche Ketzerei, die als Grundlage des ganzen Werkes nothwendig zu dem tollsten Kauderwälsch führen müssen. Was wird der Meister sagen, wenn er seine Definitionen, die er so fein bedächtig zimmert, in französischer Parodie wiedersieht!

Für:
„Zuerst muß im System des römischen Privatrechtes selbst die Stelle aufgesucht werden, welche dem Besitz, als einem rechtlichen Verhältniß, in diesem Systeme zukommt.“

Setzt der Uebersetzer unerschrocken:
„En premier lieu il faut chercher dans le systême du droit privé des Romains les passages qui se rapportent dans ce systême à la possession comme relation de droit!

Den Ausdruck bekannte Frage übersetzt er mit fameuses questions, und den Satz:
daß indessen auch hierin kein Recht des Besitzes liegt, wodurch der Besitz selbst eine neue juristische Bedeutung bekommen könnte, folgt schon daraus, daß derselbe Satz allgemein für jeden Beklagten überhaupt wahr ist.
mit folgenden Worten:
Comme ce n'est point là un droit de la possession qui puisse la caractériser juridiquement, il s'ensuit que ce principe général est applicable à tout défendeur.

Und so geht es fort! Solche horribilia muß man selbst gelesen haben, um sie zu glauben, und das gute Publicum, dem man sie auftischt, sagt nach genossener Mahlzeit mit vornehmem Naserümpfen: la science du nord est bien confuse et indigéste! Ich glaube es wohl, wenn ihr euren Sudelköchen gestattet, sie anzurichten, wie hier geschehen. Karl Maria v. Weber war in Berlin lange als ein musikalischer Confusionarius verschrien, weil die Hornisten beim Spielen der Ouverture seiner Sylvana mit unbegreiflicher Beharrlichkeit stets aus einem falschen Schlüssel spielten, und so die ganze Orchestermusik zu einem wahren Zeter verunstalteten. Diesen Schimpf, der auf sie selbst zurückfiel, thaten sie dem großen Meister eines Tages in seiner eigenen Gegenwart, bis Weber ganz gelassen die Schlüssel wechselte und dem Orchester sagte: Nun noch einmal! wo dann die beschämten Tadler in einhellige Bewunderung ausbrachen. An dieser Anekdote möge sich die französische Kritik spiegeln, die ihre Prämissen aus der Prosa der HH. Faivre d'Audelange und seiner Geistesverwandten schöpft, denn was sind ihre Urtheile anders als ein Spiel aus falschem Schlüssel, und wer hat die Dissonanz verschuldet als sie selbst!

Je mehr noch zu thun bleibt in dem Felde, das Hr. Cousin mit Entschlossenheit betreten, je schwerer die Arbeit, die da den veralteten Unrath wegräumen soll, desto mehr möge er sich aufgefordert fühlen, in seinem Werke zu beharren. Die Politik wechselt, und die Portefeuilles verschwinden wie eine ephemere Frucht, aber Recht und Gesetz sind die heiligste Fahne in der bürgerlichen Gesellschaft. Das Bedürfniß nach ihnen ist ewig und unvergänglich; ein Minister des Unterrichts kann seinem Namen kein würdigeres Denkmal stiften, als indem er dieser Fahne eine neue Stütze, einen frischen Glanz verleiht.

Großbritannien.

