Allgemeine Zeitung. Nr. 93. Augsburg, 2. April 1840.London, Niagara und Cornwall; in Nieder-Canada: Montreal, Quebec und Three-Rivers. In neun Fällen haben wir nieder-canadische Grafschaften, welche durch die Acte von 1829 in zwei zerfällt waren, wieder in eine zusammengezogen. So wird die Assembly im Ganzen 78 Mitglieder zählen. Die Dauer der Assembly war bisher in beiden Provinzen vierjährig; zur Abänderung dieser Praxis liegt kein Grund vor. Was die legislativen Befugnisse des Assemblyhauses betrifft, so sollen diese im Allgemeinen ertheilt, für gewisse Punkte aber die Zustimmung der Krone vorbehalten bleiben. Bittet ein oder das andere Haus, die Assembly oder das legislative Conseil um Verwerfung einer Maaßregel, so soll dieser die königliche Genehmigung nicht ertheilt werden; mit andern Worten: die königliche Sanction eines Gesetzes ist durch die Einhelligkeit beider Kammern bedingt. Zu den an und für sich reservirten Punkten gehören unter andern die Regulirungen, welche die protestantische Kirche oder die römisch-katholische Religion betreffen. Eine höchst wichtige Aenderung in den legislativen Gewalten des canadischen Parlaments hat Lord Durham vorgeschlagen: nämlich daß, unsern constitutionellen Grundsätzen im Mutterland gemäß, bei Geldvoten die Initiative nicht von der Assembly ausgehen, vielmehr jede Discussion und Abstimmung über Geldfragen durch eine Botschaft vom Gouverneur bedingt seyn soll, wobei jedoch der Assembly das Recht gebühre, Adressen darüber an den Gouverneur zu richten. Es ist dieß ein Punkt vom höchsten Belang, tief verwoben mit den unglücklichen Vorfällen der letzten Jahre in der untern Provinz, und mit so manchem Anstand, der sich in den Nachbarprovinzen ergeben. Eine Hauptrubrik dieser Geldfragen ist, was Sir George Murray die Civilliste einer Colonie benamt hat. Das Versammlungshaus von Ober-Canada hat den Wunsch ausgedrückt, für den Gouverneur und den Richterstand eine permanente Appropriation zu treffen. Die Regierung beabsichtigt diesem Wunsche zu willfahren, und überhaupt den ganzen Etat der Civiladministration in Canada entweder auf eine Periode von zehn Jahren oder für die Lebensdauer des jeweiligen Souveräns von Großbritannien votiren zu lassen." Die jährlichen Ausgaben für den Gouverneur und die Rechtspflege berechnet Lord J. Russell auf 45,000 Pf., die übrigen Kosten, einschließlich 5000 bis 6000 Pf. für Pensionen, auf 30,000 Pf. Sterl. Als Ersatz für diese der Krone eingeräumte größere Gewalt soll die Assembly eine erweitere Controle über die Beamten und die Vertheilung und Verausgabung der öffentlichen Gelder erhalten. (Beschluß folgt.) Frankreich im Beginn von 1840. *) Das gefürchtete Jahr 1840 hat begonnen; beinahe zehn Jahre sind vorübergegangen, seit in drei Tagen die ältern Bourbonen von ihrem Thron gestürzt, eine neue Dynastie eingesetzt, ein neues Princip - die Volkssouveränetät - als Basis aller Staatsverwaltung angenommen wurde. Doch was ist das Princip vom Julius 1830 geworden, was hat Frankreich gewonnen, und was hat es zu erwarten? - Die stets zunehmende Gährung in allen Theilen des Reiches kann keinem Auge entgehen; nur wenn früher, unter ungleich leichteren Verhältnissen, dauernde Hemmung herbeigeführt, oder wenigstens der Ausbruch verhindert werden konnte, so ist dieß jetzt ganz unmöglich geworden: alle geheimen Triebfedern, um Zeit zu gewinnen, um eine allgemeine Explosion, eine Conflagration aller entzündbaren Elemente zu verhindern oder sie hinauszuschieben, liegen zu Tage; sie haben ausgespielt, und Frankreich gleicht einem im Todeskrampf, in hoffnungsloser Agonie dahinschwindenden Kranken, der den Chronometer zur Hand seine Todesstunde