Der radicale Spectator bemerkt über die bisherige Parlamentssession: „Neun Wochen hat sie jetzt gedauert, und man kann, im buchstäblichen Sinne des Worts, nicht sagen, daß sie unfruchtbar gewesen. Die Minister finden die gemachten Fortschritte sehr befriedigend. Die Aufruhrbill ist an die Lords übermacht; das Marinebudget hat einen beträchtlichen Kostenzuwachs erhalten, und das Armeebudget factisch ebenfalls; denn, wie es scheint, steht Ihrer Maj. Regierung im Begriff, von Indien Truppen zu borgen, die also zwar in erster Instanz von der ostindischen Compagnie, zuletzt aber von England werden bezahlt werden. Hätte Hr. Macaulay dieses Factum einfach angegeben und so die wirklichen Heereskosten berechnet, so würde sein Militärbudget einen beträchtlichen Mehrbetrag als die vom Parlament votirte Summe herausgestellt haben. Hiernach mag wohl die Regierung mit den bisherigen Ergebnissen der Session zufrieden seyn, für den aber, der da große Verbesserungen durch weise Gesetzgebung erwartete, war dieselbe bis jetzt sehr unfruchtbar, und auch ihre Zukunft verspricht nur einige Discussionen ohne praktische Ergebnisse.“ – In einem größeren Artikel unter der Ueberschrift „Kriegsaussichten“ äußert der Spectator, nachdem er die indischen und überhaupt asiatischen Verhältnisse in ziemlich trübem Lichte geschildert: „Auch unsere Verhältnisse zu Frankreich sind nicht so sicher, als es sich wünschen ließe. Mehemed Ali ist unter den mohammedanischen Völkern, was unter den christlichen Frankreich ist und England seyn sollte: das Vorbild und der Vorfechter des wandelbaren oder fortschreitenden Grundsatzes, im Gegensatze zu der erstickenden Anhäufung lebenloser Formen. Frankreich fühlt, wenn es nicht sieht, daß es mit Mehemed Ali gleiche Interessen hat, und was auch die Ansichten der Nasendreher unter den Bureaukraten, die Frankreich regieren, seyn mögen, das französische Volksgefühl ist für Mehemed Ali. Die Whigregierung in England scheint den von der Toryverwaltung zu Anfang der französischen Revolution begangenen Fehler wiederholen und sich in die Wagschale einer abgenutzten Oligarchie werfen zu wollen. Die schwache Seite der Franzosen ist die Liebe zum Kriegsruhm, und wer Thiers' Geschichte der französischen Revolution studirt und die politische Laufbahn dieses Mannes beobachtet hat, muß einsehen, daß er völlig dazu fähig ist sich im Besitze der Macht zu behaupten dadurch, daß er sich wegen der afrikanischen Frage in einen Krieg einläßt, das ihm Stoff zu glänzenden Reden über französischen Heldenmuth und englische Doppelzüngigkeit geben würde. In der That scheint es uns, alsob es bei so vielen Zwietrachtsstoffen auf allen Seiten klüger wäre, der Zänkereien, in die wir verwickelt sind, los zu werden, als durch Einmischung in Zwiste, die uns nichts angehen, in Gefahr zu gerathen, uns mehr Gegner auf den Hals zu ziehen, als wir bekämpfen können. Es ist nicht wahrscheinlich, daß so viele zwieträchtige Elemente sich gegen England vereinigen werden, aber manche von ihnen könnten uns mehr zu schaffen machen, als uns angenehm wäre. Die Elemente, woraus der Sieg im Kriege gemacht wird, sind Leute, Geld und Geschicklichkeit. Als bloß fechtende Thiere sind alle Europäer ziemlich gleich. Die kriegführende Macht, welche die größte Zahl von Truppen am längsten füttern kann, muß am Ende den Sieg erlangen. Dieß ist das Geheimniß des Siegs der europäischen Oligarchie über das jakobinische Frankreich. – Was Reichthum, Bullenbeißermuth und Hartnäckigkeit betrifft, kann John Bull es wohl mit zwei, drei Völkern in der Christenheit aufnehmen, aber nicht gegen alle, und einige asiatische dazu. Es kommt nicht darauf an, daß ihre vereinigten Streitkräfte und Reichthümer den unsrigen überlegen seyn mögen, sondern daß wir, während wir fechten, unsere Kunden verlieren und natürlich unsere Arbeit einstellen müssen. Wir haben allerdings 25 Friedensjahre gehabt, aber in dieser ganzen Zeit sind wir in Kriegsrüstung gewesen. In diesem Augenblicke ist unser Handel in einer etwas gepreßten Lage. Und wer soll den Krieg führen? Wir setzen die Whigs nicht herab, wenn wir sagen, daß sie Niemand haben, der es kann. Wir wissen, daß die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0011" n="0731"/>
          <p>Das ist sprachliche Barbarei und logische und wissenschaftliche Ketzerei, die als Grundlage des ganzen Werkes nothwendig zu dem tollsten Kauderwälsch führen müssen. Was wird der Meister sagen, wenn er seine Definitionen, die er so fein bedächtig zimmert, in französischer Parodie wiedersieht!</p><lb/>
          <p>Für:<lb/>
&#x201E;Zuerst muß im System des römischen Privatrechtes selbst die <hi rendition="#g">Stelle</hi> aufgesucht werden, <hi rendition="#g">welche dem Besitz</hi>, <hi rendition="#g">als einem rechtlichen Verhältniß</hi>, in diesem Systeme <hi rendition="#g">zukommt</hi>.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Setzt der Uebersetzer unerschrocken:<lb/>
&#x201E;En premier lieu il faut chercher dans le systême du droit privé des Romains <hi rendition="#i">les passages qui se rapportent dans ce systême à la possession comme relation de droit!</hi>&#x201C;</p><lb/>
          <p>Den Ausdruck <hi rendition="#g">bekannte Frage</hi> übersetzt er mit <hi rendition="#i">fameuses</hi> questions, und den Satz:<lb/>
&#x201E;<hi rendition="#g">daß</hi> indessen auch hierin kein Recht des Besitzes liegt, wodurch der Besitz selbst eine neue juristische Bedeutung bekommen könnte, <hi rendition="#g">folgt schon daraus</hi>, daß derselbe Satz allgemein für jeden Beklagten überhaupt wahr ist.<lb/>
mit folgenden Worten:<lb/><hi rendition="#i">Comme</hi> ce n'est point là un droit de la possession qui puisse la caractériser juridiquement, <hi rendition="#i">il s'ensuit</hi> que ce principe général est applicable à tout défendeur.</p><lb/>
          <p>Und so geht es fort! Solche horribilia muß man selbst gelesen haben, um sie zu glauben, und das gute Publicum, dem man sie auftischt, sagt nach genossener Mahlzeit mit vornehmem Naserümpfen: la science du nord est bien confuse et indigéste! Ich glaube es wohl, wenn ihr euren Sudelköchen gestattet, sie anzurichten, wie hier geschehen. Karl Maria v. Weber war in Berlin lange als ein musikalischer Confusionarius verschrien, weil die Hornisten beim Spielen der Ouverture seiner Sylvana mit unbegreiflicher Beharrlichkeit stets aus einem falschen Schlüssel spielten, und so die ganze Orchestermusik zu einem wahren Zeter verunstalteten. Diesen Schimpf, der auf sie selbst zurückfiel, thaten sie dem großen Meister eines Tages in seiner eigenen Gegenwart, bis Weber ganz gelassen die Schlüssel wechselte und dem Orchester sagte: Nun noch einmal! wo dann die beschämten Tadler in einhellige Bewunderung ausbrachen. An dieser Anekdote möge sich die französische Kritik spiegeln, die ihre Prämissen aus der Prosa der HH. Faivre d'Audelange und seiner Geistesverwandten schöpft, denn was sind ihre Urtheile anders als ein Spiel aus falschem Schlüssel, und wer hat die Dissonanz verschuldet als sie selbst!</p><lb/>
          <p>Je mehr noch zu thun bleibt in dem Felde, das Hr. Cousin mit Entschlossenheit betreten, je schwerer die Arbeit, die da den veralteten Unrath wegräumen soll, desto mehr möge er sich aufgefordert fühlen, in seinem Werke zu beharren. Die Politik wechselt, und die Portefeuilles verschwinden wie eine ephemere Frucht, aber Recht und Gesetz sind die heiligste Fahne in der bürgerlichen Gesellschaft. Das Bedürfniß nach ihnen ist ewig und unvergänglich; ein Minister des Unterrichts kann seinem Namen kein würdigeres Denkmal stiften, als indem er dieser Fahne eine neue Stütze, einen frischen Glanz verleiht.</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Großbritannien.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 23 März.</dateline>