kennt, und sie langsam und doch sichern Schrittes herannahen sieht. Nicht eine Secunde wird fehlen, der Moment ist gezählt - es ist Ludwig Philipps Todestag. Ja, das ist das wichtigste Leben auf Erden, und von Ludwig Philipps Existenz hängt die Gestalt Frankreichs, der Friede der Welt ab. Wer an Ordnung und Stabilität hält, und ungewiß der Dinge, die der morgige Tag bringen wird, das zu bewahren trachtet, was noch von den Stürmen der Zeiten, bei fortschreitendem Umsichgreifen verderblicher Principien, gerettet und erhalten worden ist, der muß Ludwig Philipp ein langes Leben wünschen, welcher politischen Meinung er auch immer angehören möge. Ich will hier nicht Ludwig Philipps Lobrede schreiben, noch in sein Herz und sein Gewissen schauen; ich bin weit entfernt sein Anhänger zu seyn, aber Eine Gerechtigkeit muß man ihm widerfahren lassen: die Aufgabe, die er sich gesetzt, hat er bisher meisterhaft durchgeführt; was er gethan, macht ihm keiner nach. Vergleichen wir seine Handlungsweise, wenn auch nur in Einem Punkte, mit der der ältern Bourbonen. Wenn ein Gefühl in der Seele aller Franzosen Wiederhall findet, so ist es Nationalehre und Nationalstolz; kriegerischer Geist kann dem Gewürzkrämer von Paris eben so wenig als dem Bauer der Bretagne abgesprochen werden, und doch fielen die ältern Bourbonen, nachdem sie zur Befreiung Griechenlands mitgewirkt und die weiße Fahne auf der Kasbah von Algier aufgepflanzt hatten. - Die Juliusdynastie hat nichts für Frankreichs Ruhm gethan; der Tractat von der Tafna, die Räumung Ancona's, die zweifelhafte Rolle des Ministeriums Sebastiani während der polnischen Insurrection, die Zurückgabe des Forts von San Juan de Ulloa, ohne der Indemnität versichert zu seyn, die doppelzüngige Politik der Regierung in den spanischen Angelegenheiten, und zuletzt das schwache Eingreifen Frankreichs in der orientalischen Frage wurden von Anfang bis jetzt jedem Ministerium von jeder Opposition vorgeworfen. Die Charte von 1830 ist zehnmal mehr, und gröber verletzt worden als die von 1815 (?); die Abgaben aller Art sind drückender, die financielle Krisis im ganzen Umfange Frankreichs und seiner Colonien weit größer als je während der Restauration; die Unzufriedenheit aller arbeitenden Classen nimmt immer mehr zu; nie waren so viele Emeuten als jetzt, nie wurde weder auf Ludwig XVIII noch auf Karl X geschossen, und doch hält sich Ludwig Philipp und wird sich halten... er sitzt fest auf seinem Throne, denn Ludwig Philipps Lage ist exceptionell und rein persönlich, sie verschwindet mit ihm und seinem Leben. Dieses politische Phänomen muß um so mehr auffallen, wenn wir die Hauptparteien, die Frankreich bewegen, beobachten, und einen Blick auf die lebenden Fragen werfen wollen, die alle Gemüther jetzt beschäftigen. Die Anhänger der jetzigen Dynastie und diejenigen, welche noch an die Möglichkeit einer constitutionellen Monarchie, in gewissenhafter Beobachtung der Charte von 1830 glauben, bilden, wenn gleich von einander strenge geschieden, die conservativen Parteien; die ersteren sind die Freunde des Bestehenden, die zweiten fürchten zu gewaltsame Veränderung. Die Republicaner und Legitimisten *) Die Redaction bemerkt, daß ihr diese Mittheilung schon in der ersten Hälfte Januars zugekommen, deren Aufnahme aber aus innern und äußern Gründen verzögert worden war, bis der Redaction, beim Eintritt der jüngsten Ereignisse in Frankreich, von mehr als Einer Seite die Anregung zukam, sich nicht zu verschließen vor der, wenn auch nach der Ansicht der Redaction in wesentlichen Punkten zu grellen Schilderung der Lage Frankreichs, wie sie hier dem Auge eines streng legitimistischen Beobachters erscheint.
London, Niagara und Cornwall; in Nieder-Canada: Montreal, Quebec und Three-Rivers. In neun Fällen haben wir nieder-canadische Grafschaften, welche durch die Acte von 1829 in zwei zerfällt waren, wieder in eine zusammengezogen. So wird die Assembly im Ganzen 78 Mitglieder zählen. Die Dauer der Assembly war bisher in beiden Provinzen vierjährig; zur Abänderung dieser Praxis liegt kein Grund vor. Was die legislativen Befugnisse des Assemblyhauses betrifft, so sollen diese im Allgemeinen ertheilt, für gewisse Punkte aber die Zustimmung der Krone vorbehalten bleiben. Bittet ein oder das andere Haus, die Assembly oder das legislative Conseil um Verwerfung einer Maaßregel, so soll dieser die königliche Genehmigung nicht ertheilt werden; mit andern Worten: die königliche Sanction eines Gesetzes ist durch die Einhelligkeit beider Kammern bedingt. Zu den an und für sich reservirten Punkten gehören unter andern die Regulirungen, welche die protestantische Kirche oder die römisch-katholische Religion betreffen. Eine höchst wichtige Aenderung in den legislativen Gewalten des canadischen Parlaments hat Lord Durham vorgeschlagen: nämlich daß, unsern constitutionellen Grundsätzen im Mutterland gemäß, bei Geldvoten die Initiative nicht von der Assembly ausgehen, vielmehr jede Discussion und Abstimmung über Geldfragen durch eine Botschaft vom Gouverneur bedingt seyn soll, wobei jedoch der Assembly das Recht gebühre, Adressen darüber an den Gouverneur zu richten. Es ist dieß ein Punkt vom höchsten Belang, tief verwoben mit den unglücklichen Vorfällen der letzten Jahre in der untern Provinz, und mit so manchem Anstand, der sich in den Nachbarprovinzen ergeben. Eine Hauptrubrik dieser Geldfragen ist, was Sir George Murray die Civilliste einer Colonie benamt hat. Das Versammlungshaus von Ober-Canada hat den Wunsch ausgedrückt, für den Gouverneur und den Richterstand eine permanente Appropriation zu treffen. Die Regierung beabsichtigt diesem Wunsche zu willfahren, und überhaupt den ganzen Etat der Civiladministration in Canada entweder auf eine Periode von zehn Jahren oder für die Lebensdauer des jeweiligen Souveräns von Großbritannien votiren zu lassen.“ Die jährlichen Ausgaben für den Gouverneur und die Rechtspflege berechnet Lord J. Russell auf 45,000 Pf., die übrigen Kosten, einschließlich 5000 bis 6000 Pf. für Pensionen, auf 30,000 Pf. Sterl. Als Ersatz für diese der Krone eingeräumte größere Gewalt soll die Assembly eine erweitere Controle über die Beamten und die Vertheilung und Verausgabung der öffentlichen Gelder erhalten. (Beschluß folgt.) Frankreich im Beginn von 1840. *) Das gefürchtete Jahr 1840 hat begonnen; beinahe zehn Jahre sind vorübergegangen, seit in drei Tagen die ältern Bourbonen von ihrem Thron gestürzt, eine neue Dynastie eingesetzt, ein neues Princip – die Volkssouveränetät – als Basis aller Staatsverwaltung angenommen wurde. Doch was ist das Princip vom Julius 1830 geworden, was hat Frankreich gewonnen, und was hat es zu erwarten? – Die stets zunehmende Gährung in allen Theilen des Reiches kann keinem Auge entgehen; nur wenn früher, unter ungleich leichteren Verhältnissen, dauernde Hemmung herbeigeführt, oder wenigstens der Ausbruch verhindert werden konnte, so ist dieß jetzt ganz unmöglich geworden: alle geheimen Triebfedern, um Zeit zu gewinnen, um eine allgemeine Explosion, eine Conflagration aller entzündbaren Elemente zu verhindern oder sie hinauszuschieben, liegen zu Tage; sie haben ausgespielt, und Frankreich gleicht einem im Todeskrampf, in