          <p> Der radicale <hi rendition="#g">Spectator</hi> bemerkt über die bisherige Parlamentssession: &#x201E;Neun Wochen hat sie jetzt gedauert, und man kann, im buchstäblichen Sinne des Worts, nicht sagen, daß sie unfruchtbar gewesen. Die Minister finden die gemachten Fortschritte sehr befriedigend. Die Aufruhrbill ist an die Lords übermacht; das Marinebudget hat einen beträchtlichen Kostenzuwachs erhalten, und das Armeebudget <hi rendition="#g">factisch</hi> ebenfalls; denn, wie es scheint, steht Ihrer Maj. Regierung im Begriff, von Indien Truppen zu <hi rendition="#g">borgen</hi>, die also zwar in erster Instanz von der ostindischen Compagnie, zuletzt aber von <hi rendition="#g">England</hi> werden bezahlt werden. Hätte Hr. Macaulay dieses Factum einfach angegeben und so die wirklichen Heereskosten berechnet, so würde sein Militärbudget einen beträchtlichen Mehrbetrag als die vom Parlament votirte Summe herausgestellt haben. Hiernach mag wohl die Regierung mit den bisherigen Ergebnissen der Session zufrieden seyn, für den aber, der da große Verbesserungen durch weise Gesetzgebung erwartete, war dieselbe bis jetzt sehr unfruchtbar, und auch ihre Zukunft verspricht nur einige Discussionen ohne praktische Ergebnisse.&#x201C; &#x2013; In einem größeren Artikel unter der Ueberschrift &#x201E;Kriegsaussichten&#x201C; äußert der Spectator, nachdem er die indischen und überhaupt asiatischen Verhältnisse in ziemlich trübem Lichte geschildert: &#x201E;Auch unsere Verhältnisse zu Frankreich sind nicht so sicher, als es sich wünschen ließe. Mehemed Ali ist unter den mohammedanischen Völkern, was unter den christlichen Frankreich ist und England seyn sollte: das Vorbild und der Vorfechter des wandelbaren oder fortschreitenden Grundsatzes, im Gegensatze zu der erstickenden Anhäufung lebenloser Formen. Frankreich fühlt, wenn es nicht sieht, daß es mit Mehemed Ali gleiche Interessen hat, und was auch die Ansichten der Nasendreher unter den Bureaukraten, die Frankreich regieren, seyn mögen, das französische Volksgefühl ist für Mehemed Ali. Die Whigregierung in England scheint den von der Toryverwaltung zu Anfang der französischen Revolution begangenen Fehler wiederholen und sich in die Wagschale einer abgenutzten Oligarchie werfen zu wollen. Die schwache Seite der Franzosen ist die Liebe zum Kriegsruhm, und wer Thiers' Geschichte der französischen Revolution studirt und die politische Laufbahn dieses Mannes beobachtet hat, muß einsehen, daß er völlig dazu fähig ist sich im Besitze der Macht zu behaupten dadurch, daß er sich wegen der afrikanischen Frage in einen Krieg einläßt, das ihm Stoff zu glänzenden Reden über französischen Heldenmuth und englische Doppelzüngigkeit geben würde. In der That scheint es uns, alsob es bei so vielen Zwietrachtsstoffen auf allen Seiten klüger wäre, der Zänkereien, in die wir verwickelt sind, los zu werden, als durch Einmischung in Zwiste, die uns nichts angehen, in Gefahr zu gerathen, uns mehr Gegner auf den Hals zu ziehen, als wir bekämpfen können. Es ist nicht wahrscheinlich, daß so viele zwieträchtige Elemente sich gegen England vereinigen werden, aber manche von ihnen könnten uns mehr zu schaffen machen, als uns angenehm wäre. Die Elemente, woraus der Sieg im Kriege gemacht wird, sind Leute, Geld und Geschicklichkeit. Als bloß fechtende Thiere sind alle Europäer ziemlich gleich. Die kriegführende Macht, welche die größte Zahl von Truppen am längsten füttern kann, muß am Ende den Sieg erlangen. Dieß ist das Geheimniß des Siegs der europäischen Oligarchie über das jakobinische Frankreich. &#x2013; Was Reichthum, Bullenbeißermuth und Hartnäckigkeit betrifft, kann John Bull es wohl mit zwei, drei Völkern in der Christenheit aufnehmen, aber nicht gegen alle, und einige asiatische dazu. Es kommt nicht darauf an, daß ihre vereinigten Streitkräfte und Reichthümer den unsrigen überlegen seyn mögen, sondern daß wir, während wir fechten, unsere Kunden verlieren und natürlich unsere Arbeit einstellen müssen. Wir