hoffnungsloser Agonie dahinschwindenden Kranken, der den Chronometer zur Hand seine Todesstunde kennt, und sie langsam und doch sichern Schrittes herannahen sieht. Nicht eine Secunde wird fehlen, der Moment ist gezählt – es ist Ludwig Philipps Todestag. Ja, das ist das wichtigste Leben auf Erden, und von Ludwig Philipps Existenz hängt die Gestalt Frankreichs, der Friede der Welt ab. Wer an Ordnung und Stabilität hält, und ungewiß der Dinge, die der morgige Tag bringen wird, das zu bewahren trachtet, was noch von den Stürmen der Zeiten, bei fortschreitendem Umsichgreifen verderblicher Principien, gerettet und erhalten worden ist, der muß Ludwig Philipp ein langes Leben wünschen, welcher politischen Meinung er auch immer angehören möge. Ich will hier nicht Ludwig Philipps Lobrede schreiben, noch in sein Herz und sein Gewissen schauen; ich bin weit entfernt sein Anhänger zu seyn, aber Eine Gerechtigkeit muß man ihm widerfahren lassen: die Aufgabe, die er sich gesetzt, hat er bisher meisterhaft durchgeführt; was er gethan, macht ihm keiner nach. Vergleichen wir seine Handlungsweise, wenn auch nur in Einem Punkte, mit der der ältern Bourbonen. Wenn ein Gefühl in der Seele aller Franzosen Wiederhall findet, so ist es Nationalehre und Nationalstolz; kriegerischer Geist kann dem Gewürzkrämer von Paris eben so wenig als dem Bauer der Bretagne abgesprochen werden, und doch fielen die ältern Bourbonen, nachdem sie zur Befreiung Griechenlands mitgewirkt und die weiße Fahne auf der Kasbah von Algier aufgepflanzt hatten. – Die Juliusdynastie hat nichts für Frankreichs Ruhm gethan; der Tractat von der Tafna, die Räumung Ancona's, die zweifelhafte Rolle des Ministeriums Sebastiani während der polnischen Insurrection, die Zurückgabe des Forts von San Juan de Ulloa, ohne der Indemnität versichert zu seyn, die doppelzüngige Politik der Regierung in den spanischen Angelegenheiten, und zuletzt das schwache Eingreifen Frankreichs in der orientalischen Frage wurden von Anfang bis jetzt jedem Ministerium von jeder Opposition vorgeworfen. Die Charte von 1830 ist zehnmal mehr, und gröber verletzt worden als die von 1815 (?); die Abgaben aller Art sind drückender, die financielle Krisis im ganzen Umfange Frankreichs und seiner Colonien weit größer als je während der Restauration; die Unzufriedenheit aller arbeitenden Classen nimmt immer mehr zu; nie waren so viele Emeuten als jetzt, nie wurde weder auf Ludwig XVIII noch auf Karl X geschossen, und doch hält sich Ludwig Philipp und wird sich halten... er sitzt fest auf seinem Throne, denn Ludwig Philipps Lage ist exceptionell und rein persönlich, sie verschwindet mit ihm und seinem Leben. Dieses politische Phänomen muß um so mehr auffallen, wenn wir die Hauptparteien, die Frankreich bewegen, beobachten, und einen Blick auf die lebenden Fragen werfen wollen, die alle Gemüther jetzt beschäftigen. Die Anhänger der jetzigen Dynastie und diejenigen, welche noch an die Möglichkeit einer constitutionellen Monarchie, in gewissenhafter Beobachtung der Charte von 1830 glauben, bilden, wenn gleich von einander strenge geschieden, die conservativen Parteien; die ersteren sind die Freunde des Bestehenden, die zweiten fürchten zu gewaltsame Veränderung. Die Republicaner und Legitimisten *) Die Redaction bemerkt, daß ihr diese Mittheilung schon in der ersten Hälfte Januars zugekommen, deren Aufnahme aber aus innern und äußern Gründen verzögert worden war, bis der Redaction, beim Eintritt der jüngsten Ereignisse in Frankreich, von mehr als Einer Seite die Anregung zukam, sich nicht zu verschließen vor der, wenn auch nach der Ansicht der Redaction in wesentlichen Punkten zu grellen Schilderung der Lage Frankreichs, wie sie hier dem Auge eines streng legitimistischen Beobachters erscheint.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0011" n="0739"/> London, Niagara und Cornwall; in Nieder-Canada: Montreal, Quebec und Three-Rivers. In neun Fällen haben wir nieder-canadische Grafschaften, welche durch die Acte von 1829 in zwei zerfällt waren, wieder in eine zusammengezogen. So wird die Assembly im Ganzen 78 Mitglieder zählen. Die <hi rendition="#g">Dauer</hi> der Assembly war bisher in beiden Provinzen <hi rendition="#g">vierjährig</hi>; zur Abänderung dieser Praxis liegt kein Grund vor. Was die <hi rendition="#g">legislativen Befugnisse</hi> des Assemblyhauses betrifft, so sollen diese im Allgemeinen ertheilt, für gewisse Punkte aber die Zustimmung der Krone vorbehalten bleiben. Bittet ein oder das andere Haus, die Assembly oder das legislative Conseil um Verwerfung einer Maaßregel, so soll dieser die königliche Genehmigung nicht ertheilt werden; mit andern Worten: die königliche Sanction eines Gesetzes ist durch die Einhelligkeit beider Kammern bedingt. Zu den an und für sich reservirten Punkten gehören unter andern die Regulirungen, welche die protestantische Kirche oder die römisch-katholische Religion betreffen. Eine höchst wichtige Aenderung in den legislativen Gewalten des canadischen Parlaments hat Lord Durham vorgeschlagen: nämlich daß, unsern constitutionellen Grundsätzen im Mutterland gemäß, bei Geldvoten die Initiative nicht von der Assembly ausgehen, vielmehr jede Discussion und Abstimmung über Geldfragen durch eine Botschaft vom Gouverneur bedingt seyn soll, wobei jedoch der Assembly das Recht gebühre, Adressen darüber an den Gouverneur zu richten. Es ist dieß ein Punkt vom höchsten Belang, tief verwoben mit den unglücklichen Vorfällen der letzten Jahre in der untern Provinz, und mit so manchem Anstand, der sich in den Nachbarprovinzen ergeben. Eine Hauptrubrik dieser Geldfragen ist, was Sir George Murray die Civilliste einer Colonie benamt hat. Das Versammlungshaus von Ober-Canada hat den Wunsch ausgedrückt, für den Gouverneur und den Richterstand eine <hi rendition="#g">permanente</hi> Appropriation zu treffen. Die Regierung beabsichtigt diesem Wunsche zu willfahren, und überhaupt den ganzen Etat der Civiladministration in Canada entweder auf eine Periode von zehn Jahren oder für die Lebensdauer des jeweiligen Souveräns von Großbritannien votiren zu lassen.“ Die jährlichen Ausgaben für den Gouverneur und die Rechtspflege berechnet Lord J. Russell auf 45,000 Pf., die übrigen Kosten, einschließlich 5000 bis 6000 Pf. für Pensionen, auf 30,000 Pf. Sterl. Als Ersatz für diese der Krone eingeräumte größere Gewalt soll die Assembly eine erweitere Controle über die Beamten und die Vertheilung und Verausgabung der öffentlichen Gelder erhalten.</p><lb/> <p>(Beschluß folgt.)</p><lb/> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Frankreich im Beginn von 1840</hi>.</hi> <note place="foot" n="*)"> Die Redaction bemerkt, daß ihr diese Mittheilung schon in der ersten Hälfte Januars zugekommen, deren Aufnahme aber aus innern und äußern Gründen verzögert worden war, bis der Redaction, beim Eintritt der jüngsten Ereignisse in Frankreich, von mehr als Einer Seite die Anregung zukam, sich nicht zu verschließen vor der, wenn auch nach der Ansicht der Redaction in wesentlichen Punkten zu grellen Schilderung der Lage Frankreichs, wie sie hier dem Auge eines streng legitimistischen Beobachters erscheint.