haben allerdings 25 Friedensjahre gehabt, aber in dieser ganzen Zeit sind wir in Kriegsrüstung gewesen. In diesem Augenblicke ist unser Handel in einer etwas gepreßten Lage. Und <hi rendition="#g">wer</hi> soll den Krieg führen? Wir setzen die Whigs nicht herab, wenn wir sagen, daß sie Niemand haben, der es kann. Wir wissen, daß die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0731/0011] Das ist sprachliche Barbarei und logische und wissenschaftliche Ketzerei, die als Grundlage des ganzen Werkes nothwendig zu dem tollsten Kauderwälsch führen müssen. Was wird der Meister sagen, wenn er seine Definitionen, die er so fein bedächtig zimmert, in französischer Parodie wiedersieht! Für: „Zuerst muß im System des römischen Privatrechtes selbst die Stelle aufgesucht werden, welche dem Besitz, als einem rechtlichen Verhältniß, in diesem Systeme zukommt.“ Setzt der Uebersetzer unerschrocken: „En premier lieu il faut chercher dans le systême du droit privé des Romains les passages qui se rapportent dans ce systême à la possession comme relation de droit!“ Den Ausdruck bekannte Frage übersetzt er mit fameuses questions, und den Satz: „daß indessen auch hierin kein Recht des Besitzes liegt, wodurch der Besitz selbst eine neue juristische Bedeutung bekommen könnte, folgt schon daraus, daß derselbe Satz allgemein für jeden Beklagten überhaupt wahr ist. mit folgenden Worten: Comme ce n'est point là un droit de la possession qui puisse la caractériser juridiquement, il s'ensuit que ce principe général est applicable à tout défendeur. Und so geht es fort! Solche horribilia muß man selbst gelesen haben, um sie zu glauben, und das gute Publicum, dem man sie auftischt, sagt nach genossener Mahlzeit mit vornehmem Naserümpfen: la science du nord est bien confuse et indigéste! Ich glaube es wohl, wenn ihr euren Sudelköchen gestattet, sie anzurichten, wie hier geschehen. Karl Maria v. Weber war in Berlin lange als ein musikalischer Confusionarius verschrien, weil die Hornisten beim Spielen der Ouverture seiner Sylvana mit unbegreiflicher Beharrlichkeit stets aus einem falschen Schlüssel spielten, und so die ganze Orchestermusik zu einem wahren Zeter verunstalteten. Diesen Schimpf, der auf sie selbst zurückfiel, thaten sie dem großen Meister eines Tages in seiner eigenen Gegenwart, bis Weber ganz gelassen die Schlüssel wechselte und dem Orchester sagte: Nun noch einmal! wo dann die beschämten Tadler in einhellige Bewunderung ausbrachen. An dieser Anekdote möge sich die französische Kritik spiegeln, die ihre Prämissen aus der Prosa der HH. Faivre d'Audelange und seiner Geistesverwandten schöpft, denn was sind ihre Urtheile anders als ein Spiel aus falschem Schlüssel, und wer hat die Dissonanz verschuldet als sie selbst! Je mehr noch zu thun bleibt in dem Felde, das Hr. Cousin mit Entschlossenheit betreten, je schwerer die Arbeit, die da den veralteten Unrath wegräumen soll, desto mehr möge er sich aufgefordert fühlen, in seinem Werke zu beharren. Die Politik wechselt, und die Portefeuilles verschwinden wie eine ephemere Frucht, aber Recht und Gesetz sind die heiligste Fahne in der bürgerlichen Gesellschaft. Das Bedürfniß nach ihnen ist ewig und unvergänglich; ein Minister des Unterrichts kann seinem Namen kein würdigeres Denkmal stiften, als indem er dieser Fahne eine neue Stütze, einen frischen Glanz verleiht. Großbritannien. _ London, 23 März. Der radicale Spectator bemerkt über die bisherige Parlamentssession: „Neun Wochen hat sie jetzt gedauert, und man kann, im buchstäblichen Sinne des Worts, nicht sagen, daß sie unfruchtbar gewesen. Die Minister finden die gemachten Fortschritte sehr befriedigend. Die Aufruhrbill ist an die Lords übermacht; das Marinebudget hat einen beträchtlichen Kostenzuwachs erhalten, und das Armeebudget factisch ebenfalls; denn, wie es scheint, steht Ihrer Maj. Regierung im Begriff, von Indien Truppen zu borgen, die also zwar in erster Instanz von der ostindischen Compagnie, zuletzt aber von England werden bezahlt werden. Hätte Hr. Macaulay dieses Factum einfach angegeben und so die wirklichen Heereskosten berechnet, so würde sein Militärbudget einen beträchtlichen Mehrbetrag als die vom Parlament votirte Summe herausgestellt haben. Hiernach mag wohl die Regierung mit den bisherigen Ergebnissen der Session zufrieden seyn, für den aber, der da große Verbesserungen durch weise Gesetzgebung erwartete, war dieselbe bis jetzt sehr unfruchtbar, und auch ihre Zukunft verspricht nur einige Discussionen ohne praktische Ergebnisse.