</note> </head><lb/> <p>Das gefürchtete Jahr 1840 hat begonnen; beinahe zehn Jahre sind vorübergegangen, seit in drei Tagen die ältern Bourbonen von ihrem Thron gestürzt, eine neue Dynastie eingesetzt, ein neues Princip – die Volkssouveränetät – als Basis aller Staatsverwaltung angenommen wurde. Doch was ist das Princip vom Julius 1830 geworden, was hat Frankreich gewonnen, und was hat es zu erwarten? – Die stets zunehmende Gährung in allen Theilen des Reiches kann keinem Auge entgehen; nur wenn früher, unter ungleich leichteren Verhältnissen, dauernde Hemmung herbeigeführt, oder wenigstens der Ausbruch verhindert werden konnte, so ist dieß jetzt ganz unmöglich geworden: alle geheimen Triebfedern, um Zeit zu gewinnen, um eine allgemeine Explosion, eine Conflagration aller entzündbaren Elemente zu verhindern oder sie hinauszuschieben, liegen zu Tage; sie haben ausgespielt, und Frankreich gleicht einem im Todeskrampf, in hoffnungsloser Agonie dahinschwindenden Kranken, der den Chronometer zur Hand seine Todesstunde kennt, und sie langsam und doch sichern Schrittes herannahen sieht. Nicht eine Secunde wird fehlen, der Moment ist gezählt – es ist <hi rendition="#g">Ludwig Philipps Todestag</hi>. Ja, das ist das <hi rendition="#g">wichtigste</hi> Leben auf Erden, und von Ludwig Philipps Existenz hängt die Gestalt Frankreichs, der Friede der Welt ab. Wer an Ordnung und Stabilität hält, und ungewiß der Dinge, die der morgige Tag bringen wird, das zu bewahren trachtet, was noch von den Stürmen der Zeiten, bei fortschreitendem Umsichgreifen verderblicher Principien, gerettet und erhalten worden ist, der muß Ludwig Philipp ein langes Leben wünschen, welcher politischen Meinung er auch immer angehören möge. Ich will hier nicht Ludwig Philipps Lobrede schreiben, noch in sein Herz und sein Gewissen schauen; ich bin weit entfernt sein Anhänger zu seyn, aber Eine Gerechtigkeit muß man ihm widerfahren lassen: die Aufgabe, die er sich gesetzt, hat er bisher meisterhaft durchgeführt; was er gethan, macht ihm keiner nach. Vergleichen wir seine Handlungsweise, wenn auch nur in Einem Punkte, mit der der ältern Bourbonen. Wenn ein Gefühl in der Seele aller Franzosen Wiederhall findet, so ist es Nationalehre und Nationalstolz; kriegerischer Geist kann dem Gewürzkrämer von Paris eben so wenig als dem Bauer der Bretagne abgesprochen werden, und doch fielen die ältern Bourbonen, nachdem sie zur Befreiung Griechenlands mitgewirkt und die weiße Fahne auf der Kasbah von Algier aufgepflanzt hatten. – Die Juliusdynastie hat nichts für Frankreichs Ruhm gethan; der Tractat von der Tafna, die Räumung Ancona's, die zweifelhafte Rolle des Ministeriums Sebastiani während der polnischen Insurrection, die Zurückgabe des Forts von San Juan de Ulloa, ohne der Indemnität versichert zu seyn, die doppelzüngige Politik der Regierung in den spanischen Angelegenheiten, und zuletzt das schwache Eingreifen Frankreichs in der orientalischen Frage wurden von Anfang bis jetzt jedem Ministerium von jeder Opposition vorgeworfen. Die Charte von 1830 ist zehnmal mehr, und gröber verletzt worden als die von 1815 (?); die Abgaben aller Art sind drückender, die financielle Krisis im ganzen Umfange Frankreichs und seiner Colonien weit größer als je während der Restauration; die Unzufriedenheit aller arbeitenden Classen nimmt immer mehr zu; nie waren so viele Emeuten als jetzt, nie wurde weder auf Ludwig XVIII noch auf Karl X geschossen, und doch hält sich Ludwig Philipp und wird sich halten... er sitzt fest auf seinem Throne, denn Ludwig Philipps Lage ist exceptionell und rein persönlich, sie verschwindet mit ihm und seinem Leben.</p><lb/> <p>Dieses politische Phänomen muß um so mehr auffallen, wenn wir die Hauptparteien, die Frankreich bewegen, beobachten, und einen Blick auf die lebenden Fragen werfen wollen, die alle Gemüther jetzt beschäftigen. Die Anhänger der jetzigen Dynastie und diejenigen, welche noch an die Möglichkeit einer constitutionellen Monarchie, in gewissenhafter Beobachtung der Charte von 1830 glauben, bilden, wenn gleich von einander strenge geschieden, die conservativen Parteien; die ersteren sind die Freunde des Bestehenden, die zweiten fürchten zu gewaltsame Veränderung. Die Republicaner und Legitimisten<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0739/0011]
London, Niagara und Cornwall; in Nieder-Canada: Montreal, Quebec und Three-Rivers. In neun Fällen haben wir nieder-canadische Grafschaften, welche durch die Acte von 1829 in zwei zerfällt waren, wieder in eine zusammengezogen. So wird die Assembly im Ganzen 78 Mitglieder zählen. Die Dauer der Assembly war bisher in beiden Provinzen vierjährig; zur Abänderung dieser Praxis liegt kein Grund vor. Was die legislativen Befugnisse des Assemblyhauses betrifft, so sollen diese im Allgemeinen ertheilt, für gewisse Punkte aber die Zustimmung der Krone vorbehalten bleiben. Bittet ein oder das andere Haus, die Assembly oder das legislative Conseil um Verwerfung einer Maaßregel, so soll dieser die königliche Genehmigung nicht ertheilt werden; mit andern Worten: die königliche Sanction eines Gesetzes ist durch die Einhelligkeit beider Kammern bedingt. Zu den an und für sich reservirten Punkten gehören unter andern die Regulirungen, welche die protestantische Kirche oder die römisch-katholische Religion betreffen. Eine höchst wichtige Aenderung in den legislativen Gewalten des canadischen Parlaments hat Lord Durham vorgeschlagen: nämlich daß, unsern constitutionellen Grundsätzen im Mutterland gemäß, bei Geldvoten die Initiative nicht von der Assembly ausgehen, vielmehr jede Discussion und Abstimmung über Geldfragen durch eine Botschaft vom Gouverneur bedingt seyn soll, wobei jedoch der Assembly das Recht gebühre, Adressen darüber an den Gouverneur zu richten. Es ist dieß ein Punkt vom höchsten Belang, tief verwoben mit den unglücklichen Vorfällen der letzten Jahre in der untern Provinz, und mit so manchem Anstand, der sich in den Nachbarprovinzen ergeben. Eine Hauptrubrik dieser Geldfragen ist, was Sir George Murray die Civilliste einer Colonie benamt hat. Das Versammlungshaus von Ober-Canada hat den Wunsch ausgedrückt, für den Gouverneur und den Richterstand eine permanente Appropriation zu treffen. Die Regierung beabsichtigt diesem Wunsche zu willfahren, und überhaupt den ganzen Etat der Civiladministration in Canada entweder auf eine Periode von zehn Jahren oder für die Lebensdauer des jeweiligen Souveräns von Großbritannien votiren zu lassen.“ Die jährlichen Ausgaben für den Gouverneur und die Rechtspflege berechnet Lord J. Russell auf 45,000 Pf., die übrigen Kosten, einschließlich 5000 bis 6000 Pf. für Pensionen, auf 30,000 Pf. Sterl. Als Ersatz für diese der Krone eingeräumte größere Gewalt soll die Assembly eine erweitere Controle über die Beamten und die Vertheilung und Verausgabung der öffentlichen Gelder erhalten.
(Beschluß folgt.)