“ – In einem größeren Artikel unter der Ueberschrift „Kriegsaussichten“ äußert der Spectator, nachdem er die indischen und überhaupt asiatischen Verhältnisse in ziemlich trübem Lichte geschildert: „Auch unsere Verhältnisse zu Frankreich sind nicht so sicher, als es sich wünschen ließe. Mehemed Ali ist unter den mohammedanischen Völkern, was unter den christlichen Frankreich ist und England seyn sollte: das Vorbild und der Vorfechter des wandelbaren oder fortschreitenden Grundsatzes, im Gegensatze zu der erstickenden Anhäufung lebenloser Formen. Frankreich fühlt, wenn es nicht sieht, daß es mit Mehemed Ali gleiche Interessen hat, und was auch die Ansichten der Nasendreher unter den Bureaukraten, die Frankreich regieren, seyn mögen, das französische Volksgefühl ist für Mehemed Ali. Die Whigregierung in England scheint den von der Toryverwaltung zu Anfang der französischen Revolution begangenen Fehler wiederholen und sich in die Wagschale einer abgenutzten Oligarchie werfen zu wollen. Die schwache Seite der Franzosen ist die Liebe zum Kriegsruhm, und wer Thiers' Geschichte der französischen Revolution studirt und die politische Laufbahn dieses Mannes beobachtet hat, muß einsehen, daß er völlig dazu fähig ist sich im Besitze der Macht zu behaupten dadurch, daß er sich wegen der afrikanischen Frage in einen Krieg einläßt, das ihm Stoff zu glänzenden Reden über französischen Heldenmuth und englische Doppelzüngigkeit geben würde. In der That scheint es uns, alsob es bei so vielen Zwietrachtsstoffen auf allen Seiten klüger wäre, der Zänkereien, in die wir verwickelt sind, los zu werden, als durch Einmischung in Zwiste, die uns nichts angehen, in Gefahr zu gerathen, uns mehr Gegner auf den Hals zu ziehen, als wir bekämpfen können. Es ist nicht wahrscheinlich, daß so viele zwieträchtige Elemente sich gegen England vereinigen werden, aber manche von ihnen könnten uns mehr zu schaffen machen, als uns angenehm wäre. Die Elemente, woraus der Sieg im Kriege gemacht wird, sind Leute, Geld und Geschicklichkeit. Als bloß fechtende Thiere sind alle Europäer ziemlich gleich. Die kriegführende Macht, welche die größte Zahl von Truppen am längsten füttern kann, muß am Ende den Sieg erlangen. Dieß ist das Geheimniß des Siegs der europäischen Oligarchie über das jakobinische Frankreich. – Was Reichthum, Bullenbeißermuth und Hartnäckigkeit betrifft, kann John Bull es wohl mit zwei, drei Völkern in der Christenheit aufnehmen, aber nicht gegen alle, und einige asiatische dazu. Es kommt nicht darauf an, daß ihre vereinigten Streitkräfte und Reichthümer den unsrigen überlegen seyn mögen, sondern daß wir, während wir fechten, unsere Kunden verlieren und natürlich unsere Arbeit einstellen müssen. Wir haben allerdings 25 Friedensjahre gehabt, aber in dieser ganzen Zeit sind wir in Kriegsrüstung gewesen. In diesem Augenblicke ist unser Handel in einer etwas gepreßten Lage. Und wer soll den Krieg führen? Wir setzen die Whigs nicht herab, wenn wir sagen, daß sie Niemand haben, der es kann. Wir wissen, daß die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_092_18400401
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_092_18400401/11
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 92. Augsburg, 1. April 1840, S. 0731. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_092_18400401/11>, abgerufen am 03.12.2024.