Frankreich im Beginn von 1840. *)
Das gefürchtete Jahr 1840 hat begonnen; beinahe zehn Jahre sind vorübergegangen, seit in drei Tagen die ältern Bourbonen von ihrem Thron gestürzt, eine neue Dynastie eingesetzt, ein neues Princip – die Volkssouveränetät – als Basis aller Staatsverwaltung angenommen wurde. Doch was ist das Princip vom Julius 1830 geworden, was hat Frankreich gewonnen, und was hat es zu erwarten? – Die stets zunehmende Gährung in allen Theilen des Reiches kann keinem Auge entgehen; nur wenn früher, unter ungleich leichteren Verhältnissen, dauernde Hemmung herbeigeführt, oder wenigstens der Ausbruch verhindert werden konnte, so ist dieß jetzt ganz unmöglich geworden: alle geheimen Triebfedern, um Zeit zu gewinnen, um eine allgemeine Explosion, eine Conflagration aller entzündbaren Elemente zu verhindern oder sie hinauszuschieben, liegen zu Tage; sie haben ausgespielt, und Frankreich gleicht einem im Todeskrampf, in hoffnungsloser Agonie dahinschwindenden Kranken, der den Chronometer zur Hand seine Todesstunde kennt, und sie langsam und doch sichern Schrittes herannahen sieht. Nicht eine Secunde wird fehlen, der Moment ist gezählt – es ist Ludwig Philipps Todestag. Ja, das ist das wichtigste Leben auf Erden, und von Ludwig Philipps Existenz hängt die Gestalt Frankreichs, der Friede der Welt ab. Wer an Ordnung und Stabilität hält, und ungewiß der Dinge, die der morgige Tag bringen wird, das zu bewahren trachtet, was noch von den Stürmen der Zeiten, bei fortschreitendem Umsichgreifen verderblicher Principien, gerettet und erhalten worden ist, der muß Ludwig Philipp ein langes Leben wünschen, welcher politischen Meinung er auch immer angehören möge. Ich will hier nicht Ludwig Philipps Lobrede schreiben, noch in sein Herz und sein Gewissen schauen; ich bin weit entfernt sein Anhänger zu seyn, aber Eine Gerechtigkeit muß man ihm widerfahren lassen: die Aufgabe, die er sich gesetzt, hat er bisher meisterhaft durchgeführt; was er gethan, macht ihm keiner nach. Vergleichen wir seine Handlungsweise, wenn auch nur in Einem Punkte, mit der der ältern Bourbonen. Wenn ein Gefühl in der Seele aller Franzosen Wiederhall findet, so ist es Nationalehre und Nationalstolz; kriegerischer Geist kann dem Gewürzkrämer von Paris eben so wenig als dem Bauer der Bretagne abgesprochen werden, und doch fielen die ältern Bourbonen, nachdem sie zur Befreiung Griechenlands mitgewirkt und die weiße Fahne auf der Kasbah von Algier aufgepflanzt hatten. – Die Juliusdynastie hat nichts für Frankreichs Ruhm gethan; der Tractat von der Tafna, die Räumung Ancona's, die zweifelhafte Rolle des Ministeriums Sebastiani während der polnischen Insurrection, die Zurückgabe des Forts von San Juan de Ulloa, ohne der Indemnität versichert zu seyn, die doppelzüngige Politik der Regierung in den spanischen Angelegenheiten, und zuletzt das schwache Eingreifen Frankreichs in der orientalischen Frage wurden von Anfang bis jetzt jedem Ministerium von jeder Opposition vorgeworfen. Die Charte von 1830 ist zehnmal mehr, und gröber verletzt worden als die von 1815 (?); die Abgaben aller Art sind drückender, die financielle Krisis im ganzen Umfange Frankreichs und seiner Colonien weit größer als je während der Restauration; die Unzufriedenheit aller arbeitenden Classen nimmt immer mehr zu; nie waren so viele Emeuten als jetzt, nie wurde weder auf Ludwig XVIII noch auf Karl X geschossen, und doch hält sich Ludwig Philipp und wird sich halten... er sitzt fest auf seinem Throne, denn Ludwig Philipps Lage ist exceptionell und rein persönlich, sie verschwindet mit ihm und seinem Leben.
Dieses politische Phänomen muß um so mehr auffallen, wenn wir die Hauptparteien, die Frankreich bewegen, beobachten, und einen Blick auf die lebenden Fragen werfen wollen, die alle Gemüther jetzt beschäftigen. Die Anhänger der jetzigen Dynastie und diejenigen, welche noch an die Möglichkeit einer constitutionellen Monarchie, in gewissenhafter Beobachtung der Charte von 1830 glauben, bilden, wenn gleich von einander strenge geschieden, die conservativen Parteien; die ersteren sind die Freunde des Bestehenden, die zweiten fürchten zu gewaltsame Veränderung. Die Republicaner und Legitimisten
*) Die Redaction bemerkt, daß ihr diese Mittheilung schon in der ersten Hälfte Januars zugekommen, deren Aufnahme aber aus innern und äußern Gründen verzögert worden war, bis der Redaction, beim Eintritt der jüngsten Ereignisse in Frankreich, von mehr als Einer Seite die Anregung zukam, sich nicht zu verschließen vor der, wenn auch nach der Ansicht der Redaction in wesentlichen Punkten zu grellen Schilderung der Lage Frankreichs, wie sie hier dem Auge eines streng legitimistischen Beobachters erscheint.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |